Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

(Unruhe bei der CDU)

Dies, weil das bisherige Regierungshandeln den Kommunen und den Bürgern den Eindruck vermittelte, als bestünde bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ein Ermessen. Anders ist nicht zu erklären, dass immer noch rund 300 Gemeinden in diesem Land keine Straßenausbaubeitragssatzungen haben. Eine rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen wurde bisher durch das Regierungshandeln auch nicht als zwingend vorausgesetzt.

Nun hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht die Gesetzeslage in Thüringen interpretiert. Die ist allen bekannt. Hier wäre es selbstverständlich gewesen, wenn die Landesregierung oder die CDU gehandelt hätten und die Gesetzeslage ihrem bisherigen Handeln angepasst hätten, und zwar den Realitäten. Die gehen davon aus, bisher haben Gemeinden und Bürger unterstellt, es gäbe ein Ermessen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer die heutige Ausgabe der „Thüringischen Landeszeitung“ liest, der erkennt das gesamte Spannungsfeld der Diskussion und der wird auch noch mal bestätigt bekommen haben, es ist ein landesweites Problem. Landesweite Proteste sind nicht ausgeschlossen, deshalb sollte jetzt gehandelt werden. Wie nervös im Bereich der Kommunalabgaben gegenwärtig gehandelt wird, zeigt der Fall in Wolfsberg, wo selbst ein Bürger wegen einer Beitragsschuld von 544 € in Ersatzerzwingungshaft genommen wird, eine Art der Kriminalisierung, die wir ablehnen, weil es in diesem Zusammenhang um Freiheitsrechte geht, die aus unserer Sicht auf der Strecke bleiben.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Ohne Er- folg!)

Meine Damen und Herren, auch Einzelfalllösungen, wie sie in der Diskussion sind, reichen aus unserer Sicht nicht aus, weil wir nicht wissen, nach welchen Kriterien sollen denn Einzelfallprüfungen und -lösungen erfolgen. Vielleicht geht es nach Parteibuch.

Uns ist ein Fall bekannt geworden, ein Bürgermeister einer Südthüringer Gemeinde ist durch die Kommunalaufsicht aufgefordert worden, eine Satzung zu erlassen, sonst wird der Haushalt mit der Kreditaufnahme nicht genehmigt. Dieser Bürgermeister, CDU, war auf dem Landesparteitag der CDU in Dermbach, hat dort ein Gespräch mit dem Innenminister geführt und er kommt zurück und berichtet: Wir brauchen erst mal keine Satzung zu machen, unser Haushalt wird mit der geplanten Kreditaufnahme genehmigt. So kann es aus unserer Sicht nicht gehen. Wir fordern deshalb eine gesetzliche Regelung und haben hierzu heute diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Danke schön. Als erste Rednerin hat das Wort Abgeordnete Taubert, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Linkspartei.PDS-Fraktion hat bereits im November 2005 im Entwurf eines Thüringer Kommunalrechtsänderungsgesetzes mit fast gleichen Forderungen die Erhebungspflicht von Straßenausbaubeiträgen in einer Kannbestimmung vorgesehen. Sie hat dies damit begründet, dass nur rund zwei Drittel, also 66 Prozent, der Kommunen eine Satzung besitzen. Sie hat damals anerkannt, dass die Gemeinden grundsätzlich verpflichtet sind, für die investiven Straßenbaumaßnahmen Beiträge zu erheben. Herr Kuschel, ich denke mal, an der Stelle muss man sagen, das Gericht hat ja nicht nur interpretiert, das Gericht hat einfach festgestellt, was Rechtslage ist, es hat das noch mal bekräftigt, der Ermessensspielraum hat auch 1991 gegen null tendiert.

(Beifall bei der SPD)

Es gab also - wie Sie es mit Ihren Äußerungen darstellten - niemals seit Inkrafttreten des Thüringer Kommunalabgabengesetzes diesen Spielraum. Ich persönlich kann mich auch in meiner Tätigkeit als Kommunalpolitikerin nicht entsinnen, dass ein Bürgermeister das nicht gewusst hat. Der rückwirkende Ärger resultiert doch einzig und allein daraus, dass die bestehenden Gesetze nicht umgesetzt wurden. Da gebe ich Ihnen ja recht, die Kommunalaufsichten waren aus wahltaktischen Gründen - auch das haben wir zur letzten Aktuellen Stunde ja schon ausgetauscht - und wegen des großen Widerstands auch von Bürgermeistern und vom Innenministerium nicht verpflichtet worden, die Gesetzeslage von Anfang an konsequent umzusetzen. Die von Ihnen angespro

chene Berliner Regelung halten wir nicht für eine Alternative zu Thüringen. Ich würde auch Sie, oder wer immer zu dem Thema von Ihnen noch sprechen wird, bitten, mal genau zu benennen, auf welchen Paragraphen Sie sich in Berlin stützen, Ihre Fraktion hat das Gesetz ja dankenswerterweise eingebracht. Ich kann persönlich nichts daraus lesen. Ich kann nur daraus lesen, dass die Berliner genau unsere Regelungen haben, nämlich, wenn das Gesetz einmal vorhanden ist, dann müssen auch Beiträge bezahlt werden und alles, was vor Entstehung des Gesetzes war, kann natürlich nicht herangezogen werden. Aber das ist ja in Thüringen auch so gewesen.

Wir haben durch die Unentschlossenheit und Zögerlichkeit der Landesregierung nunmehr in einigen Gemeinden eine teilweise brisante Situation. Zum einen haben sich die Bürgermeister wider besseres Wissen und mit Duldung der Kommunalaufsichten Bürgern gegenüber aus dem Fenster gelehnt und beteuert, in ihrem Ort gäbe es keine Straßenausbaubeiträge. Zum anderen haben sich Bürgermeister, deren Gemeinde über weniger finanzielle Mittel verfügten, dieser Einnahmequelle bedient bzw. bedienen müssen, manche mit bürgerfreundlichen Lösungen - da kann ich Ihnen eine Reihe von Gemeinden aufzählen - und manche mit bürgerunfreundlichen Lösungen und auch die sind, denke ich, hinreichend bekannt. Es ist Ungerechtigkeit im Land entstanden, die auch mit diesem Gesetzentwurf nicht behoben werden kann, aber auch mit keinem anderen, das will ich deutlich sagen. Es gibt keine Gerechtigkeit an dieser Stelle, das wollte ich damit nur zum Ausdruck bringen.

Sie sprechen sich ja auch nicht für eine komplette Abschaffung der Straßenausbaubeiträge aus und eine Rückzahlung sieht das Gesetz auch nicht vor. Die Bürger in einer finanziell schlechter gestellten Gemeinde werden in jedem Fall schlechter gestellt als die Bürger in einer reicheren Gemeinde. Sie wissen alle, das sind nicht nur selbst verschuldete Gemeinden, also nicht nur aus Eigenverschulden in eine Verschuldensfalle geratene Gemeinden. Wir haben eben strukturschwache Kommunen und strukturstarke Kommunen und den strukturstärkeren hat es in der Vergangenheit halt nichts ausgemacht, ihre eigenen Einnahmen für den Straßenausbau zu verwenden. Wir hatten in der Aktuellen Stunde bereits gesagt, dass wir eine einzelfallbezogene Entscheidung bevorzugen und natürlich auch das Mitverschulden der Landesregierung einbezogen sein muss. Auch wir halten es für richtig, dass es dazu Rahmenbedingungen und Eckpunkte gibt, nach denen alle Gemeinden bewertet werden.

Wir halten an diesen Argumenten fest und würden es begrüßen, wenn Ihr Gesetzentwurf im Innenausschuss beraten werden kann, denn es gibt zunächst

einmal über die aktuelle Lage zu berichten von der Landesregierung und auch zur Vorgehensweise, wie man momentan mit den Situationen in den einzelnen Gemeinden umgeht, dass wir uns dann ein Bild machen können und auch noch mal darüber reden können, was für eine Auswirkung dieser Gesetzentwurf auf die Kommunen hat, auch rechts und links von den Kommunen, die momentan noch keine Satzung haben. Danke.

(Beilfall bei der SPD)

Als nächste Rednerin folgt Abgeordnete Stauche, CDU-Fraktion.

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren, wieder mal ein Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS - alter Wein in neuen Schläuchen.

(Beifall bei der CDU)

Der Gesetzentwurf wiederholt im Wesentlichen die Forderungen der Linkspartei.PDS vom November 2005 in ihrem Thüringer Kommunalrechtsänderungsgesetz, damals Drucksache 4/1310,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die Versprecher werden immer größer.)

bloß die Zielrichtungen sind eben diesmal nur die Straßenausbaubeiträge. Aber man glaubt ja erkannt zu haben, dass man mit dem Thema „Straßenausbaubeiträge“ populistisch mehr erreichen kann als mit dem damals vorgeschlagenen Gesetz. Ich denke, die derzeitige Regelung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes ist sinnvoll und bedarf keiner Änderung. Im Bereich des Straßenausbaubeitragsrechts ist die Möglichkeit einer bürgerfreundlichen und kostenneutralen Weiterentwicklung im Rahmen des Artikels 3 des Grundgesetzes und des Artikels 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen, Gleichheitssatz, umfassend geprüft worden. Im Ergebnis gibt es keine Alternative zu der derzeitigen Regelung. Eine rückwirkende Gesetzesänderung so, wie sie hier gefordert wird, scheidet aus Rechtsgründen aus. Das dürften auch selbst Sie, Herr Kuschel, wissen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das nicht wissen, Sie stellen sich wahrscheinlich nur manchmal ein bisschen dumm, so habe ich immer den Eindruck.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da muss man mal Herrn Kaiser fragen.)

Es würde zu einer nicht vertretbaren Ungleichbehandlung derjenigen Bürger führen, die bereits Stra

ßenausbaubeiträge gezahlt haben gegenüber denjenigen, die hiervon freigestellt wurden. Auch Sie wissen das, das wäre noch eine größere Ungleichbehandlung als anders. Bei den Straßenausbaumaßnahmen haben zurzeit nur etwa über 100 Kommunen, die beitragspflichtige Maßnahmen angegeben haben, keine Straßenausbausatzungen erlassen; 650 Kommunen haben dies jedoch getan. Ferner wurden die Kommunen immer durch zahlreiche Rundschreiben auf die Beitragserhebungspflicht hingewiesen, nur einige haben sich eben permanent geweigert, dies zu tun. Und Ihre von Ihnen unterstützte Klage in Benshausen hat es ja nun zutage gebracht. Auch Sie haben sicher das Urteil gelesen, ich weiß aber nicht, ob Sie es begriffen haben oder Sie wollen es nicht begreifen. Ich gehe eher davon aus, dass Sie es nicht begreifen wollen, was dort drinsteht. Jetzt ist es klar, wie es laufen muss und laufen kann. Die zitierte Berliner Regelung, die Sie anstreben, Frau Taubert hat es vorhin auch schon gesagt, mir ist auch nicht ganz klar, Sie schreiben es eigentlich in Ihrer Begründung selbst, das Gesetz sagt, rückwirkend ist es nicht möglich seit dem Lauf des Gesetzes, aber es steht nicht drin, dass es rückwirkend mit der Straßenausbausatzung nicht geht. Also, ich weiß nicht, woher Sie die Begründung nehmen. Es ist eigentlich ganz logisch, dass ein Gesetz niemals rückwirkend wirken kann. Deshalb, denke ich, kann auch diese Gesetzesänderung, die Sie jetzt vorschlagen, einfach nicht wirken. Man kann kein Gesetz in die Vergangenheit machen. Ein Gesetz ist rechtsgültig, solange es besteht. Ein Gesetz auf die Vergangenheit zu machen - Herrgott, wo kommen wir da hin in unserer Demokratie? Ich weiß, Sie akzeptieren die Demokratie nicht so richtig.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Ich weiß, Sie pochen immer wieder auf die Demokratie und Sie wollen die Demokratie möglichst mit Ihren eigenen Mitteln schlagen, damit Sie dann wieder etwas anderes einführen können. Aber wir werden es zu verhindern versuchen. Zu Ihrem Vorschlag, in der Gesetzesänderung „sollen“ durch „können“ zu ändern: Sie müssen aus dem Gesetzesurteil von Benshausen mitbekommen haben, dass es in der Thüringer Kommunalordnung in § 54 einen Einnahmegrundsatz gibt. Den gibt es überall. Den gibt es auch in den Ländern, die in ihrem Kommunalabgabengesetz „können“ stehen haben. Es gibt viele Länder, die haben „können“ in ihrem Kommunalabgabengesetz stehen. Die haben aber trotzdem den Einnahmegrundsatz. Das gilt dann auch für Thüringen. Der Einnahmegrundsatz, wenn ich es Ihnen noch mal vorlesen muss, damit Sie es wissen: Entgelt für erbrachte Leistungen der Gemeinden, also für jeden individuell, ist zuerst anzustellen und dann kommen die Steuern, die die Allgemeinheit bezahlt. Nicht die Allgemeinheit soll den Vorteil eines Ein

zelnen bezahlen, sondern jeder Einzelne zahlt für den Vorteil selbst. Die dritte Einnahmeart sind die Kredite. Wenn wir das machen, ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Gemeinde ohne Kredite ausgekommen ist und dann keine Straßenausbaubeiträge erhoben hat.

Abgeordnete Stauche, lassen Sie eine Zwischenfrage...

Ich bin sofort fertig.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, Die Links- partei.PDS: Ein Glück!)

Wie Sie meinen. Also, wie gesagt, ich habe es Ihnen auch vorhin schon gesagt, in dieser Sache zurück - die Berliner Regelung ist nicht anzuwenden hier, da die Berliner Regelung wirklich auf den Beginn des Gesetzes abzielt und nicht den Erlass der Straßenausbausatzung. Dann geht es noch mal um die Zurückerstattungen von Straßenausbaubeiträgen. Herr Kuschel, ich kann mir schon vorstellen, was Sie damit wollen. Sie wollen Begehrlichkeiten in der Bevölkerung schaffen, die die Gemeinden einfach nicht leisten können. Da brauchen wir uns doch nichts vorzumachen. Sie wollen dort einfach Begehrlichkeiten schaffen, weiter nichts.

(Beifall bei der CDU)

Das ist einzig und allein Ihre Sache. Ich denke, dass die Gemeinden, die halbwegs hingekommen sind, sich bis jetzt so und so um die Straßenausbaubeiträge gedrückt haben. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Wenn die Leistungsfähigkeit nicht gefährdet ist, das kann ich Ihnen auch aus kommunaler Praxis sagen, die Leistungsfähigkeit ist oftmals gut in den Gemeinden und die wird auch manchmal schöngeschrieben. Zwei, drei Jahre später sieht sie katastrophal aus. Wie wollen Sie das denn regeln mit Ihrem Gesetzentwurf? Das wäre ja dann für die Gemeinde eine absolute Katastrophe. Also dieser Gesetzentwurf wird von uns rundheraus abgelehnt. Danke schön.

Jetzt die Zwischenfrage der Abgeordneten Reimann bitte.

Mag ja sein, dass Herr Kuschel Sie verstanden hat, ich aber nicht, deshalb meine Nachfrage: Für eine

Gemeinde, die wiederkehrende Beiträge beschlossen hat seit beispielsweise 2004, sollen die nun rückwirkend Einmalbeiträge erheben müssen oder wird es die von Herrn Althaus angekündigte Einzelfallprüfung geben? Was ist denn nun richtig?

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist eine gute Frage.)

Es sind sicher individuelle Fälle, die kann ich Ihnen auch nicht beantworten. Da muss man sich jeden Fall speziell ansehen und muss den bearbeiten. So wird es eigentlich auch gemacht. Es wird ja mit dem Landesverwaltungsamt auch …

Ist das dann Politik nach Parteibuch oder ist das dann auch noch gesetzlich nachvollziehbar?

Entschuldigen Sie mal, wir leben doch in einer Demokratie. Das hat doch mit Parteibuch nichts zu tun. Das haben Sie vielleicht früher so gemacht. Aber wir machen es nicht so. Danke.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Sehr witzig, das war ja wohl kein Beitrag, Frau Stauche.)

Als nächste Rednerin spricht jetzt Abgeordnete Enders, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit meiner Erfahrung als Bürgermeisterin und mit meiner Überzeugung, dass wir in Thüringen grundsätzlich auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichten sollten,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

und der dazu im Widerspruch stehenden, aber an den gesetzlichen Rahmenbedingungen orientierten Praxis auch in meiner Heimatstadt, den kommunalen Straßenausbau mittels Straßenausbaubeiträgen finanzieren zu müssen, möchte ich Ihnen noch einmal eindringlich sagen: Stimmen Sie dem von der Linkspartei.PDS beantragten Gesetz zu.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, das OVG in Weimar sieht die im Freistaat geltende Rechtslage so, dass alle Gemeinden verpflichtet sind, eine Straßenausbaubeitragssatzung zu erlassen und zur Anwendung zu bringen. Das Neue daran ist - und für mich ist das auch neu, ob die Städte und Gemeinden das wollen oder nicht, Frau Taubert, da gehe ich mit Ihnen hier nicht konform -, dass es bis jetzt keine andere Alternative gegeben hätte. Wenn es keine andere Alternative gegeben hätte, dann hätte es nicht so viele Kommunen gegeben, die über keine Satzung verfügen.