Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt dabei: Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit. Ihre Bekämpfung geht uns alle an,
das Land, die Kommunen, die Verbände und Vereine und selbstverständlich die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb richte ich heute einen Appell vor allem an die Kommunen, aber auch an Sie, liebe Kollegen: Ziehen wir alle an einem Strang, damit häusliche Gewalt effektiv und nachhaltig bekämpft werden kann. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass wir heute Herrn Grüner hier mal erlebt haben, und ich freue mich auch auf seine aktive Mitarbeit
Frau Arenhövel betonte in den Medien - da oben sitzt sie - kurz nach ihrer Amtsübernahme als Gleichstellungsbeauftragte im Herbst 2004, dass die Aufrechterhaltung der bestehenden Schutzeinrichtungen für Frauen trotz des Gewaltschutzgesetzes erforderlich wäre. Anlass war der Tag der Internationalen Gewalt gegen Frauen.
So verheißungsvoll begann die frauenpolitische Legislaturperiode. Alle Träger wähnten sich in Sicherheit, die sich letztendlich aber als sehr trügerisch erweisen sollte. Ich habe damals in einer Rede hier an dieser Stelle in diesem Haus auf die Gefahren und Probleme hingewiesen, die sich aus der politischen Abwertung des Amtes der Gleichstellungsbeauftrag
ten und durch die Verlagerung zum Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit ergeben können. Ähnlich wie viele Frauen habe ich nicht geahnt, wie schlimm es tatsächlich werden würde.
Wir sind jetzt in der Hälfte der Legislaturperiode angekommen. Um die Situation der Frauenhäuser und Frauenschutzeinrichtungen in Thüringen treffend zu beschreiben, fällt mir nur ein einziger Begriff ein, liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir seit Beginn dieser Legislaturperiode in dieser Hinsicht erleben, so traurig wie es ist, ist wirklich der Gau, also der größte anzunehmende Unfall.
Und wenn man das recht bedenkt, mit Blick auf die Versprechungen im November 2004, wohl auch die größte anzunehmende Umfallerin. Kurz und bündig: Es ist mit Blick auf Förderung und Absprache ein zweifacher Gau.
Erstens: Von der Förderung des Jahres 2005 in Höhe von etwa 1,6 Mio. € stehen heute gerade noch einmal 720.000 € für die Finanzierung der Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen bereit. Seit 2005, das heißt seit der massiven Kürzung, beschlossen durch die CDU im Haushalt, und der Anfang 2006 überfallartigen Neukonzipierung der Landesförderung kommt keine Ruhe und keine Verlässlichkeit in diese Finanzierung. Zunächst werden Tagessätze erwogen, dann hat man den Eindruck, selbst ernannte Hotelmanager hätten vorübergehend die Beratung der Gleichstellungsbeauftragten übernommen.
Auf massiven Druck der Opposition wird im vergangenen Jahr schließlich die Förderung noch einmal auf das alte Niveau von 2005 für die übrig gebliebenen Frauenhäuser angehoben. Nun landen wir aktuell bei einer Finanzierung von 2.800 € pro Bett, mit der ebenfalls Frauenhaus auskommen kann. Alles ist wie im vergangenen Jahr schlicht und einfach ungeklärt.
Zum Zweiten handelt es sich um einen Gau, wenn es um die Kommunikation und Absprachen geht. Hier wurden immer wieder Versprechungen gemacht und nicht eingehalten. Es gibt die Information immer erst dann, wenn es in den Frauenhäusern schon brennt. Das gilt sowohl gegenüber den Landesarbeitsgemeinschaften als auch gegenüber dem Gleichstellungsausschuss. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie bereits Anfang des vergangenen Jahres - wir erinnern uns alle im Gleichstellungsausschuss daran - angeblich alles mit den kommunalen Spitzenverbänden und LAGs abgesprochen sein sollte. Mit welchen Verbänden und in welchem Bun
desland bitte, Frau Arenhövel? Denn wir erkennen heute, ein Jahr später, nichts, aber auch gar nichts dürfte in Thüringen bisher geklärt sein.
So sieht die Situation derzeit einfach aus. Deshalb bleibt festzustellen: Man kann mit den Trägern und den Landesarbeitsgemeinschaften und den Gleichstellungsbeauftragen einfach so nicht umgehen; man kann auch mit den kommunalen Spitzenverbänden einfach so nicht umgehen und man kann auch nicht mit einem öffentlichen Amt so umgehen, das ich nach wie vor für sehr wichtig und auch für unverzichtbar halte. Dafür muss dieses Amt aber wieder einen anderen und höheren Stellenwert bekommen. Es muss innerhalb der Landesregierung - und Herr Grüner kann sicherlich dazu sehr stark beitragen - wirklich gewollt und wieder einen höheren Stellenwert bekommen und kein vorgeschobenes Amt sein, also kein Feigenblatt. Dieses Amt muss sich durch eine Strategie statt durch dieses derzeitige Chaos auszeichnen. Davon sind wir aber so weit entfernt wie von der Aufrechterhaltung der Schutzeinrichtung für Frauen und ihre Kinder. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste auf der Besuchertribüne! Herr Grüner, ich freue mich natürlich, Sie einmal hier im Plenum reden gehört zu haben. Ich glaube, es war Ihre Jungfernrede.
Ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren, zumindest war es die erste, die ich erlebt habe. Ich fürchte nur, dass Sie heute reden durften, weil Frau Tasch wahrscheinlich - ich will es nicht „Maulkorb“ nennen - aufgrund ihrer Kritik an der Landesregierung für die Aktuelle Stunde nicht besonders angetan war, zu reden.
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Bei diesem Thema von „Jungfern“ zu reden, war auch nicht so recht angebracht.)
Meine Damen und Herren, die Situation der Frauenhäuser möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Hätten sich die Diäten im Lande Thüringen bei uns Abgeordneten so entwickelt wie die Landeszuschüsse für die Frauenhäuser, müssten wir im Landtag eine Mindestlohndebatte führen, weil wir dann bei knapp 1.500 € im Monat wären. Das heißt, die Mittel für die Frauenhäuser haben sich auf ca. 30 Prozent reduziert. Seit September 2005 - Frau Ehrlich-Strathausen hat völlig richtig darauf hingewiesen - hängen die Einrichtungen faktisch in der Luft. Damals wurde die Schließung einzelner Einrichtungen verkündet und die Schaffung von neuen Richtlinien. Bisher ist wenig passiert. Die Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden sind bisher grandios gescheitert. Das Ziel, die Sicherung der bestehenden Einrichtungen und die bedarfsgerechte Entwicklung der Frauenhauslandschaft, steht in den Sternen.
Zu der bedarfsgerechten Entwicklung der Frauenhauslandschaft möchte ich ganz kurz am Rande etwas sagen, meine Damen und Herren. Wir sprechen hier immer von bedarfsgerechten Angeboten und nehmen dazu Auslastungszahlen zur Hand. Das tut insbesondere die Landesregierung. Ich halte dieses Herangehen für grundsätzlich falsch, weil auch die Feuerwehr nicht dann abgeschafft wird, wenn es einfach zu selten gebrannt hat.
Im Moment herrscht, auch darauf wurde richtig hingewiesen, die völlige Unklarheit, wie es weitergeht. Im Jahre 2007 ist nur eines klar, bei den Frauenhäusern klafft ein riesiges Finanzloch. Die 2.800 €, die zur Verfügung gestellt werden pro Bett, reichen bei Weitem nicht aus. Ich will ganz kurz an einigen Beispielen sagen, was das bedeutet. Das bedeutet bei der Stadtmission in Erfurt einen Fehlbetrag von 23.000 €, in Weimar beim Frauenhaus von 33.000 € und im Eisenacher Frauenhaus sogar von 40.000 €. Die Frage ist, wie diese Löcher geschlossen werden können. Bedeutet das ein neues Frauenhaussterben? 2008 steht komplett in den Sternen.
Meine Damen und Herren, ich bezeichne das als frauenpolitischen Scherbenhaufen. Die Schuldfrage, die ja an der Stelle oft diskutiert wird, dazu möchte ich nur so viel ausführen: Natürlich ist es leicht, an der Stelle auf die Frauenbeauftragte und die Gleichstellungsbeauftragte der Landesregierung zu schauen und die Schuld auf sie abzuwälzen. Ich persönlich sage an dieser Stelle auch ganz klar: Natürlich ist an vielen Punkten diese Kritik auch gerechtfertigt, aber wir werden uns an dieser Stelle in dieser Schärfe nicht beteiligen. Ich möchte dazu ein, finde ich, ganz treffendes Zitat aus der heutigen TLZ aus einem Leserbrief von Andrea Wagner, Gleichstellungsbeauftragte von Weimar, zitieren: „Johanna Arenhövel,
sie wurde einst vom Landesvater Dieter Althaus ins offene Feld geschickt, um den Krieg der Geschlechter stellvertretend zu gewinnen für alle Seiten. Umzingelt von Feinden, die laut Herkunft doch ihre Freunde sein sollten …“
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: „Krieg der Geschlechter“ war wohl nicht so ganz passend.)
„Umzingelt von Feinden, die laut Herkunft ihre Freunde sein sollten, soll sie sich in der Schlacht behaupten. Dabei hat man vergessen, sie mit den nötigen Waffen auszustatten. Die hatte man ihr vorher abgenommen, weil sie wohl für eine Frau zu schwer sind - Entscheidungsmacht, Legitimationsmacht, Verantwortung und Geld.“ Ich finde dieses Zitat ausgesprochen treffend, weil es einfach nicht fair ist, jemanden zu beschimpfen, dass er nicht erfolgreich ist, wenn man ihn vorher entmachtet hat und aller Ressourcen oder dem Großteil der Ressourcen beraubt hat. Die Schuld trägt an dieser Stelle in meinen Augen eindeutig die Landesregierung und hier in besonderem Maße der Ministerpräsident. Das Problem ist, dass die Leidtragenden dummerweise wirklich die Schwächsten in der Gesellschaft sind. Wir fordern die Aufwertung der Arbeit, wir fordern entsprechende und ausreichende Finanzen für Frauenhäuser und für die Gewaltschutzarbeit insgesamt und wir fordern die Umsetzung der ja nun wirklich ausreichend vorhandenen Gesamtkonzepte gegen häusliche Gewalt. Ich danke Ihnen.
Mir liegen jetzt aus den Fraktionen keine weiteren Redeanmeldungen vor. Für die Landesregierung Minister Dr. Zeh, bitte.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kollege Grüner hat bereits ausführlich auf die Notwendigkeit von Frauenhäusern hingewiesen. Deshalb möchte ich das an der Stelle nicht noch einmal wiederholen. Ich möchte zwei Punkte aufgreifen; einmal möchte ich etwas zu dem Netz der Frauenhäuser sagen und zum Zweiten zur Finanzierung. Herr Grüner hat bereits gesagt, wir haben eine Umstrukturierung bei dem Netz der
Frauenhäuser realisiert und ich sage ausdrücklich, diese Umstrukturierung war notwendig. Sie war auch schmerzhaft, aber sie hat sich bewährt. Sie war schmerzhaft deshalb, weil es natürlich völlig klar ist, wenn man von einem Angebot 1,6 Plätze pro 10.000 Einwohner auf einen Platz pro 10.000 Einwohner zurückgeht, dann heißt das auch Abbau und dass es dafür keine Blumen von den Rängen regnet, das kann man sich vorstellen. Ich danke ausdrücklich Frau Arenhövel, dass sie sich dieser schweren Aufgabe auch zugewandt hat.
Jetzt sage ich etwas dazu, warum es notwendig war. Es war notwendig, weil die Auslastung der Frauenhäuser in einigen Bereichen sogar unter 25, in einem Einzelfall sogar unter 10 Prozent abgesunken war. Wenn das so ist, dann ist es eindeutig, dass wir Überkapazitäten finanzieren. Frau Wolf, Ihr Beispiel von den Feuerwehren, das möchte ich gerne aufgreifen. So wenig, wie wir die Feuerwehren abschaffen, so wenig schaffen wir auch die Frauenhäuser ab. Aber genauso wie es Unfug ist, pro kleiner Kommune zehn oder 20 Feuerwehren vorzuhalten, genauso ist es Unsinn, wenn man Überkapazitäten finanziert, die nicht notwendig sind.
Wir haben jetzt ein flächendeckendes Netz, das dem Durchschnitt der Bundesrepublik entspricht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass wir in Thüringen über eine größere Brutalität der Männer verfügen, dass wir eine wesentlich höhere Kapazität an Frauenhäusern benötigen als anderswo.
Meine Damen und Herren, zum zweiten Thema, zur Finanzierung: Der Rechnungshof hat in einer Bemerkung im Jahr 2001 die Landesregierung aufgefordert, die Finanzierung umzustellen, und zwar die kommunale Verantwortung stärker in die Finanzierung mit einzubeziehen. Das ergibt sich nach SGB XII, wo diese Aufgabe eindeutig den Kommunen zugeordnet ist. Wir hatten zugegebenermaßen bis dahin eine sehr opulente Finanzierung - 90 Prozent das Land, 10 Prozent die Kommunen. Die Kommunen haben sich nicht beklagt, warum auch? Wenn aber der Rechnungshof uns auffordert, die kommunale Eigenverantwortung stärker bei der Finanzierung mit in den Blick zu nehmen, dann müssen wir natürlich handeln. Wir haben das in der Weise getan, dass wir natürlich mit den Kommunen gesprochen haben, wir haben uns an einen Tisch gesetzt.
Jetzt haben Sie auf Ihre Art und Weise interpretiert, wie die Verhandlungen abgelaufen sind. Ich sage, wir haben zweimal nacheinander einen Vorschlag unterbreitet und dieser Vorschlag ist nach anfänglicher Zustimmung - und es war eine ernst gemeinte Zustimmung -, in einem Fall sogar schriftlich,
von niemandem weniger als vom Geschäftsführer Herrn Vetzberger, der dem Finanzierungsmodell zugestimmt hat, aber im Nachgang dann nicht mehr zugestimmt hat.
1. Wir haben im ersten Vorschlag eine Frauenhausfinanzierung vorgeschlagen, die nach der Frauenhausplatzzahl eine pauschale pro Platz finanzierte Zahl vorgesehen hatte. Das ist günstig für die Frauenhäuser, weil sie damit eine gute Grundfinanzierung unabhängig von der Auslastung haben. Die Kommunen waren skeptisch und haben gesagt, eine solche Finanzierung nimmt keine Rücksicht auf eventuelle Kapazitäten und Überkapazitäten, das wollen wir als Kommune nicht mitfinanzieren. Da haben wir gesagt, gut, wenn das so ist, dann machen wir einen zweiten Vorschlag.