Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Na klar. Das ist ja ein Spott.)

Das ist klar, wenn Ihre Leute da aktiv sind, dann liegt es manchmal an den Akteuren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Aber es liegt eben nicht an der Struktur, meine sehr geehrten Damen und Herren. Deshalb fordere ich Sie noch mal auf - den Vorwurf machen Sie manchmal uns, dass wir Leute verängstigen: In der Frage Gebietsreform gibt es nur einen, der hier Angst und Schrecken verbreitet, und das sind Sie.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich verstehe die CDU gar nicht: Sie orientieren sich an unseren Vorschlägen, weil Sie sie offenbar gut finden. Der Innenminister macht eine Struktur der Polizei, die genau unserer Struktur im Masterplan entspricht. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Aber das müssen Sie doch bei sich klären, bei der CDU, und dürfen nicht unser Konzept verteufeln und es selbst kopieren wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich noch mal darauf verweisen, uns geht es nicht ausschließlich um die finanziellen Einsparungen. Wir haben auch Modellrechnungen gemacht und wissen, insbesondere bei den Kreisen, aber auch bei der Umwandlung von Verwaltungsgemeinschaften in Einheitsgemeinden sind Kosten durchaus reduzierbar - wir haben mal ermittelt: 17 Prozent der Allgemeinkosten. Das sind Hochrechnungen, das wissen wir, das reale Leben kann manchmal anders aussehen, aber bei uns kommt Geld erst an vierter Stelle. Wir sagen, im Vordergrund steht Bürgernähe, im Vordergrund stehen demokratische Kontrolle und Steuerung, um Bürger mitzunehmen, es geht um Leistungsfähigkeit von Verwaltung und dann geht es natürlich auch um das Geld - und nur in dieser Reihenfolge dürfen wir aus unserer Sicht darüber diskutieren.

Und noch etwas: Was Herr Fiedler hier im Auftrag der CDU-Landtagsfraktion verkündet hat, erstaunt mich schon. Er will jetzt auf einmal die Bürger fragen, wie Gemeindegebietsstrukturen aussehen sollen. Die CDU-Landesregierung macht eine Behördenstruktur und fragt weder einen Bürger noch die Mitarbeiter in diesen Behörden und verursacht dadurch Chaos, alle Experten raten ab und die Landesregierung zieht das einfach durch. Ausgerechnet jetzt sagen Sie, aber jetzt beteiligen wir den Bürger. Wir werden den Herrn Fiedler und die CDU beim Wort nehmen. Wir halten es für richtig, dass auch im Zusammenhang mit Wahlen über derartige Themen diskutiert wird, damit der Bürger weiß, es gibt unterschiedliche Konzepte und er kann zwischen unterschiedlichen Konzepten entscheiden. Er kann entscheiden, ob wir weiter eine rückwärts gewandte Politik machen, abgekoppelt von allen anderen Bundesländern, weiterhin die rote Laterne haben, da muss er CDU wählen - oder er kann sich für ein zukunftsfähiges Projekt entscheiden, für ein zukunftsfähiges Land und da ist Die Linke.PDS durchaus eine wählbare Alternative. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Diese Zu- kunft haben wir schon hinter uns.)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Mohring zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass diese Debatte stark von Populismus geprägt ist,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Deswe- gen muss der Generalsekretär her.)

zeigt zunächst eins: Als vorhin der Vorsitzende der kleinsten Oppositionsfraktion sich hier zu Wort gemeldet hat und die Teilnahme des Ministerpräsidenten eingefordert hat, der übrigens hier im Saal ist, stellt man jetzt fest, kaum, dass die populistische Wortmeldung von Christoph Matschie zu Ende ist, befindet er sich nicht mehr in diesem Plenarsaal. So viel zum Thema Populismus bei dieser Frage.

(Beifall bei der CDU)

(Unruhe bei der SPD)

Zweitens: Dass aber alle unter dem Thema Gebietsreform etwas anderes verstehen, so wie wir das erwartet haben, das hat diese Debatte wieder gezeigt. Christoph Matschie redet von Berufsschulkonzepten, die PDS-Fraktion redet von Bürgernähe und von Strukturen und von Regionalkreisen, und wenn man mal weiterschaut und fragt den Landkreistag, der redet auch regelmäßig von Gebietsreform, meint aber Gemeindegebietsreform. Fragt man den Gemeinde- und Städtebund, dann sagen die auch Gebietsreform, meinen aber Landkreisreform. Fragt man die Wirtschaft, dann sagen die auch Gebietsreform, die meinen aber Strukturreformen und weniger Bürokratie. So lässt sich alles wunderschön unter diesem Begriff der Gebietsreform subsumieren, aber tatsächlich will jeder hier in diesem Land, von denen, die die Gebietsreform einfordern, etwas anderes. Aber sie wollen alle nicht die Zukunft dieses Landes für die Dauer sicherstellen,

(Zwischenruf Abg. Taubert, SPD: Das ist ja eine Unterstellung.)

und zwar deshalb, weil Sie suggerieren - beide Oppositionsfraktionen, SPD wie auch die Linken -, wenn wir größere Einheiten in diesem Land schaffen, dass dann die Zukunftsfähigkeit dieses Landes gesichert sei. Insbesondere die SPD-Fraktion begründet das mit finanziellen Ersparnissen und sie begründet es vor allen Dingen in diesem Jahr 2007. Zu Recht haben vorhin auch der Abgeordnete Carius und der Abgeordnete Fiedler darauf hingewiesen, dass im Seitz-Gutachten davon die Rede ist, dass durch Gebietsreformen möglicherweise per anno 200 Mio. € ab 2020 einzusparen sind - aber jetzt kommt das Entscheidende -, wenn überhaupt, dann auf kommunaler Ebene und nicht auf Landesebene. Überhaupt

nicht ist das Seitz-Gutachten eine Antwort auf die Haushaltslage für den Doppelhaushalt 2008/2009.

(Beifall bei der CDU)

Sie sagen, dieses Land hat jedes Jahr 1 Mrd. € Schulden gemacht. Diese Regierung ist auf dem besten Weg dazu, dieses Land am Ende dieser Legislaturperiode ohne Neuverschuldung aufzustellen,

(Unruhe bei der SPD)

so dass wir zeigen können, dass dieser schwierige Weg von 1 Mrd. € Neuverschuldung zu Beginn der Wahlperiode bis zum Ende der Wahlperiode gelungen ist, nämlich einen konsolidierten Haushalt aufzustellen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Als letztes neues Bundesland.)

Sie meinen, man könne diesen Weg auch durch eine Gebietsreform gehen. Wir sagen Ihnen, dieser Weg, den Sie gehen wollen, ist ein Holzweg und er ist falsch.

(Beifall bei der CDU)

Sie verkennen eins voll und ganz, nämlich dass das, was die Gemeinden vor Ort beklagen, was die Gemeinderäte beklagen, was die Gemeindebürgermeister beklagen, dass sie sich in Handlungszwängen befinden, an einer ganz beschreibbaren Situation liegt. Aufgrund zurückgehender Einwohnerzahlen und aufgrund der finanziellen Ausstattung, weil natürlich die Einwohnerzahlen auch damit Schlüsselzuweisungen koppeln, aufgrund von steigenden Kreisumlagen, aufgrund von steigenden Verwaltungsgemeinschaftsumlagen passiert doch Folgendes, dass das wenige Geld, was vor Ort in den Gemeinden da ist, 1 : 1 nur an Umlagen wieder ausgegeben wird. Wenn überhaupt noch etwas übrig bleibt, bleibt nur das Salär des Bürgermeisters übrig. Wenn die Gemeinde großes Glück hat, weil sie viele Kinder hat, dann können sie auch noch den Kindergarten finanzieren. Sie schlussfolgern aus dieser schwierigen Situation in den Gemeinden vor Ort, dass größere Einheiten plötzlich wieder Zukunft sichern können. Diese Analyse ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass wir zwei Ebenen sicherstellen müssen, dass die Leute, die sich vor Ort engagieren, die Bürgermeister, die Gemeinderäte, die Ortsteilbürgermeister, all die Leute, die vor Ort Verantwortung tragen, dass sie weiter diese Verantwortung haben. Aber wir müssen sie davon befreien, dass sie jede Aufgabe auch noch vor Ort so erledigen müssen, sondern sie sollten es auf einer Ebene tun können, wo man ihnen mit Fachkompetenz diese Aufgabe abnimmt, damit die Zukunft gesichert ist. Aber dann sagen Sie - ich weiß gar

nicht, woher Sie das wissen -, die CDU sei auf dem Weg und will Verbandsgemeinden bilden. Ich kann Ihnen sagen, niemand bei uns in der Fraktion und in der Partei hat jemals davon gesprochen - niemand, ich kenne da niemanden. Aber entscheidend bleibt eins: Das, was wir unter Struktur und Zukunft verstehen, das macht sich einzig und allein an Aufgaben fest. Über diese Aufgaben werden wir reden. Nicht umsonst - das sagt Wolfgang Fiedler zu Recht - haben wir eine Arbeitsgruppe auf Parteiebene eingesetzt, die unsere Gedanken bündeln will, wo wir auch Fachkompetenz einbeziehen wollen. Das ist alles, was unser Landesvorsitzender, der auch Ministerpräsident dieses Landes ist, als Zielvorstellung formuliert hat. Dann wollen wir das in die Enquetekommission einschweißen. Dann wollen wir auch in den Wettbewerb der Ideen und da erwarten wir auch Ihre konkreten Ideen. Zu Recht hat Christian Carius angemahnt, Sie haben einen Gesetzentwurf angekündigt, der ist verpufft - auch Populismus. Hier hat sich Matschie - mit rotem Binder war das - damals so hingestellt, ich habe nachgeschaut - extra für diese Debatte habe ich den heute umgetan.

(Zwischenruf Abg. Taubert, SPD: Schön, dass Sie auch einen angetan haben.)

Wir warten bis heute auf diese Ergebnisse. Wir wollen diese Ergebnisse von Ihnen sehen, damit wir in dem Wettbewerb der Ideen in der Enquetekommission hier dem Landtag die besten Konzepte vorstellen können. Dann bleibt eins am Ende offen, das ist das, was Wolfgang Fiedler angesagt hat und was ich noch mal konkretisieren möchte: Wenn dann die Enquetekommission hier einen Vorschlag im Thüringer Landtag vorgelegt hat und den auch abstimmen sollte, dann wollen wir, wer darüber hinaus dieses Land verändern will, wer darüber hinaus die Identität dieses Landes infrage stellen will, wer den Leuten ihre Kreisstadt wegnehmen will, wer ihre Heimatgefühle zerstören will,

(Unruhe bei der SPD)

das machen wir dann alles in einer Volksabstimmung, zur Landtagswahl stellen wir das auf die Probe.

(Beifall bei der CDU)

Dann lassen wir die Bürger dieses Landes darüber abstimmen, wer das beste zukunftsfähige Konzept für diesen Freistaat hat. Eins können Sie uns glauben, wir sind guter Hoffnung dafür, dass die Bürger dieses Landes unserem Weg folgen werden, weil sie wissen, es ist der beste Weg für diesen Freistaat. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Mohring, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Höhn?

Bitte, Herr Abgeordneter Höhn.

Vielen Dank. Herr Abgeordneter, wenn Sie die Frage einer Verwaltungs- und Gebietsreform, wie Sie eben erläutert haben, zum Gegenstand des Wahlkampfes 2009 machen wollen, da gehen Sie ja de facto ein Versprechen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ein. Heißt das, Sie versprechen den Bürgerinnen und Bürgern, dass auch nach 2009 keine Verwaltungs- und Gebietsreform in Thüringen mit einer CDU-Regierung kommt?

Sehen Sie, ich habe Ihnen doch gerade gesagt - das ist das Schwierige, wenn man nicht zuhört -, dass wir von Ihnen erstens erwarten, dass Sie Ihre Vorstellungen in die Enquetekommission einspeisen. Dann werden darüber Konzepte vorliegen und dann wird die Enquetekommission mit Mehrheit hier einen Vorschlag in diesem Landtag unterbreiten. Da bin ich zuversichtlich, dass das passieren wird. Wenn Sie darüber hinaus immer noch meinen, was verändern zu müssen in diesem Land, was nicht für die Zukunft dieses Landes geeignet ist, dann sollen darüber die Bürger 2009 abstimmen und dann werden wir sehen, wem die Bürger folgen. Wir sind zuversichtlich, dass die Bürger unserem Weg folgen werden. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine weitere Redemeldung seitens der Fraktion der Linkspartei.PDS. Herr Abgeordneter Huster, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Mohring, Ihre Antwort lässt mich noch mal hier zum Podium schreiten. Nun sagen Sie mir mal, jenseits der Debatte, die wir heute führen und die wir führen für den Zeitraum bis 2009: Was wird denn passieren, wenn die Wählerinnen und Wähler

Ihnen folgen und Sie bekommen 2009 wieder eine absolute Mehrheit und Sie stehen vor demselben Problem, demographische Entwicklung, sinkende Zuweisungen aus dem Solidarpakt II, sinkende Zuweisungen bei EU-Mitteln?

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Wer sagt denn so einen Scheiß?)

Dann stehen Sie wieder hier und sagen, wir haben eine Wahl gewonnen, weil wir versprochen haben, wir machen keine Reform. Was wollen Sie denn mit diesem Land machen? Welche Visionen wollen Sie denn diesem Land präsentieren? Da frage ich Sie, ob es nicht ehrlicher ist,

(Unruhe bei der SPD)

heute zu sagen, Sie können so nicht weitermachen wie bisher, auf der einen Seite das Geld verteilen und alle Probleme mit Geld lösen für Probleme, die Sie für wichtig erachten und auf der anderen Seite den Eindruck zu erwecken, Sie könnten mit Streichungen im Sozialbereich, im Bildungsbereich und im Kulturbereich nur ansatzweise den Landeshaushalt konsolidieren, den Sie so tief in die Kreide gefahren haben.