Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

trockenlegen, da brauchst du die Frösche nicht zu fragen!". So geht es nicht, meine Damen und Herren, so geht es nicht. Bleibt ein letztes Argument, woraus sich auch und vor allem der regionale Protest aus Mühlhausen und Umgebung speist, das sind die so genannten baulichen Voraussetzungen. Sie müssen sich nicht wundern angesichts der verbalen Kakophonie, die die verschiedensten Mitglieder Ihrer Regierung, Herr Althaus, einschließlich Sie selbst, veranstaltet haben, dass die Öffentlichkeit eine Präjudizierung auf den Wegfall des Standorts Mühlhausen unterstellt. Nur zwei Beispiele dafür, nur zwei von vielen. Staatssekretär Scherer auf die Frage des Abgeordneten Höhn nach der Zukunft des Projekts Justizzentrum Mühlhausen sinngemäß, nicht wörtlich: Also wenn diese schon viel zitierte Arbeitsgruppe zu der Erkenntnis gelangt, der Standort Mühlhausen bleibt, dann werden auch die Pläne für das Justizzentrum weiter verfolgt bzw. umgesetzt. Der Ministerpräsident Althaus im "Freien Wort" vom 04.11.2004 - Zitat, Frau Präsidentin: "Richtig ist, dass wir Mühlhausen nicht bauen werden, das kann man in der gegenwärtigen Finanz- und Haushaltssituation nicht verantworten."

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Auch richtig.)

Dazu muss man wissen, meine Damen und Herren, dass dann von den wenigen öffentlich geäußerten Kriterien für die Arbeit dieser viel zitierten Arbeitsgruppe immer die des baulichen Zustands der einzelnen Landesgerichte eine ganz entscheidende Rolle spielt. Minister, Staatssekretär, Ministerpräsident beeilen sich, immer zu beteuern, die Evaluierung erfolgt nicht präjudizierend. Wem wollen Sie das eigentlich angesichts dieser von Ihnen selbst gemachten Äußerung noch erzählen? Also ich folge logischen Schlussfolgerungen und komme auf Mühlhausen. Mühlhausen? War da nicht etwas, meine Damen und Herren?

(Unruhe bei der CDU, SPD)

Ah, wir erinnern uns an das Jahr 2000. Im so genannten Pilz-Prozess wagt sich der Vorsitzende Richter der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mühlhausen, Durchsuchungen im Wirtschaftsministerium und später in der Staatskanzlei anzuordnen, weil dies für die Wahrheitsfindung notwendig war. Was passiert? Der damalige Justizminister warnt seinen Kollegen Wirtschaftsminister vor dieser Durchsuchung seines Hauses und der Generalstaatsanwalt - politischer Beamter des Landes Thüringen - versucht, den Vorsitzenden Richter von seinem Vorhaben abzubringen. Genau das, meine Damen und Herren, sind die eklatanten vefassungsrechtlich bedenklichen Eingriffe, die es schon gegeben hat in Thüringen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Das lehrt uns die Erfahrung, das war Ihr eigenes Handeln. Und das ist ein Eingriff in das unabhängige Wirken der Justiz und deshalb ist die Öffentlichkeit so sensibilisiert an dieser Stelle. Das Grundgesetz und unsere Thüringer Verfassung haben damals sehr bedenklich gewackelt, meine Damen und Herren. Der damalige Justizminister selbst sprach, was auch immer er damit gemeint hat, vom Verlust seiner "Jungfräulichkeit" als Jurist. Die Justiz in Thüringen hat kein Vertrauen mehr in die Objektivität dieser Landesregierung. Herr Althaus, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen und das haben Sie einzig und allein Ihrem Handeln zuzuschreiben.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Zu oft in den letzten Monaten und gerade auch vor der Wahl wurden sie getäuscht. Das ist keine gute Basis. Nicht nur in Kreisen der Justiz, sondern, ich betonte es vorhin, weite Teile der Öffentlichkeit mutmaßen nun, dass die Auflösung eines Landgerichts und einer Staatsanwaltschaft sozusagen eine Art Vergeltungsaktion der Landesregierung gegenüber unbequem ermittelnden Richtern und Staatsanwälten

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: So ein Quatsch.)

im Zusammenhang mit dem seinerzeitigen "PilzProzess" darstellt.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Sie zielen auf Mühlhausen, das habe ich Ihnen nachgewiesen.

Meine Damen und Herren, vor allem liebe Kollegen der CDU-Fraktion, lassen Sie doch nicht zu, dass diese Befürchtung durch die tatsächliche Auflösung von einem Standort - und wahrscheinlich Mühlhausen - in den Köpfen jener Menschen zur Gewissheit wird. Der Schaden, der dabei angerichtet wird, ist überhaupt nicht wieder gutzumachen.

(Beifall bei der SPD)

Zeigen Sie doch unserem demokratischen Rechtsstaat, dass Sie die Gewaltenteilung als tragendes Prinzip nicht nur sozusagen aufgeschrieben zwischen Buchdeckeln sehen, sondern dass das hier gelebte Wirklichkeit ist.

Noch ein Wort zum Abschluss an meine beiden Kollegen Frau Lehmann und Herrn Kretschmer: Ich habe der Presse entnommen, dass Sie beabsichtigen - Sie haben das zumindest kundgetan und Frau Walsmann hat das vorhin mit Ihrem Antrag

untermauert -, unseren Antrag, der eine Willenserklärung dieses hohen Hauses zum Inhalt hat, an den Justizausschuss zu überweisen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ist doch vernünftig oder nicht?)

Ich kann Ihnen nur sagen, wenn Sie glauben, der Appell geht an alle Abgeordneten in der CDU-Fraktion, wenn Sie glauben, sich auf diese Art und Weise um eine Entscheidung herummogeln zu können, irren Sie. Die Wirklichkeit ist, die Wähler werden Sie auf den Boden der Realität zurückholen. Das lassen Sie sich gesagt sein. Zeigen Sie mit Ihrer Abstimmung nachher, dass Sie die Verfassung des Landes Thüringen, so wie Sie es auch als Abgeordneter der Öffentlichkeit kundgetan haben, auch respektieren. Ich appelliere an Sie. Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Seitens der Abgeordneten wird jetzt noch eine Redemeldung des Abgeordneten Carius signalisiert. Die Landesregierung hat aber bereits mit dem Staatssekretär Scherer angedeutet, dass sie reden möchte. Sie lassen den Abgeordneten vor. Bitte schön, Herr Carius.

Vielen Dank, Herr Scherer, dass Sie mir den Vortritt lassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr verehrte Frau Präsidentin, ich muss schon sagen, es hat schon etwas von Infamie, wenn Sie hier das "Pilz-Verfahren" am laufenden Band in Zusammenhang mit der Schließung eines Gerichtsstandorts bringen. Denn es entbehrt jeder Grundlage und Sie können es im Grunde erstens nicht nachweisen

(Beifall und Heiterkeit bei der PDS, SPD)

und es gibt auch keinen Nachweis. Nein, es gibt keinen Nachweis und das ist ja genau das Infame an Ihrer Argumentation. Jetzt will ich noch eines sagen, Sie behaupten ja am laufenden Bande, es ginge um die Bürgernähe. Jetzt weiß aber jeder Jurist, ein Anwalt, der seine Partei liebt, lässt sie zu Hause. Und das gilt natürlich auch für Landgerichte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage Sie: Wie oft waren Sie denn schon vor einem Landgericht? Wahrscheinlich kaum einer von Ihnen. Wahrscheinlich kaum jemals einer von Ihnen.

Die Frage ist doch folgende. Wissen Sie, Sie streiten heute Morgen noch dafür, dass wir eine Gebietsreform mit Landkreisen machen. Jeder Bürger ist öfter in einem Landratsamt, als vor einem Landgericht,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist doch gar nicht die Frage.)

insofern betreiben Sie hier Heuchelei.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Ist das notwendig, oder was?)

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen Sie betreiben hier Heuchelei, das ist doch ganz eindeutig - zum Justizgewährungsanspruch. Der bezieht sich darauf, dass der Bürger seine Interessen vor den Gerichtsinstanzen vertreten darf. Aber wer sagt denn hier im Land, dass wir eine Gerichtsinstanz abschaffen wollen?

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Unvor- stellbar, was sich hier abspielt.)

Das will doch überhaupt keiner. Ehrlich gesagt, Ihr Antrag, der ist so plakativ. Sie kennen doch die Argumente im Einzelnen noch gar nicht, weil die Arbeitsgruppe noch gar nicht fertig ist, mit dem, was sie am Ende...

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Die hät- ten wir doch gar nicht gebraucht.)

Die Arbeitsgruppe ist doch noch gar nicht fertig, sie hat doch noch gar keine Zahlen vorgelegt, mit denen Sie sich wirklich auseinander setzen können. Deswegen, meine Damen und Herren, ich persönlich würde sagen, Ihr Antrag ist so plakativ und heuchlerisch, dass er sofort abgelehnt gehörte.

(Unruhe bei der SPD)

Aber ich habe natürlich noch eine Hoffnung, dass wir Sie, sobald das Konzept im Ausschuss vorliegt, tatsächlich noch eines Besseren belehren können. Die Hoffnung ist klein,

(Beifall bei der SPD)

das gebe ich zu, aber deswegen plädiere ich doch nachhaltig dafür, dass wir diesen Antrag an den Ausschuss überweisen

(Zwischenruf Abg. Taubert, SPD: Dann machen Sie es doch.)

und Sie sich vielleicht doch noch eines Besseren belehren lassen. Aber eins lassen Sie sich gesagt sein: Wenn Sie Gebietsreform machen wollen, die weitaus anstrengender ist, als einen Gerichtsstandort zu schließen, dann müssen Sie etwas mehr Mut mitbringen, als Sie es hier an den Tag legen, wo Sie sich für alle Besitzstände einsetzen, ohne am Ende über Argumente genau nachzudenken.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir überweisen den Antrag an den Ausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Die Ausschussüberweisung werde ich dann vornehmen lassen, Herr Carius. Der Abgeordnete Ohl von der SPD-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, die Kollegin von der CDU unterstellte uns, welche Debatte wir hier in das Haus tragen und sprach von leeren Kassen. Ich kann mich nur an eins erinnern, die Debatte wurde durch eine Regierungserklärung hier in das Haus getragen. Hier wurde ganz einfach von der Verwaltungsreform gesprochen, von einer Reform, und in diesen Reformbegriff wurde ganz einfach das Problem der Schließung eines Landgerichtsstandorts eingebettet. Mir wäre es ebenfalls lieber gewesen, wenn Sie vor der Wahl mit diesem Problem rübergekommen wären, wenn Sie vor der Wahl so manchem Bürger die Wahrheit gesagt hätten, dass sich ganz einfach hinter einer Verwaltungsreform die Schließung von Landgerichten verbirgt. Das haben Sie aber nicht getan, Sie haben davon gesprochen, dass in Mühlhausen gebaut wird nachweislich noch vor der Wahl. Sie haben auch vor der Wahl nicht von leeren Kassen gesprochen, Sie haben zum Beispiel im April/Mai noch 26/27 Kommunen aufgenommen in das Dorferneuerungsprogramm. Heute erfahren wir, dass für zwei Jahre überhaupt kein Geld mehr da ist. Ich als Bürgermeister weiß, dass ich im Jahr 2003 in dieses Dorferneuerungsprogramm aufgenommen wurde und ganz einfach eine Verpflichtungsermächtigung für die Jahre 2006 und 2007 bekomme, und dort überhaupt Geld zu bekommen und so lange vorzustrecken. Also wissen Sie, wenn man den Anspruch erhebt, den Sie so manchmal erheben - das ist das, was mich verwundert und da möchte ich der Kollegin ganz einfach sagen: Was erwarten Sie eigentlich von dem Souverän Thüringens, von dem Souverän des Freistaats, dass er solche Meldungen

hinnimmt? Was erwarten Sie von der Öffentlichkeit, dass man die Hacken zusammenknallt mit den Händen an der Hosennaht und ganz einfach stillschweigend abwartet, bis irgendeine Kommission, was weiß ich, wer, wie, so in alt gewohnter Manier hier ein Ergebnis unterbreitet und noch dazu derjenige, der das angeordnet hat, das Ergebnis ganz einfach von vornherein mitteilt. Den Verdacht spreche ich mal aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, Sie haben die Schwere dieses Anliegens - Herr Köckert, Sie waren Innenminister, ich glaube, Sie müssten ein bisschen herzhafter mit diesem Thema umgehen - ganz einfach rechtsstaatlich nicht verstanden. Hier geht es nicht um die Schließung von Forstämtern, hier geht es auch nicht um die Schließung einer Denkmalbehörde,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Na, na, na.)