Zweitens: Weil die wirklich übergroße Mehrheit dieser Teilnehmer friedlich demonstriert hat und dennoch - und das ist uns allen öffentlich bekannt geworden - hat es bereits im Vorfeld nicht an Versuchen von verschiedener politischer und staatlicher Seite gefehlt, diese Protestbewegung zu diffamieren und zu kriminalisieren, meine Damen und Herren.
Drittens, und das sage ich ausdrücklich auch anschließend an die Ausführungen des Ministers: Meine Damen und Herren, DIE LINKE verabscheut und verurteilt prinzipiell Gewalt; sie ist niemals ein geeignetes Mittel, um politische Forderungen durchzusetzen.
Wir verurteilen die Gewalt von vermummten Steinewerfern prinzipiell und, ich will auch deutlich sagen, es ist ja auch so, dass Sie letzten Endes den Demonstranten überhaupt keinen guten Dienst erweisen. Wenn es auch aus dieser Gewalt einer Minderheit heraus Menschen getroffen hat, die verletzt wurden, die bedrängt und bedrückt wurden und wenn es darunter auch, wie gerade vom Minister beschrieben, Polizisten gibt, gegebenenfalls auch Thüringer Polizisten, dann bedauern wir das außerordentlich und finden natürlich unsere Position zur Ablehnung
Aber es ist andererseits auch so - und das ist jetzt aus meiner Sicht die Ergänzung zu den Bemerkungen des Ministers -, dass es natürlich auch von staatlicher Seite die Anwendung von Gewalt in einer Art und Weise in Heiligendamm gegeben hat, die wir ebenso zurückweisen müssen. Ich will dafür schon einige Beispiele nennen. So wurde per Allgemeinverfügung ja schon von vornherein eine Zone von sechs bis zehn Kilometern um den Tagungsort zum Tabu erklärt und damit das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zusätzlich neben dem bekannten Sicherheitszaun außer Kraft gesetzt. Es gab - und es ist eben so - offensichtlich doch eine größere Zahl polizeilicher ziviler Provokateure auf Demonstrationen. Es gibt zumindest dazu - so viel ist festzustellen - staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, meine Damen und Herren, und zwar Ermittlungen wegen Anstiftung zu Straftaten. Die Umstände um die von der Polizei Festgenommene, die bekannt geworden sind, haben nun wahrlich Formen angenommen, die einem demokratischen Staat und demokratischen Gemeinwesen nicht adäquat sind, die erinnern tatsächlich an das, was gegenwärtig ja immer noch in Guantanamo stattfindet. Es ist Fakt, dass 20 Leute in einem Käfig auf 25 m² praktisch eingepfercht wurden, es war dort beleuchtet, es gab dort Videoüberwachung und dass der Gang zur Toilette und das Trinken dort nur mit Erlaubnis gewährt wurden. Anwälte wurden nicht zu ihren Mandanten gelassen – sogar Anwälte selbst wurden Opfer von Übergriffen der Polizei und entsprechender Bedrängnis.
Es gibt die Beschwerden mehrerer Frauen, die über sexistische Übergriffe der Polizei berichteten oder von einzelnen Angehörigen der Polizei. Es gibt Anzeigen gegen die Polizei, da Gerichte unverzügliche Freilassungen Gefangener angeordnet hatten, aber die Polizei dem stundenlang nicht nachgekommen ist. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo durch die Polizei auch die Androhung von körperlicher Gewalt bis hin zu solchen Fragen, wo Erschießungen oder du wirst den morgigen Tag nicht mehr erleben usw. ausgesprochen wurden.
Es sei auch die Frage erlaubt - und sie muss in einer Demokratie diskutiert werden -, was bei Konzerten von bekannten Künstlern ein Großaufmarsch von Wasserwerfern sollte. Ein weiteres drastisches Beispiel: Es gab Einsätze der Bundeswehr auf diesem Gipfel, es gab Tornado-Überflüge über Camps mit Gipfelkritikern und gepanzerte Spähwagen waren zusammengezogen worden. Auch hier, meine Damen und Herren, fragt man sich doch, was den politisch Verantwortlichen eigentlich noch die Verfassung dieses Landes dann wert ist, die den Einsatz der Bundeswehr im Innern nun ausdrücklich nicht erlaubt?
Ich denke, hier gibt es Gefahren für Demokratie, die in diesem Falle auch vom hoheitlichen und staatlichen Handeln ausgehen. Darum muss ich Ihnen auch sagen, meine Damen und Herren von der CDU, Ihr erneuter Versuch mit Ihrem Antrag, die Geschehnisse und den G 8-Gipfel etwa - so muss ich das verstehen - als Bestätigung für die von Ihnen offensichtlich vertretene regressive Innenpolitik zu nehmen, ist dann an der Stelle schon wirklich mehr als durchsichtig.
Ich muss darum an dieser Stelle noch etwas näher auf diese innenpolitischen Fragen und die Situation in der Bundesrepublik respektive auch in Thüringen eingehen. Das hat auch mit dem G 8-Gipfel zu tun. Der Wirbel, der immer noch um diesen Gipfel gemacht wird, ist in erster Linie nach unserer Auffassung auch eine Ablenkung vor allem von dem innenpolitischen Trachten und Tatsachen namhafter Politiker bei Bund und Ländern. Diese Tatsachen werden - das muss ich auch sagen - vor allen Dingen immer wieder von der konservativen Seite vorgetragen. Ja, ich glaube, in gewisser Weise muss man konstatieren, dass die Terrorismusbekämpfung und auch das Bedürfnis nach angeblicher Sicherheit des G 8-Gipfels nicht die Ursachen für die intensiven Grundrechtseinschränkungen bzw. die Versuche dazu, die wir täglich erleben, sind.
Vielmehr hat offensichtlich konservative Politik und Neoliberalismus aus ganz anderen Gründen eine Richtung eingeschlagen, die die verfassungsmäßigen Rechte der Menschen nicht nur einschränkt, sondern - man muss das so sagen - die Verfassung auch Meter für Meter versucht auszuhöhlen.
Im Bund - und da muss ich sagen, sowohl bei RotGrün als auch bei Rot-Schwarz - wurden in den vergangenen Jahren viele Vorstöße dazu unternommen. Ich muss die Beispiele ja nicht alle aufzählen. Aber Sie kennen es ja auch Vorbeugehaft, Vorratsdatenspeicherung, Antiterrordatei, Videoüberwachung, das Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit, das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz und die Rasterfandung, Online-Durchsuchung - wohl besser als staatliches Hacking zu bezeichnen - und die regelmäßig aufkommende Debatte - hatten wir ja erst jetzt wieder - um den Bundeswehreinsatz im Inneren. Wer sich natürlich solcher Überlegungen immer wieder befleißigt, der hat dann offensichtlich auch gewisse Unverhältnismäßigkeiten bei entsprechenden Einsätzen wie beim G 8Gipfel der Polizei und der anderen Sicherheitskräfte mit zu verantworten, denn eins ist schon deutlich, Einschüchterungsversuche hat es sehr viele ge
genüber den Demonstranten gegeben. Ich sage für meine Fraktion und Partei, jede Form der staatlichen Einschüchterung ist dabei bereits ein Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger.
Verfolgt man manche Debatten, dann zwingt sich einem letztlich der Schluss auf oder liegt einem zumindest nahe, dass die zu verurteilenden gewaltsamen Ausschreitungen beim G 8-Gipfel für einige politisch Verantwortliche gerade zum richtigen Zeitpunkt gekommen sind. Es kann schon der Eindruck erweckt werden, dass hier ein willkommener Anlass gesucht wird, letztlich den gesamten Protest zu kriminalisieren, obwohl die Ausschreitungen, wie gesagt, von einer kleinen Minderheit ausgingen. Der friedliche Teil des Protestes und dessen Hintergründe werden dann gern nahezu vollständig verschwiegen. Auch hier wird man den Verdacht des heimlichen Händereibens nicht ganz los, wenn man derartige Anträge, wie den Ihren, meine Damen und Herren, hier im Hohen Haus sich noch mal zu Gemüte führt.
Ich will auch deutlich sagen, das, was sich unter anderem auch an dem bekannten Sicherheitszaun immer wieder in Heiligendamm an Debatten entwickelt hat, macht nun schon offensichtlich, dass es kein Zaun zur Verteidigung der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger und schon gar nicht der Demonstranten am Ende gewesen ist, denn das hieße ja eigentlich, es ginge dann um die Verteidigung der Freiheit der Teilnehmer an diesen Protesten. Davon kann wohl als Absicht nicht die Rede sein, meine Damen und Herren.
Das ist, glaube ich, der eigentliche Skandal. Und damit, meine Damen und Herren, mit den vorauseilenden und zum Teil weit überzogenen Sicherheitsmaßnahmen, mit den Fragen der Einschüchterung, der Unterstellung und Kriminalisierung oder Kriminalisierungsversuche der gesamten Protestaktion gerade auch von öffentlicher politischer Seite wurde unserer Demokratie im Zusammenhang mit dem G 8-Gipfel entscheidender Schaden zugefügt. Ich kann nur sagen, bei zukünftigen derartigen Veranstaltungen sollte vor allen Dingen auch das beachtet werden und sollte ein Umdenken bei den politisch Verantwortlichen stattfinden.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hausold, ich will ganz offen sein, was mich bei solchen Beiträgen immer ein bisschen unsicher macht, ohne was zu unterstellen oder Ähnliches, aber wenn ein Tagesordnungspunkt - und der ist nun mal so gesetzt, der sich mit den Gewalttaten des „Schwarzen Blockes“ während des G 8-Gipfels in Heiligendamm beschäftigt - hier auf der Tagesordnung steht und Sie nicht einmal ein Zehntel Ihrer Redezeit diesem Thema widmen, sondern - sicherlich nicht falsch, es gibt Dinge, die sehe ich ähnlich wie Sie - wenn Sie anfangen, dies in den Hintergrund/Vordergrund zu schieben, entsteht mitunter der Gedanke, es ist Ihnen unangenehm, da ein paar deutliche Worte oder noch ein paar deutlichere Worte zu sagen. Ich will da ganz offen reden, was da bei mir im Kopf passiert, das mag so stimmen oder nicht, aber ich will da nichts schuldig bleiben an dieser Stelle. Da geht immer bei mir so der Gedanke rum - nicht nur bei diesem G 8-Gipfel -, es wird dann auch ein bisschen spekuliert auf ein hoch motiviertes Wählerpotenzial, deshalb lässt man das an dieser Stelle. Ich sage das ganz offen, ich mache da kein Geheimnis draus und ich glaube, das ist auch gut so, dass ich das anspreche, wenn ich so denke. Insofern habe ich Ihr erstes Bekenntnis gern zur Kenntnis genommen, aber wenn man die Proportionen in Ihrer Rede sieht, das stößt bei mir schon ein Stückchen auf. Ich sage das ganz offen und ganz ehrlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch vonseiten der SPD-Landtagsfraktion Dank, Respekt und Anerkennung für den Einsatz der Thüringer Polizisten.
Wir hören gern, dass die Verletzungen nicht so ernsthaft waren, dass wir uns auch für die Perspektive da Gedanken machen müssen. Trotzdem, wenn das noch nötig sein sollte, Genesungswünsche.
Ich will in der Debatte, die mir schwerfällt, weil auch ich nicht dort war und ich mir lange abgewöhnt habe, mich von Medienbildern in meinen Aussagen dominieren zu lassen, die Haltung der SPD zum Thema Gewalt und Politik hier ganz klar darstellen. Nicht nur für heute, das war in der Vergangenheit so und das wird in der Zukunft so sein: Wir lehnen jede Art von Gewalt als politisches Mittel ab.
Wir reden da nicht nur drüber, die Geschichte der SPD zeigt an hervorragenden Stellen, dass dieser Gewaltverzicht nicht nur formuliert, sondern auch ge
lebt wird. Das war der Widerstand auch von Sozialdemokraten im Dritten Reich, das war die Rolle einer SPD-geführten Bundesregierung zu Zeiten der RAF, das ist heute das Arbeiten vieler Sozialdemokraten in dem Bündnis gegen Rechtsextremismus und das hat auch etwas mit unseren klaren Aussagen zum Beispiel zu den Gewalttätern des schwarzen Blocks bei der Demonstration am 1. Mai in Erfurt zu tun. Wir lehnen dieses Mittel der Politik grundsätzlich ab.
Rostock - um das ganz deutlich zu sagen - war eine Schande und von dem, was dort passiert ist, von der exzessiven Ausführung von Gewalt, kann sich ein Demokrat nur distanzieren. Es gibt keine Erklärung für diesen gewalttätigen Exzess von Rostock. Ich widerspreche Ihnen ausdrücklich, Herr Hausold, diese Bilder haben das Anliegen des Gipfels kaputtgemacht.
(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, Die Linkspartei.PDS: Da waren die Bilder über den Gipfel vielleicht falsch.)
Vielleicht ist es so, ob die Bilder nun falsch waren oder nicht, ich habe sie nicht produziert. Aber vielleicht ist es so - ich habe das neulich mal gelesen -, die Menschen nehmen die Informationen eben zum Großteil über Bilder auf. Aber müssten sich nicht eigentlich diejenigen, sehr geehrter Herr Abgeordneter, mit dem Thema beschäftigen, die solche Bilder produzieren? Das ist der Ansatz, den wir an dieser Stelle verfolgen. Es ist einfach typisch auch für die Diskussion, die wir heute führen - wir reden über einen Polizeieinsatz, eben nicht über Fragen Klimaverschärfung, wir reden nicht über die Frage der Reichtumsverteilung, wir reden hier als einzige Replik auf den G 8-Gipfel über das, was sich in Rostock abgespielt hat, und das ist jammerschade.
Ich werde mich eben zu dem nicht äußern, weil ich nicht dort war. Ich werde Vermutungen und Augenzeugenberichte, die auch ich zur Kenntnis habe, hier nicht als Tatsachen hinstellen. Ich nehme immerhin mit Genugtuung zur Kenntnis, dass da, wenn zumindest ein Anfangsverdacht vorliegt, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
und zwar von dem Geschäftsführer des Netzwerkes Friedenskooperative, einer der maßgeblichen Organisationen der Demonstrationen in Heiligendamm, ich zitiere Herrn Stenner: „Die Polizei hat sich an ihren deeskalierenden Kurs gehalten. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass die Polizei das jetzt anders sieht“. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn es schon spät ist und die einen oder anderen gern nach Hause möchten, denke ich doch, dass es notwendig ist, sich auch mit diesem Antrag mit allem Ernst zu beschäftigen. Da geht es darum, da stimme ich Herrn Gentzel ausdrücklich zu und ich sage das auch für meine Fraktion, jede Art von Gewalt ist und bleibt abzulehnen. Da gibt es überhaupt keine Frage, aber auch die Gewalt, die wir in Thüringen schon erlebt haben, dass auch Mitglieder Ihrer Fraktion mit Mehltüten geschmissen haben. Das ist auch noch nicht so lange her und ein Kilo Mehltüte ist auch nicht ganz unerheblich, wenn sie denn trifft.
Aber das ist nicht mein erstes Thema, sondern mir geht es einfach darum - und deswegen danke ich dem Innenminister für seinen Bericht, den wir hier gehört haben -, wie ist denn eigentlich das Ganze abgelaufen. Ich denke, es ist ein wichtiges Thema, was alle im Lande doch bewegt. Ich hatte mir hier einige Dinge aufgeschrieben, aber ich lasse einiges beiseite. Was mir aber wichtig ist und deswegen werde ich heute als Erstes auch noch einmal den Dank an alle Polizistinnen und Polizisten, an alle Einsatzkräfte, ob das Feuerwehr, Hilfskräfte, Bundeswehr oder andere waren, aussprechen im Namen meiner Fraktion, denn sie alle haben für uns den Kopf hingehalten.
Wenn ich dann hier schon wieder so Dinge höre, Herr Hausold, „Übergriffe der Polizei“. Das Wort - ich weiß nicht, ob ich es richtig verstanden habe, wenn ich es falsch verstanden habe, korrigieren Sie mich - „sexistische Übergriffe“. Habe ich das richtig verstanden? Haben Sie das gesagt?
Und dann sind Sie auf die Terrordateien etc. eingegangen, was mit dem Thema heute gar nichts zu tun hat.
Mir ist nur wichtig und deswegen habe ich mir einige Dinge dafür noch einmal herausgesucht, um diese auch noch einmal mit zu benennen. Ich möchte vielleicht bei einigen Stichworten anfangen, die hier, denke ich, auch wichtig sind. Es wurden Gehwegplatten zertrümmert und scharfkantige Betonbrocken auf Polizisten geschleudert. Das ist, wie man so weiß, schwerer Landfriedensbruchs und letztlich versuchter Mord. Versuchter Mord ist das - nichts anderes. Der Thüringer Chef der DPD, Jürgen Hoffmann, erklärt gegenüber Antenne Thüringen: „Kollegen schilderten mir, dass sie so eine Form der Gewalt noch nicht erlebt hätten. Teilweise wurde von kriegsähnlichen Zuständen gesprochen“. Das haben mir auch selber Polizisten erzählt, die vor Ort waren. Polizeihauptmeister Manfred Etzel, PD Erfurt: „Dagegen, was hier in Rostock abging, waren die Randale am 1. Mai in Erfurt vergleichsweise harmlos, so etwas Brutales habe ich noch nie erlebt“. Bericht Polizeihauptmeister Dieter Heume: „Überraschend war auch die gezielte Verletzungsabsicht der Randalierer, aus Personengruppen heraus wurde versucht“, das sagte vorhin schon der Innenminister, „mit Nadeln und spitzen Gegenständen in die ungeschützten Oberschenkel der Beamten zu stechen, später fand man Handzettel mit Beschreibungen der polizeilichen Schutzausrüstung und Hinweise zu verwundbaren Stellen“. Das sind alles Dinge - die, und das Magazin Focus sagt, ideologischer Minimalkonsens der Autonomen ist