einmal, wie Sie jetzt aus der Situation, dass die Eltern das Erziehungsgeld nicht in dem Umfang in Anspruch nehmen, den bürokratischen Aufwand, der damit verbunden ist, vor allen Dingen auch im Hinblick auf das neue Elterngeld der Bundesregierung. Ich will es noch für die, die es nicht wissen, sagen, zwei unterschiedliche Beantragungsstellen. Sehen Sie diesen bürokratischen Aufwand noch als gerechtfertigt an?
Ich sehe diesen von Ihnen skizzierten bürokratischen Aufwand, den ich so nicht teile, weil ich in der Tat auch erlebe, dass es unkompliziert und einfach gehen kann. Ich sehe, wenn denn dieser Aufwand besteht, ihn tatsächlich als gerechtfertigt an, weil 20 Prozent der Eltern das Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen. Wir haben immer gesagt, wir wollen unabhängig von der Zahl der Eltern, wie viele das Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen, wir wollen für die Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, eine Unterstützungsleistung schaffen. Wir wollen Grundgesetz und Verfassung an dieser Stelle als Auftrag ernst nehmen, dass Eltern, die ihre Kinder in häuslicher Umgebung betreuen und erziehen, auch Förderung und Anerkennung des Staates verdienen. Wir wollen es ernst nehmen. Das werden wir weiter ernst nehmen, das ist es uns auch wert, an dieser Stelle zu sagen, wir wollen das Landeserziehungsgeld für 20 Prozent der Eltern weiterbezahlen. Ich glaube, der bürokratische Aufwand - auch da hat sich vieles von der Aufgeregtheit gelegt - mit Abtretungserklärung für die Kindertagesstätte funktioniert. Sie erleben ja, das sage ich noch mal, die Zahlen der Inanspruchnahme der Kindertagesstättenplätze haben sich nicht geändert. Ich habe auch vor über einem Jahr hier von dieser Stelle aus gesagt, ich glaube nicht, dass sich diese Zahlen dramatisch verändern, und zwar deswegen, weil diejenigen Eltern, die ihre zwei- bis dreijährigen Kinder in eine Einrichtung bringen, das nicht zwingend deswegen tun, weil sie nicht mehr Zeit mit den Kindern verbringen wollen, sondern weil sie diesen Betreuungsplatz brauchen, weil sie erwerbstätig sind, Studium, Ausbildung und Ähnliches. Sie haben das vorher getan, sie tun das weiter. Diejenigen Eltern allerdings, die Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, manche auch, weil sie leider zu dem Zeitpunkt nicht erwerbstätig sein können, die werden das auch weiter tun und werden vermutlich auch zwei- bis dreijährige Kinder gerne in dieser Zeit auch zu Hause weiterbetreuen. Insofern bleibe ich dabei, ich glaube da nicht an dramatische Veränderungen. Ich glaube, dass vieles an dieser Stelle tatsächlich mit der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu tun hat, vieles an dieser Stelle auch damit zu tun hat, wie wir es als CDU-Fraktion immer sagen, wie Firmen familienfreundlich auch agieren und es jungen Müttern und jungen Vätern möglich machen, Fa
milie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Es geht nicht darum, die Familie für den Arbeitsmarkt freundlicher zu gestalten, sondern es geht darum, ob auch Firmen dies begreifen. Ich glaube, die Zahlen an diesem Punkt geben uns da mehr als deutlich recht und ich hoffe auch, dass das so bleibt. Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Das Wort hat Minister Prof. Dr. Goebel.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, Herr Matschie, die Familienoffensive zeigt Wirkung. Das neue Prinzip der kindbezogenen Finanzierung bewährt sich, bewährt sich so, dass es sogar der Trägerkreis zum Prinzip seines Gesetzentwurfs gemacht hat.
Ich will noch mal an die Geschichte erinnern, wie es zu diesem neuen Prinzip kam. Wir haben erlebt über eine Reihe von Jahren Anfang dieses Jahrzehnts, dass sich die Aufwendungen des Landes für die Kinderbetreuung jedes Jahr um einen zweistelligen Millionenbetrag gesteigert haben, ohne dass sich Qualität und Quantität der Betreuung verändert hätten. Wir konnten die Wirkungen dieser Geldflüsse nicht ausmachen. Deshalb war es uns wichtig, auf ein Prinzip zurückzugehen, das händelbar ist, das klar ist und das auf das Kind bezogen ist, genauso wie wir im Übrigen mit dem Bildungsplan eine pädagogische Grundlage schaffen, die vom Kind ausgeht - und dies wird angenommen. Wir haben die Finanzierung damals abgestellt auf eine Untersuchung des Gemeinde- und Städtebundes hinsichtlich der kindbezogenen Anteile der Landesfinanzierung und die kindbezogenen Anteile der Landesfinanzierung jetzt entsprechend den damaligen Untersuchungen und Schätzungen des Gemeinde- und Städtebundes. Deshalb funktioniert Kinderbetreuung in Thüringen auch. Ich bin sicher genauso oft in Kindertageseinrichtungen wie Sie und spreche mit den Erzieherinnen und spreche, wenn man sie dort antrifft, gerade in den Nachmittagsstunden auch mit Eltern und weiß sehr genau, dass diese Kindertageseinrichtungen eine hohe Qualität an Arbeit leisten, auch im Bereich von Bildung und Erziehung, das im Übrigen nicht erst seitdem die Ressortzuständigkeit für diesen Bereich vom Sozial- in das Kultusministerium gewechselt ist, weil die Ressortzuständigkeit in der Landesregierung das eine ist und das, was konkrete Arbeit vor Ort anbetrifft, ist etwas anderes. In
sofern, Frau Skibbe, muss man das auch nicht in so einer Art thematisieren, die zumindest das Bild irgendwo prägen lässt, Sie meinten, es würde dort keine qualifizierte Bildungsarbeit geleistet. Das ist nicht der Fall.
Aber, meine Damen und Herren, der von der SPDFraktion vorgelegte Antrag zielte ja auch auf etwas ganz anderes ab. Er zielte darauf ab, das mit der Familienoffensive der Landesregierung auf eine neue Grundlage gestellte Betreuungssystem von Kindern im Freistaat zu diskreditieren, um dem inhaltlich offensichtlich ins Leere laufenden Volksbegehren öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen, die es dringend braucht. Wer den Bericht gelesen hat, den wir zu den Punkten 1 und 2 des Antrags dem Hohen Hause zugeleitet haben, der wird erkennen, dass in Thüringen alle Voraussetzungen vorhanden sind, um Kindern sowohl zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr als auch danach ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot zu machen. Es stehen ausreichend Kapazitäten in Kindertageseinrichtungen wie auch im Bereich der Kindertagespflege zur Verfügung. Ebenso wird bedarfsgerecht hoch qualifiziertes pädagogisches Personal ausgebildet. Auch der von Ihnen geforderte Rechtsanspruch für Kinder ab einem Jahr ist praktisch heute schon geregelt und die Annahme von Betreuungsangeboten für Kinder unter zwei Jahren belegen das. Wenn wir heute mit immerhin zwei Prozentpunkten über der Marge liegen, die die Bundesregierung für das Jahr 2013 für das Bundesgebiet erreichen will, dann zeigt das auch, dass wir alle Voraussetzungen haben, um die entsprechenden Mittel, die der Bund für den laufenden Betrieb ab 2009 zusätzlich zur Verfügung stellen wird, in Thüringen entsprechend qualitätssteigernd einsetzen zu können.
Die Thüringer Landesregierung tut alles, meine Damen und Herren, um Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen und die Eltern bei ihrer Verantwortung für die Kinder angemessen zu unterstützen. Auf diesen Aspekt der Unterstützung kommt es mir auch an. Wir wertschätzen auch die Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Familie und sind nicht der Meinung, dass Familien für Bildung und Erziehung keine eigene Leistungskraft haben. Und dort, wo sie Unterstützung brauchen, wollen wir Systeme entwickeln, sie zu unterstützen. Die notwendigen finanziellen Mittel werden selbstverständlich entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zur Verfügung gestellt. Thüringen ist ein kinderfreundliches Land.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sollen dies gerade auch im Interesse der Kinder nicht kaputtreden. Auch das Volksbegehren, welches Sie unterstützen, ist kein geeignetes Mittel, etwas für die
Zukunft der Kinder zu tun. Die Befürworter des Volksbegehrens wollen die im Dezember 2006 vom Landtag verabschiedete Familienoffensive ändern. Wie schon gesagt, einerseits nimmt der Gesetzentwurf die Grundzüge des Kindertagesstättengesetzes auf, es kann also auch in den Augen der Volksbegehrensbefürworter so schlecht nicht sein, andererseits werden Finanzleistungen des Landes und die Betreuungsschlüssel so geändert, dass die Ausfinanzierung die Kommunen und das Land wesentlich mehr kosten würde, Mehrkosten, die a) nicht leistbar und b) auch in diesem Umfang keineswegs erforderlich sind. Bei den eigenen Berechnungen des Trägerkreises würden Mehrkosten von 21,5 Mio. € entstehen. Nach den Berechnungen der Landesregierung belaufen sich die Mehrkosten auf über 100 Mio. €, von denen das Land ca. 44 Mio. € direkt zu tragen hätte. Dies stellt eben einen Eingriff in die Budgethoheit des Landtags dar. Deshalb verstößt das Volksbegehren nach Auffassung der Landesregierung gegen den Finanzvorbehalt der Verfassung. Wenn wir zu dieser Überzeugung kommen - das haben Sie selbst eingeräumt, Herr Matschie -, dann müssen wir gegen die Zulässigkeit des Volksbegehrens vor dem Verfassungsgerichtshof klagen, wir sind dazu verpflichtet.
Die Landesregierung kommt also ihrer Pflicht nach, nicht mehr und nicht weniger. Ihr Antrag, diese Klage zurückzunehmen, ist nichts anderes als die offene Aufforderung zum Verfassungsbruch. Dem können und werden wir uns nicht anschließen.
Die Ausschussempfehlung sieht dies, meine Damen und Herren, ebenso. Es wäre auch seltsam, wenn das Parlament die Regierung aufforderte, ihre verfassungsgemäßen Pflichten nicht wahrzunehmen.
Meine Damen und Herren, wer Vertrauen in den Rechtsstaat hat, hat auch Vertrauen in eine unabhängige Justiz. Es wird nichts schaden, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs abzuwarten, so viel Geduld müssen Sie in jedem Fall aufbringen. Vielen Dank.
Herr Minister, Sie haben versucht, mit vielen Worten die Situation schönzureden. Ich stelle noch mal
Fakt ist, dass seit der Familienoffensive und ihrer Einführung Landesmittel in erheblichem Umfang gestrichen worden sind. Es sind über 50 Mio. € Landesmittel weniger in den Kindergärten angekommen als vor der Familienoffensive. Das ist und bleibt ein Fakt. Die Landesregierung zieht sich aus der Finanzverantwortung heraus.
Fakt bleibt auch, Herr Minister - und da können Sie von Kindergarten zu Kindergarten gehen -, dass in vielen Kindergärten seit der Familienoffensive die Elternbeiträge zum Teil deutlich angestiegen sind. Oder wollen Sie diesen Fakt vielleicht bestreiten? Fakt bleibt auch, dass die Kommunen erhebliche Mehraufwendungen haben seit Einführung der Familienoffensive. Das ist nicht in jeder Kommune gleichmäßig, das ist mir klar. Aber viele Kommunen haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Ausfälle, die sie durch Ihre Kürzungen hatten, zu kompensieren.
Ich darf Ihnen vielleicht noch mal einen Satz aus der Beschlussvorlage des Kreistags vorlesen, da steht: „Mit dem Inkrafttreten des neuen Kindertagesstättengesetzes hat sich für den Landkreis innerhalb von zwei Jahren der Finanzbedarf zur Absicherung der Elternbeiträge fast verdoppelt.“ Das sind die Anstrengungen, die die Kommunen machen müssen aufgrund Ihrer Kürzungen. Wenn Sie hier sagen, wir haben ja noch ein gutes System, was auch im Vergleich in der Bundesrepublik gelobt wird, dann sage ich Ihnen, dass dieses gute System noch existiert, ist nicht Ihr Verdienst, sondern das Verdienst vieler Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die mit Engagement eingesprungen sind und Ihre Kürzungen versucht haben auszugleichen.
Und es ist das Verdienst von vielen Eltern, die bereit sind, höhere Elternbeiträge zu zahlen, weil sie aufgrund Ihrer Kürzungen dazu gezwungen sind. Sie haben keinen Grund, sich für das noch gute Kindergartensystem zu rühmen. Die Kommunalpolitiker sind es, die es aufrechterhalten haben. Ich fordere Sie auf, finanzieren Sie die Kindergärten wieder in ausreichendem Umfang. Es ist eine Aufgabe des Landes, für gute frühkindliche Bildung zu sorgen.
Wir stimmen ab über die Nummern 3 bis 5 des Antrags der Fraktion der SPD in Drucksache 4/3060, da zu den Nummern 1 und 2 ein schriftlicher Bericht in Drucksache 4/3299 bereits erstattet worden ist. Ich frage Sie, wer ist für die Nummern 3 bis 5 des Antrags der Fraktion der SPD in Drucksache 4/3060, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung. Damit sind die Nummern 3 bis 5 des Antrags mit Mehrheit abgelehnt.
Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Zukunft der sozialen Infra- struktur in Thüringen“ Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/3061 -
Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das ist offensichtlich nicht der Fall. Die Landesregierung erstattet dann den Sofortbericht. Ich erteile Herrn Minister Dr. Zeh das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege ist ein wichtiger Gesprächspartner der Landesregierung bei allen Fragen im sozialen Bereich. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege sind in Thüringen Träger von unzähligen Einrichtungen und Projekten. Beispiele dafür sind Kindergärten, Pflegeheime, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Frauenhäuser, Beratungsdienste, Jugendeinrichtungen und vieles andere mehr. Ohne eine umfangreiche finanzielle Förderung durch das Land könnten die Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände diese Leistungen nicht weiterhin erbringen. Aber auch die Wohlfahrtsverbände selbst erhalten für ihre Verbandsarbeit zusätzlich eine Förderung über 5 Mio. € aus Lottomitteln. Im Vergleich zu anderen Ländern erhalten damit die Ligaverbände in Thüringen eine großzügige Landesförderung. Mit kaum einer anderen Institution oder Organisation bin ich in den letzten vier Jahren meiner Amtszeit häufiger zusammengetroffen als mit Vertretern der LIGA oder ihren Einzelverbänden und Gliederungen. Anlässlich eines Gesprächs von Ministerpräsident Dieter Althaus mit Vertretern der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege am 19. August im Jahr 2003, also ungefähr vor vier Jahren, wurde die Arbeitsgruppe „Zukunft der sozialen Infrastruktur“ gegründet. Die konstituierende Sitzung fand am 5. November des Jahres 2003 statt. Der Teilnehmerkreis umfasst die LIGA, die kommunalen Spitzenverbände und das Sozial
ministerium. Darüber hinaus haben weitere Vertreter aus anderen Ministerien themenbezogen an den Beratungen teilgenommen.
In der damaligen gemeinsamen Presseerklärung vom 5. November 2003 wurden die Ziele dieser Arbeitsgruppe dargestellt. Gestatten Sie mir, aus der damaligen Presseerklärung zu zitieren: „Thüringen verfügt über eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur, Beratungsstellen, Altenpflegeheime, Kinder- und Jugendeinrichtungen und viele andere Einrichtungen. Dienste und Angebote brauchen Sicherheit, um ihre Aufgaben zum Wohle der betroffenen Bürger durchführen zu können. Nur gemeinsam kann es uns gelingen, trotz der schwierigen finanziellen Situation die bestehenden Angebote so zu organisieren, dass die notwendige Hilfe weiterhin geleistet werden kann. In diesem Zusammenhang sollen auch die ambulanten Angebote gestärkt werden.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmen der konstituierenden Sitzung wurden bereits zwei Unterarbeitsgruppen eingerichtet, die Unterarbeitsgruppe „Ambulant vor stationär“ und „Finanzierungsgrundlagen der sozialen Arbeit in Thüringen“. Später folgten weitere Unterarbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen. Der regelmäßige Dialog zwischen der Landesregierung und der LIGA stand dabei im Mittelpunkt. Die Gespräche waren und werden weiterhin für die Entwicklung unseres Sozialwesens konstruktiv geführt. Die Wohlfahrtsverbände können ihre Auffassung direkt darlegen und mit dem Sozialministerium erörtern. Die Landesregierung hat Impulse und Anregungen aufgenommen und in die Praxis umgesetzt. Die Arbeit der Unterarbeitsgruppen verläuft kontinuierlich bis zum heutigen Tage.
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Zukunft der sozialen Infrastruktur in Thüringen“ wurden anlässlich eines weiteren Spitzengesprächs von Ministerpräsident Dieter Althaus mit der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege am 19. Juli 2006, also vor gut einem Jahr, ausgewertet. Ein weiteres Gespräch fand erst letzte Woche statt. Selbstverständlich gab es bei der Bewertung von Einzelergebnissen auch Meinungsunterschiede. Die LIGA vertritt als Leistungserbringer und Empfänger von finanziellen Mitteln des Landes sowie der Kommunen naturgemäß eigene Interessen. Die Kostenträger, also das Land und die Kommunen, müssen beachten, dass keine unbegrenzten Finanzmittel zur Verfügung stehen. Wir müssen die Mittel effizient einsetzen. Ich betone aber ausdrücklich, dass alle drei Partner das gleiche Ziel haben, das bestehende engmaschige soziale Netz in Thüringen zukunftssicher zu gestalten. Aber auch hier gilt die alte Weisheit: „Nicht alles Wünschbare ist auch realisierbar.“
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen ein konkretes Beispiel für die Umsetzung von Arbeitsergebnissen darstellen: Aus der Unterarbeitsgruppe „Ambulant vor stationär“ nenne ich zum Beispiel die Einführung alternativer Wohnformen für Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen sowie die Angebote von Leistungen der Tagesstrukturierung für alt gewordene Menschen mit Behinderungen. Ein umfangreiches Empfehlungspapier wurde in der Unterarbeitsgruppe erarbeitet. Dieses Papier wurde an alle Fachgremien im Land zur Berücksichtigung übersandt. Demgegenüber konnte dem Anliegen der LIGA, der Einrichtung eines demographischen Kompetenzzentrums für Thüringen, nicht entsprochen werden. Die Aufgaben des Zentrums hätten zu Überschneidungen mit bereits bestehenden und gesetzlich legitimierten Gremien geführt, so beispielsweise mit der Gemeinsamen Kommission nach § 79 SGB XII. Diese ist paritätisch durch Vertreter der LIGA, der kommunalen Spitzenverbände sowie des Landes besetzt, also im Grunde der gleiche Kreis. Ihr obliegt die Ausgestaltung aller den Landesrahmenvertrag betreffenden Entscheidungen. Darüber hinaus ist auf die Planungskommission nach § 4 des Thüringer Ausführungsgesetzes zum SGB XII zu verweisen, in der sich die Kostenträger entsprechend dem gesetzlichen Auftrag zu Fragen der Standort- und Bedarfsplanung sowie zur investiven Förderung im sozialen Bereich verständigen. Hier ist die LIGA insofern kein Mitglied. Des Weiteren hätten erhebliche finanzielle Mittel auch in diesem Bereich eingesetzt werden müssen. Einsparungen an anderen Stellen bei Maßnahmen im freiwilligen Bereich wären dann natürlich die Folge gewesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bis heute hat die Arbeitsgruppe „Soziale Infrastruktur in Thüringen“ 11 Sitzungen unter wechselndem Vorsitz der LIGA und des Sozialministeriums durchgeführt. Hinzu kamen eine Vielzahl von Beratungen der Unterarbeitsgruppen. In der Sitzung im Oktober 2006 wurde einvernehmlich festgelegt, die Arbeitsgruppe neu zu orientieren. Sie soll sich mit Fragen der Strukturen und Steuerung der Eingliederungshilfe befassen. Die erste Sitzung fand am 7. März 2007 statt. Seitens der LIGA wurden u.a. folgende Themenbereiche vorgeschlagen: Stärkung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“, also in Fortsetzung des bis dahin schon abgearbeiteten Themas einer Unterarbeitsgruppe, ein Abschluss des Rahmenvertrags nach § 79 Abs. 1 SGB XII für ambulante Leistungen, dann das Thema „Persönliches Budget - Umsetzung in Thüringen“ und das Thema „Planungsprozesse im teil- und vollstationären Bereich - stärkere Einbeziehung der Seite der Leistungserbringer“. Als weiteres Thema gilt die perspektivische Bedarfsplanung im Bereich der Werkstätten für behinderte Menschen, hier das Ziel des Landes insbesondere. Ein weite
res Thema ist die perspektivische Betrachtung der Situation von alt gewordenen Menschen mit Behinderungen, das Thema „Schaffung von Hilfsbedarfsgruppen“, soweit der Themenbereich der LIGA. Seitens des Sozialministeriums wurden folgende Themenschwerpunkte benannt: Stärkung und Ausbau ambulanter Strukturen in der Hilfegewährung, Entwicklung und stärkere Inanspruchnahme der im ambulanten Bereich zur Verfügung stehenden Instrumentarien und Abschluss von Zielvereinbarungen zur Förderung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“, insbesondere vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden demographischen Entwicklung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich komme auch sehr gern Ihrer Bitte einer Beurteilung nach, ob und unter welchen Voraussetzungen die Fortführung der Arbeit der Arbeitsgruppe angebracht ist. Ich halte die weitere Arbeit der Arbeitsgruppe für wichtig. Dies wird auch durch die soeben von mir aufgezählten neuen Themenfelder unterlegt, welche in der Arbeitsgruppe im März dieses Jahres benannt wurden. Anfang Oktober werde ich mich wiederum mit der LIGA zu der Arbeitsgruppe treffen. Allerdings muss ich eines an dieser Stelle auch deutlich sagen, Arbeitsgruppen können nur Empfehlungen für die weitere Arbeit aussprechen, die notwendigen Entscheidungen dazu trifft die Landesregierung bzw. das Parlament. Die Mitglieder der Landesregierung sind in Artikel 70 der Verfassung des Freistaats Thüringen benannt, das brauche ich nicht näher auszuführen. Bezüglich der Einschätzung seitens der LIGA und der kommunalen Spitzenverbände ist mir keine zwischen allen Einzelvertretern abgestimmte Gesamtbeurteilung der bisherigen Arbeitsergebnisse bekannt. Ich wiederhole an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich: Die Gespräche mit der LIGA und die Ergebnisse der Arbeitsgruppensitzungen sind wichtig; sie werden bei Entscheidungen der Landesregierung grundsätzlich berücksichtigt. Weiterhin ist es eine Tatsache, dass Thüringen ein bedarfsgerechtes Netz an sozialen Einrichtungen auch bei schmalen Haushaltskassen vorhält. Menschen, die der Hilfe des Sozialstaats bedürfen, erhalten diese in Thüringen weiterhin umfänglich. Dies wäre ohne die Wohlfahrtsverbände nicht möglich und deshalb gilt Ihnen, den Vertretern bzw. den Mitgliedern der LIGA der Wohlfahrtsverbände, auch mein besonderer Dank zum Abschluss meines Berichts. Vielen Dank.
Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht? Alle drei Fraktionen, damit eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Kubitzki.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Vorschlag der LIGA zur Bildung der Arbeitsgruppe war ja auch ein Ergebnis einer LIGA-Tagung im Jahr 2003 in Bad Sulza, wo auch das Manifest der LIGA „Zukunft der sozialen Infrastruktur in Thüringen“ verabschiedet wurde. Wenn Sie gestatten, würde ich gern aus diesem Manifest zitieren. Dort heißt es: „Chronische Defizite der öffentlichen Hand, sich seit Jahren verfestigende Massenarbeitslosigkeit und der drohende Kollaps der sozialen Sicherungssysteme zeichnen ein düsteres Bild. Ein wirtschaftlicher Aufschwung, der eine Eindämmung der Problemlagen bedeuten würde, ist zumindest kurzfristig nicht erkennbar.“ Wie gesagt, die Aussage 2003. Die soziale Entwicklung in diesem Land gekennzeichnet durch Hartz IV, durch steigende Armut, auch aufgrund fehlender Rentenerhöhung und durch den weiteren Ausbau des Niedriglohnsektors haben gerade diese Problemlagen, meine Damen und Herren, verschärft. Auch gegenwärtig, trotz zum Beispiel sinkender Arbeitslosigkeit, wissen wir alle, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften sich in Thüringen weiter erhöht. Viele Familien, junge Familien, Alleinerziehende sind durch diese Lebenslagen oft nicht in der Lage, ihre Lebenssituation zu beherrschen und ohne Hilfe aus dieser Situation herauszukommen. Besonders gestiegen ist der begleitende Hilfebedarf. Aber dieser fehlt oft und für diesen begleitenden Hilfebedarf gibt es keine Strukturen und es gibt keine Strukturen, weil dafür das Geld fehlt. So wird es jedenfalls begründet vonseiten der Landesregierung.
Noch ein weiteres Zitat aus diesem Manifest: „Hinter den Reformprojekten der Bundesregierung, wie den Gesetzen der modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, verbirgt sich ein Paradigmenwechsel - weg von der emanzipatorischen selbsthilfeorientierten Ausrichtung des BSHG hin zur Revitalisierung des Fürsorgestaats.“ Genau das kennzeichnet auch unsere Sozialpolitik und die Finanzierung der Sozialpolitik hier in diesem Land. Es ist keine Sozialpolitik, die die Selbsthilfe fördert, es ist eine Sozialpolitik der Fürsorge. Ich habe Ihnen das schon mal gesagt, Herr Minister, es ist eine Almosenpolitik.
Sie haben in Ihren Ausführungen jetzt gesagt, diese Arbeitsgruppe, die da gebildet wurde, hat viele Hinweise gegeben, hat viele Empfehlungen gegeben und gleichzeitig sagen Sie aber, es sind eben nur Empfehlungen und entscheiden tut die Landesregierung. Da muss ich Ihnen die Frage stellen: Welchen effektiven Sinn haben dann Arbeitsgruppen, wenn ich mir zwar die Empfehlungen anhöre, von der Arbeitsgruppe weggehe und die Empfehlungen in die Schublade stecke? Besonders hinsichtlich der beginnenden Haushaltsdebatte hier in diesem Haus wäre es sehr wichtig, Herr Minister - da können Sie sich
auch mit Ihrem Staatssekretär austauschen - dass besonders die Hinweise, die jetzt nämlich von der LIGA kommen, auch in die Haushaltsdebatte mit eingebaut und verankert werden. Wenn Sie sagen, dass die LIGA natürlich eigene Interessen verfolgt, da möchte ich mich aber auch darauf beziehen, dass sie hoffentlich nicht bloß meinen, dass Sie vielleicht eigene finanzielle Interessen verfolgt, sondern dass sie auch Interessen verfolgt, nämlich einen Sozialstaat aufrechtzuerhalten. Es geht eigentlich um die Frage: Wie viel Wohlfahrt braucht dieser Staat? Dazu müssen wir uns positionieren, ob wir Wohlfahrt brauchen oder ob die Landesregierung sagt, wir brauchen keine. Aber gerade bei der sozialen Lage, wie wir sie hier in Thüringen vorhalten, dürfen wir die Wohlfahrt nicht nur ökonomisieren, sondern die Wohlfahrt muss in diesem Land wirklich auch den sozialen Einsatz der Freiwilligkeit fördern. Das geht aber nicht nur mit freiwilligen Strukturen, mit ehrenamtlichen Strukturen, sondern das braucht auch soziale Infrastrukturen, das braucht Dienstleistungsangebote, die unter anderem von dem Hauptamt mit unterstützt werden. Welche Erwartung hat zum Beispiel die LIGA an die Infrastruktur, die wir als LINKE auch mit unterstützen? Einerseits das koordinierte Zusammengehen zwischen Land und Kommunen in der Frage der sozialen Angebote, und wir als LINKE sagen auch, wir brauchen eine Sozialraumplanung nicht nur in den Kommunen, wir brauchen eine Sozialraumplanung auch für dieses Land. Ein Beispiel dafür - und das zähle ich auch mit zur sozialen Infrastruktur - ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Da geht es nicht nur darum, dass wir Leuchttürme in diesem Land fördern und Arbeitsplätze dort fördern, wo Zentren sind, sondern dass wir auch eine Arbeitsmarktpolitik machen, die in die Fläche geht. Das beweist allein die Tatsache der unterschiedlichen Arbeitslosenzahlen, die wir hier in diesem Land haben. Wir haben Landstriche mit einer hohen Arbeitslosigkeit, wo aufgrund dieser Arbeitslosigkeit der Hilfebedarf sehr stark ist, aber keine Struktur dafür vorgehalten wird. Für mich zählen zur sozialen Infrastruktur eigentlich nicht nur soziale Angebote, z.B. der ÖPNV gehört auch dazu. Wenn ich daran denke, dass manche Landstriche, manche Dörfer gar nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind, so wirkt sich das auch auf die Lebensweise in diesen Dörfern, in diesen Gemeinden aus. Besonders betroffen sind natürlich wieder die, die sozial in einer prekären Lage sind, die sich bestimmt kein Fahrzeug leisten können, die Fahrpreise nicht bezahlen können und natürlich auch viele ältere Bürger. Aber Voraussetzung für eine Sozialraumplanung sowohl auf der kommunalen als auch auf der Landesebene ist erst einmal, dass ich überhaupt eine Bestandsaufnahme mache. So eine Bestandsaufnahme sollte ein Sozialbericht sein und den, Herr Minister, vermissen wir in diesem Land schon über Jahre.
Meine letzte Anfrage diesbezüglich hier in diesem Hause, wann der nächste Sozialbericht von Ihnen erarbeitet wird, wurde von Ihrem Staatsekretär eindeutig beantwortet: In dieser Legislaturperiode ist mit einem Sozialbericht nicht mehr zu rechnen. Ich glaube, Sie wollen nicht wissen, was in diesem Land für Problemlagen gerade im sozialen Bereich vorherrschen. Sie wollen die Armut in diesem Land nicht sehen, Sie wollen den Abbau sozialer Strukturen in diesem Land nicht sehen. Deshalb verweigern Sie zum Beispiel diesen Sozialbericht. Aber ich kann Ihnen versprechen, Herr Minister, wir werden Sie die nächste Zeit mit Kleinen Anfragen beschäftigen, wo wir die Antworten auf all unsere Fragen, die wir hinsichtlich der sozialen Lage in unserem Land haben, bekommen werden, das hoffe ich zumindest. Sie wären dann vielleicht froh gewesen, Sie hätten gleich einen Sozialbericht vorgelegt, Herr Minister.
Es geht nämlich nicht nur darum, das Ist festzustellen, sondern wir müssen auch zukünftig für eine Infrastruktur in diesem Land Faktoren mit zugrunde legen, wie z.B. die Einschätzung der demographischen Entwicklung, auch der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Es geht darum, und das muss zur Kenntnis genommen werden, Menschen gehen dorthin, wo Arbeit ist. Deshalb - ich wiederhole mich noch einmal - geht es nicht nur um Leuchttürme in diesem Land, sondern wir müssen besonders auch an die Infrastruktur denken, die in der Fläche liegt. Sie begründen das natürlich damit, dass nicht mehr ausgegeben werden kann als wir haben, das ist richtig, aber wenn ich Finanzpolitik mache, dann muss ich auch Schwerpunkte setzen. Die LIGA und die darin enthaltenen Organisationen, Herr Minister, sind sich bewusst, dass auch die Finanzlage dieses Landes bei einer Gestaltung der Infrastruktur beachtet werden muss. Gerade wenn wir eine planmäßige Infrastruktur haben, ist es möglich, dass soziale Angebote effektiv genutzt werden können, wenn nämlich der Bedarf dazu ermittelt wurde und wenn eine Schwerpunktsetzung entsprechend einer Sozialplanung stattfindet, die sich nach Sozialräumen richtet. Das ist eine ordnungspolitische Funktion, auch wenn Sie wieder sagen, wir möchten, dass alles der Staat plant. Aber ich muss Ihnen sagen, im Bereich der Jugendarbeit ist die Sozialraumplanung schon gang und gäbe und hat sich dort bewährt.