Protokoll der Sitzung vom 12.11.2004

Eine zweite Geschichte, und deswegen hatte ich mich ursprünglich zu Wort gemeldet: Frau Kollegin Ehrlich-Strathausen, da Sie ja meine Frage nicht beantworten wollten und das sich augenscheinlich etwas dünnhäutig bei Ihnen äußert, sage ich Ihnen jetzt von dieser Stelle hier, was ich Sie fragen wollte, und dann können Sie vielleicht die Gelegenheit nutzen, das noch richtig zu stellen. Wie kommen Sie eigentlich dazu zu behaupten, Thüringen würde keine CIVITAS-Projekte unterstützen oder fördern? Das ist schlichtweg gelogen und geschwindelt. Das haben Sie wörtlich gesagt, lesen Sie das im Protokoll nach. Und, Frau Ehrlich-Strathausen, ich sage Ihnen das ganz deutlich, der Minister hat es gesagt, ich habe es gesagt und ich sage es Ihnen noch mal, damit Sie es verstehen: Thüringen unterstützt in diesem Jahr drei landesweit tätige Projekte aus dem CIVITAS-Projekt. Hinzu kommen 31 Kommunalprojekte, die unterstützt werden. Beide werden kofinanziert. Also behaupten Sie bitte so etwas nicht oder erklären Sie, wie Sie auf solche Behauptungen kommen. Da das offensichtlich aber nicht in Ihrem Redeskript stand, konnten Sie das auch nicht beantworten, insofern habe ich Verständnis, dass Sie dann an dieser Stelle auch keine Nachfragen zulassen.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Leukefeld zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich finde es beschämend, dass von diesem Thüringer Landtag in dieser so wichtigen Debatte kein einheitliches deutliches Signal gegen Rechts ausgeht.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte etwas zur Sachlichkeit zurückkehren und möchte Ihnen einige Zahlen und Ergebnisse der letzten Monitor-Untersuchung sagen. Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass mehr als 50 Prozent der Thüringer meinen, Deutschland ist überfremdet. In Thüringen leben meines Wissens 1,6 Prozent ausländische Mitbürger. Zwei Drittel bejahen ein härteres Durchsetzen deutscher Interessen im Ausland. Ein Drittel der Befragten sagt, es gibt wertvolles und unwertes Leben und 20 Prozent, meine Damen und Herren, jeder Fünfte, meint, im nationalen Interesse ist Diktatur unter Umständen die bessere Staatsform. Das sollte uns zum Nachdenken bringen, denn ich glaube,

(Beifall bei der PDS)

diese große Akzeptanz rechter Positionen in der Mitte der Bevölkerung, da liegt eigentlich die wirkliche Gefährlichkeit und da braucht Thüringer Politik klare Positionen, um wirklich den Anfängen zu wehren. Deswegen finde ich die Gleichsetzung von Linksund Rechtsextremismus völlig verfehlt, ich will das nicht wiederholen, was Frau Dr. Kaschuba gesagt hat. Ich meine aber, wer bewusst eine Gleichsetzung von linken und rechten Positionen betreibt, der verharmlost in unverantwortlicher Weise das, was sich hier im rechten Spektrum tut,

(Beifall bei der PDS)

und der befördert sogar Rechtsextremismus.

Frau Abgeordnete Leukefeld, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Schwäblein?

Bitte, Herr Abgeordneter Schwäblein.

Frau Kollegin, mir ist der Unterschied zwischen Links und Linksextrem bekannt. Ist Ihnen der Unterschied zwischen Rechts und Rechtsextrem bekannt?

Der Sinn ist mir sehr wohl bekannt.

Warum verwenden Sie es dann nicht und reden immer nur von rechten Positionen?

Es gibt einen Unterschied, das haben Sie richtig dargestellt. Rechte Positionen können unter Umständen zu Rechtsextremismus führen. Rechte Positionen sind Vorläufer davon und linke Positionen, das will ich Ihnen mal sagen, die gehen von demokratischen, von humanistischen Grundwerten aus, und darum bemühen wir uns, auch hier in diesem Haus.

(Unruhe bei der CDU)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine weitere Anfrage? Bitte, Herr Abgeordneter Schwäblein.

Frau Kollegin, da sich sehr viele darum bemühen, in der Mitte dieser Gesellschaft zu stehen und wir diese Mitte durchaus auch geometrisch sehen können, können Sie sich vorstellen, dass es neben einer demokratischen Linken auch eine demokratische Rechte gibt, sonst ist eine Mitte gar nicht vorstellbar?

Ich kann mir vorstellen, dass es neben der Mitte noch andere Positionen gibt und dennoch denke ich, dass man sich mit solchen Grundpositionen wie wertes und unwertes Leben und auch der Frage der Anzweiflung von demokratischen Formen sehr wohl auseinander setzen muss.

(Unruhe bei der CDU)

Ich glaube, dass das vor allen Dingen auch ein Auftrag an die Mitte dieses Hauses ist.

(Beifall bei der PDS)

Für die PDS-Fraktion hat sich noch Frau Abgeordnete Thierbach zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Sie haben die Frage doch gar nicht beantwortet.)

Ich glaube nicht, ob ich ein Flügel oder irgendetwas Aussätziges bin. Ich möchte zu Herrn Krause sprechen.

(Beifall bei der PDS)

Und zwar möchte ich zu Herrn Krause sprechen, weil ich gebürtige Weimarerin bin und weil ich in Weimar seit September wieder wohne und weil meine Großeltern beide im KZ Buchenwald im Außenlager Bad Salzungen waren. Und ich möchte Ihnen auch sagen, das habe ich in 14 Jahren nicht erlebt, die ich bisher in diesem Landtag bin, dass eine Rede gehalten wurde, wo ich dachte, dass dieses Niveau überwunden ist. Ich möchte Ihnen auch sagen, warum. Nachdem Herr Krause in den Landtag gewählt wurde, wurde er durch Zeitungen zu seinen Aufsätzen in der "Jungen Freiheit" befragt. Ich gehe davon aus, dass Sie alle wissen und möglicherweise mir da auch folgen, dass die "Junge Freiheit" möglicherweise eine Schnittstelle zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus sein könnte. Herr Krause hat in dem Interview, befragt genau zu dieser Problematik, ob ihm nicht bewusst war, wer unterstützt wird durch die "Junge Freiheit", nach meiner Auffassung sich vom Rechtsextremismus distanziert. Ich war vor den Wahlen überzeugt, dass es in Weimar ein Klima gibt, in dem ein Bündnis gegen Rechts von einem zukünftigen Staatssekretär Illert in der Demonstration begleitet, von Herrn Krause in der Demonstration begleitet, von Herrn Ruhland in der Demonstration begleitet vor dem Wahlkampf. Ich war überzeugt, dass das, was in Erfurt gang und gäbe war, tatsächlich Realität ist, nämlich dass man über Parteiengrenzen hinweg entideologisiert dem Neofaschismus Grenzen setzen kann. In dieser heutigen Rede, Herr Krause, sind Sie genau über diesen Kompromiss, über diesen Humanismus hinweggegangen. Sie haben heute in dieser Rede etwas losgetreten, was nämlich ganz viele Fragen verlangt. Ihre Rede lässt mich nicht nur an der Meinung zweifeln, sondern Sie haben zwei Diktaturen gleichgestellt und ich will mich nicht verteidigen, ob man das darf oder nicht. Ich möchte Sie auf die Gefährlichkeit aufmerksam machen, die das bedeutet. Sie haben nämlich damit Faschismus und DDR gleichgesetzt. Und genau diese Gleichsetzung ist die Gefährlichkeit, die nämlich dann genau zu solchen Zahlen und zu solchen Verhaltensweisen führt,

dass es heute Leute hier im Land gibt, die sich Diktaturen zurückwünschen, weil genau diese Verschleierung, diese Gleichstellung gemacht wird.

(Beifall bei der PDS)

Ich sage Ihnen, es ist nicht nur ein Verharmlosen von Faschismus, sondern Sie nehmen sogar die Täter und lassen sie verschwimmen. Sie verharmlosen sogar damit, dass in Nürnberg Kriegsverbrecher verurteilt wurden, dass man nämlich diese Täter nicht gesichtslos machen kann. Heute so eine Rede zu halten, macht mir Angst, was dann zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus an politischer Kitterei losgeht. Und genau diese Angst, die sagt nämlich, wer zwei Diktaturen gleichstellt, diesen Begriff bekomme ich über meine Lippen, weil der Faschismus menschenverachtende Diktatur war, DDR hat sich als Diktatur des Proletariats bezeichnet, dann kann man verkürzt von mir aus von zwei Diktaturen reden. Aber Sie verharmlosen mit dieser Gleichstellung Krieg, Völkermord, Holocaust und unzählige Verbrechen,

(Beifall bei der PDS)

die nämlich im Faschismus passiert sind.

(Beifall bei der PDS)

Und da nützt es auch nichts

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Russische Gu- lags gab es wohl nicht, Frau Thierbach?)

- die gibt es auch -, aber sagen Sie doch um Gottes willen nicht die Gleichstellung. Es gibt heute noch Menschenrechtsverletzungen, aber wir haben keinen Faschismus in Deutschland. Und den Tendenzen muss man wehren und aus dem Grund muss man jedem Neofaschismus entgegentreten.

(Unruhe bei der CDU)

Frau Abgeordnete Thierbach, es stehen zwar auch noch vor dem Mikrofon Leute, die, glaube ich, keine Frage stellen wollen, aber der Abgeordnete Dr. Krause möchte Ihnen eine Frage stellen - und Sie auch, Frau Stauche. Gestatten Sie das?

Beiden nicht im Moment. Ich bin gern anschließend bereit.

Am Ende Ihrer Rede, ja?

Dieses Verharmlosen muss im Prinzip hinterfragt werden und ich sage Ihnen auch, warum. Sie kennen alle den Streit um die Wehrmachtsdeserteure. Sie kennen alle die Streits um die Ausstellung, wie auch 1999 die erste Wehrmachtsausstellung zurückgeholt wurde. Diese Ausstellung 1999 wurde erneuert. Alle Täter, die dann auf den Bildern waren, waren verschleiert - die Täter waren nicht mehr sichtbar. Warum sage ich das? Weil nämlich das Verweisen, dass Geschichtsprozesse irgendwo auf dieser Welt, die auch Völkermord bedeuten, laufen, noch lange keine Gleichstellung von zwei geschichtlich unterschiedlichen Zeiten rechtfertigen, sondern da müsste man auch fragen: Woher kommt, dass auf der Welt sich faschistoide Entwicklungen überhaupt wieder entwickeln? Wir leben heute hier und da kann ich hundertmal in ein anderes Land verweisen, die Gefahr ist hier, die ist heute und überall hier, dass der Neofaschismus sich entwickelt. Ich hätte mir gewünscht, Herr Krause, wenn ich Ihrem Artikel hätte glauben können, was ich seit heute sehr bezweifle, Sie wären zur letzen Demo in Weimar, einer, wo wir hoffen, keine weiteren 23 neofaschistischen Anmeldungen mehr zu bekommen, mit da gewesen. Sie hätten wie vor dem Wahlkampf gezeigt, dass die CDU dazu steht und unser Gespräch unmittelbar im Anschluss, ich auf Sie zukommend, vielleicht noch einen Sinn hat, wo Sie sagten, ja, auch Sie haben darüber nachgedacht, wieder hinzugehen und wenigstens darüber zu diskutieren, wie es im Bündnis gegen Rechts weitergehen wird. Und dann empfehle ich Ihnen: Versuchen Sie einfach mit Herrn Knigge, dem Direktor der Gedenkstätte Buchenwald, und vielleicht mit Herrn Hans Heer eine Veranstaltung noch mal zu wiederholen, nämlich die, die am Dienstag in Weimar im Mon Ami stattgefunden hat und die genau auf die Tendenzen, wenn der Faschismus verharmlost wird, wenn die Täter verwaschen werden, wenn Geschichte unklar wird, wie leicht sich dann Faschismus wieder entwickelt. Vielleicht schaffen wir diese Auseinandersetzung irgendwann auch in diesem Landtag. Ich wünsche mir, vor dem 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus.

(Beifall bei der PDS)

Ein letzter Satz: Man kann sich stundenlang über den Antrag der SPD streiten, ob der Monitor-Bericht erst im Januar wieder kommt, ob man den Haushalt erst im Februar verabschiedet, aber eines müssen Sie diesem Antrag doch einfach gestatten und zubilli

gen: Er macht auf ein ganz gefährliches Problem in Thüringen aufmerksam und er benennt Mittel, wie man diesem Problem begegnen kann. Ob man nun ein eigenes Programm aufstellt gegen Rechtsextremismus oder die Mittel der bisherigen Stellen durch die Bundesprogramme weitergibt, der Antrag benennt Lösungsvorschläge. Und genau deswegen ist es nämlich wert, diesen Antrag zu unterstützen und nicht einfach zu sagen, liebe SPD, wir brauchen euch nicht. Genau aus dem Grund werde ich dem Antrag zustimmen, wegen der Debatte, die heute hier gelaufen ist.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete Thierbach, Sie gestatten jetzt die Anfragen? Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Krause.

Frau Abgeordnete Thierbach, würden Sie mir die Passage zitieren, in der ich zwei Diktaturen gleichgesetzt oder verglichen habe?

Wissen Sie was, das Geschick ist oft derer, die verschleiern.