Zur europäischen Verkehrspolitik erläuterte die Landesregierung das Weißbuch der Europäischen Kommission, Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum hin zu einem wettbewerbsorientierten und Ressourcen schonenden Verkehrssystem. Dabei seien drei Punkte wesentlich:
In diesem Zusammenhang diskutierte der Ausschuss insbesondere auch die Frage, wie das Problem wachsender Verkehrsströme einerseits bei der Vorgabe sinkender CO2-Immissionen andererseits zu lösen sei.
Schließlich erörterte der Europaausschuss in seiner 13. Sitzung am 14. September 2012 die im Hinblick auf die künftige EU-Förderung für Thüringen besonders relevanten Themen der europäischen Kohäsionspolitik sowie der gemeinsamen Agrarpolitik.
Im Rahmen der Erörterung der europäischen Kohäsionspolitik wurde deutlich, dass bei den Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen das sogenannte Sicherheitsnetz und die Höhe der Mittelzuweisung für die aus der Höchstförderung ausscheidenden Regionen noch immer diskutiert werden. In der kohäsionspolitischen sogenannten Verhandlungsbox, auf die sich der Rat für allgemeine Angelegenheiten im Juni geeinigt habe, sei nur immer von einer Höhe von 55 Prozent bis zu zwei Dritteln der bisherigen Zuweisungen die Rede, erläuterte die Landesregierung. Endgültige Entscheidungen werde es erst im Rahmen einer Gesamteinigung über den mehrjährigen Finanzrahmen geben. Im November werde ein europäischer Rat sich ausschließlich mit dem mehrjährigen Finanzrahmen befassen. Von einer Einigung sei frühestens im Frühjahr 2013 auszugehen. Im Ergebnis ist mit erheblichen Mindereinnahmen aus den europäischen Strukturfonds für die nächste Förderperiode zu rechnen. Gleichzeitig kann aber mit einiger Wahrscheinlichkeit mit einer Aufrechterhaltung der 75prozentigen Kofinanzierungsquote für die neuen Länder gerechnet werden.
Erfreulich seien die Entwicklungen bei den Verhandlungen über die Strukturfondsverordnung auf Ratsebene, berichtete die Landesregierung. Nach Auffassung der Mitgliedstaaten solle stärker zum
Ausdruck kommen, dass die Ausrichtung auf inhaltliche EU-Vorgaben Hand in Hand mit Freiräumen für bedarfsbezogene Entwicklungsstrategien gehen müsse. In den sogenannten Übergangsregionen solle der Mindestanteil der für den ESF vorgesehenen Mittel nicht mehr mit 40 Prozent vorgegeben werden. Sollten die bisherigen Kompromisse Bestand haben, dürften die Regionen mehr Förderspielräume erhalten als von der Europäischen Kommission vorgeschlagen worden sei.
Zur landesinternen Vorbereitung der neuen Förderperiode erklärte die Landesregierung, die Bedingungen für die Programmplanung seien schwierig, da inhaltliche und finanzielle Rahmen für die nächste Förderperiode noch nicht feststehen. Gegenwärtig wurden in einer interministeriellen Arbeitsgruppe auf Arbeitsebene die Abstimmungen für diese Eckpunkte vorgenommen. Das Kabinett werde sich voraussichtlich im Oktober damit befassen.
Auch die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik ist in die entscheidende Phase getreten. Der Kommissionsvorschlag umfasst Verordnungsvorschläge über die Direktzahlung an die Landwirte, über die ländliche Entwicklung, über die künftige Ausrichtung des ELER, über die Organisation der europäischen Agrarmärkte und über die Finanzkontrollen in der Agrarpolitik. Die Landesregierung erläuterte, dass im europäischen Gesetzgebungsverfahren gegenwärtig das Europäische Parlament am Zug sei, die Berichterstatter im federführenden sowie den mitberatenden Ausschüssen hätten ihre Berichtsentwürfe vorgestellt. Hierzu seien insgesamt über 7.000 Änderungsanträge eingegangen. Die Abstimmungen in den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments sind für das Jahresende 2012 vorgesehen.
Die amtierende zyprische EU-Ratspräsidentschaft, die vom Europaausschuss in seiner Sitzung am 13. Juli 2012 angehört wurde, agiert nach Angaben der Landesregierung äußerst effizient und wolle die Ratsdokumente noch vor Jahresende 2012 abschließen. Aus Sicht der Thüringer Landesregierung ist mit einem Abschluss jedoch eher in der ersten Jahreshälfte 2013 unter irischer Ratspräsidentschaft zu rechnen. Die irische Ratspräsidentschaft wird vom Europaausschuss voraussichtlich im Februar 2013 angehört werden.
Die Landesregierung erläuterte, die Kommission habe inzwischen einige erfreuliche Kompromisse vorgeschlagen. Agrarumweltmaßnahmen, die bisher im Rahmen der zweiten Säule in Deutschland erbracht worden seien, sollten mit dem geplanten Greening und den Direktzahlungen der ersten Säule an Landwirte gleichgestellt werden. Hoffnungsvoll stimme auch, dass bei den Geldern zur ländlichen Entwicklung künftig private Kofinanzierungen mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich sein würden.
Problematisiert wurde im Rahmen der Beratung des Europaausschusses, dass die Kappung der Direktzahlung ab 300.000 € sowie die Degression der Zahlung auf europäischer Ebene noch immer mehrheitsfähig erscheine. Thüringen ist mit seinen Agrargenossenschaften damit eine leidtragende Region. Im Ausschuss bestand Einvernehmen, dass neue bürokratische Hürden und eine weitere Verkomplizierung der Abläufe nicht akzeptabel seien. Inakzeptabel sei auch, dass im Strukturfonds ELER im Gegensatz zu EFRE und ESF bislang kein Sicherheitsnetz für Regionen wie Thüringen vorgesehen sei, die bislang Höchstfördersätze enthalten hätten. Hier besteht die Gefahr, dass ohne Abfederung die Finanzierungssätze auf ein Maß zurückgehen, das den Bestand von Projekten massiv gefährdet.
Die Mitglieder des Europaausschusses waren sich einig, dass die ländlichen Regionen nur dann gestärkt werden können, wenn dort auch Arbeitsplätze geschaffen würden. Die Thüringer Agrarbetriebe aller Größenklassen würden dabei eine bedeutende Rolle spielen. Damit das so bleibe, brauche man auch gerechte Regelungen für die Direktzahlung an Landwirtschaftsbetriebe.
Meine Damen und Herren, im Ergebnis der Beratung zu Nummer 2 des Antrags empfiehlt der Europaausschuss dem Landtag, die Beschlussempfehlung zu Nummer 3 des Antrags in Drucksache 5/ 3295 Neufassung anzunehmen. Die Beschlussempfehlung liegt dem Landtag als Drucksache 5/5225 vor. Ich danke Ihnen.
Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Kubitzki, für die umfangreiche Berichterstattung. Ich eröffne nunmehr die Aussprache. Es liegen Wortmeldungen aus allen Fraktionen vor und als Erster hat das Wort der Abgeordnete Koppe für die FDP-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon einmal vielen Dank an den Berichterstatter. Ich glaube, der hat jetzt fast alles gegeben, was er noch hatte um diese Uhrzeit, er war schon …
Vielen Dank, dann lassen wir das mal so stehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Thüringens Interesse in Europa wahrzunehmen und regionale Interessen zu bündeln, muss der Kompass für eine erfolgreiche Thüringer Europapolitik sein. Insofern ist die Grundlage dazu, zunächst völlig unabhängig vom Inhalt einen möglichst breiten Diskussionsprozess in Gang zu setzen, damit die Landesregierung im Einklang hier mit dem Hohen Haus, dem Thüringer Landtag, die Interessen in Brüssel breit vertreten kann. Ich denke, wir alle können nach knapp einem Jahr sagen, dass es uns allen gemeinsam gelungen ist. Jeder konnte sich entsprechend seines Fachgebiets in die Debatte einbringen. Die europapolitische Strategie der Landesregierung wurde in allen Fachausschüssen intensiv debattiert. Ich denke, dies hat sich auch zum Vorteil aller gelohnt. An dieser Stelle gilt mein Dank nicht zuletzt Kollegen Kubitzki, der als Vorsitzender des Europaasschusses gemeinsam mit der Verwaltung, ich sage es jetzt mal etwas flapsig, mit Geduld und Spucke die Diskussion geleitet und zu dem vorliegenden Ergebnis nicht unwesentlich beigetragen hat. Am Umfang und Inhalt des Berichts können Sie ablesen, wie intensiv sich das Hohe Haus damit beschäftigt hat. An dieser Stelle will ich aber auch mal meinen Fraktionskollegen danken, die mir neben dem Tagesgeschäft mit ihrem fachpolitischen Rat stets zur Seite gestanden haben. Ich will an dieser Stelle nur auf ein paar wenige, für mich zentrale Dinge eingehen. Dass Europa und die europäischen Institutionen wichtig sind, zeigt die Tatsache, dass mittlerweile rund 80 Prozent unserer Gesetze und Vorschriften aus Brüssel kommen. Dass wir uns selbst als Landtag ein passendes Instrument wie den Europaausschuss gegeben haben und dieser, ich sagte das schon, so gut funktioniert, zeigt, dass wir Thüringer uns tatsächlich auch gedanklich in der Mitte Europas befinden und uns auch auf der Brüsseler Ebene in Entscheidungsprozesse einbringen wollen und auch können.
Wie mühsam dann jedoch manchmal das Tagesgeschäft ist, weiß jeder, der einmal die Stapel an Initiativen der EU-Kommission, an Beschlüssen und der Grün- und Weißbücher gesehen hat, mit denen wir uns im Ausschuss selbst, aber auch in den Fachausschüssen beschäftigen. EU-Politik ist aber auch Landespolitik und wir tun gut daran, uns auch weiterhin in diesem Bereich als Freistaat aktiv und vital zu zeigen. Dass man als Landesebene dann doch auch von einer politischen Großwetterlage abhängig ist, zeigt momentan auch die aktuelle Diskussion um den EU-Haushalt, der ja bekanntlich bei
den Briten noch auf Skepsis stößt. Klar ist aber auch, dass uns als Thüringen gerade die Kohäsionspolitik besonders treffen wird. Das Herausfallen, und das wissen Sie alle, aus dem Ziel-1-Fördergebiet ab 2014 wird in den folgenden Haushaltsjahren auch im Landeshaushalt seine Spuren hinterlassen. Noch ist nicht ganz klar, wie viele Mittel wir im Freistaat letztlich erwarten können. Dass es aber deutliche Einbußen geben wird selbst bei einer Zweidrittellösung, muss uns zumindest allen klar sein. Gut und richtig ist meiner Meinung nach, dass wir deutlich gemacht haben, dass wir der Einführung einer EU-Mehrwertsteuer ablehnend gegenüberstehen.
Generell bin ich auch der Meinung, dass wir mit einer eigenen Steuerkompetenz der EU sehr vorsichtig umgehen müssen, auch wenn es das EU-Parlament anders sieht. Ich glaube, wir sind in Europa bisher sehr gut damit gefahren, dass sich die EUMittel direkt aus der Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten ergeben und wir zurückfließende Mittel in die Regionen und weniger in die Staaten geben. Dies hat uns gerade in Thüringen in den letzten 20 Jahren sehr geholfen. Ein entscheidender Punkt ist für mich aber auch die Senkung von bürokratischem Handeln und bisher komplizierten Abläufen, unter anderem auch bei der Mittelverwendung. Es ist klar, wir haben dies ja auch in Brüssel bei einem Gespräch mit Edmund Stoiber aus erster Hand erfahren dürfen, wie schwierig sich der Bürokratieabbau bisweilen gestaltet. Es ist auch stets eine Herausforderung, beispielsweise die konkrete Mittelverwendung zu überprüfen, ohne die Beantragenden mit Anträgen und Nachweisverpflichtungen zu erschlagen. Hier hoffe ich, dass die Landesregierung entscheidende Impulse setzen kann, damit Europa auch in der Praxis bürgerfreundlicher werden kann. Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass gerade die Präsenz in Brüssel existenziell dafür ist, eigene Interessen frühzeitig - ich betone frühzeitig - in EU-Verhandlungen einzubringen. Ich wünsche jedenfalls auch von dieser Stelle der Landesregierung ein glückliches Händchen bei der Durchsetzung Thüringer Interessen auf Europaebene. Dies, das wissen wir alle, ist mit Sicherheit kein leichtes Unterfangen, aber wenn wir uns weiterhin gemeinsam dafür einsetzen, also Landesregierung und Landtag, dann sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Europapolitik gegeben. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Koppe. Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Dorothea Marx für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuschauer auf der Tribüne, schön, dass Sie so spät auch noch bei uns sind. Der britische Historiker Timothy Garton Ash hat die Europa folgendermaßen beschrieben. Eine Frau Europa ist ja eine Frau - jetzt mittleren Alters, ausgezeichnet mit dem Nobelpreis, die mehrere Herzinfarkte hinter sich hat, durchlebt gerade die größte gesundheitliche Krise ihres Lebens. Und in der Tat, die gegenwärtige Finanz-, Bankenund Wirtschaftskrise hat zu einem Vertrauensbruch mit der Europäischen Union geführt. Die EU steckt bei unseren Bürgern in der Sinnkrise. Das hat bekanntlich auch Auswirkungen auf die Haushaltsverhandlungen in Brüssel, die in dieser Nacht wohl einem gewissen Showdown entgegensehen.
Ja, gut, wenn es denn so lange dauert, da muss ich vielleicht doch noch einmal Willy Brandt zitieren, der nicht nur politisch ganz tiefsinnige Sprüche, sondern auch mal lustige hinterlassen hat. Einer war der, dass es mit den Europaverhandlungen so ähnlich zugehe, wie mit dem Liebesspiel zwischen Elefanten. Alles spielt sich auf hoher Ebene ab, wirbelt viel Staub auf und es dauert sehr lange, bis etwas dabei herauskommt. Dann hätten Sie recht, Herr Meyer.
Thüringen profitiert wie viele andere mittel- und ostdeutsche Bundesländer ganz besonders von der EU-Regionalpolitik, nicht nur beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Da ist es immer am plakativsten, wenn die Schilder an der Straße stehen, aber auch ganz viele andere Förderungen haben unser Land hier mit aufbauen geholfen und das wissen wir auch alle. Wir können uns deswegen kaum vorstellen, dass künftig mehr als ein Viertel oder gar mehr als ein Drittel der EU-Fördergelder verlorengehen könnte, denn das würde die Haushaltslage Thüringens weiter anspannen, da ja auch die Mittel aus dem Solidarpakt bis 2019 auslaufen werden.
„Die Einheit Europas war ein Traum weniger, sie wurde eine Hoffnung für viele und ist heute eine Notwendigkeit für alle.“ Das hat schon Konrad Adenauer vor 50 Jahren gesagt und dieses Zitat ist immer noch aktuell. Trotz aller krisenhaften Zuspitzungen der jüngeren Vergangenheit, Europa und die europäische Integration sind und bleiben Garant für die Sicherung von Frieden, Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland und in Thüringen. Aber leider behandeln wir Europa ja immer noch stiefmütterlich und auch die Europapolitik. Wir haben uns zwar bemüht, der umfangreiche Bericht hat es gezeigt, jetzt mal in den Ausschüssen des Landtags insgesamt aufzuschlagen mit dem Thema, aber trotzdem sind wir jetzt am späten
Wir haben uns als Koalition bereits im Koalitionsvertrag 2009 vorgenommen, Thüringen als starke Region in der Mitte Europas ins Bewusstsein zu rufen, zu festigen und darauf zu achten, dass die Mitwirkungsrechte Thüringens an den Entscheidungen von Brüssel und Straßburg künftig nicht zu kurz kommen. Die europapolitische Strategie der Landesregierung ergänzt und verfestigt diesen Willen der sie tragenden politischen Parteien. Wir haben uns auch die Steigerung der Europakompetenz sowohl bei der Landesverwaltung als auch bei der Ausbildung der künftigen Akademiker, zum Beispiel auch gerade der Juristen an Thüringer Universitäten, vorgenommen. Denken Sie deshalb auch an den kulturellen Gedankenaustausch und ganz wichtig auch an die fortdauernde Aufklärung, zum Beispiel durch das europäische Informationszentrum in der Regierungsstraße. Aber Europapolitik ist nicht mehr nur die vielen bunten Prospekte, die wir aller Orten finden können, sondern wir unterstützen insbesondere auch die pluralistische und bunt gemischte Durchführung zahlreicher Aktionen und Veranstaltungen z.B. während der jährlichen Europawoche im Mai, die schon eine gute Tradition geworden sind. Europa muss den Menschen immer noch nähergebracht werden.
Ich möchte an dieser Stelle auch mal Frau Holeschovsky in der Brüssler Vertretung Danke sagen, die uns immer gute Programme organisiert und uns auch mit Entscheidungsträgern in Brüssel immer gut zusammenbringt, denn wir können die Bedeutung einer möglichst frühzeitigen Information und Einflussnahme auf europäische Gesetzgebung nicht hoch genug schätzen. Wir freuen uns in dem Zusammenhang auch über das Engagement unseres Justizministers Holger Poppenhäger, der als frisch gewählter Leiter der deutschen Delegation im Ausschuss der Regionen Thüringen eine starke Stimme geben wird. Als Sozialdemokratin sage ich aber auch, wir dürfen hier nicht stehenbleiben, wir müssen endlich Lehren aus den Fehlentwicklungen der letzten Jahre ziehen, um zu wirtschaftlicher Stabilität in Europa zurückzufinden und das Vertrauen in die europäischen Institutionen, die europäische Einigung, den Euro wieder zu stärken. Zu hohe Staatsschulden bringen Mitgliedstaaten in eine gefährliche Abhängigkeit von den Finanzmärkten und sind auf Dauer unsozial. Es bedarf deshalb eines dauerhaften Schuldenabbaus in der Eurozone, der nur mit wirtschaftlicher Dynamik und mit Wachstum in neuen innovativen und zukunftsfähigen Branchen gelingen kann. Mit der Initiative Europa 2020 verbindet die EU für alle Mitgliedstaaten ehrgeizige Wachstums- und Beschäftigungsziele, die dieser Idee entsprechen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu einem Richtungswechsel in der EU gehören auch eine entschlossene Regulierung, eine ge
rechte Besteuerung der Finanzmärkte und eine verstärkte finanz- und wirtschaftspolitische Koordinierung der Regierungen in Europa. Was viele nicht wissen, die Krisenländer Europas haben unter anderem auch deswegen so große Probleme, ihre Schulden abzubauen, weil sie nicht nur wirtschaftliche Probleme und eine hohe Staatsverschuldung haben, sondern auch Höchstzinsen auf dem europäischen Kapitalmarkt zahlen müssen. Bis 2009, bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise waren die Zinsen, die europäische Länder für ihre Haushaltskredite bezahlen mussten, annähernd gleich. Ab 2009 sind sie in einem enormen Auseinanderklaffen. Zuletzt haben Sie vielleicht auch noch einmal gelesen oder gehört, dass die Bundesregierung mittlerweile schon fast gar keine Zinsen mehr zahlt, also wir bekommen das Geld sozusagen geschenkt, während sich andere im Hochzinsrahmen bewegen. Das macht es für diese Länder so schwer, auch bei gutem Willen und auch bei, man muss schon sagen, Drangsalierung ihrer Bevölkerung wirklich die Sparziele zu erfüllen. Deswegen haben wir auch eine besondere Verantwortung für eine gemeinsame Finanzpolitik und können vor allen Dingen auch eines nicht verlangen von diesen Ländern, dass die sich nämlich komplett kaputtsparen. Wir sollten, wenn wir diese Forderung stellen oder wenn wir von anderen hören, die sie stellen, besonders von der schwarz-gelben Regierung im Bund, uns einmal daran erinnern, dass wir in Deutschland anders durch die Krise gekommen sind, gerade nicht durch Kaputtsparen, sondern durch sinnvolles Investieren und sogar auch durch sinnvolle Kreditaufnahme.
Durch dieses antizyklische Verhalten sind wir Deutschen gut durch die Krise gekommen. Jetzt verlangen wir aber von den krisengeschüttelten Staaten Europas genau das, was wir selber für uns als falsch empfunden und richtigerweise nicht gemacht haben. Ein stabiler Euroraum kann deshalb nur durch eine gemeinsame Haftungs- und Solidarunion entstehen. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass die Rechte der demokratisch legitimierten Parlamente und des Europaparlaments im Besonderen dabei gewahrt werden. Das durch den Vertrag von Lissabon eingeführte Subsidiaritätsfrühwarnsystem leistet einen wichtigen Beitrag zur Wahrnehmung der parlamentarischen Verantwortung in den Regionen für den europäischen Integrationsprozess. Der neue Europaausschuss ist ein Zeichen dafür; die Beteiligung unseres Landtags an dem Frühwarnsystem sowie die Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung, die wir hier feierlich unterzeichnet haben, haben den Einfluss des Parlaments deutlich gestärkt.
Am Ende noch einmal zurück zur Europapolitik: Im Ganzen muss die bestehende Wirtschafts- und Finanzunion endlich durch eine Sozialunion flankiert
werden, die ihr Fundament in einer sozialen Werteordnung mit verbindlichen sozialen Mindeststandards und starken sozialen Grundrechten hat, wie sie bereits in der EU-Grundrechtscharta angelegt sind. Nur so können wir auch junge Menschen und Europaskeptiker von der Idee der vereinigten Staaten von Europa überzeugen. Ich will Ihnen noch einmal ganz engagiert sagen, die Lösung der Krise heißt nicht weniger, sondern heißt mehr Europa, denn die europäische Wirtschafts- und Währungsunion ist auch ein Wachstumsfaktor und vielleicht sogar der wichtigste für unser eigenes Land. Deswegen freue ich mich auch, dass wir in dem gemeinsamen Entschließungsantrag der Koalition viele dieser Punkte aufgegriffen und uns vor allen Dingen dazu bekannt haben, die Finanzmärkte zu regulieren, denn das ist Voraussetzung dafür, dass die Krise in Europa oder in vielen Ländern der Europäischen Union zu unser aller künftigem Wohl behoben werden kann. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Marx. Als Nächster hat jetzt das Wort der Abgeordnete Bergemann für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wollte gerade sagen, Sternstunde des Parlaments, um die Zeit abends haben wir noch nie so viele Gäste gehabt wie heute. Das tut richtig gut. Einen guten Nachhauseweg und behalten Sie Europa in guter Erinnerung!