Protokoll der Sitzung vom 24.02.2010

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: War die NPD-Verherrlichung von der DPolG auch gut?)

Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass diese Geschichte, die Sie jetzt mit reinmischen, die ich überhaupt nicht gefragt habe - die kommt, wenn überhaupt im nächsten Punkt -, dass dieses was damals die Deutsche Polizeigewerkschaft in einer gewissen Zeitung gebracht hat, vollkommen inakzeptabel war, auch in Thüringen, gibt es überhaupt keine Frage. Aber man kann nicht von Einzelpersonen auf ganze Gewerkschaften schließen.

(Unruhe DIE LINKE)

Das sollten wir auch hier nicht tun. Meine Damen und Herren, ich sage das deshalb noch mal so ruhig und ausdrücklich, dass wir doch als Abge

ordnete durchaus auch die Pflicht haben, über solche Sachen zu reden. Wenn ich der Frau Kollegin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mir fällt der Name gerade nicht ein -

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich: BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Rothe-Beinlich.)

Rothe-Beinlich.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das hätte man sich merken kön- nen.)

Rothe-Beinlich, naja die Haare und das passt ja schon fast.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Rothe-Beinlich, Sie müssten eigentlich mitbekommen haben, weil Sie ja hier schon von Vorverurteilungen und Ähnlichem gesprochen haben, erst mal ist das nicht meine Absicht und zweitens die Staatsanwaltschaft will tätig werden, ich nicht.

Die Staatsanwaltschaft ist eine unabhängige Behörde oder ein Teil der Rechtspflege, die entsprechend ihren Schlussfolgerungen ihre Anträge stellt. Das geht mich nichts an. Aber ich maße mir nicht an, der Staatsanwaltschaft und den Strafverfolgungsbehörden zu unterstellen, sie würden hier unlautere Sachen tun. Das mache ich nicht. Mir ist der Rechtsstaat schon schwer genug gefallen. Dass wir alles vor Gerichten ausfechten müssen, sind wir nicht so richtig gewöhnt, es fällt dann schwer. Aber ich vertraue auf die Rechtspflege, und das sollten Sie auch tun.

(Beifall CDU)

Für die Landesregierung hat sich der Innenminister Prof. Huber zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, den guten Juristen zeichnet aus, dass er die richtigen Unterscheidungen treffen kann. Im vorliegenden Fall geht es, das hat der Abgeordnete Fiedler absolut zu Recht und zutreffend dargelegt, nicht um die Immunität und ihre Reichweite, sondern um das Interpellations- oder Fragerecht des Abgeordneten und die Frage, wie weit die Landesregregierung verpflich

tet ist, darauf zu reagieren.

Mit seiner Kleinen Anfrage Nummer 107 hat der Abgeordnete Fiedler die Einzelheiten eines am 30. Oktober 2009 in Erfurt notwendig gewordenen Polizeieinsatzes hinterfragt. An den damaligen Geschehnissen waren auch Abgeordnete des Thüringer Landtags beteiligt. Dieser Umstand schließt jedoch weder die Beantwortung der Kleinen Anfrage aus, noch ist bei der Wiedergabe und Bewertung des Sachverhalts seitens der Landesregierung eine weitergehende Zurückhaltung geboten oder auch nur erlaubt gewesen, denn:

1. Es besteht eine grundsätzliche Pflicht zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Gilt das auch für meine?)

Das gilt auch für Ihre, Herr Kuschel. Ich gebe mir jede Mühe, das zu tun. Die Hälfte meines Hauses ist nur damit beschäftigt, Ihre parlamentarischen Anfragen zu beantworten.

(Beifall CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

2. Es standen im konkreten Fall der Beantwortung der Kleinen Anfrage keine gegenläufigen Rechtsgüter entgegen oder überwogen.

3. Die Immunität schützt einen Abgeordneten nicht davor, dass sein möglicherweise strafrechtlich relevantes Verhalten bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Sprache kommt.

Im Einzelnen:

1. Zweck des parlamentarischen Fragerechts ist es, den einzelnen Abgeordneten mit den für die Wahrnehmung seiner Aufgaben notwendigen Informationen zur versorgen. Nur, wenn der Abgeordnete so umfassend wie möglich unterricht ist, kann er seine Mitwirkungsbefugnisse ausschöpfen. Dem Recht des Abgeordneten auf umfassende Information entspricht die, ich zitiere das hamburgische Verfassungsgericht: „Pflicht zu einer vollständigen und zutreffenden Antwort durch die Landesregierung“.

2. Die Grenzen des Fragerechts ergeben sich allein aus gegenläufigen durch Artikel 67 Abs. 3 der Thüringer Verfassung anerkannten Rechtsgütern. Eine Pflicht zur Beantwortung besteht insbesondere dann nicht, wenn die Beantwortung durch berechtigte Interessen des Einzelnen ausgeschlossen ist. Wie weit diese berechtigten Interessen, der Schutz des Einzelnen, sein Grundrechtschutz, reichen, ist im Wege einer Abwägung der miteinander konkur

rierenden Rechtsgüter nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu bewerten; das ist die sogenannte praktische Konkordanz. In dem hier zu behandelnden Fall war es gerade nicht geboten bzw. zulässig, die Behinderung polizeilicher Maßnahmen durch Abgeordnete, den damit verbundenen Tatverdacht und die damit verbundenen verfahrensrechtlichen Prüfvorgänge von der Beantwortung auszunehmen. Es macht einen wirklich wichtigen Unterschied, ob sich die parlamentarische Anfrage auf einen privaten Bürger bezieht oder ob das Verhalten eines Abgeordneten, der für das Gemeinwesen eine herausgehobene Bedeutung hat, hinterfragt werden soll.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Oder sein Wahlkreisbüro.)

Darauf komme ich noch zu sprechen. Er ist eine sogenannte Person der Zeitgeschichte, die sich insoweit nicht, in der Regel nicht, auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen kann. Parlamentarische Anfragen, die das Verhalten anderer Abgeordneter zum Gegenstand haben, sind insbesondere zulässig, soweit sie Verbindungslinien zu den Aktivitäten der Landesregierung aufweisen. Genau darum geht es hier, nämlich um die Frage, inwieweit Abgeordnete des Thüringer Landtags die Befugnisse der Thüringer Polizei respektieren müssen oder umgekehrt, negativ, Herr Ramelow, wie weit ihr Immunitätsschutz reicht.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Oder wie weit die Polizei auch die Arbeit eines Abgeordneten zu respektieren hat.)

Das ist das, was ich gerade formuliert habe. Ich habe gesagt, es sind zwei Seiten einer Medaille, wie weit die Polizei die Immunität zu respektieren hat und umgekehrt, wie weit der Abgeordnete Sonderrechte in Anspruch nehmen darf. Die Immunität schützt den Abgeordneten nicht allgemein davor, dass seine Räumlichkeiten zum Zwecke der Strafverfolgung…

(Beifall DIE LINKE)

Wenn ich einmal darauf hinweisen darf, wir sind in der Aktuellen Stunde, da gibt es keine Zwischenfragen und andere Dinge, aber es ist noch Redezeit. Ich sage es gleich einmal, wir hätten noch 8 Minuten Redezeit. Falls der Innenminister noch längere Zeit redet, könnte es sogar sein, dass sich daraus noch ein weiterer Redeanspruch für mehrere Abgeordnete ergibt. Das bitte ich dann in der Reihenfolge anzuzeigen, damit ich es abarbeiten kann.

Frau Präsidentin, der Innenminister wird sich bemühen, schnell zum Schluss zu kommen.

Die Immunität schützt die Abgeordneten nicht grundsätzlich davor, dass ihre Räumlichkeiten zum Zweck der Strafverfolgung, insbesondere zum Zweck der Durchsuchung betreten werden. Unabhängig von der Immunität ordnet die Verfassung des Freistaats Thüringen in Artikel 56 Abs. 3 zwar den Schutz vor der Beschlagnahme von Gegenständen an, soweit das Zeugnisverweigerungsrecht reicht. Dieser Schutz wird durch § 97 StPO auch auf Hilfspersonen erstreckt. Durchsuchungen dürfen daher nicht zu dem Zweck vorgenommen werden, Gegenstände aufzuspüren, die von der Beschlagnahme ausgenommen sind. Die Immunität hindert jedoch nicht daran, Räumlichkeiten von Abgeordneten zu durchsuchen und bei Vorliegen der nach der StPO vorgeschriebenen Voraussetzungen zum Zwecke der Ergreifung von Beschuldigten etwa eine Identitätsfeststellung durchzuführen. Ein Abgeordneter, der die ihm aufgrund seines Status gewährten Rechte gegenüber der Polizei überdehnt, der den polizeilichen Zugriff auf straffällig gewordene Personen behindert und sich möglicherweise beleidigend gegenüber Polizeibeamten äußert, legt ein Gebaren an den Tag, das nicht vom politischen Diskurs ferngehalten werden muss. Die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nummer 107 zeigt ein aus Sicht der Landesregierung problematisches Handeln der Abgeordneten auf, ohne dass damit deren Immunität beeinträchtigt würde. Immunität bedeutet in den Grenzen von Artikel 55 Abs. 2 der Thüringer Verfassung Verfolgungsfreiheit. Sie schützt aber nicht vor Ermittlungen, die lediglich der Feststellung dienen, ob eine Verfolgungsgenehmigung des Landtags einzuholen ist. Sie schützt erst recht nicht vor der Darstellung dieser Ermittlungen im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zu der die Landesregierung, wie gesagt, verpflichtet ist.

Die Verfassung verleiht den Abgeordneten Immunität, um der ihnen übertragenen Aufgabe, um ihres Amtes willen letztlich zur Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments. Sie verpflichtet die Landesregierung jedoch nicht, gleichsam den Mantel des Schweigens über jedwedes Verhalten der Abgeordneten zu decken. Dazu ist sie wegen des sogenannten Interpellationsrechts, des Fragerechts, gar nicht berechtigt. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Redemeldung, Herr Abgeordneter Blechschmidt für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen, sehr geehrter Herr Innenminister, also ich muss schon meiner Verwunderung Ausdruck geben, ich lese noch einmal den Inhalt der Aktuellen Stunde vor: Weder etwas von Immunität noch etwas von Fragerecht, noch irgendwelche andere juristischen Begutachtungen oder Bewertungen sind da enthalten. Hier steht „Vermeintliche versuchte Nötigung und versuchte Strafvereitelung durch Abgeordnete der Linkspartei?“.

Wenn Sie Ihren Beitrag damit beginnen, die Juristen sollen sich auf das Wesentliche oder auf das Konkrete präzisieren, dann muss ich sagen, haben Sie Ihre Aufgabenstellung deutlich verfehlt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine weitere Sache, wo Síe deutlich danebengreifen, es gibt ein Bundesverfassungsgerichtsurteil mit Blick auf Abgeordnetenbüros, das deutlich festhält, dass Büroräume von Abgeordneten - in diesem Falle ging es um Bundestagsabgeordnete - für das Betreten tabu sind. Dort entscheidet der Ältestenrat bzw. der Immunitätsausschuss, wer wo hineingehen darf und entsprechend handeln darf. Demzufolge muss ich sagen, auch da haben Sie Ihre Aufgabe, Ihre Fragestellung völlig missverstanden und fehlinterpretiert.

(Beifall DIE LINKE)

Ein weiterer Punkt, Sie haben es selber angesprochen: Wir haben in Artikel 56 der Verfassung aber auch in § 104 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags eine Regelung für uns getroffen, für diese Vorfälle, die einer Klärung bedürfen, wie wir sie abarbeiten wollen mit Blick auf die Immunität - vertraulich vorab im Justizausschuss und danach wird im Grunde genommen gehandelt. Da muss ich schon sagen - und die Position werden wir auch eindeutig beibehalten -, die gesamten Vorgänge, die Fragestellung, die Beantwortung der Kleinen Anfrage, die Aktuelle Stunde sind aus unserer Sicht eine Vorverurteilung, eine Vorwegnahme von inhaltlicher Debatte an dieser Stelle und der Ermittlungen entsprechend. Das halten wir nicht für gut, für das Hohe Haus nicht geeignet und deshalb ausdrücklich auch noch einmal meinerseits

(Beifall DIE LINKE)

der Dank an die SPD, DIE GRÜNEN und die FDP zu ihren Positionen.

Und letztlich wundert mich auch noch der Umgang mit Begriffen Ihrerseits. In der Beantwortung der Kleinen Anfrage in Drucksache 5/431 wird nicht von „problematischem Handeln“ Ihrerseits gesprochen, wie Sie es jetzt hier vom Pult aus getan haben, sondern Sie haben von „rechtswidrigem Handeln“ gesprochen. Das ist schon ein Unterschied. Und da muss ich Sie schon auffordern mit Blick auf die Frage, wie gehe ich mit Abgeordneten, wie gehe ich mit Bewertungen um, doch relativ geradlinig oder zumindest dann zurückhaltend mit Ihren Bewertungen umzugehen. Ich halte das, was Sie hier abgeliefert haben als Landesregierung, als Exekutive, gegenüber dem Parlament und den einzelnen Parlamentariern für unangemessen und nicht für richtig. Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Redemeldung seitens der Landesregierung, Prof. Huber als Innenminister.

Herr Abgeordneter Blechschmidt, Sie haben gerade selber deutlich gemacht, dass wir über Immunität geredet haben. Deswegen haben Sie auf die Regelungen in der Geschäftsordnung verwiesen. Ich habe am Anfang aber gesagt, dass es nicht um Immunität geht, sondern um die Reichweite des Fragerechts. Ich habe Ihnen versucht deutlich zu machen, dass es eine grundsätzliche Verpflichtung der Landesregierung gibt, dieses Fragerecht zu beantworten. Der Gegenstand der Aktuellen Stunde hat seine Grundlage in der Drucksache 5/431 und muss natürlich ausgelegt werden. Die Auslegung geht doch dahin, ob diese Anfrage beantwortet werden darf. Darum ging es Ihnen. Es geht nicht darum, eine strafrechtliche Würdigung der betroffenen Abgeordneten vorzunehmen, sondern darum, ob solche Kleinen Anfragen gestellt und hier beantwortet werden dürfen. Ich kann mir nicht vorstellen und ich kann auch nicht einsehen, weshalb wir diesem Antrag und diesem Anspruch hier nicht gerecht geworden sein sollten. Ich kenne natürlich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die sich auf Liegenschaften des Bundestags bezog, die aber im vorliegenden Fall keine Anwendung findet.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wer sagt das?)