1. Unter welcher Voraussetzung kann ein Thüringer Landkreis in ein benachbartes Bundesland wechseln?
2. Inwieweit ist das Land verpflichtet, einen Landkreiswechsel in ein benachbartes Bundesland zu genehmigen, wenn dies der Kreistag des betroffenen Landkreises beschließt, und wie wird diese Auffassung begründet?
3. Welche Mitwirkungsrechte haben in einem solchen Verfahren die kreisangehörigen Gemeinden des betroffenen Landkreises?
4. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen könnte ein Landkreis im Rahmen eines Verfassungsstreitverfahrens den Wechsel in ein anderes Bundesland einklagen?
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel, vorgetragen vom Abgeordneten Möller, beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Ein derartiger Wechsel führt zu einer Änderung des Gebietsbestands der Länder und ist damit eine Neugliederungsmaßnahme des Bundesgebiets im Sinne des Artikels 29 des Grundgesetzes. Nach dieser Bestimmung können Neugliederungen auf unterschiedlichen Verfahrenswegen initiiert werden. Soweit keine Neugliederung in Gefolge eines Bundesgesetzes gemäß den Absätzen 2 und 3 oder infolge eines Volksbegehrens gemäß den Absätzen 4 und 5 vorliegt, sind die Voraussetzungen für einen „Wechsel eines Landkreises“, also eines Teilgebiets eines Bundeslandes in ein benachbartes Bundesland, dem Artikel 29 Abs. 8 des Grundgesetzes zu entnehmen, wenn dieses Gebiet mehr als 50.000 Einwohner hat. Erforderlich ist demnach ein Staatsvertrag zwischen den beteiligten Ländern. Die betroffenen Gemeinden und Landkreise sind zu hören. Außerdem bedarf der Staatsvertrag der Bestätigung durch einen Volksentscheid und der Zustimmung des Bundestags.
Zu Frage 2: Ein Initiativrecht der Landkreise für eine Änderung des Gebietsbestands der Länder sieht das Grundgesetz nicht vor.
Zu Frage 3: Nach Artikel 29 Abs. 8 Satz 2 des Grundgesetzes sind die betroffenen Gemeinden und Kreise zu gebietsändernden Staatsverträgen zu hören.
Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, inwieweit unterstützt denn die Landesregierung die Ankündigung des CDU-Landrats vom Eichsfeld, was einen Wechsel nach Niedersachsen betrifft?
Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Danke, Herr Staatssekretär. Wir machen weiter mit der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Dr. Lukin von der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/5656.
Der Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr sprach im Interview mit der „Ostthüringer Zeitung“ über die Auswirkungen des demografischen Wandels in Thüringen. Überschrieben war der Artikel am 25. Januar 2013 mit den Worten „Verkehrsminister Carius: Kein Bahnhalt an jeder Milchkanne mehr“. Im Text wurde ausgeführt, dass die Landesregierung beabsichtige, alle wesentlichen Punkte an den öffentlichen Personennahverkehr anzubinden und die Bahnstrecken auf Wirtschaftlichkeit und Fahrgastzahlen zu überprüfen.
1. Wie definiert bzw. beschreibt die Landesregierung in Bezug auf den öffentlichen Personennahverkehr den Begriff „wesentliche Punkte“?
2. Welche Maßstäbe werden an die Wirtschaftlichkeit von Bahnstrecken bzw. an die Höhe der Fahrgastzahlen angelegt und sind diese Zahlen hauseigene Thüringer Festlegungen?
3. Gibt es bereits Erwägungen im Rahmen der Nahverkehrsplanung, Strecken stillzulegen oder Haltepunkte ganz abzubestellen, wenn ja, welche lassen sich bereits jetzt benennen?
4. Welche Einsparungen hat die Landesregierung durch die europaweiten Ausschreibungen der Strecken erzielt?
Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, Frau Staatssekretärin Klaan.
Sehr geehrter Herr Präsident, für die Landesregierung beantworte ich die Anfrage der Frau Abgeordneten Dr. Lukin wie folgt:
Zu Frage 1: Die Anbindung aller wesentlichen Punkte an den öffentlichen Personennahverkehr meint, dass sowohl zwischen den zentralen Orten als auch aus dem jeweiligen Einzugsbereich der zentralen Orte eine attraktive öffentliche Verkehrsanbindung gewährleistet sein muss. Diese Anbindung kann über die herkömmlichen Verkehrsmittel des ÖPNV oder über alternative Bedienangebote sichergestellt werden.
Zu Frage 2: Ein wesentlicher Bewertungsmaßstab für die Wirtschaftlichkeit des Verkehrsangebots ist die Fahrgastnachfrage auf einer Strecke. Grundsätzlich gilt, dass die Vorhaltung von Eisenbahnleistungen ab einer Größenordnung von ca. 1.000 Fahrgästen pro Tag verkehrlich sinnvoll ist. Diese Angabe basiert auf einer Angabe der Bundesregierung im Rahmen des Bundesschienenwegeausbaugesetzes, wonach Investitionen im Schienenwegebereich des Bundes nur dann förderfähig sind, wenn dort mindestens 1.000 Fahrgäste pro Tag befördert werden. An diesem Wert orientiert sich auch die Landesregierung. Eigene Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für den Betrieb von Eisenbahnstrecken nimmt die Landesregierung nicht vor, da die Bewertung der Wirtschaftlichkeit den jeweiligen Betreibern der Infrastruktur obliegt.
Zu Frage 3: Die Landesregierung hat nicht die Absicht, im Rahmen der Fortschreibung des Nahverkehrsplans für den Schienenpersonennahverkehr Bahnlinien einzustellen. Im Hinblick auf den Weiterbetrieb von Haltepunkten werden derzeit im Zusammenhang mit der Erstellung des Nahverkehrsplans die besonders schwach nachgefragten Stationen überprüft. Nach jetzigem Stand ist davon auszugehen, dass bis Ende des Jahres 2015 keine Bahnstationen aufgegeben werden.
Zu Frage 4: Die durch die europaweite Ausschreibung von Eisenbahnleistungen erzielten Einsparungen lassen sich nicht konkret beziffern. Dies liegt unter anderem daran, dass die Vergabenetze nicht den bisherigen Verkehrsleistungen entsprechen, erhebliche Infrastrukturkostensteigerungen zu verzeichnen sind und die Vertragsbedingungen teils erhebliche Unterschiede aufweisen. Folgende Zahlen können das Einsparpotenzial verdeutlichen: Im Jahr 2012 wurden für das etwa 21,2 Mio. Zugkilometer umfassende Fahrplanangebot insgesamt 206 Mio. € ausgereicht. Anhand einer Modellrechnung müssten unter Berücksichtigung von jährlich anfallenden Kostensteigerungen von ca. 2 Prozent für das gleiche Leistungsangebot im Jahr 2016 insgesamt 223 Mio. € aufgewendet werden. Tatsächlich werden bei einer gleichzeitigen Erhöhung des Leistungsvolumens um 800.000 Zugkilometer im Jahr 2016 voraussichtlich aber nur 219 Mio. € benötigt.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich hätte eine Nachfrage zu Punkt 2. Dort hatten Sie erwähnt, dass 1.000 Fahrgäste pro Tag die Voraussetzung für Investitionen seien. Könnten Sie noch einmal sagen, wie viel Fahrgäste pro Tag die Vorausset
1.000 Fahrgäste pro Tag, das ist die Grundgröße, die auf einem Streckenabschnitt erzielt werden sollte, um den Erhalt von Leistungen zu beurteilen.
Danke, Herr Präsident. Frau Staatssekretärin, meine Nachfrage bezieht sich auf die Bahnstrecke Gotha-Ohrdruf-Gräfenroda-Arnstadt. Sie hatten gesagt, 1.000 Fahrgäste sind auch Voraussetzung für die Förderfähigkeit von Investitionen. Jetzt sind an dieser Bahnstrecke noch Investitionen an Straßenübergängen realisiert worden, da stand schon fest, dass die Strecke geschlossen wird. Können Sie noch mal erklären, wie es dann geschehen kann, dass bei einer Strecke, die stillgelegt werden soll, noch erhebliche Investitionen an Bahnübergängen getätigt werden?
Wir haben die Diskussion zur Frage des Aufwandes im Rahmen der Verkehrssicherheit an mehreren Übergängen. Die Vorgaben für die Verkehrssicherheit sind bei bestehenden Bahnstrecken ganz klar vorgegeben durch den Bund und an der Stelle gibt es auch keine Abweichungsmöglichkeiten. Insofern ist überall da, wo die Strecke in Betrieb ist, auch die Verkehrssicherheit sicherzustellen.
Frau Klaan, Sie haben ausgeführt, dass Sie weitere Strecken prüfen, also diejenigen, auf denen eine schwache Nachfrage besteht. Bei der Prüfung, ob man eine Strecke einstellt oder nicht, wird da berücksichtigt, inwieweit diese Äste, wo weniger Fahrgäste einsteigen, dann Auswirkungen haben, wenn die wegfallen, auf die Hauptäste, also die Zubringerfunktion, was dann möglicherweise dazu führt, dass auch Kunden auf den Hauptstrecken nicht mehr fahren?
Natürlich wird bei der Prognose für einzelne Strecken auch von veränderten Situationen ausgegangen. Wobei ich momentan davon ausgehe, wie gesagt, das habe ich auch ausgeführt, dass wir nicht über Stilllegungen von Strecken nachdenken, sondern lediglich über die Frage von Haltepunkten, wirtschaftlicher Betrieb von Haltepunkten, weil das auch die Frage der zukünftigen Investitionsmitteleinsätze ist. Insofern geht es in erster Linie um die Frequentierung von Haltepunkten.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich wollte nur nachfragen, wenn bis 2015 keine Stilllegung von Haltepunkten erfolgen soll, trotzdem, bevor diese möglicherweise 2016 oder 2017 angedacht ist, ob vorher mit den Kommunen, mit den betreffenden Gebietskörperschaften kommuniziert wird.
Ja, natürlich, auf der Ebene des Nahverkehrsplans für Thüringen werden wir auch diese Kommunikationsebene entscheiden.
Danke, Frau Staatssekretärin. Wir machen weiter mit der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Kummer von der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/5665.
Am 29. Januar dieses Jahres fand in Tiefenort eine Informationsveranstaltung zu den Auswirkungen des sich vor drei Jahren ereigneten Erdfalls statt. Der Landrat des Wartburgkreises gab darin Empfehlungen an die Gemeinde Tiefenort, welche Schlussfolgerungen sie aus dem Gutachten der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG) zu den Ursachen des Erdfalls, der Gefährdungsanalyse und den daraus resultierenden Sicherheitsvorkehrungen ziehen könnte. Es wurde u.a. dargelegt, dass fünf Wohngebäude als dauerhaft nicht mehr nutzbar angesehen und deshalb abgerissen werden müssen. Die entsprechenden Grundstücke sind weiterhin massiv erdfallgefährdet.
2. In welchen Zeiträumen sollten der Abriss der Gebäude und die Umgestaltung der Grundstücke erfolgen?
3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, gegenwärtig und in den Folgejahren unterstützend für die Gemeinde tätig zu werden?
4. Inwieweit sieht die Landesregierung die Möglichkeit, dass das Land betroffene Grundstücke übernimmt und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in eigener Verantwortung durchführen lässt?