Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Gab es nicht unglaubliches, nur noch unglaubliches Unrecht, das in den Verordnetenversammlungen im Beisein aller Blockparteien gesprochen wurde?

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Thema ver- fehlt.)

Gab es das nicht? Und wäre es nicht an der Zeit, darüber zu sprechen?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir Bündnisgrünen wollen darüber sprechen, wir wollen über diese Täter sprechen

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Macht es doch in der Gruppe.)

und wir wollen die Opfer da mit einbinden. Wir wollen über alles sprechen. Deshalb will ich eines noch ganz deutlich sagen: Wenn wir dieses Gesetz einfach nur im Datum weiterschreiben, vertun wir uns eine Riesenchance, mehr Offenheit in diese Aufklärung zu bekommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wissen Sie, es macht doch keinen Sinn, sich darauf zu kaprizieren, dass nur dort, wo wir eine Unterschrift finden, Schuld zu vermuten ist. Die Schuld ist doch vielfältiger. Wäre nicht den Opfern mehr gedient, wenn wir uns alle ehrlich machen würden bei unseren Lebensläufen, dass niemand mehr

versteckt, wo er drei Jahre irgendwie einmal war im jugendlichen Alter, dass wir uns das ehrlich sagen? Jeder von uns hat hier etwas beizutragen. Damit wäre der Aufklärung um vieles mehr geholfen und den Opfern endlich auch Recht und Genüge getan. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es gibt eine weitere Redemeldung durch den Abgeordneten Barth für die FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kollege Adams, wenn es nicht um so ein wichtiges Thema ginge, könnte man Ihren Beitrag einfach nur als peinlich oder Thema verfehlt stehen lassen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es um Opfer geht, dann könnten Ihre Nachbarn, die sitzen gedanklich in der richtigen Nähe und in der richtigen Nachbarschaft, einmal erklären, was in der Abteilung für Kirchenfragen, was in den Räten der Kreise gelaufen ist, denn die Täter kennen die Opfer übrigens auch am besten.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In Ihrem Lebenslauf fehlen drei Jahre.)

Aber es geht an der Stelle um das Abgeordnetengesetz. Und dass eine Partei, die sich BÜNDNIS 90 nennt, hier eine Begründungskulisse schiebt, damit die Kommunisten eine Begründung geliefert bekommen, warum sie dem Gesetz nicht zustimmen,

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie müssen uns überhaupt nicht belehren, Herr Barth.)

(Beifall CDU, FDP)

das halte ich für einen Vorgang, der aus der Geschichte heraus wirklich bemerkenswert ist. Ich habe das hier schon einmal gesagt, ich sage es noch einmal: Sie sollten den Teil BÜNDNIS 90 aus Ihrem Namen streichen, denn das ist falsche Flagge.

(Beifall CDU, FDP)

Es gibt noch eine Redemeldung vom Kollegen Adams für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Barth, es ist er

staunlich, dass Sie außer persönlichen Angriffen immer wenig in diese Debatte einzubringen haben. Ich finde, Sie sollten sich einmal der Realität stellen. Niemand in diesem Haus hat in der Debatte auch nur einmal gesagt, dass er keine Überprüfung mehr haben will.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es ist nur davon gesprochen worden, eine für verfassungswidrig erklärte Floskel - Floskel muss es dann sein - aus dem Gesetz herauszunehmen. Dem verweigern Sie sich. Ich kann es gar nicht verstehen, aber es mag auch egal sein. Sie darf ohnehin nicht angewendet werden. Nur darüber wollen wir reden. Und jetzt will ich Ihnen, lieber Herr Barth, auch noch was sagen. Wenn Sie glauben, mir vorwerfen zu können, dass ich irgendeinen Kommunisten hier schützen will, dann möchte ich Sie doch mal bitten, uns allen zu erklären, warum in Ihrem Lebenslauf drei Jahre fehlen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe jetzt keine weiteren Redeanmeldungen und schließe die Aussprache. Es ist beantragt worden, diesen Gesetzentwurf

(Unruhe im Hause)

- ich wollte jetzt eigentlich abstimmen lassen - an den Justiz- und Verfassungsausschuss zu überweisen. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der Fraktion DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus der SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Die gibt es nicht. Damit ist die Überweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss abgelehnt worden und ich schließe den Tagesordnungspunkt 7.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8

Gesetz zur Schaffung und Änderung der für Thüringen geltenden Vollzugsgesetze Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/5843 ERSTE BERATUNG

Bitte, Herr Staatssekretär. Ich dachte, Sie wollen weglaufen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, in dem Ihnen heute zur ersten Beratung

(Abg. Adams)

vorgelegten Gesetzentwurf der Landesregierung zur Schaffung und Änderung der für Thüringen geltenden Vollzugsgesetze werden der Vollzug der Sicherungsverwahrung und damit zusammenhängend der Vollzug der vorangegangenen Strafhaft geregelt.

Lassen Sie mich Ihnen im Folgenden einen kurzen Überblick über den Gesetzentwurf geben. Die Gesetzgebungskompetenz für den Justizvollzug liegt seit dem 1. September 2006 bei den Bundesländern. Im Bereich des Jugend- und des Untersuchungshaftvollzugs wurde im Freistaat Thüringen hiervon bereits Gebrauch gemacht. Hingegen werden der Erwachsenenstrafvollzug und die Sicherungsverwahrung im Freistaat Thüringen immer noch durch das Strafvollzugsgesetz des Bundes geregelt. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung und Änderung der für Thüringen geltenden Vollzugsgesetze sollen zunächst Regelungen für den Vollzug der Freiheitsstrafe und Jugendstrafe bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung und für den Vollzug der Sicherungsverwahrung getroffen werden. Seit der weitreichenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 sind sowohl der Bund als auch die Bundesländer verpflichtet, ein Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln. Darauf komme ich noch zu sprechen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte in der genannten Entscheidung die wesentlichen Vorschriften zur Sicherungsverwahrung für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die gegenwärtigen Bestimmungen dürfen längstens bis zum 31. Mai 2013, also nur noch kurze Zeit, angewendet werden.

Nun zum Gesamtkonzept: Dieses Konzept soll insbesondere dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot Rechnung tragen. Danach hat sich der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vom Vollzug der Freiheitsstrafe in seiner Ausgestaltung deutlich zu unterscheiden. Der Bund hat die wesentlichen Leitlinien für das neue Konzept der Sicherungsverwahrung mittlerweile vorgegeben. Dieser Verpflichtung ist er mit dem Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 nachgekommen. So wurde unter anderem in das Strafgesetzbuch ein § 66 c eingeführt, aus dem sich die wesentlichen Leitlinien für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ergeben. Die Bundesländer haben nun Regelungen zu erlassen, die einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug gewährleisten. Im Freistaat Thüringen soll dem Regelungsauftrag durch den vorgelegten Gesetzentwurf nachgekommen werden.

Meine Damen und Herren, Artikel 1 des vorgelegten Gesetzentwurfs enthält den Entwurf des Thüringer Strafvollzugs- und Jugendstrafvollzugsergänzungsgesetzes. Dieses Gesetz ergänzt das derzeit geltende Strafvollzugsgesetz für diejenigen Strafge

fangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung und das Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz für Jugendstrafgefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung. Nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die Gefährlichkeit dieser zukünftig Unterzubringenden bereits im Vollzug der Freiheits- bzw. Jugendstrafe so weit zu reduzieren, dass die Vollstreckung der Unterbringung oder deren Anordnung nach Möglichkeit entbehrlich wird. Das ist eine wesentliche Änderung im Gesetz.

Artikel 2 enthält den Entwurf des Thüringer Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes. Dieser Gesetzentwurf regelt den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Thüringen. Aufgrund der Kooperation mit Hessen, der Sie ja bereits Ihre Zustimmung gegeben haben, orientieren sich die Regelungen im Wesentlichen am Entwurf eines hessischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes. Ziel ist, weitgehend gleiche Bedingungen beim Vollzug der Sicherungsverwahrung in Hessen und im Freistaat Thüringen zu erreichen.

Artikel 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs ist wie das hessische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz von folgenden Leitlinien geprägt: Resozialisierung einerseits und Schutz der Bevölkerung andererseits werden als gleichrangige Vollzugsziele normiert. Der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird nach eingehender Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplanung therapiegerichtet und freiheitsorientiert ausgestaltet. Behandlung und Betreuung erfolgen durch multidisziplinäre Teams. Die Untergebrachten erhalten Zugang zu sozialtherapeutischen Maßnahmen. Die Bereitschaft der Untergebrachten zur Mitwirkung ist fortwährend zu wecken und zu fördern. Der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in geschlossenen Einrichtungen. Vollzugsöffnende Maßnahmen sind entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vorgesehen. Im Abstand zum Strafvollzug wird den Untergebrachten ein Rechtsanspruch auf mindestens vier Ausführungen im Jahr gewährt. Für die Untergebrachten sind hohe Standards der Entlassungsvorbereitung vorgesehen. In den letzten sechs Monaten vor der Entlassung können geeignete Untergebrachte weitere vollzugsöffnende Maßnahmen zur Eingliederung erhalten. Die Untergebrachten erhalten einen Wohn- und Schlafbereich zur alleinigen Nutzung. Geeignete Untergebrachte werden in Wohngruppen untergebracht, dürfen eigene Kleidung tragen und sich selbst verpflegen. Außenkontakte werden ausdrücklich gefördert. Die Arbeitspflicht für Untergebrachte wird abgeschafft, ihnen ist jedoch eine geeignete Arbeit oder Ausbildung anzubieten. Neben einer deutlich erhöhten Vergütung erhalten sie für die Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen eine Ausgleichsentschädigung.

(Staatssekretär Prof. Dr. Herz)

Meine Damen und Herren, ich wünsche den weiteren Ausschussberatungen einen guten und fruchtbaren Verlauf. Selbstverständlich steht das Ministerium im Verlauf des weiteren Verfahrens gern zur Verfügung. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf und rufe als Erste für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Berninger auf.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Danke schön, Herr Staatssekretär, ich wünsche mir das auch, dass die Debatten und Argumente auf fruchtbaren Boden fallen, insbesondere natürlich unsere grundsätzlichen Argumente, aber ich habe nicht viel Hoffnung.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich habe heute Morgen schon bemängelt, dass die Aufmerksamkeit zum Thema Staatsvertragsgesetz sich arg in Grenzen gehalten hätte. Auch jetzt wieder war es erschreckend, wie wenig Abgeordnete dem Herrn Herz tatsächlich aufmerksam zugehört haben und wie laut der Geräuschpegel hier war. Das bestätigt meinen Eindruck von heute Morgen, dass Sie tatsächlich gar kein Interesse daran haben, grundsätzlich, offen und sachlich über das Thema Sicherungsverwahrung zu sprechen. Das finde ich sehr bedauerlich, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Bevor ich grundsätzlich vor allem Kritik äußere, möchte ich auch etwas positiv erwähnen. Der Artikel 1 des vorgelegten Gesetzentwurfs Herr Prof. Herz hat es gerade auch noch mal als wesentliche Änderung hervorgehoben -, der sich mit den Änderungen des Strafvollzugsgesetzes und des Jugendstrafvollzugsgesetzes befasst und diese Strafhaft tatsächlich therapiegerichteter gestalten will, um möglichst Sicherungsverwahrungen, die angeordnet sind, zu vermeiden, das finde ich sehr positiv. Wesentlich dabei finde ich auch, dass die Anforderung, dass die Gefangenen zu motivieren sind, jetzt im Gesetz steht, und dass diese Motivationsversuche zu dokumentieren sind. Das ist sehr wichtig und positiv zu erwähnen.