Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

Meine Damen und Herren, dass die FDP diesen Antrag dann auch noch mit großem Tamtam im Vorfeld des 8. März öffentlich als eigenen sozialpolitischen Beitrag zum Frauentag angepriesen hat, zeigt für mich ein weiteres Mal, welch wundersame Wendungen in einem Wahljahr möglich sind.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, davon einmal abgesehen - und jetzt komme ich zum Inhaltlichen - konstruieren Sie mit Ihrem Antrag ein Problem, dass es zumindest aus Sicht meiner Fraktion - und ich habe auch sehr gut zugehört, auch die anderen Fraktionen waren sich darin einig - so gar nicht in Thüringen gibt. Sie zeigen mit Ihrer Vorlage, dass Sie die von der Regierungskoalition initiierte Kita-Reform und die damit im Zusammenhang stehende Novellierung des Thüringer Kita-Gesetzes offenbar komplett verschlafen haben.

Ich will Ihnen das an einigen Punkten deutlich machen. Dabei halte ich mich nicht mit den Fragestellungen auf, sondern komme gleich zum politischen Forderungskatalog Ihres Antrags. Dort verlangen Sie in Punkt IV.1 - ich zitiere: „den weiteren flächendeckenden Ausbau der Betreuungsangebote auch für Kinder unter drei Jahren und die weitgehende Beseitigung von Engpässen in einzelnen Stadt- und Ortsteilen“. Wenn ich so etwas lese, kann ich ehrlich gesagt nur den Kopf schütteln. Wir brauchen hier nichts mehr flächendeckend ausbauen, denn in Thüringen gibt es bereits seit drei Jahren, seit der Novellierung des Kita-Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Kita-Betreuung ab vollendetem erstem Lebensjahr. Das ist Ihnen wahrscheinlich entgangen. Und dieser Rechtsanspruch wird auch flächendeckend erfüllt. Ein Zustand - auch das haben wir gehört -, von dem andere Bundesländer, auch die ganz wenigen mit liberaler Regierungsbeteiligung, nur träumen können. Das Land lässt sich diese wichtigen Bildungs- und sozialpolitischen Weichenstellungen ganz bewusst Jahr für Jahr Hunderte Millionen Euro kosten. Das können wir jedes Mal am Haushalt ablesen. SPD und CDU haben dafür gesorgt, dass seit dem Regierungsantritt rund 2.500 zusätzliche Erzieherinnen eingestellt werden konnten. Wir haben damit den Betreuungsschlüssel im Kita-Bereich deutlich verbessert und damit natürlich auch die Qualität von Erziehung, von Bildung und Betreuung. Thüringen - und das haben wir auch von allen Fraktionen gehört - ist in diesem Punkt bundesweit Vorreiter. Ich denke, darauf können wir alle in diesem Hause stolz sein, denn wir haben ja alle gemeinsam dieses Gesetz verabschiedet.

(Beifall SPD)

Von daher, lieber Kollege Kemmerich, hätte ich es auch schon für angemessen gehalten, dass Sie in Ihrer Antragsbegründung nicht nur das Engagement der Kommunen erwähnen, sondern auch den hohen Beitrag des Landes würdigen.

(Beifall SPD)

Aber Letzteres ist Ihnen wohl, denke ich, für die gesamte Kita-Reform entgangen.

Wo es tatsächlich noch wenige Engpässe im KitaBereich gibt, das sind die Städte Erfurt und Jena, das haben Sie genannt.

Herr Abgeordneter Döring, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage durch die Abgeordnete Jung.

(Abg. Kemmerich)

Bitte, Frau Jung.

Ich hatte mich etwas früher gemeldet, da ging es darum, dass Sie zum zweiten Mal in Ihrem Beitrag gesagt haben, dass Sie als Regierungsfraktionen die Gelder für die Kitas zur Verfügung gestellt haben. Ich denke, der Minister hat richtigerweise ausgeführt, dass erstens das ganze Hohe Haus das Kita-Gesetz beschlossen hat und das ausgehend vom Volksbegehren war. Also geben Sie mir recht, dass das vielleicht eine nicht ganz korrekte Aussage war.

Das ist richtig, das wissen wir alle, ohne Volksbegehren hätte es dieses Kita-Gesetz nicht gegeben, das muss man einfach deutlich machen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich war bei den Engpässen, es ging um Erfurt und Jena. Aber auch dabei geht es ja nicht um die Erfüllung eines Rechtsanspruchs an sich, sondern darum, dass Eltern einen Kita-Platz in einer WunschKita, meist direkt vor der eigenen Haustür haben wollen und natürlich wenig Neigung zeigen, ihre Kinder in einer etwas entfernteren Kindertagesstätte unterzubringen. Dazu kann ich nur sagen, in Vergleichssituationen in anderen Bundesländern sind das absolute Luxusprobleme. Erfurt und Jena verfügen beide, das wissen wir, über einen sehr gut ausgebauten ÖPNV. Und jede Kita im jeweiligen Stadtgebiet ist problemlos in einer überschaubaren Fahrzeit zu erreichen. Da kann man schon von den betreffenden Eltern verlangen, dass sie sich etwas mobiler verhalten.

Es ist auch gewissen Eltern zuzumuten, ich sage das ganz bewusst im Blick auch auf die FDP, weil ich ja weiß, wie Ihre Klientel mitunter tickt, ihre Kinder in eine Kita zu bringen, in der sie in Kontakt mit Kindern aus sozial schwächeren Familien kommen. So etwas hat noch keinem Kind geschadet und hilft vielleicht, gewisse Standesdünkel und entsprechendes elitäres Gehabe im späteren Erwachsenenleben zu vermeiden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und damit komme ich zum zweiten Punkt Ihres Forderungskatalogs, dem Wunsch nach einem Ausbau ganztägiger Betreuung für Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr. Für den Kita- und den Grundschulbereich, das hat Herr Minister auch ausgeführt, ist dieses Anliegen erfüllt. Es besteht nach dem neuen Kita-Gesetz von Montag bis Freitag ein Rechtsanspruch auf täglich zehn Stunden Betreu

ung. Bewusst ist das so benannt, damit man wirklich auch flexibel reagieren kann, das ist auch so im Gesetz angelegt. Darüber hinausgehende Betreuungszeiten können vor Ort auch bedarfsgerecht zwischen den Einrichtungsträgern, den Elternvertretern und den Jugendämtern abgestimmt werden. Dass es hierbei bislang zu wirklich gravierenden Problemen gekommen wäre, ist mir nicht bekannt.

Etwas anders sieht es tatsächlich an den Schulen im Sekundarbereich 1 aus. Hier ist ein weiterer Ausbau ganztägiger schulischer Angebote tatsächlich notwendig. Auch das hat Herr Minister gesagt. Das hat von der FDP allerdings auch schon die Regierungskoalition erkannt. Die haben schon Ende 2010 eine entsprechende Bestimmung in das Schulgesetz aufgenommen. Und mit der Verwaltungsvorschrift zur Organisation des kommenden Schuljahres wird die Realisierung schulischer Ganztagsangebote personell deutlich besser unterstützt als bisher.

(Beifall SPD)

Das ist übrigens jene Verwaltungsvorschrift, Herr Kollege Kemmerich, die Ihre eigene Fraktion als Bevorzugung der Gemeinschaftsschule scharf kritisiert hat. So viel zur Logik liberalen Parlamentshandelns.

Meine Damen und Herren, und damit zu Punkt 3 Ihrer Forderungen, dem Verlangen nach einer verstärkten Förderung von Privatinitiativen zur Kinderbetreuung sowie von Betriebskindergärten. Auch hier zeigt sich die FDP im Hinblick auf die Bestimmungen des neuen Kita-Gesetzes wenig sattelfest. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 ist es nämlich bereits jetzt ohne Weiteres möglich, als Privatinitiative und Betrieb Kita-Träger zu werden.

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: An einer an- deren Stelle, Herr Kollege.)

Und wenn sich so ein Träger findet, erhält er dann auch die ihm zustehende staatliche Förderung. Dass man sicher über bestimmte Regularien auch einmal vor Ort reden muss, da gibt es Handlungsbedarf, das will ich sehr wohl zugeben. Allerdings scheint in Thüringen insbesondere im Hinblick auf Betriebskindergärten bislang nur sehr wenig Bedarf zu bestehen. Es gibt ja im ganzen Freistaat derzeit meines Wissens nur einen einzigen, nämlich den, den die Klinik Römhild organisiert. Alle anderen Bedarfe wären offenbar also zufriedenstellend, ja es gibt noch andere, da sind aber Träger mit dabei, keine reinen Betriebskindergärten. Insofern wird das, glaube ich, zufriedenstellend von konventionellen Kita-Trägern abgedeckt. Warum das Land also hier etwas verstärkt fördern soll, was bislang gar nicht nachgefragt ist, auch das ist mir schleierhaft. Insofern geht es auch um den Umgang mit öffentlichen Mitteln. Wir haben ja gerade vorhin gehört von

Herrn Barth, dass er ja als Gralshüter hier in diesem Bereich auftritt.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, die von der FDP erhobenen Forderungen bringen uns nicht wirklich weiter. Was ich ebenfalls kritisch wahrnehme, ist die fatale Tendenz, die in Ihrer Fragestellung durchschimmert. Da ist zwar an der einen oder anderen Stelle deklaratorisch vom Kindwohl die Rede, abgefragt werden aber Kita-Betreuungsmöglichkeiten von 6.00 Uhr und nach 18.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen und schulischen Betreuungsangeboten an Feiertagen, Brückentagen und in den Schulferien. Ich sage daher in aller Deutlichkeit, staatlich geförderte Betreuungsangebote, egal ob im Kita-Bereich oder in Schulen, sind familienunterstützend angelegt, nicht familienersetzend. Das muss ich hier wirklich deutlich sagen.

(Beifall CDU, SPD)

Ihr Antrag lässt solche Fragestellungen offen. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann nicht bedeuten, die Familie marktkompatibel zu machen und wirtschaftsfreundlich zu strukturieren. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, das Familienleben zugunsten von Betriebsinteressen immer weiter zurückzudrängen und es zu einem durch Betreuungsangebote abgefederten Normalzustand zu erheben, wenn quasi rund um die Uhr und dies am liebsten auch noch samstags sowie an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird.

Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bedeutet eben auch, dass sich die Unternehmen verstärkt Gedanken über eine familienfreundliche Ausgestaltung des Arbeitslebens, über flexible Arbeitszeitmodelle oder eine bessere berufliche Reintegration von Müttern machen. Über diesen Aspekt erfährt man aber im FDP-Antrag bezeichnenderweise gar nichts. So hinterlässt die Initiative den fatalen Eindruck, dass die Liberalen über Sozial- und Bildungspolitik wie Blinde über Farbe reden und dass es ihnen bei der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf lediglich darum geht, das Familienleben möglichst wirtschaftsfreundlich umzustrukturieren. Das ist nicht unser Ansatz. Deshalb werden wir diesen Antrag natürlich ablehnen. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: So viel dummes Zeug auf einmal.)

Danke, Herr Abgeordneter. Es gibt eine weitere Wortmeldung durch die Abgeordnete Hitzing von der Fraktion der FDP.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege von der SPD, ich frage mich manches Mal, ob es eigentlich eine Grundvoraussetzung ist, Fehlinterpretationen, Unverschämtheiten und Ungehörigkeiten gegenüber anderen zu formulieren, um in der SPD aufgenommen zu werden.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wahrheiten.)

(Beifall FDP)

Manches Mal wundere ich mich tatsächlich, Herr Döring. Sie interpretieren hier Dinge in diesen Antrag, das ist abenteuerlich.

(Beifall FDP)

Herrlich - wir haben die Kita-Gesetzgebung nicht mitbekommen, wir wissen nicht, dass wir ganz besonders gut sind in Thüringen. Mein Kollege Herr Kemmerich hat das gerade wirklich gebetsmühlenmäßig alles noch mal gesagt, hat auch mehrfach den Herrn Minister angesprochen und ihm gesagt, dass uns das sehr wohl klar ist.

(Unruhe SPD)

Dann beweihräuchern Sie sich noch ein bisschen und sind überhaupt nicht mal ansatzweise bereit, darüber zu reden, dass es eben tatsächlich auch Familiensituationen gibt, die womöglich außerhalb dieser Kernzeiten eine Betreuung bräuchten.

(Beifall FDP)

Da wehren Sie sich einfach dagegen, Sie ignorieren das vollkommen. Das ist heraus aus Ihrem Portfolio. Sie feiern sich und das war es. Sie sind nicht bereit, gute Dinge - und das ist durchaus ein gutes Gesetz, das Kindertagesstättengesetz - auch zu evaluieren und eventuell an bestimmten Stellen weiterzuentwickeln. Ihre Ignoranz ist beispiellos, das muss ich Ihnen an dieser Stelle sagen.

(Beifall FDP)

Ich staune wirklich. Erzählen Sie mir doch nicht, dass wir familienunfreundlich wären, nur weil wir sagen, es gibt Familien, die haben Zwänge und fragen einfach nach, ob es auch Möglichkeiten gibt und Einrichtungen, die über das Normale hinaus Betreuung anbieten. Das ist die Fragestellung. Es hat niemand gesagt, dass wir Qualität absenken wollen, kein Mensch. Es ist nicht in dem Antrag verankert, Sie lesen das aber heraus. Also Ihre Interpretationsfähigkeit, die ist im Übrigen grandios, das muss ich Ihnen auch sagen, nicht zu fassen.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Ja, so ist er.)

(Beifall FDP)

Dann sagen Sie, wir hätten unsere soziale Seite entdeckt. Was ist denn sozialer als sich darum zu kümmern, dass die Menschen Arbeit haben und

(Abg. Döring)