Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kuschel hat eben schon kolportiert, dass er zur Verfassung nichts sagen wird, weil er das von mir erwartet. Mal gucken, ob ich zur Verfassung komme. Es ist ja immer mal ganz gut, wenn man in die Verfassung guckt, Herr Kuschel, das gibt ja ganz aktuelle Beispiele, wo das versäumt wurde und dann scheitert man vor Gericht.
Erneut beschäftigen wir uns heute mit diesem Gesetzentwurf, und zwar schon in der Sitzung, die der Einbringung des Gesetzentwurfs folgt, und damit weiß der Fachmann, das mit der Ausschussüberweisung hat nicht so ganz geklappt.
Warum hat - da ist auch viel Sarkasmus dabei - die Ausschussüberweisung nicht geklappt, Herr Kuschel? Wir haben es ja versucht bei der letzten Plenardebatte hier vor rund vier oder fünf Wochen noch mal zu thematisieren. Gemäß Beschluss des Bundesverfassungsgerichts dürfen Hauseigentümer in Bayern mit Beiträgen für kommunale Abwasseranlagen zeitlich nicht unbegrenzt nach Fertigstellung der Investition belastet werden. Und wenn Sie ins Thüringer Kommunalabgabengesetz schauen, gibt es auch so eine Regelung, die besagt Herr Fiedler hat ja auch schon darauf abgestellt § 15 Durchführung der Besteuerung. Das möchte ich jetzt nicht alles - weil es ja, wie gesagt, vor fünf Wochen hier schon mal Thema war - noch mal zitieren. In Bayern genauso wie in Thüringen wird bestimmt, wann die Frist der Festsetzung beginnt, falls die Satzung ungültig ist. Sie stellen aber in Ihrem Begehren, das Sie heute ja nochmals vortragen werden, nämlich mit diesem Gesetzentwurf, nicht auf diesen § 15 ab, sondern auf den § 7. Ich darf den mal kurz zitieren mit Verlaub: „Ein Beitrag kann“ - so steht es in Absatz 12 - „auch für öffentliche Einrichtungen erhoben werden, die vor Inkrafttreten der Abgabesatzung hergestellt, angeschafft, erweitert, verbessert oder erneuert wurden. Die Satzung über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist spätestens vier Jahre nach Ablauf des Jahres zu beschließen, in dem die Maßnahme nach Satz 1 beendet wurde.“ Das gibt es in Bayern übrigens auch. Das hat das Bundesverfassungsgericht im Übrigen aber nicht moniert, wenn man sich das Urteil also noch mal genau anschaut. Deswegen ist es rechtlich schwierig, genau auch nach dem Gesetzentwurf der LINKEN zu verfahren.
Jetzt hat aber mein Kollege Fiedler das auch schon mal ausgeführt und wir hatten das im letzten Plenum hier auch schon so diskutiert. Es gab eine Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Fiedler, der sich genau zu diesem Thema auch bei der Landesregierung erkundigt hat. Ausfluss dessen - und das ist ja eben auch noch mal kolportiert worden - ist, dass sich die Koalition mit diesem Thema beschäftigt, das Innenministerium also zugesichert hat, das Ganze noch einmal zu thematisieren und bis zum Sommer dann gegebenenfalls auch weitere Konsequenzen zu prüfen. Ob das im Vorhinein, wie Sie eben schon prophezeit haben,
Herr Kuschel, eine Enttäuschung sein wird, wage ich zu bezweifeln. Aber Sie haben, weil es keine neuen Aspekte gibt, die mich jetzt von meiner Meinung, diesen Gesetzentwurf erneut abzulehnen und ihn auch nicht, wenn Sie es gleich wieder beantragen sollten, erneut an die Ausschüsse zu überweisen, Sie haben ja hier Gelegenheit, uns vielleicht vom Gegenteil zu überzeugen. Neue Aspekte, neue Ansätze, die uns dazu verleiten sollten, sehe ich allerdings nicht und harre deswegen sehr gespannt auch Ihren Ausführungen. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, in einem hat leider der Kollege Hey recht
ja, leider - vielleicht in zwei Punkten sogar. Es ist leider nichts Neues da. Weil sich die Koalition einer Debatte im Ausschuss verwehrt hat,
haben wir keine neuen Aspekte. Das allerdings der LINKEN dann vorzuwerfen, das nichts Neues da ist, ist schon fast frevelhaft, gerade vor dem Hintergrund, dass das von Ihnen ausgedrückte Erwarten, dass das Innenministerium an einer Lösung arbeitet, für uns GRÜNE eher verbunden ist mit einer Drohung, weil wir annehmen müssen, dass die Landesregierung, ähnlich wie am heutigen Tage fünf Minuten vor Eintritt in das Plenum, mit einem ganzen Potpourri an neuen Regelungen und Gesetzentwürfen kommt, die eigentlich nur eines gemeinsam haben, dass sie ein fauler geschnürter Kompromiss sind. Es ist zu erwarten, dass die Landesregierung, gestützt durch die Fraktionen von CDU und SPD, das Gleiche auch im Bereich der Kommunalabgaben hier demnächst kredenzen werden. Wir werden das scharf, wie an der Stelle heute, zurückweisen.
Vielleicht noch einmal zurück zu der Frage: Was DIE LINKE hier seit vielen Jahren im Landtag begehrt, ist, eine vernünftige Regelung zu schaffen, die es den Bürgerinnen möglich macht und einsehbar möglich macht, zu begreifen, was der Landesgesetzgeber sich eigentlich gedacht hat. Das ist den Bürgern nicht klar.
Das ist ein Versagen der CDU, dass sie den Bürgern diese Antwort nicht geben, nicht geben können, ja, nicht geben wollen. Wenn Herr Hey ankündigt, dass demnächst etwas kommen soll, dann ist das im Prinzip auch die Bestätigung dessen, dass diese CDU und auch die SPD seit Jahren dieses schwerwiegende, in Thüringen viel diskutierte Problem der Kommunalabgaben einfach nicht angegangen ist.
Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht, und genau deshalb müssen wir immer wieder hier zusammentreten.
Sie fühlen sich ja getroffen, weil Sie ja bellen. Da muss man schon mal feststellen, dass es wahrscheinlich nicht ganz daneben gelegen hat, was ich hier ausgeführt habe.
Zum konkreten Gesetzentwurf der LINKEN, ich hatte das das letzte Mal schon ausgeführt, das wäre der eine Punkt, wo Herr Hey meiner Meinung nach auch recht hat. Er trifft in seiner Analogie, die Sie fassen, unserer Meinung nach eben nicht. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf von Ihnen nicht zustimmen. Einer Debatte im Innenausschuss, die dringend nötig wäre, um dieses Problem einmal ordentlich zu bearbeiten und auch wegzukommen von den einfachen Schuldzuweisungen würden wir uns nicht verschließen. Wir würden das unterstützen, eine solche Debatte auch zu führen. Das scheint allerdings heute nicht möglich zu sein, wenn man das Auditorium sich so anschaut. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hey muss jetzt genau zuhören - jetzt sehe ich ihn gar nicht.
Dann wird wieder Herr Fiedler sagen, der Kuschel hält eine Vorlesung im Verfassungs- und Kommunalrecht, aber das müssen Sie jetzt ertragen. Eigentlich hätten wir das im Ausschuss gemacht. Sie
waren aber nicht bereit, sich dort der inhaltlichen Auseinandersetzung zu stellen. Ich will sehr gern der Aufforderung von Herrn Hey folgen und den Versuch unternehmen, noch mal Argumente vorzutragen, die für unseren Gesetzentwurf stehen. Da will ich noch mal darauf verweisen, wir haben jetzt erst mal nur ein Moratorium beantragt; wir haben noch nicht die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts beantragt, weil wir da tatsächlich zunächst die Landesregierung in der Verantwortung sehen.
Meine Damen und Herren, 2009 haben CDU und SPD einen Vertrag abgeschlossen, darüber steht „Koalitionsvertrag“. Wenn man sich genauer damit beschäftigt, erfüllt er nicht mal ansatzweise die Kriterien eines Koalitionsvertrages.
Da steht unter anderem drin, sie streben eine rechtssichere und bürgernahe usw. Neuregelung bei der Erhebung von Kommunalabgaben, also Beiträgen, insbesondere bei den Straßenausbaubeiträgen an. Dazu wurde im Jahr 2011, im Frühjahr, ein Gesetz in den Thüringer Landtag eingebracht mit den schärfsten Regelungen zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, die es in der Bundesrepublik überhaupt gibt. Ich darf nur mal darauf verweisen, in Thüringen sind die Gemeinden verpflichtet, unabhängig von ihrer Finanzlage rückwirkend bis zum August 1991 - das wurde im Jahr 2011 beschlossen - Straßenausbaubeiträge zu erheben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur dass Sie einen Rechtsgrundsatz des Rechtsstaats, nämlich die Verjährung, in diesem Bereich völlig außer Kraft gesetzt haben und damit auch einen Angriff auf den Rechtsstaat gefahren sind, Sie haben die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in Geiselhaft genommen für Ihre gescheiterte Politik
und haben die Konflikte auf die kommunale Ebene übertragen, wo sich Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite und kommunale Akteure auf der anderen Seite auseinandersetzen müssen zu Vorgängen, wozu es zum Teil überhaupt keine Aktenbestände mehr gibt und dergleichen. Über 290 Gemeinden hatten bis zum Jahr 2011 überhaupt keine Satzung und müssen das jetzt alles rückwirkend erheben. Das Satzungsverfahren ist im Wesentlichen durch, aber der Streit wird aufkommen, wenn die Beitragsbescheide jetzt erlassen werden. Da haben sich die Gemeinden noch Zeit gelassen, weil die noch mal vier Jahre Erhebungsfrist haben. Wenn sie die Zeit ausschöpfen, dann haben wir das Jahr 2015, dann würden Gemeinden im Jahr 2015 für
Vorgänge aus dem Jahr 1991 noch Beiträge erheben. Das ist, davon bin ich überzeugt, einmalig. Das kann nicht sein. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht zu einer vergleichbaren, nämlich wortgleichen Regelung in Bayern eine Entscheidung getroffen und hat entschieden, so geht es nicht, so kann man den Rechtsstaat nicht aushebeln.
Sie haben einfach den Trick gewählt, indem sie gesetzlich geregelt haben, die Beitragspflicht entsteht erst dann, wenn eine rechtskonforme Satzung vorliegt. Deshalb ist in vielen Gemeinden noch gar keine Beitragspflicht entstanden gewesen, weil noch gar keine Satzung da war oder die vorhandenen Satzungen rechtswidrig waren. Da müssen Sie sich mal die Wirkung bei den Bürgerinnen und Bürgern vorstellen, da erlässt eine Gemeinde eine rechtswidrige Satzung, die durch eine Landesbehörde, nämlich die Kommunalaufsicht, gewürdigt oder genehmigt wird, dann stellt die sich als fehlerhaft heraus und man sagt den Bürgern aber: April, April, Verjährung tritt nicht ein, sondern wir korrigieren das, und zwar so lange, bis es rechtskonform ist. Bis dahin ist überhaupt noch keine Beitragspflicht entstanden und insofern kann keine Festsetzungsverjährung eintreten. Allein daran sehen Sie schon, dass Handlungsbedarf besteht. Eine solche Aushöhlung des Rechtsstaats dürfen wir als Parlament nicht zulassen, meine Damen und Herren.