Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Politische Mehrheiten sind in diesem Hause durch eine Koalition definiert. Diese Koalition hat sich verabredet, Anträge in diesem Parlament gemeinsam einzubringen und an dieser Gemeinsamkeit arbeiten wir im Moment innerhalb der Landesregierung, um einen Gesetzentwurf so abzustimmen, dass wir den gemeinsam einbringen können. Das ist das übliche politische Verfahren in allen Parlamenten, ob in Thüringen, in anderen Bundesländern, im Bund oder gehen Sie hin in Europa, wo sie wollen, dass Koalitionen nicht gegeneinander abstimmen, sondern gemeinsam Gesetzentwürfe einbringen. Bevor diese Gemeinsamkeit nicht da ist, wird der Gesetzentwurf eben nicht eingebracht. So ist das auch hier im Hohen Hause, das wissen Sie, deshalb ist

(Abg. Hennig)

aller Versuch, hier zu sagen, wir bringen hier mal den Arbeitsstand aus dem Kultusministerium zur Abstimmung und dann gibt es ja politische Mehrheiten, die sich dahinterstellen müssen, gelinde gesagt, Unfug.

Ich will aber auch zu der inhaltlichen Debatte noch ein paar Punkte sagen. Nicht so sehr zu den einzelnen Regelungen, die wir diskutieren, aber vielleicht noch einmal zu den Gesprächen, die wir zu Beginn geführt haben. Wir haben insgesamt dreimal Gesprächsrunden mit dem Landeskuratorium für Erwachsenenbildung gehabt, wir haben zwei Gesprächsrunden mit den Industrie- und Handelskammern gehabt, wir habe eine Gesprächsrunde mit der Handwerkskammer gehabt, wir haben mit dem Verband der Wirtschaft Thüringens geredet und der Entwurf ist auch dem DGB und dem Beamtenbund zugestellt worden. Es gab jetzt im Frühjahr dieses Jahres zwei Gesprächsrunden in der Staatskanzlei unter Beteiligung der Sozialpartner, also Gewerkschaftsvertreter auf der einen und Arbeitgebervertreter auf der anderen Seite. Dort haben wir noch einmal insgesamt die Regelungen diskutiert und versucht, eine vernünftige Balance zu finden.

Zuallererst als Ausgangspunkt: Sehr viele Unternehmen haben ein vorbildliches Weiterbildungsmanagement und sehr viele Beschäftigte beteiligen sich an dieser betrieblichen Weiterbildung. Da gebührt all denen, die sich da engagieren, auch auf betrieblicher Seite, Dank und Unterstützung für dieses Engagement.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Wer allerdings argumentiert, das Bildungsfreistellungsgesetz wolle jetzt diese betriebliche Weiterbildung regulieren oder ersetzen, der irrt vollkommen. Darum geht es bei diesem Bildungsfreistellungsgesetz nämlich überhaupt nicht. Hier geht es darum, wir haben auf der einen Seite betriebliche Regelungen, die entscheidet das Unternehmen, was dem Arbeitnehmer angeboten wird. Wir haben auf der anderen Seite eine grundsätzliche Norm, die ist international vereinbart worden im ILO-Abkommen 140, und das ist eine individuelle Norm. Hier geht es um das Recht des Arbeitnehmers, zu sagen, ich habe Bildungsbedarf und ich nehme diesen Bildungsbedarf wahr

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und kein Arbeitgeber kann sich hinstellen und mir das verweigern. Das haben Sie offensichtlich überhaupt nicht verstanden vonseiten der FDP, dass es hier zwei ganz unterschiedliche Stränge gibt.

(Unruhe FDP)

Herr Kemmerich, es gibt das Bildungsangebot der Unternehmen, das ist gut in Thüringen, da können wir uns im Bundesvergleich wirklich sehen lassen,

und es gibt den individuellen Anspruch von Arbeitnehmern, zu sagen, ich will mich weiterbilden, und zwar nicht nur unbedingt berufsbezogen, sondern auch arbeitsweltbezogen und auch gesellschaftspolitisch. Das ist seit den 70er-Jahren internationaler Konsens. In welchem Jahrhundert leben Sie denn, wenn Sie das immer noch bestreiten?

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Aber doch nicht auf dem Rücken der Unterneh- men. In welchem Jahrhundert leben Sie denn?)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das Bundesverfassungsgericht hat ganz klar gesagt, es ist Recht und Möglichkeit der Politik, so etwas zu vereinbaren und das ist auch gut begründet, denn diese Gesellschaft lebt auch davon, dass sich Menschen eben nicht nur beruflich qualifizieren, sondern sich auch gesellschaftspolitisch, gewerkschaftlich und wie auch immer weiterbilden. Auch das gehört zum Funktionieren dieser Gesellschaft dazu und dafür möchte ich eine vernünftige Regelung schaffen,

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Aber doch nicht zulasten der Unternehmen.)

die engt die Unternehmen nicht ein. Nun erzählen Sie doch keine Horrorgeschichten, ich bitte Sie.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Das ist banale Realität.)

Wir sind doch hier nicht im Märchenwald, wir sind hier im Thüringer Landtag, sehr geehrter Herr Kollege Kemmerich.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu dieser Wahrheit gehört auch, 14 Bundesländer haben solch eine Bildungsfreistellungsregelung und jetzt nennen Sie mir mal ein einziges Unternehmen,

(Unruhe FDP)

was an der Bildungsfreistellungsregelung gescheitert ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie werden nicht eines finden. Also lassen Sie die Märchenkiste zu. Es geht hier um eine Regelung, die 14 Bundesländer schon haben, Baden-Württemberg bereitet jetzt auch eine vor. Nur in Bayern und Sachsen hat man es noch nicht ganz eingesehen und wir werden hier in Thüringen auch eine Regelung vorlegen. Wir arbeiten daran. Wir sind mit allen Beteiligten im Gespräch, um eine ausgewogene, gute Lösung für Thüringen zu finden und aus dieser Arbeit wird auch ein gutes Ergebnis erwachsen, da bin ich sicher. Solche Operationen, wie wir sie hier gerade von der LINKEN gesehen haben, helfen dabei überhaupt nicht. Es gibt eine Mehrheit in diesem Parlament, die wird durch die Koalition

(Minister Matschie)

gestellt, und diese Mehrheit wird einen Entwurf vorlegen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da sind wir aber nicht so sicher.)

(Beifall CDU, SPD)

Danke, Herr Minister Matschie. Ich sehe jetzt keinen weiteren Redebedarf, dann kommen wir zur Abstimmung. Es wurde beantragt, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu überweisen. Damit beginnen wir. Wer sich dem anschließen kann, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und der FDP. Gibt es Gegenstimmen? Die sehe ich nicht. Gibt es Stimmenthaltungen? Die sehe ich auch nicht. Damit ist die Überweisung angenommen.

Des Weiteren stimmen wir ab über die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Wer sich dem anschließt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind auch die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Die sehe ich nicht. Stimmenthaltungen sehe ich auch nicht. Vielen Dank.

Jetzt müssen wir noch über die Federführung abstimmen. Es wurde vorgeschlagen, die Federführung beim Bildungsausschuss zu sehen. Sehe ich da Widerspruch? Nein, dann ist die Federführung beim Bildungsausschuss. Vielen Dank. Ich schließe an dieser Stelle den Tagesordnungspunkt 7.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8

Gesetz zur Änderung des Thüringer Bestattungsgesetzes Gesetzentwurf der Abgeordneten Adams, Dr. Augsten, Barth, Bergner, Blechschmidt, Hellmann, Hitzing, Kemmerich, Dr. Klaubert, Koppe, Kubitzki, Kummer, Kuschel, Leukefeld, Dr. Lukin, Möller, Ramelow, Rothe-Beinlich, Schubert, Siegesmund, Skibbe, Untermann - Drucksache 5/6206 dazu: Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/6251

ERSTE BERATUNG

Wünscht jemand der Abgeordneten das Wort zur Begründung? Das ist der Fall. Herr Abgeordneter Blechschmidt, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zuerst möchte ich mich bei den Bürgerinitiativen bedanken, die uns in der zurückliegenden Zeit immer wieder mit Beispielen, Frage- und Problemstellungen ausgestattet haben und dabei trotz der eigenen Rückschläge bei der Umsetzung ihrer Idee der Friedwaldbestattung nicht müde in ihren Initiativen geworden sind.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eingeschlossen in den Dank sind dabei ausdrücklich jene Kommunen und Gemeinden, die versucht haben, Friedwälder zu errichten und an der - aus meiner Sicht - Interpretationsmöglichkeit des gegenwärtigen Gesetzes bzw. der des Landesverwaltungsamtes gescheitert sind. Dank gilt auch allen Mitwirkenden an dem Gesetzentwurf, die aus Sachverstand heraus fraktionsübergreifend nach praktikablen Möglichkeiten sowie der Klarstellung bei der Umsetzung der Idee, Friedwälder zu errichten, mitgewirkt haben und somit den Weg frei gemacht haben für diese parlamentarische Initiative, welche letztendlich von 22 Abgeordneten des Hauses mitgetragen wird. Ich gestehe, dass ich mir hier die eine oder den anderen aufgrund des vorher Gesagten mit als Unterstützer vorgestellt hätte.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass der Tod als Schlusspunkt zu unserem Leben gehört. Nicht nur die Vorstellung, ob oder gegebenenfalls wie es eine Existenz nach dem Tod gibt, sondern schon recht frühzeitig in der Geschichte der Menschheit wurde über die Beisetzung, über die Bestattung von Toten nachgedacht und entsprechende Formen gesucht und gefunden. Ich würde den Rahmen dieser Einbringung sprengen, wenn ich einen gesamthistorischen Abriss über diese Fragestellung hier vornehmen würde von Höhlenbestattung über Pyramiden bis hin zur heutigen Erd- oder Feuerbestattung, dennoch und dies sollen die drei Beispiele andeuten, Bestattungsarten und damit verbundene Vorstellungen über den Tod und über den Tod hinaus waren und sind existenzieller Bestandteil unseres Lebens.

Meine Damen und Herren, ich habe überlegt, an welcher Stelle ich folgende Bemerkung mache und ich gestehe, keine besseren gefunden zu haben als die jetzt hier und gleich. Die Frage nach dem Tod und dem Danach ist letztendlich eine ganz persönliche Entscheidung und in keiner Weise ideologisch oder gar parteipolitisch und ganz zu schweigen von Koalition oder Koalitionsverträgen abhängig.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn überhaupt, besitzen kulturhistorische Momente, Traditionen und Entwicklung gerade bei Bestattungsritualen ein gewisses Veränderungspotenzial. Ich bin dem Katholischen Büro, namentlich Or

(Minister Matschie)

dinariatsrat Weinrich, dankbar, dass er im Rahmen einer Presseerklärung deutlich gemacht hat, dass es neben den traditionellen Bestattungsvorgängen in Deutschland weitere mit dem - Zitat: „Bestattungswaldkonzept verbundene naturphilosophische Vorstellungen eines Aufgehens des Verstorbenen in der Natur“ gibt. Unter Wahrung der tradierten Friedhofskultur muss es Möglichkeiten geben auf andere Vorstellungen mit Blick auf die von mir beschriebene existentielle Frage. Somit würde ich es sehr bedauern, wenn dieses zutiefst individuell menschliche Thema, der seit Jahren größer werdende letzte Wunsch zur Bestattung in Friedwäldern auch in Thüringen, wenn so eine grundsätzliche Frage parteipolitischen oder parteitaktischen Optionen unterliegt.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, noch drei Bemerkungen zum Gesetzestext und zum Entschließungsantrag der Koalitionsparteien.

1. Die Initiatoren wollten mit der Ergänzung in § 23 die eindeutige Klarstellung zur Möglichkeit der Errichtung von Friedwäldern erreichen. Die von mir schon angeführte bisherige öffentliche Diskussion und die bisherigen Entscheidungen, besonders des Landesverwaltungsamtes, machen das unsererseits eindeutig notwendig.

2. Die Initiatoren wollten mit der Änderung der §§ 24 und 27 die Würde und Form auch von Bestattungswäldern festschreiben, auch was die Einfriedung bzw. räumliche Abgrenzung solcher Bestattungswälder anbetrifft. Was gewisse Befürchtungen hinsichtlich der Sicherung von Totenruhe anbetrifft, haben die Erfahrungen in 14 Bundesländern, welche eine entsprechende gesetzliche Möglichkeit für Friedwälder und Waldbestattungen haben, zu keinen kritischen Bewertungen bzw. Überarbeitung der praktizierten Bestattungsgesetze geführt.

3. Ausdrücklich wollen die Initiatoren bei der Errichtung und dem Betrieb von Friedhöfen und Waldbestattungen keine Privatisierung vornehmen.

Meine Damen und Herren der Koalition, der Entschließungsantrag macht sichtbar, auch Sie erkennen, dass Waldbestattungen bzw. Friedwälder auf zunehmendes Interesse von Bürgerinnen und Bürgern stoßen. Auch Sie erkennen, dass Träger der Friedhöfe animiert werden müssen, um innerhalb von Friedhofsmauern Baumbestattungen zu organisieren. Sie erkennen aber nicht und wollen nicht erkennen, dass Menschen auch außerhalb der Friedhofsmauer in gekennzeichneten Bereichen, in Waldstücke beigesetzt werden wollen.