gemeinsamen Leben ihrer sexuellen Identität unter Strafe. Strafbarkeit knüpft an das „so sein und so leben“ der Personen an, obwohl sich die Beteiligten freiwillig dafür entschieden haben. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, ist von dieser Stelle noch einmal deutlich zu machen und nicht zu kritisieren. So sein und so leben von Menschen zu bestrafen, macht die Menschen- und Grundrechtswidrigkeit genau des § 175 deutlich. Ich sage auch, Strafrecht darf nicht missbraucht werden, um Lebensformen von Menschen mit Repressionen zu erfüllen. Aus diesem Grunde, werte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, wird meine Fraktion Ihrem Alternativantrag mehrheitlich nicht zustimmen können, weil einfach folgende Dinge nicht beachtet worden sind. Ich will sie noch mal kurz zusammenfassen. Es ist keine Entschuldigung in Ihrem Alternativantrag formuliert, es ist keine Entschädigung in Ihrem Alternativantrag formuliert und es ist eine Zusammenmischung zwischen dem § 175 Strafgesetzbuch und dem § 151 Strafgesetzbuch der DDR, den wir so an dieser Stelle gemeinsam nicht akzeptieren können. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich übernehme diesen Tagesordnungspunkt für meine Kollegin Dorothea Marx, die einen anderen Termin wahrnehmen muss. Ich sage das deshalb, weil ich auf sehr viele juristische Dinge eingehen werde und ich mich als Nichtjuristin nicht mit solchen Federn schmücken möchte. Also insofern die Erklärung einfach zuvor.
Dieser klare und moderne Satz, meine sehr geehrten Damen und Herren, der steht in einem Aufsatz von Holger Doetsch von 1990 in der letzten demokratisch legitimierten DDR-Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière. Er war Sprecher des Ministeriums für Jugend und Sport und dieser Satz ist hier festgehalten. Ich sage auch ganz persönlich, zu Beginn des 21. Jahrhunderts müsste eigentlich die gesamte Gesellschaft in Deutschland und auch in Europa endlich so weit sein, den Menschen nicht mehr nach sexueller Orientierung und Identität zu bewerten, sondern nach seinem Reden und Handeln, eben als Mensch.
Wir akzeptieren mittlerweile schwule Künstler, Musiker und Politiker, aber homosexuelle Fußballspieler trauen sich auch heute noch nicht, sich zu outen. Ich frage mich dann auch immer: Wo ist denn eigentlich der Unterschied für einen guten Landesvater zum Beispiel der Unterschied zwischen Ole von Beust oder Klaus Wowereit auf der einen Seite und auf der anderen Seite nehme ich als Beispiel Kurt Beck oder Matthias Platzeck? Wo ist da der Unterschied? Wenn, dann in der politischen Bewertung, doch aber nicht in der Bewertung als Mensch.
Der Thüringer Landtag wird heute so oder so - und da werde ich auch noch mal Wert drauf legen - vor allem ein symbolisches Zeichen setzen. Denn tatsächlich, wir können das erlittene Unrecht all derjenigen, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen seit Jahrhunderten entwürdigt, verfolgt, verurteilt oder misshandelt wurden, nicht wieder gutmachen. Wir können das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen und die seit Jahrhunderten bestehenden Vorurteile gegen „Homos“ auch nicht zurückdrehen.
Die SPD-Fraktion war und ist für die Initiative der bündnisgrünen Fraktion hier im Thüringer Landtag dankbar, auch und gerade weil sie inhaltlich vorangegangenen Anträgen rot-grüner Initiativen auch aus anderen Bundesländern entspricht. Wir müssen aber auch anerkennen, dass es Vorbehalte nicht nur bei unserem Koalitionspartner gibt, die nicht ganz von der Hand zu weisen sind, sondern auch Vorbehalte in anderen Bereichen.
Wenn wir also heute nachträglich frühere gesamtgesellschaftlich getragene Grundentscheidungen als fundamentalen Verstoß gegen die Menschenwürde ansehen würden und diese der Rehabilitierung zuführen würden, dann führt dies zu einer unabsehbaren Kette von Entschädigungsforderungen. Ich glaube, auch das muss man an dieser Stelle ganz deutlich sagen, weil auch andere Bevölkerungsgruppen diskriminiert wurden. Da ließe sich an Beispielen einiges auflisten. Außerdem haben wir in dem Antrag von GRÜNEN und LINKEN den speziellen Thüringen- bzw. ostdeutschen Bezug vermisst.
Jetzt komme ich zu den genannten juristischen Varianten. Von 1945 bis 1990 galt auf dem Gebiet des heutigen Freistaats Thüringen § 175 StGB in seiner bundesrepublikanischen Fassung eben gerade nicht. Es war eben auch die Regierung von Thüringen, die 1945 eine Abmilderung der §§ 175 und 175 a Strafgesetzbuch beschloss, die in etwa einem linken Strafrechtsentwurf von 1925 entsprach. In anderen ost- und mitteldeutschen Ländern galt dagegen die Fassung des § 175 von 1935 unverändert fort. 1950, ein Jahr nach der Republikgründung von 1949, entschied das Kammergericht Berlin für die gesamte DDR, dass der § 175 in der alten bis
1935 gültigen Fassung anzuwenden sei. Jedoch hielt es im Unterschied zum OLG Halle unverändert am neuen § 175 a fest, weil er dem Schutz der Gesellschaft gegen, man höre, sozialschädliche homosexuelle Handlungen qualifizierter Art diene. 1954 entschied dasselbe Gericht, dass § … - Entschuldigung, Herr Minister, es tut mir leid, es ist ein bisschen laut im Moment, sonst komme ich mit den Paragraphen durcheinander.
Ja, ich denke, es ist auch wichtig, wenn Sie an dieser Stelle mal zuhören, es ist manchmal ganz interessant, wenn man das mal so hört.
1954 entschied dasselbe Gericht, dass § 175 a im Unterschied zu § 175 keine beischlafähnlichen Handlungen voraussetzt. „Unzucht sei jede zur Erregung der Geschlechtslust vorgenommene Handlung, die das Sittlichkeitsgefühl unserer Werktätigen verletzt.“ Manches muss man sich wirklich mal …
Durch das Strafrechtsänderungsgesetz der DDR von 1957 wurde die Möglichkeit geschaffen, von einer Strafverfolgung abzusehen, wenn eine gesetzwidrige Handlung mangels schädlicher Folgen keine Gefahr für die sozialistische Gesellschaft darstellt. Dies setzte dann den § 175 faktisch außer Kraft, da das Kammergericht Berlin gleichzeitig urteilte, dass bei allen unter § 175 alter Fassung fallenden Straftaten weitherzig von der Einstellung wegen Geringfügigkeit Gebrauch gemacht werden soll. Homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen blieben daher am Ende der 50er-Jahre dann straffrei. 1968 gab sich die DDR ein eigenes Gesetzbuch. In ihm bestimmte der neue § 151 StGB DDR eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Verurteilung auf Bewährung für einen Erwachsenen, der mit einem Jugendlichen gleichen Geschlechts sexuelle Handlungen vornimmt. Aufgrund der nicht länger geschlechtsbezogenen Formulierung erfasste das Strafgesetz nun auch Sex zwischen Frauen und Mädchen unter 18 Jahren. Am 11. August 1987 hob das Oberste Gericht der DDR ein Urteil wegen § 151 mit der Begründung auf, dass Homosexualität ebenso wie Heterosexualität eine Variante des Sexualverhaltens darstellt. Homosexuelle Menschen stehen somit nicht außerhalb der sozialistischen Gesellschaft und die Bürgerrechte sind ihnen
wie allen anderen Bürgern gewährleistet. Ein Jahr später aber strich die Volkskammer der DDR in ihrem 5. Strafrechtsänderungsgesetz vom 14. Dezember 1988 den § 151 ersatzlos. Das Gesetz trat am 1. Juli 1989 in Kraft. Auch solche Aspekte haben wir in dem eingebrachten Antrag vermisst.
Ich schließe mich all denjenigen an, die bedauern, dass es nicht gelungen ist, das sage ich ganz offen und ganz ehrlichen Herzens, einen fraktionsübergreifenden Antrag bei diesem so wichtigen Thema auf den Weg zu bringen. Aber wahrscheinlich hätte es dafür eines größeren Kompromisswillens sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite des Hauses bedurft.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben überhaupt nicht mit uns geredet.)
Letztlich hat der Bundesrat bereits in seiner 901. Sitzung am 12. Oktober 2012 in der Drucksache 241/12 einen Beschluss auf Antrag der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg und NordrheinWestfalen gefasst, in dem er die Bundesregierung auffordert, Maßnahmen zur Rehabilitierung und Unterstützung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilter vorzuschlagen. Diesen Beschluss sowie die in der Folge gefassten Initiativen der Landtage von Hessen und Rheinland-Pfalz möchten wir als SPD auch gern unterstützen, damit ein Zeichen setzen und uns für die Aufarbeitung des erlittenen Unrechts auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR aussprechen. Des Themas „Strafrechtliche Verfolgung einvernehmlicher sexueller Handlungen in den damaligen DDR-Bezirken Gera, Erfurt und Suhl“ könnte, ja müsste, sollte sich aus unserer Sicht auch der/die neue Thüringer Aufarbeitungsbeauftragte ab Herbst mit annehmen. Diesen Gesetzentwurf werden wir heute noch beraten. An dieser Stelle möchte ich auch noch mal persönlich darauf hinweisen, dass wir uns als SPD seit über 100 Jahren bereits für die Aufhebung der Diskriminierung Homosexueller eingesetzt haben. Ich will das an dieser Stelle noch mal so deutlich zum Ausdruck bringen, damit auch klar ist, dass wir hier nicht mit halbem Herz über die Dinge reden, die ich gerade vorgetragen habe. Und vielleicht ist es manchmal noch mal ganz interessant, wie an bestimmten Punkten in anderen Jahrhunderten entschieden worden ist. Bereits 1898 - und ich will auch damit sagen, es war auch damals schon ein Thema gewesen - brachte August Bebel die Petition des Arztes Magnus Hirschfeld zur Streichung des § 170, die damals schon 6.000 Unterschriften auf sich versammelt hatte, damals schon. Auch da war es ein Thema.
rer Republik gelang es dem Strafrechtsausschuss des Reichstags, eine Mehrheit aus SPD, KPD und DDP gegen den Entwurf des neuen § 296 zu mobilisieren. Dies wäre einer Legalisierung der einfachen Homosexualität unter erwachsenen Männern gleichgekommen, aber auch diese Initiative scheiterte damals. In der alten Bundesrepublik wurde 1969 in der Großen Koalition auf Betreiben der SPD der § 175 in der ersten großen Strafrechtsreform reformiert, indem das Totalverbot aufgehoben wurde und 1973 waren es SPD und FDP, die eine umfassende Reform des Sexualstrafrechts durchführten. Die weiteren Initiativen, die dann 1994 zur vollkommenen Streichung des § 175 StGB führten, waren bekannt. Insofern, meine Damen und Herren, glaube ich, dass wir deutlich sagen können, dass wir gegen die Diskriminierung jeglicher Art sind, uns dafür auch immer stark gemacht haben. Ich glaube, mit dem Alternativantrag von SPD und CDU kommt dies auch deutlich zum Ausdruck. Er beschreibt das, was machbar ist, und was deutlich zum Ausdruck gebracht werden muss. Insofern danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit, dass Sie auch meinen juristischen Ausführungen gelauscht haben, und ich bitte um Zustimmung zum Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, die Verurteilung homosexueller Menschen aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung ist ein dunkles Kapitel unserer Geschichte, der deutschen Geschichte. Die FDP-Fraktion bedauert die Vorfälle in der Vergangenheit zutiefst. Es ist traurig, dass der § 175 StGB in der Bundesrepublik unverändert in Kraft blieb diese lange Zeit. Auch in der damaligen DDR stellte der § 151 StGB der DDR noch von 1968 bis 1988 homosexuelle Handlungen unter Strafe. Ich denke, all dies in der Genese, diese Entwicklung, haben meine Vorredner ausreichend ausführlich dargestellt. Es steht außer Frage, dass die Ehre der homosexuellen Opfer wiederhergestellt werden muss.
Die Frage, ob das Anlass einer aus politischen Lagern motivierten Diskussion ist, stellt sich hier aber sehr wohl. Auch da haben meine Vorredner sehr deutlich gemacht, wie denn das Bemühen, einen gemeinsamen Antrag, dem wir uns nicht verstellt hätten, wenn er denn eine gemeinsame Intention zum Ausdruck bringt, zustande gekommen ist bzw. nicht zustande gekommen ist. Insofern werden wir
dem Antrag, der dem gemeinsamen Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN nicht zustimmen. Eine Entschuldigung, meine Damen und Herren, klingt an der Stelle sicherlich sehr verlockend und sehr gut. Ausdrücklich geht es mal nicht um ein Kleinreden der tiefen Schuld, den die deutsche Geschichte da in sich trägt. Aber, meine Damen und Herren, ich denke, dass alle Mandatsträger des Landtags nicht beteiligt waren an dieser dunklen Geschichte, insofern ist eine Entschuldigung nicht angebracht, sondern eher - das wird auch gefordert in dem Alternativantrag, der hier gestellt worden ist - ist eine sinnvolle Aufarbeitung dieses Unrechts. Ich denke, meine Damen und Herren, da teilen viele, aber leider nicht alle, ein sehr tiefes Vertrauen in unseren Rechtsstaat,
in die Rechtsstaatlichkeit, dass wir hier bei der Aufklärung dieser Vorkommnisse mit der nötigen Sorgfalt, juristischen Tiefheit und mit viel Verständnis für die Opfer umgehen.
Ich denke, wir alle sollten sehr vorsichtig sein mit Beurteilungen von Handlungen aus vorigen Zeiten mit unserer Einstellung von heute. Ich denke auch da, ich sagte es bereits, unser Rechtsstaat …
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: War das jemals Recht gewesen, war das jemals begründet?)
Das ist sicherlich auch schon gesagt worden, aber hilft das irgendeinem Opfer, wenn wir das hier zum Ausdruck bringen. Ich denke, die nachhaltige Auseinandersetzung mit diesem Unrecht
Wir brauchen nicht Sie dafür, dass wir feststellen, dass es Unrecht war. Das ist festgestellt, das wird weiter aufgearbeitet und deswegen finde ich es teilweise unerträglich, dass Sie das für sich in Anspruch nehmen, als ob Sie allein die Gutmenschen sind.