Protokoll der Sitzung vom 18.09.2013

(Beifall FDP)

Ihr Vorsitzender, der fast jeden Tag im Fernsehen ist - Gott sei Dank sehen nicht immer alle hin -, hat letzte Woche dann noch behauptet, dass die Hälfte aller Deutschen eine Rente von unter 700 € bezieht. Daraufhin hat ihn Herr Plasberg, wohlgemerkt, dabei entlarvt, dass sich im Endeffekt diese Schicht auf 2 Prozent reduziert. Bei allen anderen spiele das Haushaltseinkommen, Bezug aus anderen Rentenkassen, aus anderen Ruhestandsgehältern, aus Pensionen etc. eine Rolle. Es sind am Ende 2 Prozent, die tatsächlich von einer Rente leben müssen unterhalb von 700 €. Das sind immer noch 2 Prozent zu viel, darum werden wir uns kümmern und müssen wir uns kümmern.

(Beifall FDP)

Aber meine Damen und Herren, Sie ziehen Zerrbilder über diese Nation. Zum Beispiel ein prominenter Rentner mit unter 700 € ist Jupp Heynckes, den ich sehr schätze und deshalb gar nicht ins falsche Licht stellen will, aber meine Damen und Herren, Sie sollten mal sehen, was Sie dieser Nation mit diesen Diskussionen antun.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Was meinst du denn immer mit „dieser Nation“?)

Insofern sind wir auch froh, wenn der Wahlkampf dann zu Ende getobt hat und wir uns wirklich um die Bedürftigen kümmern können. Erlauben Sie mir noch ein Bonmot aus dem Wahlkampf. Die Tage war jemand bei mir am Wahlkampfstand und for

(Abg. Holzapfel)

derte auch seine Rente ein, seine Solidarrente von 1.050 €. Auf Nachfrage, welche Rente er bezieht, war die Aussage 290. Warum? Ja, ich war selbstständiger Künstler, ich habe nicht eingezahlt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Und ist das schlimm? Was soll denn das?)

Über die Motivation habe ich mich mit ihm nicht unterhalten. Wir haben uns ausgetauscht, dass er ja trotz alledem aus der Solidargemeinschaft seine Aufstockungen erhält und daraufhin sagte er mir, das wäre alles gut und schön, aber er möchte gern nach Thailand und dort seinen Lebensabend verbringen und dahin könnte er nur seine 290 € Rente mitnehmen. Ich denke, dafür brauchen wir die Solidarität der Gesellschaft nicht, die brauchen wir für die wirklich Bedürftigen und nicht für vielerlei andere Fälle. Vielen Dank!

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das ist ja unverschämt. Ist ja kein Wunder.)

Vielen Dank. Es hat jetzt der Abgeordnete Rolf Baumann von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „Erhebliche Zunahme von ‚Zwangsverrentungen’ nach § 12 a SGB II in Thüringen“. Beim Wort „erhebliche“, da stelle ich noch einmal ein Fragezeichen, wir haben schon einige Zahlen gehört. Ich werde auch noch einige Zahlen hinzufügen.

Auch die SPD-Fraktion hat ein Verständnis für die Situation der Menschen, die früher in Rente gehen müssen und die dann viel weniger Geld haben und anschließend noch Grundsicherung beantragen müssen. Das ist nicht der richtige Weg und ich glaube, das ist auch nicht gewollt gewesen. Ich will jetzt das Gesetz nicht noch einmal erläutern, das wurde von meinen Vorrednern zur Genüge getan. Ich möchte nur aus ein paar praktischen Erfahrungen berichten. Wir haben auch mehrere Jobcenter besucht und haben dort festgestellt, auch wie die Jobcenter uns das berichtet haben, dass dort eine gute Arbeit gemacht wird und dass mit diesem Gesetz sehr behutsam umgegangen wird. Es wurde ja auch schon gesagt, dass sehr viele Ausnahmetatbestände da sind und dass eine Nichtbeantragung desjenigen, der davon betroffen ist, nicht zu einer Sanktion führt. Auch das muss hier gesagt werden. Hinzu kommt, dass wir es mit einer Versicherungsleistung bei der Rentenversicherung zu tun haben und mit einer steuerfinanzierten Leistung im SGB II. Wichtig ist auch, dass die Daten, die Zahlen, die auch schon genannt wurden, nicht genau definiert

werden können, wie viele Personen nun eigentlich in die sogenannte Zwangsverrentung gekommen sind. Die Zahl 91, und da habe ich mich auch noch einmal rückversichert und das auch von den Jobcentern bestätigt bekommen, dass diese Zahl ja auch noch mehr beinhaltet. Dort sind zum Beispiel auch die Schwerbehinderten drin, die dann zu 100 Prozent Rente bekommen. Es gibt also keine definierte Zahl darüber, welche eigentlich in die Zwangsverrentung kommen. Von allen Jobcentern wurde bestätigt, dass das wirklich nur ein ganz geringer Teil von den geprüften Personen ist, die wirklich die geminderte Rente in Anspruch nehmen müssen. Der größte, der allergrößte Teil derjenigen, die mit 63 oder 64 in Rente gehen, sind nämlich diejenigen, die dies aus den verschiedensten Gründen selbst wollen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Weil sie nicht mehr schikaniert werden wollen.)

Diese Zahlen sind bestätigt, von denjenigen sind es, glaube ich, nur 8 bis 12 Prozent, die wirklich in dieser sogenannten Zwangsverrentung dann landen. Um diese Einzelfälle muss man sich kümmern und auch da sagt die SPD ganz eindeutig, dass wir das mit auf den Prüfstand stellen wollen. Das ist aber nicht Landesrecht, sondern das ist Bundesrecht, das muss in den Bund, das muss in Berlin geschehen.

Und noch ein paar Worte, Frau Stange, zu Ihnen. Immer diese Plattitüden: In Würde das Leben sicherstellen. Was ist denn SGB II? Was ist denn die Grundsicherung? Das ist doch, dass die Menschen auch in Würde noch ein Leben führen können. Dass das nicht das Luxusleben ist, das wissen wir doch alle. Aber schauen Sie doch einmal in andere Staaten. Wo gibt es denn dies, dass die Menschen so abgesichert sind, das ist einfach Ihre übliche Panikmache und auch der Satz dann wieder zu Hartz IV: Hartz IV muss weg.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Es will auch keiner Luxus. Existenzsicherung. Das ist Schikane.)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ja. Sagen Sie uns einfach einmal, was Sie stattdessen haben wollen. Diese Antwort sind Sie uns immer schuldig geblieben. Die haben wir heute auch noch nicht bekommen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall SPD)

(Abg. Kemmerich)

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Sie haben Frau Stange nicht zu- gehört.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Es hat jetzt Frau Abgeordnete Siegesmund von der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Frau Abgeordnete Siegesmund hat das Wort, meine sehr geehrten Damen und Herren.

sehr geehrte Abgeordnete, die Aktuelle Stunde, die DIE LINKE beantragt, hat zwei Vorgeschichten. Zum einen hat sie die Vorgeschichte, dass Frau Stange eine Kleine Anfrage nicht ordnungsgemäß beantwortet bekommen hat. Zum anderen geht ihr die Geschichte voraus, dass sehr konkret in der Zeitung nachzulesen war, wie es einer 63-jährigen Frau aus Arnstadt erging, die vom Jobcenter geradezu aufgefordert wurde, in Rente zu gehen, die es nicht wollte und am Ende vor die Wahl gestellt wurde, entweder das Jobcenter fülle jetzt für sie den Antrag aus, damit sie in Frührente geht, oder sie möge das letztlich selbst tun. So oder so fehlen der Frau am Ende 50 € und die Geschichte zeigt, dass Politik den Auftrag hat, darüber zu diskutieren, ob diese Regel funktioniert - ja oder nein. Das ist der Sinn und Zweck dieser Aktuellen Stunde heute, Frau Stange, so habe ich Sie jedenfalls verstanden. Und über diese eine Frau und die Geschichte derjenigen, die das in Thüringen im Übrigen auch noch betrifft, lohnt es sich zu reden. Herr Kemmerich, die Zahl hat sich mindestens verdoppelt. Also lohnt es sich, darüber zu reden und selbst, wenn sie sich nicht verdoppelt hätte, geht es darum, sehr genau in die Familien zu schauen und was das jeweils für diejenigen heißt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das heißt nämlich am Ende, dass bei einer Zwangsverrentung auf bis zu 8,4 Prozent der Rente verzichtet werden muss. Sie haben vollkommen recht, ich verstehe Ihr lautes Dazwischenrufen so, dass Sie sagen, das ist vor allen Dingen ein bundespolitisches Thema. Ja, da stimme ich Ihnen zu. Aber die Betroffenen sitzen nun einmal in den einzelnen Ländern und deswegen lohnt auch die De

batte hier. Am Ende des Tages steht nämlich die Frage, wenn Sie schon über die ganzen Jahre hin kein existenzsicherndes Einkommen bekommen haben und am Ende dann in die Altersarmut rutschen, ist das auch in genuin eine Frage, die ich immer gern in Richtung FDP stelle, was das denn eigentlich bei Eigenverantwortung und Leistung, die Sie den Menschen immer abverlangen wollen, für jeden Einzelnen am Ende des Tages, nämlich dann, wenn es um Rente geht, heißt.

Wir sagen, dass diese Regelung selbst bei allen Ausnahmetatbeständen unsozial ist, altersdiskriminierend auch und das hätte nicht sein müssen, es war die sogenannte 58er-Regelung in Rede, die bis zum 31.12.2007 galt. Auf Bundesebene haben sich die einzelnen Fraktionen dazu positioniert. Wir haben als GRÜNE 2007 und 2011 Anträge dazu gestellt. Allein es ist nicht dazu gekommen, dass es eine entsprechende Anpassung gab. Gleichzeitig müssen wir aber klären, warum, wenn es - wie Frau Holzapfel sagte - offenbar genug Spielraum für Ausnahmetatbestände gibt, dieser nicht mehr ausgeschöpft wird oder warum es auf einmal diesen sprunghaften Anstieg gibt. Das muss man sich anschauen. Das lässt eben auch Raum für Interpretation. Man kann sagen, das hat demografische Gründe, es kommen mehr Leute in das Alter, die in Rente geschickt werden müssen und für die treffen die Ausnahmetatbestände nicht zu. Man kann sagen, es hat etwas mit der unbefriedigenden Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu tun. Man kann mannigfaltige Gründe hervorzaubern, man kann aber definitiv eines sagen, und das haben wir hier schon öfter diskutiert, der sogenannte Aufschwung, den es am Arbeitsmarkt lange gegeben hat, gilt eben für viele nicht. Das betrifft in Thüringen insbesondere auch die Generation 60 plus. Dafür braucht es Konzepte. Frau Holzapfel hat ja gesagt, da ist von der CDU noch etwas zu erwarten. Darauf bin ich sehr gespannt, was da in den nächsten Monaten ausgearbeitet wird.

Letztlich geht es darum, dass jeder einzelne Fall, eben auch der der Frau, die 63 Jahre alt ist, in Arnstadt lebt und sich jetzt ehrenamtlich engagiert, besprochen werden muss. Denn das Ehrenamt, was sie leistet, wird eben nicht finanziert. Im Gegenteil, da zahlt sie im Zweifel für Wege auch noch drauf, dieses Ehrenamt ist ehrenwert, aber noch einmal: Am Ende des Tages steht gerade bei dieser Frau die Frage im Raum, kann sie es sich überhaupt leisten, ehrenamtlich tätig zu sein, denn die 50 € werden ihr abgezogen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da ist es ein klarer Politikauftrag für uns, das wollen wir ändern. Vielen Dank.

(Abg. Baumann)

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Für die Landesregierung Herr Minister Machnig, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren. Zunächst einmal, Frau Stange, ich nehme das Thema sehr ernst und ich muss Sie einfach auf Folgendes hinweisen: Ich habe keine eigene Statistikstelle im Landesministerium, die in jedem Falle nachvollziehen kann, wie viele denn nun in eine solche Verrentung gehen.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Zu- griff.)

Warten Sie doch! Ich muss auf Daten der Bundesarbeitsagentur Sachsen-Anhalt und Thüringen, der Regionaldirektion, zurückgreifen und die hat mir mitgeteilt, das habe ich Ihnen leider mitteilen müssen, dass, so haben die uns das geschrieben, statistische Daten zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente gar nicht vorliegen. Ich kann Ihnen das ja nur sagen.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Aber der MDR hat es.)

Jetzt glauben Sie mir doch einmal. Zunächst einmal haben die mir das so bestätigt. Ich habe keine eigene Datenerhebung und deswegen muss ich zunächst einmal darauf verweisen, dass es diese Daten nicht gibt, denn ansonsten müsste ich meine Behörde deutlich vergrößern und sie mit solchen Aufgaben befassen, was ich nicht kann.

Jetzt zum Sachverhalt: Zunächst einmal möchte ich auf eines verweisen: Wir alle müssen ein großes Interesse daran haben, dass auch ältere Menschen wieder in Arbeit und Beschäftigung kommen. Das wollen die meisten auch, sie wollen arbeiten. Ich sage ganz klar, das muss natürlich differenziert sein. Es gibt Berufszweige, wo eine Rente mit 65 nicht mehr geht, das ist klar, und es gibt natürlich auch Menschen, die Leistungen erhalten. In Thüringen, und darauf will ich verweisen, haben wir durchaus eine positive Entwicklung dahin gehend, dass Menschen über 60 stärker in Beschäftigung kommen. Immerhin zwischen 2011 und 2012 hat sich der Anteil derjenigen, die über 60 sind, die in Beschäftigung gegangen sind, um 17 Prozent erhöht. Dennoch - jetzt kommt die zweite, das ist die weniger gute, Nachricht - sind heute nur 32 Prozent der 60- bis 65-Jährigen in Thüringen beschäftigt. Das ist immerhin höher als der bundesweite Durchschnitt von 29 Prozent. Das ist alles nicht befriedigend, das gestehe ich Ihnen sofort zu. Deswegen müssen wir noch mehr tun, um Älteren auch die Chance zu geben, in Arbeit zu kommen, und das versuchen wir.

Jetzt zur Frage, worum es geht. Zunächst einmal kann man rechtlich festhalten: Die Pflicht zur Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters besteht erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres. Das ist zunächst einmal die formale Situation. Und, auch darauf will ich verweisen, das BMAS hat festgelegt, in welchen Fällen Leistungsberechtigte eine vorgezogene Altersrente nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Altersrente muss dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn eines von den drei Kriterien gilt: Dies führt zu einem Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn eine abschlagsfreie Rente in nächster Zukunft in Anspruch genommen werden kann oder wenn eine sozialversicherungspflichtige oder gleichwertige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. So weit die Rechtslage.

Nun gab es in der Tat in Thüringen, das weisen zumindest bestimmte Zahlen aus, die da genannt worden sind, 2012 91 Personen und 2013 bis 102 Personen, die ausgeschieden sind. Auch da gilt, das Jobcenter ist dazu verpflichtet, auf bestimmte rechtliche Fragen hinzuweisen und es kann nur in Ausnahmefällen dann rechtlich vollziehen. Das ist in der Tat die Situation, darauf ist hingewiesen worden, das ist bundesgesetzlich geregelt.

Deswegen ist meine Schlussfolgerung daraus und die will ich noch einmal zusammenfassen:

1. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass mehr Beschäftigung in Thüringen geschaffen wird, und zwar für alle Berufs- und Altersgruppen. Das gilt auch für die 60- bis 65-Jährigen.

2. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass auch diejenigen, die Langzeitarbeitslose sind, wieder in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Dazu machen wir ein Landesarbeitsmarktprogramm. Dazu haben wir Projekte aufgebaut, wie ThINKA und viele andere mehr, die dabei helfen sollen. Ich sage ganz offen, das Land tut dort sehr viel.