Protokoll der Sitzung vom 18.09.2013

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Für Sie ist das ein Dickicht.)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: War die konstruktiv?)

Jetzt frage ich Sie, wer macht hier Sachpolitik? Ich glaube, die Frage ist sehr klar zu beantworten.

Herr Mohring, an Sie noch einen Tipp, achten Sie mal drauf, was Sie auf Twitter posten, da gibt es das eine oder andere, was mindestens ältestenratverdächtig ist. Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde und ich rufe auf den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Erhebliche Zunahme von ‚Zwangsverrentungen’ nach § 12 a SGB II in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/6581

Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat die Frau Abgeordnete Stange. Bitte schön, Frau Abgeordnete Stange.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, von solchen üppigen Bezügen, von denen wir gerade hörten, können Hartz IV-Empfänger leider nur träumen, will ich an der Stelle wirklich gesagt haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Jahr 2008 hat die Große Koalition von SPD, CDU und CSU im Bundestag den § 12 a im SGB II verankert, der uns heute beschäftigt. Eine der Kernaussagen dieser Paragrafen beschreibt die Möglichkeit der Jobcenter, mit Vollendung des 63. Le

bensjahrs für einen Erwerbslosen Rentenleistungen zu beantragen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Betroffenen in Rente gehen wollen, selbst ihr ausdrücklicher Widerspruch spielt keine Rolle. Allein das Jobcenter entscheidet, ob der Rentenantrag zu stellen ist oder nicht. Deshalb hat sich in der Praxis schnell der Begriff „Zwangsverrentung“ eingeschlichen. Es ist ein Begriff, der auf der einen Seite etwas ängstlich erscheint, aber auf der anderen Seite seine Berechtigung hat. Denn es kann nicht angehen, dass Menschen, die es nicht wollen, mit dem 63. Lebensjahr in Rente geschickt werden und auf der anderen Seite hören wir von der Landesregierung immer wieder das Thema Fachkräftemangel und wir hören auch, wie viel angeblich getan wurde, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Betroffene müssen also ein Leben lang mit Rentenabschlägen von teils über 10 Prozent leben. Sie werden meist direkt zum Sozialamt geschickt oder sie müssen Grundsicherung beantragen. Das ist entwürdigend und das ist nicht das, was wir unter Anerkennung der Lebensleistung in der Rente verstehen.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist ein unhaltbarer Zustand, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass immer mehr Menschen auch in Thüringen diese Grundsicherung dauerhaft in Anspruch nehmen müssen. Das ist Altersarmut pur und dies ist per Gesetz verordnet.

Sehr geehrte Damen und Herren, heute haben sich ein paar Betroffene hier auf der Tribüne mit uns versammelt, um dieses Thema zu verfolgen. Ich sage Ihnen Danke und Sie bekommen auch meinerseits und unsererseits von der Fraktion die Solidarität, damit Sie Widerspruch und Klagen einreichen können. In Thüringen wurden 2011 46 Menschen zwangsverrentet, 2012 waren es schon 91 und im ersten Halbjahr 2013 bereits 102. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, dann können wir sagen, seit 2011 hat sich diese Zwangsverrentung verdoppelt. Das ist ein Unding und wir als LINKE sagen an der Stelle sehr deutlich, es muss eine Gesetzesänderung weg von Hartz IV und natürlich auch weg von § 12 a durchgeführt werden. Das ist mehr als notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann nicht verstehen, warum Sie mir auf eine Anfrage, werte Landesregierung, im Sommer keine Zahlen vorlegen konnten, aber der MDR wusste welche zu berichten, sie wussten also von der Arbeitsagentur, wie sich die Zahlen in Thüringen entwickelt haben. Hier ist auch meine Kritik an die Landesregierung: Es sollte Ihnen wichtig sein, wenn wir als Abgeordnete Fragen an Sie stellen, dass die auch von Ihnen beantwortet werden und Sie nicht mit lapidaren Sätzen kommen, wir können nicht, weil keine Statistik da ist. Ich glaube, hier hat eine Landesregierung eine andere Aufgabe und mein Frage- und In

(Abg. Siegesmund)

formationsrecht habe ich hier schon sehr beschnitten und nicht wirklich gewürdigt gesehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie es mich noch einmal zusammenfassen. Auch wenn es den Minister Machnig im Moment nicht so sehr interessiert,

(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Doch, es in- teressiert mich.)

Zwangsverrentung ist und war ein Geschenk der Großen Koalition. Es bedeutet für die meisten Betroffenen den direkten Weg in die Altersarmut. Da wird der eigentliche Sinn der Sozialgesetzgebung, ein Leben in Würde sicherzustellen, konterkariert. Es wird Zeit, diese Praxis zu beenden und im Rahmen einer wirklichen Reform das gesamte Hartz-IVSystem abzuschaffen. Wir als LINKE stehen hier im Parlament sowie im Deutschen Bundestag ausschließlich dafür, dass dieses abgeschafft wird. Wir fordern eindringlich noch mal auf, dass wir für sanktionsfreie Mindestsicherung kämpfen, für eine Alterssicherung, die den Namen verdient. Wir sagen als LINKE, wir brauchen eine Mindestrente von 1.050 € und wir brauchen eine Betreuung der Betroffenen in den Jobcentern, die die Würde der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt, wo aber auch die Wünsche der Betroffenen im Mittelpunkt stehen, nicht die Drangsalierung. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Holzapfel von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Punkt 2 der Aktuellen Stunde, wir befassen uns auf Wunsch der Fraktion DIE LINKE mit dem bundespolitischen Thema „Erhebliche Zunahme von ‚Zwangsverrentungen’ nach § 12 a SGB II in Thüringen“. Die Regelungen des SGB II obliegen der Bundesgesetzgebung. Natürlich bietet es sich vor Bundestagswahlen an, hier auch eine Profilierungsplattform zu nutzen. Die CDU-Fraktion wird sich an einer solchen Debatte nicht beteiligen.

(Beifall CDU)

Wir werden diese Thematik sachlich, argumentativ und objektiv darstellen und schließen uns nicht der kollektiven Empörung an, sondern wir wollen gemeinsam konstruktiv mit den betroffenen Menschen einen Weg finden, der sie nicht zwangsläufig in die Verrentung treibt.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Wie denn?)

Aus diesem Grund habe ich das Jobcenter im Unstrut-Hainich-Kreis besucht und die Mitarbeiter mit Ihrem Antrag konfrontiert. Die Situation stellt sich demnach wie folgt dar: Im Jahr 2008 - Frau Stange sagte es schon - wurde von der Großen Koalition im Deutschen Bundestag eine Änderung im Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches vorgenommen und § 12 a in das SGB II hinzugefügt. Dieser hatte zur Folge, dass Leistungsberechtigte verpflichtet sind, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit beiträgt. Für Menschen, die das 63. Lebensjahr vollendet haben, bedeutet dies, dass sie einen Antrag auf eine vorzeitige Verrentung stellen müssen. Kommen sie dem nicht nach, so darf das zuständige Jobcenter nach § 5 Abs. 3 SGB II die Betroffenen dazu auffordern. Wird dem nicht Folge geleistet, also verweigern sie ihre Mitwirkung, ist das Jobcenter berechtigt, einen Antrag auf Verrentung zu stellen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Menschen, die ihre Altersrente in Anspruch nehmen müssen, aus dem Leistungsbezug herausfallen oder das Jobcenter je nach Rentenhöhe nur noch für die Aufstockung zur Grundsicherung zuständig ist. Tritt eine Person mit 63 Jahren in die Rente ein, so muss diese mit Abschlägen von 0,3 Prozent pro Monat rechnen. So weit die Gesetzeslage.

Die Frage ist doch: Wie gehen die einzelnen Jobcenter mit dem § 12 a SGB II in der Praxis um? Viel zu kurz kommt in dieser Debatte, dass es bei der gesetzlichen Regelung Ausnahmen gibt, bei denen von einer vorgezogenen Altersrente abgesehen wird.

Der § 13 Abs. 2 SGB II sieht vor, dass per Rechtsverordnung Personen von der Verpflichtung entbunden werden, vorzeitig ihre Rente in Anspruch zu nehmen, wenn folgende Kriterien greifen:

1. wenn dies zu einem Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I führen würde,

2. eine abschlagsfreie Rente in nächster Zukunft in Anspruch genommen werden kann,

3. eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder gleichwertige Erwerbstätigkeit ausgeübt oder in nächster Zeit aufgenommen wird.

Im Jobcenter des Unstrut-Hainich-Kreises besteht eine Arbeitsgruppe „50 Plus“. Die Mitarbeiter dieser Gruppe beschäftigen sich mit jeder Person, die sich der Altersgrenze nähert, ganz individuell. Zu den drei vorher genannten Punkten wird im Haus auch nach einer Ermessensentscheidung gesucht, die zugegebenermaßen schwierig ist.

In der „Bad Blankenburger Erklärung“ tritt die CDUFraktion dafür ein, dass der Erfahrungsschatz älterer Fachkräfte noch stärker genutzt werden muss und wir gemeinsam mit der Wirtschaft Strategien

(Abg. Stange)

entwickeln wollen, damit ältere Bürger wieder eine Chance erhalten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Damit möchte meine Fraktion dafür sorgen, dass ältere Menschen Perspektiven, Chancen und Möglichkeiten haben, um volle Rentenbezüge zu erhalten. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Erst letzte Woche wurden in einem Artikel der „Thüringer Allgemeinen“ Zahlen veröffentlicht, die belegen, dass in Thüringen noch nie so viele ältere Menschen …

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit geht zu Ende.

… einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind. Dies zeigt einmal mehr, meine Damen und Herren,

Frau Abgeordnete!

dass die Erfahrung der älteren Generation wieder gefragt ist. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Für die Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Thomas Kemmerich das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr verehrte Gäste, liebe Zuhörer und Zuschauer, Frau Stange bezieht sich auf eine Kleine Anfrage oder auf eine Meldung im MDR, dass immer mehr Menschen über 63 Jahre in Rente gehen, in Altersrente. Die Zahlen hat sie selbst genannt: 2011 waren es 46 Personen, im letzten Jahr waren es 91 Personen und in diesem Jahr 102 Personen. Immerhin beziehen wir uns auf dieselbe Statistik. Aber, meine Damen und Herren, gleichzeitig verzeichnen wir eine Rekordbeschäftigung - meine Vorrednerin, Frau Holzapfel, hat es gesagt - im Bereich der 60- bis 65-Jährigen. Noch nie waren so viele Menschen im Freistaat Thüringen in dieser Altersklasse seit der Wende beschäftigt. Es sind inzwischen 47.000 Menschen und das sind knapp 18 Prozent mehr als im Jahre 2011.

(Beifall FDP)

Nun braucht man kein großer Statistiker sein, aber diese Zahlen seien mir erlaubt, wenn ich diese 100 Menschen gegen die 47.000 Menschen stelle, dann

sind das kaum 0,3 Prozent. Wenn ich gleichzeitig den Aufwuchs sehe in der Beschäftigung in der Altersklasse zwischen 60 und 65, ist es durchaus nachvollziehbar, dass auch hier die Rentenübergänge ansteigen können. Denn die Zahlen, die Sie hier nennen, sprechen nicht dafür, dass alle diese 102 Menschen dieses Jahr, oder 91 oder 46 in den Vorjahren, zwangsverrentet worden sind, sondern sie stellen nur fest, dass ein Übergang in die Rente gemacht worden ist. Ob das dabei auf eigenen Antrag erfolgt ist, ob das dabei nach Beratung erfolgt ist und vor allen Dingen, ob nicht ein Übergang in die Altersrente für den Betroffenen, für die Betroffene günstiger ist - es kann durchaus sein, dass aufgrund der Erwerbsbiografie desjenigen/derjenigen der Bezug der Rente durchaus höher ausfallen kann als der Bezug von Hartz IV. All das blenden Sie aus, um hier wie immer Stimmung zu erzeugen.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Es gibt Abschläge.)

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, es ist schon viel gesagt worden über diesen Wahlkampf, aber eines, meine Damen und Herren von den LINKEN: Sie ziehen Zerrbilder von dieser Nation.

(Beifall FDP)