Protokoll der Sitzung vom 19.09.2013

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir auch.)

Gut. Dann sind wir uns an dieser Stelle ja einig. Das Volk wiederum umfasst alle Staatsbürger.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig, und weiter?)

Alle Staatsbürger umfasst es. So steht es letztendlich geschrieben. Von den Staatsbürgern geht letztendlich auch die Herrschaft in diesem Staat aus, nicht von den Einwohnern, die hier wohnen - ich will das mal trennen -, nicht die Einwohner, sondern die Staatsbürger und das ist auch gewollt so.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Rothe-Beinlich hat das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1990 angesprochen, ich denke, das ist auch hinreichend bekannt. Aber ich möchte die

Urteilsbegründung schon kurz zitieren: „Das Volk, von dem die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, wird nach dem Grundgesetz von den deutschen Staatsangehörigen und ihnen nach Artikel 16 Abs. 1 gleichgestellten Personen gebildet“ - eindeutig. Diese Argumentation, die hier gebracht wird, 5,5 Mio. hier lebende ausländische Bürger wären von der Wahl ausgeschlossen, kann ich so nicht nachvollziehen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Stimmt doch.)

Ich kann Ihr Ansinnen verstehen, dass Sie natürlich versuchen, alles Mögliche zu machen, um die Wahlmöglichkeiten für alle zugänglich zu machen. Nur gehört da ein Stück mehr dazu, das muss ich auch sagen, als fünf Jahre hier gewohnt zu haben und die Einwanderung.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Was gehört dazu?)

Im Bundesverfassungsgerichtsurteil gibt es noch eine weitere Begründung, die möchte ich auch noch kurz zitieren: „Es trifft nicht zu, dass wegen der erheblichen Zunahme des Anteils der Ausländer an der Gesamtbevölkerung des Bundesgebietes der verfassungsrechtliche Begriff des Volkes einen Bedeutungswandel erfahren habe.“ Auch das wurde im Bundesverfassungsgerichtsurteil eindeutig festgelegt.

Herr Abgeordneter Kellner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Blechschmidt?

Danke, Frau Präsidentin, danke, Kollege Kellner. Sie haben eben davon gesprochen, es gehört mehr dazu, als nur in diesem Land sozusagen anwesend zu sein und zu wohnen, so möchte ich das einmal interpretieren. Ich glaube aber schon, wer länger als fünf Jahre - gegebenenfalls durchschnittlich, die anderen Zahlen haben wir ja auch genannt - hier in diesem Land wohnt, hier arbeitet, der bringt sich über die Arbeit ein, gegebenenfalls auch mit Steuern etc. pp., also er erfüllt, ich nenne es einmal so, staatsbürgerliche Pflichten. Jetzt meine Frage an Sie: Können Sie nachvollziehen, dass das Kriterien sind, um ihn auch an der gesellschaftlichen Mitwirkung, was Wahlen sind, aktiv und passiv zu beteiligen?

Dass er seinen staatsbürgerschaftlichen Pflichten nachkommt, ist selbstverständlich, wenn er in diesem Staat lebt, denn dafür bekommt er auch etwas, dafür bekommt er auch etwas in diesem Staat.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Was denn?)

Das ist selbstverständlich. Das ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass ich damit auch das Wahlrecht erkaufe - ich sage es jetzt einmal so -, erkaufe. Das ist nämlich nicht der Fall.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie eine Vorstellung, das ist ja Mittelalter.)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme auch gleich dazu, weil Sie sagen: 5,5 Mio. leben hier und müssten damit, weil sie mehr als fünf Jahre hier gelebt haben, manche sogar 19 Jahre hier gelebt haben, automatisch das Wahlrecht bekommen, automatisch. Diesen Automatismus kann ich nicht nachvollziehen, muss ich ganz klar sagen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das glaube ich Ihnen sofort!)

Ja, das können Sie mir auch glauben.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Aber das ist nicht das Einzige.)

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt fällt Ihnen nichts anderes ein: Wir ändern einmal schnell das Grundgesetz. Das ist auch schnell gemacht. Wir ändern einmal schnell das Grundgesetz und diese hohe Hürde kippen wir und dann ist alles gut. Das wird so nicht funktionieren. Das sage ich Ihnen, das wird so nicht funktionieren. Aus dem einfachen Grund, dass dieses Grundgesetz wohl wissend und mit weiser Voraussicht, diese hohe Hürde erfahren hat, damit eben nicht jederzeit gerade dieser hohe Wert, was das Wahlrecht anbelangt, geändert werden kann. Diese 5,5 Mio., die hier in dem Land leben, es wird doch niemandem verwehrt, die Staatsbürgerschaft in diesem Land zu erwerben. Es wird niemandem, Frau Siegesmund, abgesprochen, dass er die Staatsbürgerschaft in dieser Bundesrepublik erlangen kann und damit hat er das Wahlrecht. Ich denke, das gehört sich auch so, wenn ich Verantwortung für einen Staat übernehmen will - und das ist ganz einfach mit dem Wahlrecht so, wenn ich wählen darf -, sind es auch Pflichten. Da gehört es dazu, dass ich mich zu diesem Staat bekenne. Da, wo ich politisch mitwirken will, muss ich mich auch zum Staat bekennen und nicht, dass ich mal vorbeikomme, wähle mit und alles andere interessiert mich nicht. Das ist meiner Ansicht nach der falsche Weg und er hilft auch nicht zur Integration, in keinster Weise. Wenn man

meint, wir geben ihnen das Wahlrecht und dann sind sie integriert, das stimmt so nicht.

Herr Kellner...

Der Anreiz muss letztendlich auch gegeben sein, Staatsbürger zu werden. Das sollte doch unser Ziel sein. Sie sollten doch dafür werben, dass alle Staatsbürger werden

Herr Abgeordneter Kellner.

und die Staatsbürgerschaft letztendlich anstreben. Das muss doch Ihr Ziel sein, dann sind sie doch auch integriert. Das sollte Ihr Ziel sein.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Adams?

Danke, Frau Präsidentin. Danke, Herr Kollege Kellner. Bezogen auf das von Ihnen gerade Ausgeführte: Wie stehen Sie denn zum Wahlrecht der EUBürger auf kommunaler Ebene, die ja dann keine Staatsbürger sind und hier nach Ihrer Diktion gerade mal vorbeigekommen sind?

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und das zum Teil schon wieder und wieder in den letzten 20 Jahren.)

Da gibt es gravierende Unterschiede, Herr Adams, vielleicht wissen Sie das nicht. Dass Kommunalparlamente keinen gesetzgebenden Charakter haben, dass sie keine Gesetzgebungskompetenz haben, sondern mehr Exekutive sind. Das ist etwas völlig anderes, als wenn man letztendlich Gesetze für ein Land entscheidet und auf den Weg bringt.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kellner, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Adams?

Wenn es denn sein muss.

Ja, vielen Dank. Sie haben gerade ausgeführt, was sozusagen eine politische Binsenweisheit ist, dass das Kommunalparlament nicht das klassische Parlament ist. Dennoch ist das Kommunalparlament doch ein satzungsgebendes Parlament und damit, glaube ich, auch in der Diktion der CDU ein ganz entscheidendes Parlament, wo es ganz wichtig ist, dass unglaublich viele Dinge in unseren Kommunen entschieden werden. Warum soll man sich denn an der Wahl dazu beteiligen können und auf der Ebene zum Beispiel des Landtags und des Bundestags eben nicht beteiligen dürfen. Was ist denn der substanzielle Unterschied Ihrer Meinung nach?

In erster Linie ist es Vollziehung, weil es einer Rechtsgrundlage bedarf. Wenn man eine Satzung erlässt, gibt es eine Rechtgrundlage, die wir aber hier im Parlament festlegen und nicht in der Gemeinde. Da gibt es diese Rahmenbedingungen und die sind auszufüllen. Den Unterschied müssten Sie doch mittlerweile kennen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben doch hier auch Rechts- grundlagen.)

Also meine Damen und Herren, dass natürlich die Diskussion so ausgeht, das hat mich nicht überrascht, in keinster Weise.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie überraschen uns auch immer wieder.)

Mich hat nur überrascht, wie leichtfertig man damit umgeht, indem man sagt, wir ändern das Grundgesetz,

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Sie haben doch das Grundge- setz auch schon geändert.)

um im Prinzip nur aufgrund von, ich sage mal Wohnrecht in der Bundesrepublik Deutschland das Wahlrecht zu vergeben, wenn man nur lange genug hier gewohnt hat. Da nimmt man fünf Jahre, ich weiß nicht, warum man nicht vier Jahre oder sechs Jahre nimmt, warum man nicht acht Jahre nimmt. Das ist meiner Ansicht nach alles ein Stück weit an den Haaren herbeigezogen, wir führen eine Diskussion, die uns meiner Ansicht nach mit Sicherheit nicht weiterbringt. Besser ist, wir sollten überlegen, wie wir diese ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger dazu bringen, dass sie mehr Verantwor

tung übernehmen für diesen Staat, dass sie sich mehr integrieren, dass sie auch die Staatsbürgerschaft beantragen. Ich denke, da wären wir ein ganzes Stück weiter und die ganze Bundesrepublik auch. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Kellner. Als Nächster hat jetzt der Abgeordnete Dirk Bergner für die FDP-Fraktion das Wort.

Vielen Dank. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion DIE LINKE will mit ihrem Antrag eine Bundesratsinitiative initiieren, wodurch Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit ein aktives und passives Wahlrecht erhalten, wenn sie seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben.