Protokoll der Sitzung vom 26.02.2010

Sicher haben wir hier ein globales Problem angerissen, das die Europäische Union in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren lösen muss. Frau Rothe-Beinlich, Sie haben ja auf dieses Flüchtlingsproblem hingewiesen, dass hier Handlungsbedarf da ist und dass auch Zeitdruck da ist, das hier zu lösen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber nicht so, wie Sie es jetzt sagen.)

Verstärkt müssen wir Projekte der Selbsthilfe in diesen betreffenden Ländern organisieren. Internationale Strategien sind gefragt, denn es sind nicht nur einzelne Länder betroffen, sondern Länder der EU. Ich denke, auch die Entwicklungshilfe muss hier ent

sprechend weiter ausgebaut werden. Nur eine Zahl: Deutschland zahlte bereits 2009 5,7 Mrd. € für Entwicklungshilfe; damit eine Steigerung von 12,4 Prozent im Vergleich zu 2008.

Damit kommt Deutschland seinen Verpflichtungen nach meiner Auffassung nach. Die Diskussion muss jedoch - da gebe ich Ihnen recht - auf EU-Ebene verstärkt werden. Es macht einfach Sinn, das Problem an den Wurzeln zu erfassen und nicht nur nach den Erhöhungen der Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz zu rufen und damit sich ein ruhiges Gewissen zu verschaffen, sondern wirklich das Problem dort zu lösen, wo es entsteht und hier entsprechende Hilfen zu geben.

Ich komme noch einmal auf den Kern Ihres Antrags bezüglich der Einreichung einer Bundesratsinitiative zurück und möchte noch einen anderen Aspekt hier benennen, den das Bundesverfassungsgericht zu den Regelleistungen nach dem SGB II benannt hat. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat diesbezüglich entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistungen für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimus aus Artikel 1 Abs. 1 GG und in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 GG erfüllen.

Weiterhin hat das Gericht gefordert, und hier zitiere ich: „Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen.“ Das Urteil betrifft den Geltungsbereich SGB II. Hier wurde dem Gesetzgeber die Übergangsfrist eingeräumt, bis 2010 entsprechend zu reagieren, das heißt, das Urteil auszuwerten. Man muss die Begründung noch abwarten, auswerten und entsprechend umsetzen.

In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, welche Überlegungen dieses Gesetz auf das Asylbewerberleistungsgesetz ziehen wird. Unabhängig davon begrüßt die CDU-Fraktion die Forderung des Bundesverfassungsgerichts zu den genannten Entscheidungen. Meine Kollegen, die Abgeordneten Gumprecht und Günther, haben heute in anderen Tagesordnungspunkten dies ebenfalls schon betont. Denn wenn der Staat Steuergelder verteilt, muss er stets einem transparenten und sachgerechten Verfahren unterliegen und nachvollziehbar die Dinge darstellen, die hier entsprechend gegeben werden.

Wir werden die Umsetzung des Urteils auf Bundesebene abwarten, so dass meine Fraktion zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit sieht, Ihren Antrag anzunehmen bzw. ihn in Ausschüssen zu beraten.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Frau Holbe. Sie hatten noch zugesagt, eine Frage der Abgeordneten Berninger zu beantworten.

Vielen Dank. Frau Holbe, es sind drei Fragen. Zunächst mal, Sie haben den Asylmissbrauch wieder ins Feld geführt. Ich möchte nur wissen, ist Ihnen bekannt, dass von 42 Millionen Flüchtlingen weltweit gerade mal 20.000 den Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland stellen? Meine zweite Frage bezieht sich auf die Termini dauerhaft bzw. vorübergehend. Welchen Zeitraum definieren Sie als dauerhaft bzw. welchen als vorübergehend? Wenn ich nach Ihren Ausführungen gehen kann, halten Sie ja einen Zeitraum von 48 Monaten - also vier Jahre - für vorübergehend. Die dritte Frage: Sie haben von dem Unterschied oder dem Gegensatz Asylsuchende und Steuerzahler gesprochen. Dem kann ich ja entnehmen, wenn ich es positiv interpretiere, dass Sie eigentlich Asylsuchende zur Arbeit zulassen wollen. Ist das richtig?

Zur ersten Frage muss ich sagen, nein, das ist mir nicht bekannt.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Dann wissen Sie es jetzt.)

Ja, da weiß ich es jetzt.

Die zweite Frage zum dauerhaften und vorübergehenden Aufenthalt: Mir ist schon bewusst, dass diese 48 Monate als längste Zeitspanne angesehen werden, aber dass Verfahren länger dauern und es ist natürlich auch gut für diejenigen, die Asylbewerber hier in unserem Land sind, dass sie auch die Möglichkeit haben, sowohl Widersprüche als auch Klagen zu führen, um dann die Entscheidungen, die getroffen worden sind, entsprechend überprüfen zu lassen und ich weiß, dass sich dadurch der Aufenthalt verlängert. Da muss ich sagen, es wäre natürlich vorteilhaft, wenn man das möglichst schnell entscheidet. Aber es ist eben so.

Frau Holbe, gestatten Sie eine weitere Nachfrage der Abgeordneten Berninger?

Ich wollte noch mal an die dritte Frage erinnern - Arbeitsmöglichkeiten für Asylsuchende.

Da muss ich allerdings passen. Das kann ich jetzt nicht beantworten.

Danke schön.

(Beifall CDU)

Ich frage jetzt: Wird Ausschussüberweisung beantragt? Nein, das ist nicht der Fall. Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/488.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die Landesregierung.)

Entschuldigung. Verzeihung, ich habe Sie nicht gesehen. Herr Fiedler, dass Sie das sicher besser sehen, sei Ihnen vergönnt an dieser Stelle. Herr Staatssekretär, Sie haben selbstverständlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, in seinem mit Spannung erwarteten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht am 9. Februar dieses Jahres entschieden, dass die Vorschriften des Zweiten Sozialgesetzbuches, die die Regelleistungen für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht der Verfassung entsprechen. Nach Ansicht der Verfassungsrichter erfüllen die derzeitigen Regelsätze nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Begründet wird diese Entscheidung jedoch nicht damit, dass die den Empfängern von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld gewährten Leistungen als evident unzureichend eingeschätzt werden. Das Bundesverfassungsgericht betont auch in dieser Entscheidung, dass der Umfang des verfassungsrechtlichen Leistungsanspruchs nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden kann, sondern durch den Gesetzgeber konkretisiert werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hält die infrage stehenden Vorschriften des Zweiten Sozialgesetzbuches allerdings deshalb für verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber bei der Ermittlung der Regelsätze von den Strukturprinzipien des Statistikmodells ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen ist. Eine derartige freihändige Setzung ohne empi

rische und methodische Fundierung entspreche aber nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Daher wurde der Gesetzgeber, wie ich meine, zu Recht verpflichtet, bis zum Ende dieses Jahres sämtliche Regelsätze auf einer neuen Berechnungsgrundlage zu ermitteln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Entscheidung besagt jedoch - entgegen den Ausführungen von Frau Abgeordneten Berninger - nichts im Hinblick auf eine Verfassungswidrigkeit auch des Asylbewerberleistungsgesetzes.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das ist ja auch so kompliziert.)

1. Ziel des im Zusammenhang mit dem sogenannten Asylkompromiss im Jahre 1993 geschaffenen Asylbewerberleistungsgesetzes ist es, insbesondere durch eine Absenkung des Leistungsniveaus keine Anreize dafür zu schaffen, dass Menschen allein aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen. Nach dem Willen des Bundesgesetzgebers soll durch das Asylbewerberleistungsgesetz das Leistungsrecht der Sozialhilfe vereinfacht und auf die Bedürfnisse eines nur vorübergehenden Aufenthaltes abgestellt werden. Eine sofortige Integration der dem Asylbewerberleistungsgesetz unterfallenden Ausländer in unsere Gesellschaft ist dabei gerade nicht gewollt. Weil für die Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Allgemeinen nur ein geringer Integrationsbedarf besteht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine gruppenbezogene Differenzierung gerechtfertigt. Verfassungsrechtlich bedenklich wäre es nach meiner Ansicht jedoch, Leistungen zur Integration in die Gesellschaft auf Dauer zu versagen. Eine dauerhafte Absenkung der Sozialleistungen für Flüchtlinge ist aber gerade nicht vorgesehen. So erhalten die Betroffenen grundsätzlich nach 48 Monaten Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe. Sollten diese Sätze im Zuge der Novellierung angehoben werden, werden auch Flüchtlinge von dieser Erhöhung profitieren.

2. Das Asylbewerberleistungsgesetz ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Leistungen dieses Gesetzes bei Bedarf zu ändern. Im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage erklärte die Bundesregierung im Jahre 2008, dass nach ihrer Auffassung die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes angemessen sind. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass eine Preissteigerung etwa im Bereich des als Sachleistung zur Verfügung gestellten Wohnraums keine Auswirkung auf die Deckung des notwendigen Bedarfs entfaltet. Ich sehe keinen Grund, diese Begründung der Bundesregierung infrage zu stellen.

Abschließend bleibt festzuhalten: Die zwischen dem Arbeitslosengeld II und dem Asylbewerberleistungsgesetz bestehenden inhaltlichen Unterschiede lassen es nicht zu, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 unbesehen auf die Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes zu übertragen. Die Landesregierung beabsichtigt daher nicht, im Sinne der Fraktion DIE LINKE initiativ zu werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Geibert. Ich frage jetzt noch einmal: Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Ich frage noch einmal: Wird Ausschussüberweisung beantragt? Das ist auch nicht der Fall. Es gibt aber einen Geschäftsordnungsantrag von Herrn Blechschmidt von der Fraktion DIE LINKE.

Danke, Frau Präsidentin. Namens meiner Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung.

Vielen herzlichen Dank. Dann treten wir in die namentliche Abstimmung ein. Wir eröffnen hiermit die namentliche Abstimmung zum Tagesordnungspunkt 15, Antrag der Fraktion DIE LINKE, in Drucksache 5/488.

Hatten alle die Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Wir warten noch.

Ich frage jetzt noch einmal: Hatten alle die Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Dann ist die namentliche Abstimmung hiermit beendet. Ich danke.

Es liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Soziale Grundsicherung für Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Drucksache 5/488, vor. Anwesende Abgeordnete zu Sitzungsbeginn 87, es wurden 78 Stimmen abgegeben, mit Ja stimmten 31 Abgeordnete, 47 Abgeordnete stimmten mit Nein. Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt (namentliche Abstimmung sie- he Anlage). Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen jetzt zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 16

„Sportliche Betätigung von Kin- dern und Jugendlichen fördern“ Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/487 -

Wünscht jemand der Fraktionen der CDU und der SPD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer 1 b des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Taubert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung möchte ich folgenden Sofortbericht geben:

Zunächst möchte ich mich bei den Fraktionen der CDU und der SPD bedanken, dass sie diesen Antrag gestellt haben. Er gibt mir Gelegenheit, auf die bereits bestehende gute Sportförderung hinzuweisen, aber auch Defizite zu benennen. Ich denke, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welche Bedeutung der Sport in Thüringen und für Thüringen hat. Gerade in den letzten Wochen ist unser Freistaat dank des Sports und der in Thüringen heranwachsenden Talente international mehrfach ins Rampenlicht gerückt und noch bekannter geworden. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen Sportlerinnen und Sportlern bei Olympia bedanken, sie haben richtig gut gearbeitet. Ich kann mich auch bei den Sportlerinnen und Sportlern im Parlament bedanken,

(Beifall CDU, SPD)

dass sie immer Sport treiben und für den Sport ein großes Herz haben. Das ist ja fraktionsübergreifend, das ist nicht nur Herr Emde, nicht nur Frau Pelke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer meldet sich jetzt bei Ihnen in der Linksfraktion?

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Ich mache es.)

Sie machen es, Herr Blechschmidt, okay. Und bei den GRÜNEN? Alle, Sie sind alle sportlich.

(Heiterkeit im Hause)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie mich nun zum Antrag berichten.