Protokoll der Sitzung vom 26.02.2010

Dies ist der beste Weg, um im Gesundheitssystem hohe Qualität zu angemessenen Preisen zu sichern.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie alle anderen Versicherungsteilnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung können auch Bezieher von Leistungen nach dem SGB II selbstverständlich über das Sonderkündigungsrecht ihre Krankenkasse wechseln. Sie können selbst die beste Krankenkasse für sich finden und gegebenenfalls auch rasch zu ihr wechseln. So kann ihnen der Zusatzbeitrag erspart werden. Ich glaube weiterhin, wir führen ja auch so eine Art Geisterdebatte. Warum? Folgendes Szenario: Die Krankenkasse erhebt einen Beitrag. Dieser Zusatzbeitrag einiger Krankenkassen muss von Hartz-IVEmpfängern selbst getragen werden, wie im Übrigen von Arbeitnehmern auch. Das Sonderkündigungsrecht kann dann auch einen Wechsel hin zu sparsamen Kassen bewirken. Ein solcher Wechsel der Krankenkasse ist aufgrund einer Beitragserhöhung sofort und unbürokratisch möglich. § 175 Abs. 4 SGB V sagt aus: Im Falle eines rechtswirksam ausgeübten Sonderkündigungsrechtes endet die Mitgliedschaft mit Ablauf des auf die Kündigung folgenden übernächsten Kalendermonats. Die 18-monatige Bindungswirkung wird damit aufgehoben.

(Zwischenruf Abg. Jung, DIE LINKE: Danke für die Belehrung.)

Gerne! Bis zur Beendigung der Mitgliedschaft ist lediglich der bislang erhobene nicht erhöhte Beitrag zu zahlen. Die Ausnahmeregelung, dass in besonderen

Härtefällen die Jobcenter die Zusatzkosten übernehmen, bleibt außerdem bestehen. Nicht zumutbar kann ein Krankenkassenwechsel zum Beispiel dann sein, wenn ein Mitglied aufgrund eines speziellen Behandlungsprogramms oder einer besonderen Versorgungsform, die nur seine Krankenkasse anbietet, ein nachvollziehbares Interesse hat, bei dieser Krankenkasse zu bleiben. Zurück zum Szenario: Der HartzIV-Empfänger ignoriert die Zahlung des Zusatzbeitrags, das kann passieren. Was passiert dann? Da Bezieher von Leistungen nach SGB II auch aufgrund der von der amtierenden Bundesregierung von CDU und FDP beschlossenen Verdreifachung des Schonvermögens für Hartz-IV-Empfänger meistens unterhalb der Pfändungsgrenze liegen, ist daher der erhobene Beitrag auch nicht durchsetzbar.

(Heiterkeit SPD)

(Unruhe DIE LINKE)

Daher ist der Vorschlag der Übernahme der Zusatzbeiträge derzeit überflüssig. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und meine Frage?)

Herr Abgeordneter Koppe, Sie hatten doch zugesagt, dass Sie gegebenenfalls am Ende Ihres Beitrags noch einmal auf die Fragestellung von Frau RotheBeinlich eingehen wollen?

Aber es kam noch keine Frage bzw. noch nicht die Aussage, ob diese noch im Raum steht.

Frau Rothe-Beinlich, vielleicht stellen Sie die Frage einfach noch mal. Frau Rothe-Beinlich hat sie vorhin formuliert und Sie hat nach dieser Gerechtigkeit gefragt und und Sie haben gesagt, falls Sie am Ende Ihrer Rede noch dieses Defizit in Ihrer Rede empfindet, würde Sie darauf zurückkommen. Und Sie haben die Gelegenheit, darauf auch noch mal zurückzukommen.

Also noch mal ganz klar. Für mich ist eine einheitliche pauschale Prämie mit Ausgleich übers Transfersystem deutlich gerechter als die Lösung, die wir bisher haben.

Es gibt eine weitere Anfrage. Gestatten Sie? Frau Abgeordnete König würde sie gern noch befragen.

Ja, bitte.

Frau Abgeordnete König.

Ja, meine Frage ist, ob ich Sie gerade richtig verstanden habe, dass Sie sozusagen die Hartz-IV-Empfänger auffordern, die zusätzlichen Beiträge einfach nicht zu zahlen?

Falsch. Ich habe nur ein Szenario geschildert, was möglich sein kann. Weil, wenn ein Hartz-IV-Empfänger die Zusatzbeiträge nicht bezahlen will, was passiert dann? Dann fallen sie durch das Schonvermögen, das erhöht worden ist, unter die Pfändungsfreigrenze und damit ist dieser Betrag auch rechtlich nicht durchsetzbar. Ich hoffe nur nicht, dass das Schule macht.

(Unruhe im Hause)

Jetzt geht es aber nicht, den Dialog zwischen den Einzelpersonen und dem Redner zu führen. Ihre Rede ist jetzt zu Ende? Gut. Dann für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Dr. Hartung.

Als ich vor vier Wochen zum ersten Mal zu diesem Antrag gesprochen habe, waren innerhalb weniger Tage verschiedene Meldungen durch unsere Zeitungen gegangen, nämlich zum einen die Erhebung der Zusatzbeiträge, ergänzt um die Mitteilung, dass auch Hartz IV-Empfänger diese Beiträge zu zahlen haben und die ARGEn es nicht übernehmen, diese 8 € zu bezuschussen und diese Hartz IV-Empfänger sollten ihre Kassen dann wechseln.

Zweitens wurde innerhalb weniger Tage damals kundgetan, dass die gerade in Kraft getretene Erhöhung der Kindergeldzahlungen für Hartz IV-Empfänger nicht anerkannt wurde, sondern die sollten diese 20 € Erhöhung zurückzahlen. Das hat nur scheinbar nichts miteinander zu tun. Es ist tatsächlich so, dass genau diese beiden Vorgänge zeigen, wie der Um

gang mit sozial Schwachen in unserer Gesellschaft tatsächlich vonstatten geht. Insofern ist es durchaus folgerichtig, dass die Forderung nach der Aufhebung beider Verfahrensweisen in einem Antrag zu stehen kommt.

Mittlerweile ist zu diesen beiden Zeitungsmeldungen, zu diesen beiden Entscheidungen, noch ein weiteres Argument gekommen. Es ist ein Verfassungsgerichtsurteil ergangen, das in seinen Auswirkungen zwar noch nicht gesetzlich umgesetzt ist, das verbietet uns aber überhaupt nicht, den Geist dieses Urteils zu erfassen, den Sinn dieses Urteils zu erfassen und danach auch jetzt schon zu handeln. Um nichts anderes geht es in diesem Antrag. Es ist tatsächlich so, dass das Bundesverfassungsgericht angemahnt hat, die Ausstattung der Kinder in unserer Gesellschaft, gerade der Kinder aus sozial schwachen Familien bedarfsgerecht, und zwar nach den Bedürfnissen einer menschenwürdigen Teilhabe an der Gesellschaft auszustatten. Wenn wir jetzt diesen von Hartz IV betroffenen Kindern diese 20 € Kindergelderhöhung nicht zugestehen, ist das nichts anderes als ein widersinniges Signal von Bürokratie, obwohl wir wissen, dass die Sätze, die sie empfangen sowieso nicht angemessen sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das heißt also, wenn man hier unbürokratisch eine Rückforderung stoppt, ist das nichts anderes als zumindest dem Grundgedanken des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu folgen und mit einer unbürokratischen Regelung der gesetzlichen Regelung, die erfolgen muss bis Ende dieses Jahres, vorzugreifen und einfach zu sagen: Okay, wir wissen, es ist nicht genug, wir wissen, es muss eine Nachbesserung erfolgen und wir werden die Situation nicht dadurch verschärfen, dass wir gerade die Kinder, die es am meisten brauchen, von der Kindergelderhöhung ausnehmen. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Sinne, Herr Gumprecht, ist die Forderung nach dem Aussetzen der Rückforderung nicht entbehrlich. Diese Forderung ist so lange unentbehrlich, bis eine bessere Ausstattung der Kinder umgesetzt ist.

(Beifall DIE LINKE)

So lange ist jede Forderung, die die Situation der von Hartz IV betroffenen Kinder verbessert, unentbehrlich. Sie ist also bitter notwendig und leider gibt es viel zu wenig solcher Forderungen.

Das Zweite ist die Erstattung dieser 8 € Zusatzbeiträge für Hartz-IV-Empfänger. Das ist auch ein Teil dieses Antrags. Da muss man ganz klar sagen, ich finde es sehr richtig, dass das Bundesverfassungsgericht gerade die Erstattung bestimmter Gesundheitsausgaben angemahnt hat. Das steht in dem Urteil drin, es sind bestimmte Dinge darin genannt, die Zusatzbeiträge sind nun ausdrücklich darin nicht genannt. Das heißt aber nicht, dass es im Geiste dieses Urteils nicht enthalten ist, auch diese Beiträge mit einzubeziehen. Das bedeutet nicht, dass wir einfach darüber hinweggehen sollten. Die Tatsache, dass Frau von der Leyen eine Handlungsanweisung angekündigt hat, dem Rechnung zu tragen, das ist ja schön, aber solange diese Anweisung bei den ARGEn nicht ankommt, solange die Konsequenzen bei den Menschen nicht ankommen, ist es durchaus berechtigt, weiterhin zu fordern, sich dafür einzusetzen, das umzusetzen und das immer weiter anzumahnen, so lange bis es umgesetzt ist.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Frau von der Leyen sich damit durchsetzt, und ich sehe das noch ein bisschen kritischer, weil der Koalitionspartner dazu eine definitiv andere Haltung hat, würde ich mich sehr freuen, aber ich möchte es erst mal schwarz auf weiß sehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus, ich hatte das schon einmal erwähnt, ist es natürlich so, wenn wir den Wettbewerbsgedanken, den Sie angesprochen haben, noch ein bisschen dabei verfolgen und sagen, okay, wir möchten, dass gerade sozial Schwache die Möglichkeit haben zu wählen, ob sie - es geht jetzt nicht nur um Hartz-IV-Empfänger, es geht auch um Empfänger niedriger Einkommen - aufgrund der Zusatzbeiträge entscheiden können, welche Kasse nimmt ihnen mehr ab, welche Kasse nimmt ihnen weniger ab und dann zu der anderen Kasse gehen, dann entsteht dadurch bürokratischer Aufwand. Dieser bürokratische Aufwand muss auch finanziert werden. Sie hatten gesagt, dass diese 8 € nicht im Verhältnis stehen zu dem Aufwand, der damit einhergeht. Aber diese 8 € sind nun mal die Realität. Wir können auch nicht sagen, die Zusatzbeiträge, die man ungeprüft erhebt, sollten 20 € betragen, damit es sich lohnt. Es ist auf jeden Fall so nicht ganz korrekt.

Deswegen komme ich eigentlich zu der dritten Forderung und das ist die Abschaffung dieser Zusatzbeiträge insgesamt.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist eine Hypothek, die die jetzige Bundesregierung - das ist deutlich gemacht worden - von der

letzten schwarz-roten Bundesregierung geerbt hat und diese Hypothek ist erst nach der Bundestagswahl zum Tragen gekommen. Das ist eher zufällig der Fall oder auch dem Wahlkampf geschuldet, das möchte ich jetzt nicht entscheiden. Auf jeden Fall dient dieser Zusatzbeitrag der Aushöhlung der solidarisch finanzierten Krankenkasse. Ich zitiere mal unsere Sozialministerin, Frau Taubert: „Diese Zusatzbeiträge sind ein einseitiges Arbeitgeber-Entlastungsprogramm.“ Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Das ist tatsächlich auch meine Überzeugung und in diesem Sinne, wenn wir da schon einer Meinung sind, dann sollten wir auch gemeinsam handeln und damit fordere ich Sie eigentlich auf, diesem Teil des Antrags auf jeden Fall zuzustimmen, denn es ist ja genau das, was auch Ihre Meinung ist, dass diese Zusatzbeiträge ungerecht, unsozial sind und die Arbeitgeber in einer völlig unzulässigen Weise aus der Verantwortung entlassen. In diesem Sinne muss da nachgebessert werden und nicht erst irgendwann, sondern bald. In dem Sinne bitte ich den Antrag, den ich hier begründet habe, zu verstehen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seitens der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Für die Landesregierung Ministerin Taubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie mich erstens zu der Thematik „Stopp von Krankenkassenzusatzbeiträgen“ kommen. Natürlich ist es so, ich will auf Herrn Koppe noch mal eingehen -, ich werde den Namen Ulla Schmidt immer mit Achtung aussprechen, das können Sie wissen.

(Beifall SPD)

Nicht nur, weil sie so lange durchgehalten hat als Bundesgesundheitsministerin, nicht nur, weil sie, wie sie selbst sagt, keine natürlichen Freunde mehr hat aufgrund dieser Situation, weil sie sich mit allen, aber auch mit allen Trägern des Systems und Leistungserbringern in dem System anlegen musste zwangsweise, weil wir wissen, es ist immer vom Beitragszahler her gesehen der Wunsch, begrenzte Beiträge zu haben sowohl von der Arbeitnehmer- als auch von der Arbeitgeberseite, es ist immer der Wunsch nach bester Medizin, nach neuester Medizin, nach besten Medikamenten. Wer schwer krank ist, den kann man auch sehr gut verstehen, dass er sagt, ich will jetzt das haben, was mir möglicherweise hilft, nicht was

mir tatsächlich hilft. Es ist natürlich auch der Wunsch einer großen Industrie, nach Einkommensmöglichkeiten zu suchen, auch nach Maximierung des Gewinns. Das ist auch in der Gesundheitswirtschaft so. Deswegen kann man nicht einfach sagen, das jetzige System bremst den Wettbewerb. Ich kann in einem begrenzt mit Mitteln ausgestatteten System nie Wettbewerb so fahren, wie ich das im freien Wettbewerb machen kann.

(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: Wieso nicht?)

Ja, das ist ganz einfach, Herr Recknagel. Wenn Sie das wollen, dann wollen Sie eine Zwei-, Dreiklassenmedizin,

(Beifall SPD)

dann wollen Sie, dass man einen begrenzten Katalog hat, den man durchaus immer mal erweitern kann, und dass die Leute das einkaufen. Das ist doch der Hintergrund Ihrer Denke. Sie können den Wettbewerb nicht so, wie Sie ihn behaupten, in dem Gesundheitswesen darstellen, es sei denn, Sie gehen auf eine Mehrklassenmedizin, wo sich einfach einer etwas dazukaufen kann, wenn er glaubt, es ist besser und er kann es bezahlen.

(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: Pro- bieren Sie das doch einmal aus...)

(Unruhe FDP)

Ich würde mich sehr freuen, kommen Sie noch einmal ans Pult, erklären Sie mir ganz genau - vielleicht bin ich auch dazu nicht in der Lage, das intellektuell momentan zu verstehen -, wie der Wettbewerb, wie das unter der Ärzteschaft, unter den Krankenhäusern vorgehen soll und wer was dann in dem System bezahlen soll. Sagen Sie es mir, ich will es ja gern verstehen, dann können wir weiter auf dem gleichen Informations- und Erkenntnisniveau diskutieren.