Protokoll der Sitzung vom 20.11.2013

Ich werde versuchen, die Fragen der Linken zu beantworten. Zunächst, meine Damen und Herren, ist festzustellen, dass die Polizei dem Datenschutzbeauftragten nicht im Wege der Amtshilfe zur Sichtung der Akten verpflichtet ist. Das ist so. Das hatte, glaube ich, auch die Linke festgestellt. Dies würde zur Vernachlässigung der polizeilichen Kernaufgaben führen, nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes ist das so. Das muss man einfach nur zur Kenntnis nehmen. Man kann sich jetzt politisch auch noch hier streiten, man muss es aber zur Kenntnis nehmen. Die Zu

(Abg. Ramelow)

rückweisung der Amtshilfe ist vor allem vor dem Hintergrund auch der Personalstärke der Polizei im Freistaat nachvollziehbar. Wir reden immer, es fehlt uns Polizei, es fehlt uns Polizei, wir haben hier nicht - ich gehe jetzt nicht mehr darauf ein.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Ihr kürzt die.)

Wer kürzt? Wenn ich mehr Zeit hätte, könnten wir stundenlang darüber reden.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wir tragen die Regierung nicht.)

Wir tragen die Regierung selbstverständlich. Wenn Sie aufgepasst haben, wir haben verhindert, dass jedenfalls in dieser Legislatur die Polizei gekürzt wird, das haben wir verhindert. Und es wird neue Legislaturen geben und da werden wir sehen, wer dann am Ruder ist und dann werden wir sehen, wer was kürzt oder nicht kürzt. Die Polizei muss nach meiner Auffassung und Auffassung meiner Fraktion nach § 3 PAG hier nicht tätig werden. Ich will noch mal darauf hinweisen, dass nach § 3 Polizeiaufgabengesetz zur Abwehr von Gefahren die Polizei zuständig ist, das ist unbestritten, die eine andere Behörde nicht zu leisten vermag. Und jetzt kommen wir langsam an den Punkt, die eine andere Behörde nicht zu leisten vermag. Dieser originären Aufgabe kommt die Polizei vorliegend auch nach, denn sie hat nach Hilfeersuchen des Datenschutzbeauftragten ganz klar damals den Schutz übernommen und bestreift auch heute noch das Gelände. Das ist erst mal ganz klar, dass das so ist. Damit wird ein Missbrauch der Daten bzw. der Akten - wird hier also Rechnung getragen. Die vom Datenschutzbeauftragten geforderte Sichtung der 250.000 Akten stellt aber keine Gefahrenabwehr nach § 3 Polizeiaufgabengesetz dar. Die Sichtung der Unterlagen ist rechtlich allenfalls als schlichtes Verwaltungshandeln zu qualifizieren, um in Erfahrung zu bringen, ob sich aus den einzelnen Akten überhaupt datenschutzrechtliche Belange ergeben. In keinem Fall stellt es aber einen Gefahrenabwehrtatbestand dar, der eine Tätigkeit der Polizei zur Folge hat - wir sind immer noch bei der Polizei. Mit anderen Worten, ein weitergehendes Tätigwerden der Polizei ist unter den derzeitigen Umständen nicht ersichtlich oder polizeirechtlich geboten. Zur Lösung der Forderung des Datenschutzbeauftragten müsste sich dieser entweder 1. an seinen Dienstherrn - Herr Kollege Ramelow -, den Landtag, und der wird vertreten durch die Präsidentin oder die Direktorin, wenden und um eine weitere Aufstockung der finanziellen Mittel und/oder des Personals bitten oder 2. einen privaten Dienstleister mit der Sichtung der Akten beauftragen. Auch ist zu prüfen, ob der vormalige Insolvenzverwalter oder die Eigentümer der Akten in die Pflicht zu nehmen sind. Ja, wir sind uns in vielen Punkten einig, nur nicht an einem Punkt - nur aufregen.

Auch stellt sich mir die Frage, welches die Verantwortung der Justiz an dieser Stelle ist, die den vormaligen Insolvenzverwalter eingesetzt hat und dessen Handeln bis zum Ende des Verfahrens überprüft haben müsste.

Herr Abgeordneter.

Ja, jetzt ist die Redezeit zu Ende, das hatte ich fast geahnt.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: So ist es. Du hättest ja nicht zur Polizei reden müssen.)

Ja, ja, ja.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Entschuldigung, Frau Präsidentin, nur ein Wort noch zum Abschluss. Der Datenschutzbeauftragte ist eine Behörde. Und eine Behörde muss tätig werden. Die Behörde hat genügend Möglichkeiten auch wenn er mir heute freundlich zum Geburtstag gratuliert hat. Herr Behördenleiter, ich bitte Sie, Ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, gegebenenfalls einen Antrag auf Geld zu stellen, aber Sie können das lösen und Sie werden das lösen.

(Heiterkeit DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: To- sender Applaus laut Koalitionsvertrag.)

(Beifall DIE LINKE)

Danke schön. Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Bergner von der FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich über die Gelegenheit, über dieses Thema in der Aktuellen Stunde zu sprechen. Der Aktenfund in Immelborn bewegt nicht nur die unmittelbar Betroffenen. Und wirklich neu ist dabei allerdings auch nur, in welcher Art und Weise nun von Thüringer Behörden interne Streitereien auf dem Rücken des Datenschutzes und der Rechte unserer Bürger ausgelebt werden. Die Aktuelle Stunde ist nach meiner Auffassung das richtige Mittel, zum einen solche Streitigkeiten in das Licht der Öffentlichkeit zu bringen und

(Abg. Fiedler)

vielleicht auch die Koalitionspartner von CDU und CSU,

(Unruhe im Hause)

CDU und SPD - das war jetzt gerade Freud - einmal wieder zur Vernunft zu bringen, damit sie sich hoffentlich auch klar positionieren.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich meine, zulasten von Rechtsgütern unserer Bürger darf kein Vorwahlkampf ausgetragen werden. Nach dem Aktenfund von ca. 250.000 Akten im Juli 2013 schienen die Zuständigkeiten grundsätzlich geklärt. Der Datenschutzbeauftragte hat gehandelt und hat sich richtigerweise auch für zuständig erklärt. Trotzdem wissen wir im Hohen Haus und der Datenschutzbeauftragte selbst natürlich auch noch besser, wie er personell ausgestattet ist und wie er bei besonderen Aufgaben schnell an seine Belastungsgrenze stößt. Diese Grenze ist bei einer solchen Sauerei, wie wir sie in Immelborn durch die insolvente Firma erleben mussten, ganz klar erreicht. Ob der Datenschutzbeauftragte deswegen sofort um Amtshilfe bei der Polizei hätte ersuchen müssen, ist für den jetzigen Zeitpunkt meines Erachtens durchaus irrelevant. Das Kind ist jetzt in den Brunnen gefallen und wir sollten schauen, wie wir es schnell wieder herausbekommen.

Deswegen, meine Damen und Herren, finde ich das Argument der Union, der Datenschutzbeauftragte habe sich für zuständig erklärt, also bleibe es auch bei ihm, schon sehr bezeichnend. Ich frage mich, wie die CDU reagiert hätte, wenn der Datenschutzbeauftragte bei einem solchen Aktenfund nichts gemacht hätte oder sich sogar für unzuständig erklärt hätte. Ich glaube, ich würde dann an dieser Stelle Herrn Dr. Hasse heute fragen, ob er meint, den richtigen Job gewählt zu haben. Und wie die CDU reagiert hätte, kann ich mir auch gut vorstellen. Dass nun erst, meine Damen und Herren, durch ein Rechtsgutachten geklärt werden muss, ob die Polizei subsidiär nach § 3 Thüringer Polizeiaufgabengesetz zuständig ist, zeichnet ein trauriges Bild von einer angeblich so gut funktionierenden Koalition und obendrein von unserem Sicherheitsverständnis für die dort noch lagernden Akten.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, niemand in der Bevölkerung hat Verständnis für einen derart akademisch verbrämten Streit. Das, was in der Öffentlichkeit übrigbleibt, ist der Eindruck von Beamtenmikado frei nach dem Motto: Wer sich als Erster bewegt, fliegt raus. Das, meine Damen und Herren, beschädigt alle Beteiligten.

Wenn CDU und SPD in der heutigen Zeit anfangen, über die Sicherung von vertraulichen Daten zu streiten, dann zeigt das, dass Sie aus meiner Sicht nichts aus der NSA-Datenaffäre und somit über die Wichtigkeit des Schutzes von persönlichen Daten gelernt haben.

(Beifall FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, wie oft wir hier im Hohen Haus über Datenschutz und über Aufklärung der Bürger gesprochen haben. Aber wenn Thüringer Behörden gefragt sind, selbst zu handeln, passiert genau das Gegenteil von dem, worüber wir hier diskutieren.

Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, problemorientiert die Ärmel hochzukrempeln, anstatt Schwarzer Peter zulasten des Datenschutzes zu spielen, damit noch weiteres Vertrauen in die Politik und das Handeln von Verwaltung nicht verloren geht. Deswegen, denke ich, ist es genau richtig, dass wir diese Debatte heute hier führen. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Marx das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, warum ist das heute noch in der Aktuellen Stunde Thema? Ein Blick ins Presseecho von heute kann uns die Antwort auf diese Frage geben, denn die „BILD Thüringen“ titelt heute ihren Artikel mit der Überschrift: „Warum ist dieser Skandal noch nicht Geschichte?“ Genau das ist die Aktualität des Themas.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

250.000 Akten wurden gefunden, aufgefunden, teilweise ungeordnet in Kartons übereinandergeworfen, übereinandergestapelt. Der Datenschutzbeauftragte war und ist zuständig; er hat angefangen. Er hat schon sehr viel gemacht. Er hat die Akten, die relativ leicht zu identifizieren waren, nämlich von den 250.000 immerhin 80.000 Akten, identifiziert, also identifiziert, wer die ursprünglichen Einlagerer sind. Die stehen abholbereit in Immelborn. Von den 80.000 identifizierten Akten sind 10.000 abgeholt worden, 70.000 stehen noch und 170.000 bleiben dann übrig, die noch zu sortieren sind, von denen noch festgestellt werden muss, wer hat die dort eingelagert und wer muss sie wieder abholen. Bestandsverzeichnisse gibt es nicht. Man kann nicht einfach per Mausklick irgendwelche Leute anschreiben und sagen: Kommt und holt eure Akten ab!

(Abg. Bergner)

Woher kommt die Eilbedürftigkeit? Die Halle soll versteigert werden. Das ist noch mal verschoben worden, kann aber nicht ewig aufgeschoben werden. Die Halle soll verwertet werden. Wenn die Akten nicht rechtzeitig gesichtet und zur Abholung bereitgestellt werden können, müssten sie noch mal woanders eingelagert werden und das kostet Geld.

Der Datenschutzbeauftragte hat deswegen vollkommen richtig und auch verständlicherweise zunächst nach § 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes um Amtshilfe gebeten und da, Herr Kollege Fiedler, darf ich die Voraussetzung dieser Vorschrift auch noch einmal schildern: Eine Behörde kann um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen - § 5 Abs. 1 Ziffer 2 Verwaltungsverfahrensgesetz -, aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, sie die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann. Der Fall liegt hier vor. Mit 16 Mitarbeitern können nicht 250.000 Akten neben der anderen Arbeit, die zu bewältigen ist, sortiert und identifiziert werden. Also dieser Fall liegt hier vor. Die ersuchte Behörde darf Hilfe nicht leisten, wenn sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist - das behauptet der derzeitige Innenminister - oder zweitens durch die Hilfeleistung dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereitet würden. Die ersuchte Behörde braucht Hilfe nicht zu leisten, das steht im § 3 Verwaltungsverfahrensgesetz, wenn, erstens eine andere Behörde die Hilfe wesentlich einfacher oder mit wesentlich geringerem Aufwand leisten kann kennen wir keine -, zweitens, sie die Hilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand leisten könnte und drittens, sie unter Berücksichtigung der Aufgaben der ersuchenden Behörde durch die Hilfeleistung die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde. Wir wissen bis heute eigentlich nicht so richtig, warum dieses Gesuch um Amtshilfe abgelehnt worden ist, denn es springt …

(Zwischenruf Geibert, Innenminister: Ohne Rechtsgrundlage.)

Was heißt denn ohne Rechtsgrundlage? Das Verwaltungsverfahrensgesetz sagt, dass sich Behörden untereinander helfen. Wenn eine Behörde in Not ist und eine Aufgabe allein nicht erfüllen kann, darf sie eine andere Behörde um Hilfe ersuchen. Das ist doch kein rechtswidriges Ding und die ersuchte Behörde darf die Hilfe, Herr Geibert, jetzt können Sie mal zuhören und noch was lernen,

(Unruhe CDU)

Absatz 4 Verwaltungsverfahrensgesetz, nicht deshalb verweigern, weil sie das Ersuchen aus anderen als den in Absatz 3 genannten Gründen, das waren die, dass eine andere Behörde es viel besser kann, unverhältnismäßig großer Aufwand besteht oder sie dann selbst nicht mehr die Polizeiarbeit machen können, nicht verweigern aus ande

ren als diesen drei genannten Gründen oder weil es die mit der Amtshilfe zu verwirklichende Maßnahme für unzweckmäßig hält. Das heißt, andere Motive wie etwa das, „ach dem Hasse wollen wir heute mal lieber nicht helfen, der ärgert uns auch gelegentlich“, sind vom Verwaltungsverfahrensgesetz nicht gedeckt. Bei Unstimmigkeiten darüber, dass die Amtshilfe nicht zu gewähren ist, entscheidet die fachlich zuständige Aufsichtsbehörde oder die für die ersuchte Behörde fachlich zuständige.

Es wurde gesagt, die CSU wurde gerufen aus Versehen, also ich nehme mal an, der vorherige Innenminister hätte dem Amtshilfeersuchen stattgegeben. Warum wird jetzt geprüft, ob eine Eintrittspflicht besteht? Das ist deswegen wichtig, weil der Datenschutzbeauftragte nur dann pflichtgemäß handelt, wenn er einen kostenträchtigen Auftrag auslöst, wenn es nicht die Verpflichtung zur Amtshilfe oder gar eine eigene Eintrittspflicht der Polizei für die Behebung dieses Missstands geben würde.

Frau Abgeordnete Marx.

Diese Prüfung ist jetzt veranlasst, die wird stattfinden, aber die Verzögerung ist eine große Peinlichkeit gegenüber unseren Thüringer Bürgerinnen und Bürgern, deren sensible Daten hier eingelagert sind …

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete Marx, ich muss Ihnen jetzt das Wort abschneiden, weil ich dachte, Sie haben das Signal vernommen. Das war auch optisch angezeigt worden. Ich rufe für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Herrn Abgeordneten Adams auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon ziemlich viel gesagt worden und ich möchte meinen Vorrednern weitestgehend zustimmen. Ich möchte auch Frau Marx ganz speziell zustimmen, die gesagt hat, das ist kein Ruhmesblatt, Sie haben gesagt, für das Innenministerium, ich würde das erweitern, es ist kein Ruhmesblatt für diese Landesregierung.