Protokoll der Sitzung vom 19.12.2013

(Beifall DIE LINKE)

Ich will an diesen Leitlinien den jetzigen Gesetzentwurf bewerten, weil sich daraus dann auch unser

Abstimmungsverhalten ergibt. Ich beantrage für unsere Fraktion auch heute wieder, dass wir die 18 Paragrafen einzeln abstimmen. Mal sehen, ob wir diesmal eine Chance haben oder ob wieder geschlossen abgestimmt wird. Gestern Abend durften wir nicht einzeln abstimmen. Da mussten wir über den gesamten Gesetzentwurf abstimmen, obwohl es 18 völlig unterschiedliche Fälle sind und unterschiedliche Positionierungen.

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, in einem ersten Punkt - 2011 - hatten Sie sich dafür entschieden, wir brauchen leistungsfähige Strukturen und einige der 18 Fälle, die wir heute zu entscheiden haben, erfüllen auch diese Kriterien. Und es ist ja pädagogisch immer wertvoll, wenn man mit dem Positiven anfängt. Deswegen will ich das hier auch machen. Es ist nicht so viel, keine Angst. Aber es gibt ein paar positive Ansätze.

Der § 14, ich sage als Stichwort Vacha im Wartburgkreis, ist aus unserer Sicht in Ordnung. Da wird eine Verwaltungsgemeinschaft in eine Einheitsgemeinde umgewandelt, über 5.000 Einwohner, das ist okay. Dann Bockstadt und Eisfeld, da wird das Institut der erfüllenden Gemeinde umgewandelt in eine Gemeinde, auch in Ordnung. Das ist ohne Frage. Auch die Bildung der Landgemeinde GehrenMöhrenbach im Bereich der Verwaltungsgemeinschaft Großbreitenbach ist in Ordnung, auch wenn damit für die gesamte Region noch keine Lösung da ist, aber als Zwischenschritt tragen wir das mit. Inhaltlich kann auch die Bildung der Einheitsgemeinde Dorndorf-Merkers-Kieselbach im Wartburgkreis unter die Kategorie fallen. Dort ist bedauerlich, dass im Bereich der Krayenburg nicht gleich Tiefenort mitmacht, aber das kann man in einem nächsten Schritt nachholen. Letztlich ist auch der § 18 in Ordnung, wo wir uns inhaltlich alle einig waren, also Ilmtal-Weinstraße. Das sind die Fälle, wo wir sagen, die sind in Ordnung.

Jetzt ging es um die Frage, treten raumordnerische oder landesplanerische Verwerfungen auf? Da haben wir mit zwei Dingen erhebliche Probleme: zum Ersten mit dem Bereich des sogenannten Oberlandes und der Stadt Sonneberg. Dort sehen wir die Gefahr, dass durch die Eingemeindung des Oberlandes nach Sonneberg de facto der halbe Landkreis Sonneberg als Stadt neu entsteht. Der am weitesten entfernte Ortsteil zur Kernstadt beträgt 22 km, und das im Bergland. Das ist etwas anderes als 22 km hier in Erfurt.

(Beifall DIE LINKE)

Ich als Fahrradfahrer weiß das. 22 km hier, dafür brauche ich eine Stunde, dort oben im Oberland das habe ich probiert - zwei Stunden.

(Zwischenruf Abg. Eckardt, SPD: Das kommt darauf an, in welche Richtung man fährt.)

(Zwischenruf Höhn, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie: Da gibt es aber noch Reserven.)

Da gibt es noch Reserven, na klar, immer. Aber ich bin inzwischen in der Altersklasse Ü50, da ist das schon eine gute Norm, da ist das okay.

(Beifall DIE LINKE)

Welche Verwerfungen aus landesplanerischer Sicht können wir denn dort erkennen? Da gibt es Ortsteile, die sind 1 km von Steinach entfernt. Die fahren dann durch Steinach nach Sonneberg; das sind nur 15 km. Aber wir lassen Steinach als Enklave zurück, Steinach derzeit 4.000 und noch ein paar Einwohner, in der demografischen Entwicklung absehbar irgendwann 4.000. Denen schneiden wir jede Option ab, außer die gehen auch noch nach Sonneberg. Dann hätten wir den Altkreis Sonneberg fast identisch, wenn ich mal den Bereich Neuhaus am Rennweg rausnehme und ein bisschen Neuhaus-Schierschnitz noch. Da ist schon einmal die Frage raumordnerisch kompliziert.

Aber wir bekommen auch fiskalisch ein Problem. Wir haben einen Unterschied zwischen städtischen Verdichtungsräumen und ländlichen Räumen. In städtischen Verdichtungsräumen haben wir weniger Investitionsaufwendungen für die technische Infrastruktur, dafür höhere Aufwendungen bei der sozialen Infrastruktur und bei kommunalen Einrichtungen. Im ländlichen Raum kehrt sich das um, höhere Aufwendungen bei der technischen Infrastruktur, weil da weniger Leute wohnen, brauche ich trotzdem die Straßen, Wasser-Abwasser, aber ich habe weniger Aufwendungen in der sozialen Infrastruktur und auch bei kommunalen Einrichtungen. Jetzt verschmelzen wir aber in diesem Fall Sonneberg städtischen Verdichtungsraum von etwa 15.000 Einwohnern mit einem ländlich geprägten Bereich, der die Fläche der Kernstadt mehrfach übersteigt. Damit gehen die fiskalischen Vorteile beider verloren und sie nivellieren sich. Damit hat die Stadt Sonneberg künftig hohe Aufwendungen pro Einwohner bei der technischen Infrastruktur und hohe Aufwendungen bei der sozialen Infrastruktur und den Einrichtungen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das haben die aber gewollt.)

Das deckt aber unser Finanzausgleichssystem nicht ab. Damit ist voraussehbar, dass Sonneberg in dieser Struktur irgendwann hier beim Land steht und sagt, Kohle her, wir brauchen mehr Geld. Wir als Parlamentarier müssen abwägen, ob das vernünftig ist.

(Beifall DIE LINKE)

Wir sagen, für Bürgerinnen und Bürger nicht, aber auch für uns als Landeshaushälter, kann das keine vernünftige Lösung sein. Hinzu kommt, dass dort

die Frage der Freiwilligkeit mehr als umstritten ist, denn es gab fast 300 Einwendungen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wenn Ku- schel das sagt.)

Ich wurde gestern belehrt, repräsentative Demokratie geht über alles. Wenn dem aber so ist, bitte schön, dann sollten wir die öffentliche Auslegung derartiger Gesetzentwürfe doch von vornherein unterlassen. Wenn wir es sowieso nicht ernst nehmen, was Leute uns dann mitteilen, können wir es lassen,

(Beifall DIE LINKE)

sonst ist es Scheindemokratie und die Leute kommen sich zu Recht veräppelt vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein zweiter Fall ist Emsetal-Waltershausen. Um die Verflechtungsbeziehungen zwischen Emsetal und Waltershausen zu erklären, muss das Innenministerium auf das 18. Jahrhundert zurückgreifen und auf einen Gerichtsstandort, den es bis zum Ersten Weltkrieg gab. Also ich und wir haben Zweifel, ob Verflechtungen aus dem 18. und Anfang des 20. Jahrhunderts geeignet sind, Strukturentscheidungen im 21. Jahrhundert zu rechtfertigen.

(Beifall DIE LINKE)

Weiter schreibt dann das Innenministerium in seiner Begründung, alle jetzigen Verflechtungsbeziehungen bestehen nicht zu Waltershausen, sondern zu Tabarz. Da fragt man sich, wir wissen, Tabarz mit all den Problemen - unter 3.000 Einwohner -, das lassen wir zurück. Das können wir doch nicht machen. Da ist das Spaßbad das zweite Mal in der Insolvenz und die Gemeinde haftet voll. Die lassen wir jetzt einfach zurück und machen eine Struktur Emsetal-Waltershausen, die zwei sind zwar zufrieden, aber wir lassen einen Teil dieses Landes abgehängt zurück. Das können wir nicht mittragen. Das ist wirklich mein Appell auch an die Kollegen in der SPD. Da waren Sie im Jahre 2011 inhaltlich weiter und wenn Sie dabei bleiben, ist das in Ordnung.

(Beifall DIE LINKE)

Dann haben Sie damals formuliert, 5.000 Einwohner wäre eine Grenze für die Leistungsfähigkeit. Da verweise ich nur darauf, wir schaffen in § 1 eine Wahnsinnsgemeinde mit 1.100 Einwohnern und wir schaffen in § 7 eine Gemeinde mit 450 Einwohnern. Wir wissen, erst ab 3.000 Einwohnern findet die sogenannte Veredlung der Bedarfsmesszahl statt bei der Berechnung der Schlüsselzuweisung, also das nützt überhaupt nichts. Die zwei kleinen Gemeinden, die zusammengelegt werden zu 450 Einwohnern, die haben gegenwärtig nicht einmal die Eigenmittel, um das Dorferneuerungsprogramm in Anspruch zu nehmen. Die sind in der Förderperiode als förderfähig anerkannt und können es nicht in

Anspruch nehmen. Die legen wir jetzt zusammen und es ändert sich überhaupt nichts. Das sind auch sehr fragwürdige Dinge.

Sie wollten keine Verwaltungsgemeinschaften erweitern, aber machen das jetzt in insgesamt sieben Fällen. Sie wollten auch keine Schädigung weiterer städtischer Zentren, machen das aber im Fall Eisenach, was Creuzburg-Mihla betrifft, im Fall Pößneck, was Krölpa betrifft, im Fall Hildburghausen, was Straufhain betrifft, und im Fall Bad Sulza, da dachte ich wenigstens, dass Herr Mohring da ein bisschen aufpasst, was Bad Sulza und Saaleplatte angeht. Auch dort müssen wir sagen: Abwehrreaktionen gegen Städte und das führt zu neuen Problemen in der Stadt-Umland-Problematik. Das ist kein Konzept des 21. Jahrhunderts mehr.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen werden wir zu den einzelnen Fällen - ich habe das jetzt nur grob beschrieben, auch aufgrund der Redezeit - differenziert abstimmen, deshalb haben wir schon in Abwesenheit unseres Parlamentarischen Geschäftsführers beantragt, dass wir separat abstimmen werden. Er wird dann noch erläutern, wo wir gegebenenfalls auch eine namentliche Abstimmung durchführen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter Kuschel. Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Hey für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, irgendwann macht man alles zum ersten Mal, irgendwann auch zum letzten Mal und ich denke, es wird das letzte Gesetz zur Gemeindeneugliederung in dieser Legislatur sein.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es sei denn, Sie koalieren wie- der). In dieser Legislatur gibt es keine neuen Koalitionsfragen, Herr Adams. Sie kennen die intensiven Diskussionen in diesem Gesetzgebungsverfahren in den vergangenen Jahren zur Genüge. Die Opposition, ich weiß das, hat das immer gefreut, die Koalition hat das manchmal belastet. (Unruhe CDU)

Der Grund ist, es gab immer einzelne Neugliederungen, die dem entgegengestanden haben, was wir für eine sinnvolle Entwicklung im regionalen Bereich dieser Neugliederungen halten. Da spreche ich jetzt für meine Fraktion und da sieht man, wie

komplex das Problem ist, weil andere Fraktionen das auch schon wieder anders sehen, Herr Kuschel. Wir haben im Landtag lange gerungen, bestimmte Maßstäbe festzulegen, die beim Gemeindeneugliederungsgesetz gelten sollen, und ich will auch diese Diskussion hier nicht noch einmal aufbereiten oder aufwärmen. Aber wenn Sie, Herr Kuschel, von einem Deal sprechen in Bezug auf den Antrag, ich glaube, vom 15.12.2011, als wir diese Kriterien oder diese Maßstäbe hier festgesetzt haben, und dann sagen, nach einem Jahr wurde der Antrag von der SPD schon wieder aufgegeben, dann muss ich Sie berichtigen. Denn - dazu habe ich, glaube ich, im letzten Plenum auch schon berichtet und ich bin da auch in einer Verfassung, die an Ungeduld grenzt - dieser Antrag - und das gebietet einfach der Anstand und die parlamentarische Hygiene - ist niemals in diesem Hause umgesetzt worden. Der ist nicht eingetauscht worden von der SPD oder was immer Sie versuchen aufzumachen, er ist einfach nicht umgesetzt worden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, auch von Ihnen.)

Herr Kuschel.

Herr Abgeordneter Hey, ich muss aber formal fragen: Lassen Sie die Frage des Abgeordneten Kuschel zu?

Ich würde es gern am Ende meiner Redezeit tun.

Herr Kuschel, so machen wir es. Danke.

Das ist der Knackpunkt, weil Sie hier behaupten, das sei irgendein Deal, der da eingegangen wurde. Sie haben übrigens gar nicht genannt, welchen Preis, wenn es ein Deal war, denn die SPD dafür bekommen hat. Vielleicht bekommen wir das im Laufe der Debatte irgendwann noch einmal raus.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Auf- hebung der Residenzpflicht.)

Ach, die Residenzpflicht, großer Gott - wer hat Ihnen denn das gesagt?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: So billig seid ihr!)

Es steht fest und jetzt kommen wir mal zum eigentlichen Problem oder es ist ja kein Problem, aber zu den Ursprüngen bei der Gemeindeneugliederung. Die Maßgabe bei solchen Neugliederungen, Herr Kuschel, die einzige Messlatte, die anzulegen ist,

(Abg. Kuschel)

ist momentan die Freiwilligkeit. Beispielsweise auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das in den letzten Jahren immer wieder betont, Sie haben in diese Richtung argumentiert, unsere Kolleginnen und Kollegen der CDU haben das auch immer gesagt: Die Freiwilligkeit ist das entscheidende Kriterium, wenn sich Kommunen oder Gemeinden auf den Weg machen, sich neu zu gliedern. Das steht im Übrigen auch so im Gesetz.

(Beifall CDU)