Protokoll der Sitzung vom 19.12.2013

(Beifall CDU)

Es gibt eine einzige Einschränkung, und zwar dann, wenn diese Freiwilligkeit, das heißt also, dieser Wunsch nach einer Hochzeit zwischen den Kommunen, nach einer Neugliederung, dem öffentlichen Wohl entgegensteht. Genau da geht es los. Wir haben als Gesetzgeber - ich komme gleich noch einmal darauf zurück, weil das sehr wichtig ist - abzuwägen, wann das der Fall ist, also wann diese Form der Freiwilligkeit, dieses Bekunden des Interesses, eine Neugliederung auch vollziehen zu wollen, diesem öffentlichen Wohl entgegensteht. Wir haben gestern Abend, Herr Kuschel, eine Innenausschuss-Sitzung gehabt und ich habe jetzt mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie hier vorn am Pult in die geöffneten Stenoblöcke der Presse hinein oder in die Kamera hinein gesagt haben, es sei überhaupt nicht möglich, eine sachlich-inhaltlich gute Debatte zu führen, wenn man ein Sonderplenum hatte und noch eine Plenardebatte in einer normalen Sitzung und sich abends dann noch einmal in einer Innenausschuss-Sitzung zusammensetzt. Ich frage Sie, warum? Warum soll das nicht möglich sein, sich auch am Abend in einer Innenausschuss-Sitzung dezidiert mit so einem Thema zu befassen? Das haben Sie hier gar nicht begründet.

(Beifall CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich habe die Gesichter der Koalitionskollegen gesehen.)

Dann haben Sie gesagt, Sie haben ganz wenig Zeit gehabt, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen in der Poststelle gelaufen ist, ich hatte die Akten, ich glaube, anderthalb oder zwei Wochen, Sie sagen, Sie hatten sie nur eine Woche.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Eine Woche.)

Ja, ich hatte sie länger, aber gut. Und im Übrigen, das finde ich wieder spannend, Herr Kuschel, gestern hatten wir dieses Sonderplenum, gestern haben Sie gesagt, bei so einem Nachtragshaushalt, ist eine sofortige Vorlage überhaupt kein Problem. Sie verteilen hier zwei Blätter an Ministerpräsidentin und Herrn Voß. Bei so einer wichtigen Geschichte ist die Zeit in keinster Form entscheidend.

(Beifall CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Klar, da reichen zwei Blätter.)

Das wissen Sie als Finanzpolitiker genau wie ich, aber bei dem Gesetz bräuchten Sie einfach mehr Zeit. Das finde ich interessant. Der Innenausschuss war, Herr Kuschel, sehr - ich will mal sagen - intensiv. Ich wundere mich manchmal schon, wie viel hier vorn am Pult aus nicht öffentlichen Sitzungen berichtet werden kann,

(Beifall CDU)

aber okay, das ist mal so an der Geschäftsordnung entlang. Ich kann da nicht allzu viel preisgeben. Wer aber im Verlauf dieser Debatte behauptet - und das sage ich jetzt auch gleich -, dass wir gestern keine inhaltlich intensive Debatte über die Neugliederung geführt haben, der war gestern nicht anwesend, wie übrigens zwei Mitglieder Ihrer Fraktion dann später auch nicht mehr. Da waren Sie ein Einzelkämpfer. Das muss ich auch mal sagen.

(Beifall CDU, SPD)

In diesem Ausschuss, ohne dass ich nun dezidiert wiedergebe, wer da was gefragt und wer da was geantwortet hat, aber ich kann zumindest über den Beratungsgegenstand und über die Art der Beratung hier berichten. In diesem Innenausschuss ist von den Mitgliedern immer wieder auch die Frage gestellt worden: Wie verhält sich das beispielsweise mit der Leistungsfähigkeit der Kommunen vor und nach der Neugliederung? Oder es ist die Frage gestellt worden: Wie sind denn die haushalterischen Bedingungen im Moment und wie sieht das aus, wenn die Neugliederung dann irgendwann vollzogen ist, so unter dem Motto, da gibt es vielleicht zwei Grippekranke und wenn man die ins Bett legt, werden die dann wirklich gesund oder hält das eine im Moment noch finanziell sehr solide Kommune aus, wenn durch eine Neugliederung zwei oder drei Gemeinden dazu kommen, die starke haushalterische Probleme haben? Das war also auch ein Thema. Kann die neu gebildete Kommune, diese neu gebildete Gemeinde nach dieser Neugliederung überhaupt die Probleme stemmen, die dann auf sie zukommen? Da sind wir genau bei diesem Problem, Herr Kuschel. Manche im Landtag stellen darauf ab, wie sich die finanziellen Rahmenbedingungen entwickeln. Sie haben das hier vorn in Ihrer Rede auch wieder gesagt und Sie argumentieren, es sei das öffentliche Wohl, ob hinterher in dieser Kommune beispielsweise noch ein Haushalt problemlos aufstellbar ist oder ob das Ganze vielleicht in einer Verschuldung endet. Das ist eben die Abwägung, Herr Kuschel. Genau das ist die Abwägung, die uns als Gesetzgeber hier keiner abnimmt. Die nimmt uns keiner ab. Wenn Sie sagen, es könnten finanzielle Gründe sein, die gegen so eine Freiwilligkeit bestehen oder es könnten Interessen

großer Orte seien, die gegen so eine Freiwilligkeit von Orten, die im Umland versuchen, sich neu zu gliedern, scheitern wir immer wieder bei dieser Frage. Das haben wir in den letzten vier Jahren auch leidvoll erfahren müssen, auch als SPD-Fraktion. Das sage ich ganz offen, weil auch das zur Wahrheit dazugehört. Dann scheitern wir immer wieder an der Tatsache, dass der Begriff des öffentlichen Wohls nicht näher definiert ist. Aber auch an der Tatsache, dass wir als Gesetzgeber abzuwägen haben, was denn nun wichtiger ist: Die Freiwilligkeit oder eben dieses öffentliche Wohl? Wenn Sie das so definieren, dass das ein rein haushalterischer Bestand sein könnte, wenn Sie sagen, da sind aber 300 von - ich weiß nicht - wie vielen Bürgern, die Einwendungen gemacht haben, dann ist diese Abwägung, die wir hier in diesem Falle auch mit treffen müssen. Das nimmt uns, wie gesagt, keiner ab. Ich kann immer nur sagen, die Landtagsverwaltung, auch gestern Abend in dieser Sitzung, Sie haben versucht, Herr Kuschel, heute das eine oder andere hier als Sottise so mal mit beizubringen. Das war keine leichte Sitzung, aber sowohl die Landtagsverwaltung als auch das Innenministerium leistet, gerade bei dieser Gesetzgebungsverfahrenslage - immer aus meiner Sicht heraus - auch eine Arbeit, die durchaus anerkennenswert ist, weil das eben nicht leicht ist. Wenn ich nur auf die fünf Aktenordner schaue oder auf das, was sich gestern im Innenausschuss abgespielt hat

(Beifall CDU, SPD)

an Verfahrensfragen und all den anderen Sachen. Ich halte es für ein bisschen unfair, wenn man zumindest in Richtung der Landtagsverwaltung dann sagt, das sei beispiellos gewesen, was sich gestern im Innenausschuss ereignet hat. Mich ärgert das immer sehr, weil ich weiß, dass es auch für die Landtagsverwaltung, nicht nur für den Vorsitzenden, manchmal nicht leicht ist, da einen Überblick zu behalten. Sie müssten mal Zeuge sein in so einer nicht öffentlichen Sitzung, das ist teilweise wie im Varieté.

Die Grenzen, wie gesagt, und das ist das...

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir sind für die Öffentlichkeit der Ausschuss-Sit- zung, sofort.)

Ja, das ist wieder ein ganz anderes Thema, ach Herr Kuschel, da spannen wir aber den Bogen sehr weit, also dass die Sitzung gestern nicht öffentlich war, das ist nun nicht meine Schuld, auch wenn Schuld bei Ihnen immer der zweite Vorname bei SPD-Mitgliedern ist, aber das muss ich wirklich sagen. Ja, aber bei manchen Leuten bei der Linken ist das so, das ist wie bei Windows: Start, Programme, SPD-Hass. Also diesen Eindruck habe ich manchmal schon.

(Unruhe DIE LINKE)

Das ist wirklich wahr. Ich sage, die Grenzen bei der Abwägung

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ma- chen wir nicht.)

(Heiterkeit im Hause)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Da wisst ihr, was ihr an uns habt.)

- aber ich nehme an, Herr Mohring, auch Sie haben schon begriffen, wie gut es ist, dass Sie uns haben.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ab und an ja.)

(Heiterkeit im Hause)

Wir wissen, dass die Grenzen bei diesem Abwägen, dass nur uns allein hier in diesem Landtag und auch heute bei Beschlussfassung dieses Gesetzes betrifft, wie gesagt, fließend sind. Das Beispiel der Haushaltsansätze, was gestern beispielsweise auch im Innenausschuss diskutiert wurde und was in dem einen Fall der Neugliederung vielleicht gerade noch darstellbar ist, weil man da sagt, okay, wenn diese Kommunen sich neu gliedern, dann funktioniert das mit dem Haushalt, mit dem neuen eventuell gerade noch. Und dann kommt 30 Kilometer weiter eine Kommune, da hätte man dann vielleicht haushalterische Abwägungen, weil es ein paar Verwerfungen gibt oder weil ein paar Verschuldungsprobleme dazukommen. Wer will denn, wenn nicht wir, entscheiden, was dann wichtiger ist? Dass sich die Leute auf den Weg gemacht haben, wie beispielsweise im Bereich Emsetal und Waltershausen, da sagen Sie, sehr markant sei es, das Innenministerium, auch das finde ich interessant, hätte zur Begründung hier Ableitungen aus dem 18. Jahrhundert zu Hilfe genommen. Aber eines, Herr Kuschel, können wir hier an diesem Pult nicht wegdiskutieren, dass die Bürger in Waltershausen und in Emsetal eben diese Freiwilligkeit beschlossen haben und sie wollen diese Hochzeit eingehen. Da ist doch nicht das Innenministerium schuld.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Nicht die Bürger.)

Da ist das Innenministerium nicht schuld. Deshalb sagt meine Fraktion, wir stellen deswegen ausschließlich auf diese Freiwilligkeit ab, auf das Prinzip der Freiwilligkeit, weil alles andere auch wegen dieses Nichtdurchsetzens dieses Antrages vom 15.12.2011, den Sie berechtigterweise angesprochen haben - da bin ich im Prinzip auch ganz bei Ihnen -, aber alles andere wäre spekulativ. Sie können nicht in einem Falle sagen, jetzt nehmen wir bestimmte Kriterien, seien die haushalterisch, seien die nach dem öffentlichen Wohl der benachbarten

größeren Orte, und bei den anderen tun wir es eben nicht.

Wir haben das im Falle des § 17 intern auch lange diskutiert. Sie wissen, es gab in der letzten Woche ein Treffen der Vertreter aus Berlstedt und aus Buttelstedt, die waren hier im Landtag und haben das Gespräch gesucht mit den innenpolitischen Sprechern der einzelnen Fraktionen, ich hatte dazu eingeladen. Wir haben jetzt die Bestätigung des Ministeriums, das will ich gleich sagen, weil in dieser Runde der Eindruck entstand - und das hat uns auch ein bisschen verunsichert -, es sei zumindest ein sehr wichtiges Kriterium bei dieser Neugliederung nicht mehr gegeben, das ist das der doppelten Mehrheit, also dass die Mehrheit der Kommunen, die sich neu gliedern wollen, und die Mehrheit der Leute dahintersteht, dass das in Gefahr sei, weil uns auch teilweise von Abgeordneten der Linken kolportiert wurde, bis Freitag würde noch etwas passieren, also bis letzten Freitag. Wir haben die Bestätigung des Ministeriums jetzt vorliegen, auch das ist gestern so im Innenausschuss kommuniziert worden, dass diese doppelte Mehrheit weiter gegeben ist. Dann werden wir auch bei diesem § 17 bei unserer Abwägung selbstverständlich dieser Neugliederung keine Steine in den Weg legen. Jetzt machen wir das, was das Gesetzgebungsverfahren von uns verlangt, wir wägen ab, wir werden jetzt noch ein bisschen darüber diskutieren und wir werden entscheiden, ob diese Kommunen sich auf den Weg machen. Wer als Vertreter von denen, die sich da neu gliedern wollen, heute hier im Haus ist und oben auf der Tribüne sitzt, dem wünsche ich gutes Gelingen und uns allen noch eine gute Diskussion. Jetzt ist Zeit für die Nachfragen, wenn die noch bestehen.

(Beifall SPD)

Herr Abgeordneter Kuschel, Ihre Frage bitte.

Danke, Frau Präsidentin. Danke, Herr Hey, für die Zulassung der Frage. Sie hatten formuliert, dass dieser Entschließungsantrag vom 15.12.2011, wo das Leitbild für Gemeindestrukturen im Rahmen der Freiwilligkeit definiert wurde, nie umgesetzt wurde. Wie erklären Sie dann, dass im Gemeindeneugliederungsgesetz 2012 alle beantragten Maßnahmen, die diese Kriterien nicht erfüllten, gar keine Aufnahme fanden, sondern sich jetzt erst im Gemeindeneugliederungsgesetz 2013 wiederfinden?

Das ist eine Sache, die ich Ihnen als Parlamentarier insoweit nicht beantworten kann, als dass ich nur

über das entscheide, was die Landesregierung mir als Gesetzgebungsverfahren vorschlägt.

(Unruhe DIE LINKE)

Ich kann doch jetzt, Entschuldigung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann doch jetzt nicht mutmaßen, dass mir ein Gesetz vorgelegt wird mit 17 Paragrafen, es müssten aber eigentlich 20 sein, und zwar nach meinem Gutdünken auch noch die Neugliederung in A und die in B und die in C. Also das ist doch nun wirklich Fiktion.

(Beifall CDU, SPD)

Ich stehe doch nicht hier vorn, um einen utopischen Roman zu verkaufen, manche tun das hier in diesem Hause, sondern ich bekomme eine Gesetzesvorlage, über die ich hier abzuwägen und zu entscheiden habe. Ich denke, das ist guter Brauch und Sitte in diesem Haus und dabei sollte es bleiben.

(Beifall CDU, SPD)

Herr Abgeordneter Hey, jetzt gibt es noch eine Nachfrage. Möchten Sie die auch noch beantworten?

Ich weiß gar nicht, ob ich noch Redezeit habe, aber gut.

Haben Sie, anderthalb Minuten. Herr Kuschel, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Hey, wie erklären Sie dann, dass wir damals im Innenausschuss über die Fälle informiert wurden, die nicht Aufnahme in den Gesetzentwurf fanden, und zwar ausdrücklich mit der Begründung, weil sie nicht den Kriterien des Entschließungsantrags vom 15.12.2011 entsprachen?

(Beifall DIE LINKE)

Herr Kuschel, wir müssen uns über eines im Klaren sein: Wenn der Antrag vom 15.12.2011, wenn der wirklich auch heute noch Gültigkeit hätte - aus meiner Sicht heraus hat er das nicht, das merken Sie auch an vielen Paragrafen hier in diesem Gesetz -, dann würden wir diese Diskussion nicht führen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ja, aber 2012 hatte er Geltung.)