Protokoll der Sitzung vom 19.12.2013

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Förderung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/6612 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit - Drucksache 5/7020

dazu: Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/7061

dazu: Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/7063

dazu: Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/7071

ZWEITE BERATUNG

Herr Abgeordneter Gumprecht erhält zunächst das Wort zur Berichterstattung aus dem Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Entwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Förderung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder sieht die Umstellung des Meldeverfahrens über nicht erfolgte Früherkennungsuntersuchungen sowie eine Verlängerung der Befristung vor. Die erste Beratung des Gesetzes durch den Landtag erfolgte in der 128. Sitzung am 19. September. Der Entwurf wurde an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überwiesen.

In seiner 50. Sitzung am 10. Oktober hat der Ausschuss erstmals über den Gesetzentwurf beraten. Es wurde ein schriftliches Anhörungsverfahren beschlossen. Der Ausschuss beschloss ferner die Liste der Anzuhörenden und bat den Landesrechnungshof, den Landesbeauftragten für Datenschutz sowie Fachministerien der Landesregierung Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen sowie des Hamburger Senats um ihre Stellungnahme. Der Ausschuss beschloss zudem, den Gesetzentwurf in ein Online-Diskussionsforum des Landtags einzustellen. In seiner folgenden Sitzung am 18. Oktober stimmte der Sozialausschuss über den Fragenkatalog für das Online-Verfahren ab. Vom 22. Oktober bis 1. Dezember konnten sich die Bürgerinnen und Bürger im Diskussionsforum des Landtags melden und ihre Meinung zum Gesetzentwurf darlegen.

Insgesamt gingen von 15 Nutzerinnen und Nutzern 93 Beiträge zu den Fragen ein. Ich werde heute ausführlich darauf eingehen. Die meisten Antworten, nämlich insgesamt 13 Beiträge, gingen zu der geplanten Änderung ein, Eltern nur noch für die U4 bis U8 einzuladen und zu erinnern. 6 von 13 Beiträgen fordern die Beibehaltung des Einladungsver

fahrens zu den Vorsorgeuntersuchungen U3 bis U9, weil es eine hilfreiche Erinnerungsstütze darstelle. Ebenfalls 6 Beiträge halten die vom Vorsorgezentrum für Kinder versandten Einladungen umgekehrt für überflüssig, unter anderem aufgrund der aktuell hohen Teilnehmerzahl. Ein Beitrag spricht sich für die Reduzierung des Einlade- und Meldesystems auf die U4 bis U8 aus. Von 10 eingegangenen Beiträgen sprechen sich 3 für die Aufgabenverlagerung von den Jugend- auf die Gesundheitsämter aus, 7 plädieren für die Beibehaltung der Aufgabenwahrnehmung durch das Jugendamt. Meine Damen und Herren, so gibt es eine sehr unterschiedliche Darstellung der Meinungsfülle in dem Forum.

Meine Damen und Herren, in der 52. Sitzung am 14. November diskutierte der Sozialausschuss die durch den Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2013 geäußerte Einschätzung des Meldeverfahrens. Ich sage noch einmal, gerade die Diskussion im Online-Forum stellt ein sehr gegensätzliches Bild dar, das man schwierig in seinen Einzelheiten mit einbeziehen kann, das aber wichtig für die Meinungsbildung war. In seiner 53. Sitzung am 12. Dezember wertete der Sozialausschuss die Beteiligung an diesem Forum aus und beriet den Entwurf und die eingegangenen Änderungsanträge abschließend. Änderungsanträge wurden von den Fraktionen CDU und SPD, von der Fraktion DIE LINKE und von der FDP-Fraktion eingereicht. Die Grünen erklärten, dass sie ihren Antrag erst im Plenum vorstellen wollen.

Der gemeinsame Antrag von CDU und SPD wurde mehrheitlich angenommen, der Sozialausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf, wie in Drucksache 5/7020 empfohlen, anzunehmen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank für die Berichterstattung. Ich möchte jetzt noch Folgendes bekannt geben: Während Herr Abgeordneter Gumprecht schon die Berichterstattung gab, wurde noch der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/7071 ausgeteilt. Demzufolge werden wir diesen Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in dieser Drucksache 5/7071 mit beraten.

Ich eröffne die Aussprache und rufe als Ersten für die Fraktion DIE LINKE Abgeordneten Bärwolff auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben heute das Thüringer Gesetz zur Förderung von Früherkennungsuntersuchungen für Kinder auf der Tagesordnung. Um dieses Gesetz hat es eine ganze Reihe von Diskussionen und Wirbel gegeben. Nicht zuletzt der Landesrechnungshof hat in sei

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

nem Prüfbericht einige Punkte aufgeführt, die er kritisieren möchte. Deshalb glaube ich, ist die Diskussion, die wir sowohl im Ausschuss als auch mit Fachverbänden geführt haben, zum Beispiel auch im Rahmen der Anhörung, eine recht intensive und kontroverse gewesen. Im Kern geht es darum zu organisieren oder zu klären, wie die Vernachlässigung von Kindern und die Gefährdung von Kindern durch die Jugendämter und durch die Kinderärztinnen und Kinderärzte, die die U-Untersuchungen durchführen, erkannt werden kann. Es hat, wie bereits gesagt, im Vorfeld viele Diskussionen gegeben. Ich will zumindest die Position der Linken deutlich machen. Die Linke trat und tritt für einen Ausbau des Kinderschutzes ein. Das haben sie in der Legislatur durchaus gemerkt. Wir hatten Anträge zur besseren Förderung von Kinderschutzdiensten, wir hatten ein Modell entworfen, was wir auch dem Plenum hier vorgeschlagen haben, zum Beispiel Mütterberatungsstellen stärker zu implementieren. Wir haben uns auch dafür starkgemacht, dass wir den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken wollen. Und wir haben dafür plädiert, sich für die Familienhebammen, insbesondere in der Frage der Versicherungen für Familienhebammen starkzumachen. All diese Sachen haben wir im Plenum hier diskutiert, haben auch die Unterstützung der Linksfraktion gefunden und dennoch diskutieren wir heute wiederholt über den Kinderschutz und über die U-Untersuchung.

Nun hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, von dem jetzt nicht mehr so viel übrig ist. Es ist in der Tat ganz interessant, wie sich das Gesetz im Rahmen der Ausschussdebatte entwickelt hat. Die Landesregierung hatte damals vorgehabt, die U-Untersuchungen und die Nachsorge bei den Fehlmeldungen für die U-Untersuchungen von den Jugendämtern auf die Gesundheitsämter zu übertragen. Nach der Anhörung hat sich das ein wenig erledigt. Die Regierungskoalition kam zu der Erkenntnis, dass sie die Hoheit oder die Federführung weiterhin bei den Jugendämtern belassen will. Das trifft die Zustimmung der Linksfraktion. Ich will Ihnen das im Weiteren erläutern.

Zunächst aber kurz zum Bericht des Rechnungshofs. Der Rechnungshof hatte einen Bericht vorgelegt, dem Landtag zugeleitet. In dem Bericht des Rechnungshofs, in dem Prüfbericht, ging es vor allem darum, dass der Rechnungshof kritisiert, dass das Verfahren der Einladung zu den U-Untersuchungen sehr fehlerhaft ist, sehr ineffizient ist, dass es hohe Kosten verursacht und dass es jede Menge Fehlmeldungen gibt. Aber - das war die Antwort der Linksfraktion, zum Beispiel auch in der Ausschuss-Sitzung, als der Rechnungshof da war - viele der Probleme, die der Rechnungshof aufgeworfen hat, lassen sich tatsächlich beheben bzw. was auch der Fall ist, dass einige der vom Rechnungshof aufgeworfenen Probleme sich nicht mit den Mit

teln und Instrumenten, die der Rechnungshof selber zur Lösung vorschlägt, beheben lassen. Eine gänzliche Abschaffung des Vorsorgesystems und des Vorsorgezentrums kann nicht unsere Zustimmung finden. Nun stellt sich die Frage, was die Landesregierung in der ersten Zeit erörtert oder erwogen hatte, den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärker in die Verantwortung zu nehmen.

Wie wir dazu stehen, und da muss man sagen, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst in den letzten Jahren einen Personalabbau erfahren hat. Der Öffentliche Gesundheitsdienst wurde geschwächt. Die Kommunen haben kein Geld und viele Leistungen, die im ÖGD angesiedelt waren, können dort nicht mehr erfüllt werden. So verwundert es auch nicht, dass beispielsweise der Thüringische Landkreistag in seiner Stellungnahme zum Kinderschutzgesetz oder zum Früherkennungsgesetz schreibt, ich zitiere, Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis: „Die Umstellung des Meldeverfahrens auf die Gesundheitsämter würde nicht zu mehr Effizienz und auch zu keiner Kostenreduzierung beitragen, sondern Aufwand und Kosten erhöhen. Je nach Kreisgröße ist für die im Gesetzentwurf vorgesehene Aufgabenerweiterung je Gesundheitsamt von einem zusätzlichen Personalbedarf von 1,0-2,0 VbE auszugehen.“ Also auch der Landkreistag sieht die Verlagerung vom Jugendamt auf den öffentlichen Gesundheitsdienst, auf die Gesundheitsämter kritisch, zumal nicht nur neue Personalstrukturen hätten geschaffen werden müssen, sondern es hätte auch eine enge Vernetzung mit den Jugendämtern stattfinden müssen. All die Netzwerke, die es jetzt bereits im Bereich der Jugendämter gibt, hätten auf den Gesundheitsdienst übertragen werden müssen, da hätten neue Netzwerke gesponnen werden müssen. Hinzu kommt die Aufgabe, die die Jugendämter haben, nämlich bei Meldung über säumige U-Untersuchungen, rausgehen zu müssen, irgendjemand muss ja die Eltern, die Familien besuchen. Das macht der ASD in den Jugendämtern. Diese Aufgabe wäre nicht weggefallen, sie wäre nur von den Jugendämtern zum Gesundheitsamt gewechselt. Auch hier wäre nicht mit einer Kostenreduzierung zu rechnen gewesen, sondern hier wäre mit einem Mehraufwand zu rechnen gewesen; das also auch hinsichtlich der Kritik des Rechnungshofs, der da sozusagen vor allem die Kosten im Auge hatte.

Die Diskussion um den Rechnungshofbericht hat gezeigt, dass der Rechnungshof hier Äpfel mit Birnen vergleicht und die Kosten, die der Landesrechnungshof für das Vorsorgezentrum veranschlagt, viel zu hoch gegriffen sind, denn die Kosten des Vorsorgezentrums an sich sind 2,5 VbE plus ein paar Briefmarken und ein paar Briefumschläge. Die anderen Kosten, die durch die Vorortbesuche entstehen, weil der ASD rausgeht zu den Familien, die entstehen auch weiterhin. Hier greift die Kritik des

Rechnungshofs ein wenig zu kurz. Kurzum, wir als Linke wollen die Beibehaltung der U-Untersuchung gerne haben, wir wollen aber auch - und jetzt komme ich zu den Änderungsanträgen, die wir im Ausschuss gestellt haben -, wir haben im Sozialausschuss erstens die Beibehaltung der Jugendämter gefordert, aber wir haben auch gefordert, dass beispielsweise die U3 und auch die U9 weiterhin mit in die Meldeverfahren, in Einladungsverfahren implementiert sind. Auch das wollen wir mit unserem Änderungsantrag, den Sie jetzt bekommen haben, weiter aufrechterhalten. Wir wollen dieses ganze System des Vorsorgezentrums mit dem Einladungswesen erhalten. Sie haben natürlich recht, Herr Gumprecht, wenn Sie sagen, dass es in den Anhörungen, sowohl in der Online-Anhörung als auch der schriftlichen Anhörung auch viel Kritik zu den ganzen Verfahren gab, das ist richtig. Aber ich möchte nur zum Beispiel auf die Stellungnahme des Helios-Klinikums, des Sozialpädiatrischen Zentrums, verweisen, was sehr, sehr klar und sehr deutlich sagt, die Einladung und die U-Untersuchungen sind sehr, sehr wichtig und der Kontakt zwischen den Jugendämtern, den Kinderärzten und den Familien, das ist eigentlich der Effekt, auf den man hinaus möchte, das ist der Effekt, der auch für das Sozialpädiatrische Zentrum im Fokus steht. Und dieser Effekt würde, wenn man das ganze Vorsorgezentrum abschafft und das ganze Einladungswesen infrage stellt, aus unserer Sicht dadurch infrage geraten und infrage gestellt.

Wir wollen also das Vorsorgezentrum erhalten und wir wollen auch die Einladung erhalten, was allerdings nicht bedeutet, Frau Ministerin, das muss man auch sagen, dass wir das ganze Verfahren kritiklos hinnehmen. Es ist ja tatsächlich so, dass viele Punkte, die sowohl der Rechnungshof als auch die Anzuhörenden in der Anhörung aufgeworfen haben, durchaus berechtigt sind. Es gibt bislang keine Evaluation des Gesetzes, jedenfalls keine, die dem Landtag zugeleitet wurde. Wir haben Sie in der Haushaltsanhörung für den Doppelhaushalt gefragt, wie es mit der Evaluation aussieht; da haben Sie gesagt, dass eine Evaluation geplant ist, dass die auch schon begonnen wurde. Ergebnisse davon sind uns bislang nicht bekannt und eine Evaluation des Gesetzes sollte es aus unserer Warte durchaus geben. Daran darf kein Weg vorbeiführen. Die Recherche bzw. der Bericht des Landesrechnungshofs kann natürlich keine Evaluation ersetzen.

Ein weiterer Punkt, der auch immer wieder diskutiert wurde, ist zum Beispiel die Frage: In welchem Ton sind denn zum Beispiel die Einladungsbriefe formuliert? Da sagen wir, ja, Frau Taubert, auch so ein Einladungsbrief für säumige Eltern, die nicht bei der U-Untersuchung waren, kann freundlich formuliert sein, der kann Hilfsangebote in sich tragen, der kann auf Hilfsangebote verweisen. Aber das ist auch ein Punkt, den wir schon seit mehreren Jah

ren kritisieren, der auch von Eltern stark kritisiert wird. Das ist zum Beispiel eine Sache, die schon längst hätte erledigt werden können.

Des Weiteren muss man sagen, dass es auch seitens des Vorsorgezentrums allem Anschein nach kein ernsthaftes Bemühen gibt, die Fehlmeldungen an sich zu reduzieren. Das ist, glaube ich, eines der größten Probleme, an dem wir arbeiten müssen, an dem das Ministerium auch arbeiten kann; es gibt diverse Möglichkeiten. Ich glaube, dass wir, wenn wir die Fehlmeldungen reduzieren, der Kritik an dem ganzen Vorsorgezentrum und der Kritik an dem Verfahren ein wenig abhelfen können. Was ganz wesentlich wäre für diesen Punkt, wäre ein Abgleich der Meldedaten. Wenn wir ein Verfahren finden könnten, wie wir beispielsweise über die Meldedaten der Einwohnermeldeämter die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen regeln, wäre das vielleicht einfacher als der bisherige Weg über die Krankenkassen, den wir jetzt haben. Da gibt es gesetzliche Krankenkassen, es gibt private Krankenkassen. Nicht alle Kinder sind versichert leider -, nicht alle sind bei den gesetzlichen Krankenkassen, das ist auch ein großes Problem. Das führt dazu, dass einige Kinder gar nicht im Fokus sind bzw. das führt im Zweifelsfall dazu, dass einige doppelt eingeladen werden, obwohl sie die Untersuchungen wahrgenommen haben, an den Untersuchungen teilgenommen haben.

Diese Kritik am Früherkennungsgesetz teilen wir, die müssen wir auch vortragen. Wir erwarten von der Landesregierung, dass all diese Punkte erfüllt werden, dass auf sie eingegangen wird. Im Großen und Ganzen steht für die Linksfraktion fest: Wir wollen am Vorsorgezentrum festhalten. Für uns ist das ein wichtiger Baustein im Rahmen des Kinderschutzes. Wir wollen aber den Kinderschutz nicht nur auf das Vorsorgezentrum reduzieren, sondern - ich hatte es angesprochen - da geht es auch um die Frage der Kinderschutzdienste, da geht es um Vernetzung, da geht es um viele andere Sachen. Es geht auch um die Frage, wie Informationen schnell und zügig zwischen Kinderärzten, Jugendämtern und dem Vorsorgezentrum ausgetauscht werden. Das sind Punkte, die man durchaus diskutieren und lösen kann.

Wir stimmen dem Gesetz zu. Wir wollen mit unserem Änderungsantrag, den wir heute hier vorgelegt haben, auch die U3 und die U9 weiterhin in dem Vorsorgeverfahren berücksichtigt wissen. In diesem Sinne werbe ich für Ihre Zustimmung zum Änderungsantrag und hoffe, dass wir zum Thema Kinderschutz noch das eine oder andere Mal diskutieren und vielleicht auch die Kritik, die von den Anzuhörenden gekommen ist, in den nächsten Jahren ernst nehmen und dieser Kritik den Boden entziehen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Für die FDP-Fraktion hat sich Abgeordneter Koppe zu Wort gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher auf der Zuschauertribüne, ich will es gleich am Anfang klar sagen: Das Gesetz zur Förderung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder ist aus unserer Sicht schlecht gemacht. Das stellen im Übrigen auch alle fest, die sich bisher intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben, nämlich Eltern, Ärzte, Jugendämter, der Landesrechnungshof usw.

Also beschloss man seitens des TMSFG, das Gesetz noch schnell zu verändern, damit man es zum Jahresende entfristen kann. Aber leider, das muss man nach der Debatte im Ausschuss konstatieren, ist das Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Förderung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder ebenfalls schlecht gemacht.

(Beifall FDP)

Warum das so ist, möchte ich Ihnen gern erläutern. Zum einen stellt sich für uns die Frage, ob Eltern überhaupt schriftlich von Staats wegen daran erinnert werden müssen, dass sie ihre Kinder zu den entsprechenden medizinischen Vorsorgeuntersuchungen vorstellen. Schließlich haben wir - das wissen Sie genauso gut wie ich - deutlich über 90 Prozent Erfüllungsquoten im Freistaat.

Umso kritischer ist dies zu sehen unter der Maßgabe, dass ein etwaiges Nichtwahrnehmen der U-Untersuchungen zum Einschalten des Jugendamtes führt. Das einzige, was auch aus der Antwort aus unserem Berichtsersuchen hervorging, bleibt die Erkenntnis des Thüringer Rechnungshofes aus dessen Sondergutachten, dass das Verfahren unnötige Bürokratie schafft und Eltern stigmatisiert, da mehr als 40 Prozent der Meldungen an die Jugendämter, dass die Eltern die Untersuchungen versäumt haben, falsch war.

(Beifall FDP)

Das bedeutet, dass aufgrund falscher Rücklaufzahlen das Jugendamt vor der Tür unbescholtener Eltern steht. Sie stigmatisieren Thüringer Eltern, schicken Ihnen bei erstbester Gelegenheit das Jugendamt nach Hause, haben ein teures Koordinierungs- und Vorsorgezentrum in Langensalza geschaffen und vergüten den Verwaltungsaufwand der Kinderärzte nicht. Zu Recht haben sich fast alle am Verfahren Beteiligten über diese aktuelle Gesetzespraxis beschwert.

(Beifall FDP)

Damit Sie aber sagen können, dass sich die Landesregierung diesem Problem entgegengestellt hat, nehmen Sie nunmehr einfach zwei U-Untersuchungen aus dem bisherigen Einladungsverfahren heraus und meinen, damit seien alle Probleme geklärt. Nachdem wir feststellen konnten, dass die Mehrzahl der Anzuhörenden der Meinung war, dass mindestens die U9-Untersuchung so wichtig ist, um diese im Verfahren zu belassen, haben wir uns in unserem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag bemüht, diese wieder ins Verfahren zu bekommen. Dies tun wir nicht, weil wir vom Einladungsverfahren selbst überzeugt sind, sondern da das Verfahren selbst beibehalten werden soll, sind wir den Empfehlungen der medizinischen Sachverständigen gefolgt, die die U9-Vorsorgeuntersuchung für zwingend halten. Dass mit Ihrer angestrebten Lösung, das Verfahren nunmehr von U4 bis U8 zu begrenzen, auch bundesrechtliche Regelungen verletzt sind, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Ich darf an dieser Stelle § 26 Abs. 1 SGB V zitieren: „Versicherte Kinder haben bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres Anspruch auf Untersuchungen sowie nach Vollendung des 10. Lebensjahres auf eine Untersuchung von Früherkennungen von Krankheiten, die ihre körperliche oder geistige Entwicklung in nicht geringfügigem Maße gefährden.“ Dies bedeutet, wenn Sie etwas gesetzlich regeln, müssen Sie mindestens die U-Untersuchungen einschließen, die bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres vorgesehen sind.

(Beifall FDP)

Weshalb Sie also bei der U8, also Ende des 48. Lebensmonats, enden, also im vierten Lebensjahr, erschließt sich mir nicht, aber vielleicht erklären Sie uns das ja noch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Punkt des Verfahrens ist es, dass Sie sich beharrlich weigern, anzuerkennen, dass nicht nur im Vorsorgezentrum oder bei den Jugendämtern massiver bürokratischer Aufwand entsteht, sondern auch und gerade bei den Kinderärzten. Was habe ich mir in dem Zusammenhang in der letzten Zeit so alles anhören dürfen. Eine Kollegin aus diesem Haus sagte, dass die Kinder- und Jugendärzte dies mitmachen würden, ohne sich groß darüber zu beschweren. Ja, ich will nicht verhehlen, dass dies im Einzelfall so ist - aber welche Maßstäbe legen wir denn da an? Natürlich machen dies die Mediziner, da diese rechtlich gebunden sind, und natürlich versuchen sie, das Verfahren in ihrem Praxisalltag so zu organisieren, dass ein für den Patienten reibungsloser Ablauf gewährleistet ist. Dies bedeutet aber nicht, dass es rechtens ist und auch dem Fairnessgebot entspricht, gesetzliche Regelungen zu erlassen und deren Auswirkungen unberücksichtigt zu lassen.

(Beifall FDP)

Ich darf auch noch einmal aus einer Stellungnahme im Ausschuss zitieren: „Durch diese verpflichtenden Meldungen entstehen in den Arztpraxen Kosten. (...) Bei der Kalkulation einer Aufwandsentschädigung ist nicht nur auf die reine Meldung abzustellen, sondern auch auf das Controlling und den Arbeitsaufwand innerhalb der Praxis, hier insbesondere die Arbeitszeit einer Helferin, täglich zwischen 30 und 45 Minuten Arbeitszeit, für die Datenerfassung und Meldung.“ So weit das Zitat eines Anzuhörenden. Aber dies ist nur eine Seite der Medaille. Dass bisher jedoch keinerlei Vergütungsregelung für den Fall getroffen wurde, wenn es sich um unversicherte Kinder handelt, muss uns zu denken geben.

(Beifall FDP)

Wenn es Ihnen tatsächlich darum geht, die Gesundheitsgefährdung von Kindern früh zu erkennen, dann müssen Sie die Schwellen abbauen, die die Kinder an Besuchen bei Kinder- und Jugendärzten hindern. Nur so gelingt Ihnen nachhaltiger Kinder- und Gesundheitsschutz. Aber die jetzige Regelung konzentriert sich auf die breite Masse derer, die ihre Kinder sowieso kindgerecht erziehen und behandeln. Wenn Sie also die Wirkung auf alle Kinder ausdehnen wollen, müssen Sie zwingend unserem vorliegenden Antrag zustimmen.