In Nordrhein-Westfalen haben 600 Wissenschaftler gegen die neue Bevormundung der Hochschulen durch die Landesregierung protestiert - 600!
Auch die nordrhein-westfälische Industrie hat bereits deutlich gemacht, dass kein Unternehmen im Wettbewerb Drittmittelaufträge an Hochschulen vergeben werde, die verpflichtet sind, Themen und Auftraggeber öffentlich bekannt zu geben. Das ist eine Tatsache. Überhaupt drückt der Antrag der Grünen eine sehr interessante Haltung gegenüber den Wissenschaftlern aus. Sie halten erwachsene Leute, die an Hochschulen forschen und lehren, für außerstande, selbst einzuschätzen, wann sie von Geldgebern unzulässig in ihren Rechten eingeschränkt werden.
Das gilt auch für das Publikationsrecht, das ganz nebenbei nach § 57 Abs. 3 und § 59 Abs. 2 Thüringer Hochschulgesetz auch eine Publikationspflicht darstellt. Die Kooperationsverträge enthalten deshalb regelmäßige Klauseln, die darauf Rücksicht nehmen. Aber auch ohne eine solche Klausel darf ein Vertrag nicht gegen das Hochschulgesetz ver
stoßen. Die Kooperationsverträge sind zudem bereits jetzt nach § 59 des Hochschulgesetzes anzeigepflichtig. Der Projektleiter oder die Projektleiterin kann also einen Vertrag auch nicht vor der Hochschulleitung verbergen. Um es kurz zu machen: Der Antrag der Grünen ist entweder überflüssig, entbehrlich oder er schränkt ungerechtfertigt die Wissenschaftsfreiheit ein und kann deshalb - das ist keine Überraschung - unsere Zustimmung nicht finden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte jetzt gern zum Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sprechen, wo es um Transparenz als verbindliches Grundprinzip von Kooperationsvereinbarungen zwischen Hochschulen und Unternehmen geht. Dieser Antrag hat, glaube ich, seit gestern Abend noch mal einen richtigen Drive bekommen, und zwar durch die Beantwortung der Kleinen Anfragen, sowohl der von Frau Rothe-Beinlich als auch meiner. Die Anfrage lautete: „Aufträge von Verteidigungsministerien an öffentliche Hochschulen und Forschungseinrichtungen“. Die Antwort der Landesregierung liegt uns vor, sie divergiert durchaus sowohl in den Zahlen, das muss man sagen, ich glaube, bei mir sind es so 5,5 Mio., die in den letzten Jahren von den Hochschulen eingeworben werden aus den Verteidigungsministerien der USA und Deutschlands und nachgeordneter Einrichtungen. Das finde ich schon ganz interessant und der Ausgangspunkt der Antwort der Landesregierung zu dieser Fragestellung, zumindest meiner Fragestellung, ob hier der Landesregierung Kooperationsvereinbarungen bekannt waren, war eindeutig: Nein. So weit zur Anzeigepflicht von Kooperationsvereinbarungen, das will ich der FDP gleich mal mitteilen, dass die Antwort „nein“ war. Die Fragen mussten erst abgefragt werden und insbesondere die Fraunhofer Gesellschaft teilt mit, dass sie eine Projektliste nicht vorlegen kann, weil die Projektliste viel zu umfangreich ist. Wir verlangen auch immer wieder Zivilklauseln für die verschiedenen Hochschuleinrichtungen, bekommen als Auskunft auch, dass diese Zivilklausel verankert ist. In der Antwort auf meine Anfrage durch das Ministerium wird auch darauf verwiesen, dass in Statuten der Hochschulen verankert ist, dass Zivilklauseln verankert sind, und trotzdem haben wir in einem großen Umfang Kooperationsvereinbarungen mit militärischen Einrichtungen und mit Ministerien, die sich mit Verteidigung befassen. Was die gesetzlichen Grundlagen anbelangt, zu der Frau Hitzing eben gespro
chen hat, führt das Ministerium zumindest in meiner Antwort auf: „Grundsätzlich unterliegen die in der Fragestellung beschriebenen Vertrags- und Kooperationsbeziehungen keiner Genehmigungspflicht. In Ausnahmefällen können jedoch spezialgesetzliche Regelungen wie beispielsweise das Außenwirtschaftsgesetz oder das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen einschlägig sein. Es bedarf auch keiner generellen Genehmigungspflicht. Zum einen stünden einer solchen Pflicht die grundgesetzlich verankerte Freiheit von Forschung und Lehre und die ebenfalls verfassungsrechtlich verankerte Vertragsfreiheit entgegen. Zum anderen unterliegt die Forschung zu militärischen Zwecken zahlreichen rechtlichen Vorgaben, die schon derzeit gelten und unabhängig von einer Genehmigungspflichtigkeit zu beachten sind.“ Ich möchte darauf verweisen, dass die TU Ilmenau in der Antwort, also auf meine Anfrage, beschreibt, dass sie grundsätzlich zur Grundlagenforschung gearbeitet hat in diesem Bereich und die Ergebnisse öffentlich zugänglich sind. Die Friedrich-Schiller-Universität hat einen großen Anteil Forschungsmittel eingeworben, was mich sehr verwundert hat, an der Fakultät „Sozial- und Verhaltenswissenschaften“ - das finde ich ganz interessant -, da kann man viele Fragen noch einmal nachschieben, was dort eigentlich passiert ist. Dass das IPHT große Aufträge eingeworben hat, ist erklärlich. Also wenn ich an einem Präzisionslaser arbeite, kann ich damit Entfernungen messen, aber für einen Leopard-Panzer ist der Laser auch sehr interessant. Also das ist die Frage. Und hier sind wir eigentlich an dem entscheidenden Punkt des Antrags der Grünen.
Worum geht es bei der Transparenz von Kooperationsvereinbarungen? Meine Fraktion hat in den vergangenen Jahren verschiedene Anhörungen mit Wissenschaftseinrichtungen gemacht. Hier wurde das Wort „Gentechnik“ sozusagen als das Drohpotenzial - die sind immer gegen alles und wir sind für alles - noch einmal in den Raum geworfen durch die FDP. Leute, die in der Forschung arbeiten, sagen, die Forschung forscht. Sie forschen, egal erst einmal, was passiert. Aber die Ergebnisse und die Verwertungen von Forschung, das ist das eigentliche gesellschaftliche Problem, zu dem man sich verständigen muss und positionieren muss.
Und an dieser Stelle trifft der Antrag der Grünen einen Punkt. Seine Schwäche liegt meiner Meinung nach darin, dass er auf die Hochschulen abhebt, also auf die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen, weil ich in Thüringen kaum eine Hochschule kenne, die ausschließlich alleine mit einem Unternehmen gemeinsam Forschungsaufträge generiert, dazu sind die Strukturen in Thüringen zu kleinteilig und zu anders. Meistens sind Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Unterneh
men miteinander verbandelt an dieser Stelle und arbeiten gemeinsam. Aber ich glaube, dieser Punkt der Diskussion ist interessant: Was wird aus den Ergebnissen von Forschung? Können wir uns auch Forschung leisten, die gar kein Ergebnis hat? Das ist nämlich auch Forschung, wenn man an einer Stelle sagt, das funktioniert hier gar nicht, das geht nicht, das ging ins Leere. Aber da ist die Frage: Wie garantiert man die Freiheit von Forschung? Wie kann man politisch das im Grundgesetz verankerte Recht der Freiheit auf Forschung garantieren? Darauf hat Frau Hitzing noch einmal verwiesen, aber sie hat einen völlig anderen Ansatz als wir. Die Autonomie der Hochschulen muss garantiert sein,
aber es muss auch garantiert sein, dass sie diese Freiheit der Forschung ausüben können, und dazu gehört nicht, dass sie ständig über Geld debattieren müssen - am heutigen Tag halte ich es nicht für verwunderlich, das werden wir nicht schaffen -, aber dass wir mindestens fünf Anträge auf der Tagesordnung gehabt hätten, die sich mit diesen Themen aus dem Hochschulministerium oder Wissenschaftsministerium beschäftigen. Dafür gibt es doch Gründe und die Gründe bestehen doch nicht darin, dass wir uns aus lauter Daffke Anträge ausdenken, sondern weil es tatsächliche Probleme gibt, die durch das Ministerium bisher nicht angefasst worden sind.
Deshalb werden sie hier thematisiert. Dazu gehört auch diese Frage von Transparenz. Die gesamte Gesellschaft diskutiert darüber: Wie geht man mit Forschung um? Wie geht man mit Forschungsergebnissen um? Wir sind hier nicht die Einzigen, die sagen, die Drittmitteleinwerbung - der Zwang zur Drittmitteleinwerbung für verschiedene Einrichtungen, weil die Grundfinanzierungen nicht stimmen - führt zur Einschränkung der Freiheit der Forschung und, ich glaube, das muss man auch deutlich sagen können. Ich weiß, dass keiner Geld drucken kann. Drucken kann man es, aber man kann es dann nicht mehr verwenden. Irgendwann macht es dann keinen Sinn mehr, aber wenn jemand, wie der ehemalige Chef der Bertelsmann Stiftung sagt: „Wie die Finanzmärkte hat man auch die Hochschulen unter dem heuchlerischen Pathos der Freiheit entfesselt, indem man ihnen die Freiheit gibt, so viel Drittmittel und woher auch immer einzuwerben ohne Kontrolle“, dann sind das keine, will ich mal sagen, grüne oder linke Positionen, die gegen den Freiheitsbegriff ankämpfen, sondern wir streiten für die Freiheit der Wissenschaft, indem wir sagen, wir möchten wissen, wo die Drittmittel herkommen. Wir möchten zum Beispiel Mittel für Verbundforschung eingestellt haben. Wir möchten nicht mehr, dass es undurchschaubar ist, welche
Drittmittel über den Haushalt eingeworben werden. Warum werden die Mittel für Forschung immer noch zwischen Ministerien aufgeteilt, zwischen dem Wissenschaftsministerium und dem Wirtschaftsministerium, und man muss sich jedes Mal mühselig zusammenklamüsern, wo kommt was her? So müssen auch die Antragsteller agieren. Ich glaube, hier liegt ein Grundproblem und dieses Grundproblem sehen nicht nur die Grünen und wir bekräftigen das auch, dass die Grünen hier ein echtes Problem artikulieren, sondern sehen auch Wissenschaftseinrichtungen und Hochschulen und deren Mitarbeiter und Studierende und deshalb glaube ich, dass der Antrag der Grünen, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen, sehr sinnvoll wäre, aber ob das gelingt, weiß ich nicht. Ich habe im Moment ein bisschen den Eindruck, dass hier das Ministerium zumindest im Stand-by-Modus arbeitet und das auch noch längere Zeit gedenkt zu tun.
Ein weiteres Problem für mich ist und da bin ich der Auffassung, darüber sollten wir diskutieren, in Punkt 2 d des Antrags der Grünen wird über ein standardisiertes Berichtswesen gesprochen. Also jeder, der einigermaßen mit den Dingen vertraut ist, die sich in diesem Bereich, im Wissenschaftsbereich und Hochschulbereich, abspielen, weiß, dass die geplagt sind von Berichten und Evaluierungen. Das ist wirklich für sie ein zusätzlicher Aufwand. Wenn man dieses Berichtswesen will, muss man sich über Zeiträume verständigen und man muss sich darüber verständigen, in welcher Art und Weise es funktionieren soll und wo es angebunden sein muss. Es noch einmal aus den knappen Mitteln der Hochschulen zu finanzieren, halte ich eigentlich für ein Ding der Unmöglichkeit. Man müsste dann sagen, wir schaffen eine andere Stelle oder wir setzen zusätzliche Mittel ein. Aber für notwendig halte ich zumindest die Forderung, dass man sagt, es muss transparent sein: Wo wirbt wer seine Dinge ein? Woher kommt das Geld? Womit finanzieren wir Stellen an Hochschulen? Warum sind wir nicht mehr dazu in der Lage, sie anders zu finanzieren? Warum kann man Ergebnisse von Forschung sehr gut im militärischen Bereich verwerten? Warum kann man sie erst dann und später auch gut im zivilgesellschaftlichen Bereich verwerten? Das ist doch die eigentliche Fragestellung. Ich bedanke mich und votiere für die Überweisung an den Ausschuss.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kaschuba. Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Thomas Hartung für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag zeigen uns die Grünen, dass sie trotz aller schwarz-grünen Anwandlungen in der letzten Zeit im Herzen eine Ökopartei geblieben sind. Dieser Antrag ist das fachgerechte Recycling eines ähnlichen Antrags aus SachsenAnhalt, der mitunter im Satzbau etwas verändert wurde. Das eine oder andere Wort wurde ausgetauscht und für „Sachsen-Anhalt“ wurde „Thüringen“ eingefügt. Viel mehr eigenständiges Gedankengut findet sich nicht, allerdings ist eine größere Änderung vorgenommen worden, nämlich Sie verzichten auf die Forderung, dass der Wissenschaftsausschuss Einblick in alle Kooperationsverträge haben soll. Dafür haben Ihre Kollegen in Sachsen-Anhalt sehr viel Kritik einstecken müssen. Das ist auch völlig korrekt, dass diese Kritik geäußert worden ist, denn es würde die Kontrolle, die Aufsicht der Hochschulen von der Exekutive auf die Legislative verlagern und würde außerdem die Aufsichtskompetenz noch deutlich erweitern. Aber auch in der jetzigen Form ist dieser Antrag für uns nicht zustimmungsfähig.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In Sachsen-Anhalt haben sie das anders gesehen, wenn Sie schon zi- tieren.)
Ja, in Sachsen-Anhalt haben die eine andere Hochschulpolitik, zum Beispiel kürzen sie um 50 Prozent die Mittel; das wollen wir nicht. Deswegen werden wir Ihnen auch hier nicht folgen. Ihr Antrag gibt zwar vor, den Hochschulen mehr Autonomie gegenüber den Interventionen der Wirtschaft verschaffen zu wollen, aber an die Stelle möglicher Eingriffe durch Unternehmer tritt der Eingriff durch den Staat, durch die staatliche Seite durch die Kontrolle der Vertragsgestaltung, durch Berichtspflichten und durch ausgeweitete Kontrollbefugnisse des Landes. Von der Hochschulautonomie, der verfassungsrechtlich verbrieften Forschungsfreiheit und der ebenfalls durch das Grundgesetz geschützten Vertragsfreiheit und dem Grundrecht auf Berufsfreiheit bleibt bei einer derartigen Vorgehensweise nicht mehr viel übrig. Wir wissen, dass die von uns allen hier grundsätzlich gewünschte Kooperation zwischen Hochschule und Wirtschaft auch negative Auswirkungen zeigen kann, das will ich Ihnen doch gerne zugeben, ich streite das auch nicht ab. Die Beispiele Köln und Berlin, wo sich der Bayer-Konzern bzw. die Deutsche Bank weitgehende Eingriffsrechte in die kooperierenden Hochschulen gesichert haben, sind doch durch die Medien gegangen, dem verschließen wir uns doch überhaupt nicht. So etwas kann natürlich auch nicht sein. Hochschulen sollen sich so nicht reinregieren lassen. Das ist nicht unter Autonomie abgedeckt. Das sehen wir ähnlich. Aber der Punkt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ist doch
der, dass wir derzeit gar keinen Anhalt haben, dass es so ist. Wir haben keinen Anhalt, dass wir handeln müssten, und wir müssen immer wieder bedenken, dass die Forschungsfreiheit und die Berufsfreiheit Grundrechte und mithin in der Verfassung verbriefte Abwehrrechte gegenüber staatlichen Eingriffen darstellen. Das ist ein hohes Rechtsgut. Wir müssen deshalb sorgfältig abwägen, wie wir vorgehen. Staatliche Eingriffe in die Kooperationsbeziehungen der Hochschulen kann es nur dann geben, wenn wir einen Anhalt dafür haben, dass Recht und Gesetz gebrochen werden kann oder gebrochen worden ist. Ich wiederhole das noch einmal, für diesen Rechtsbruch gibt es derzeit keine Indizien.
Einer derartigen Gefahrenlage müssen wir nicht vorbeugend entgegentreten, wenn wir überhaupt keinen Anlass haben, dass sie eintritt. Ich gehe davon aus, dass die Hochschulen selbstverständlich ihre Kooperation mit Dritten so gestalten, dass sie Recht und Gesetz einhalten. Jedenfalls gab es bislang keinen Grund zu zweifeln und ich gehe daher davon aus, dass es auch in Zukunft so bleibt und die Hochschulen sich nicht selbst in ihrer öffentlichen Reputation dadurch schwächen, dass sie Vereinbarungen abschließen, wie sie mit negativen Folgen in Berlin und Köln abgeschlossen worden sind. Denn den Kölner und Berliner Hochschulen haben die Vertragsabschlüsse mit Bayer und der Deutschen Bank nämlich auf längere Sicht alles andere als genützt. Keine der Thüringer Hochschulen wird diesen schlechten Vorbildern folgen. Vestigia terrent, wie der Lateiner sage würde. Einen konkreten Anlass, die von den Grünen geforderten staatlichen Interventionen in Thüringen vorzunehmen, sehen wir nicht. Nur, weil es uns politisch eventuell geboten erscheint, können wir nicht einfach derart massiv in die Hochschulautonomie und die damit verbundenen Verfassungsrechte eingreifen.
Das Bundesverfassungsgericht hat dazu mehrere eindeutige Urteile gefällt. Ich möchte hier eins zitieren: „Zugunsten der Wissenschaftsfreiheit ist stets der diesem Freiheitsrecht zugrunde liegende Gedanke mit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient.“ Ich möchte an dieser Stelle feststellen, dass die Grünen sich auf der Bundesebene seit Kurzem als neue Freiheitspartei und legitimen Nachfolger der FDP auf diesem Gebiet hochstilisiert haben. Diesen Satz, den ich gerade zitiert habe, sollten Sie sich durchaus mal zu Herzen nehmen. Wenn man verbindliche Regelungen für Kooperationen mit der Wirtschaft möchte, dann darf man eben nicht primär staatliche Durchgriffsmöglichkeiten einfordern, sondern muss an den Hochschulen
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir doch gar nicht gefordert. Lesen Sie sich Punkt 1 durch.)
für entsprechende Selbstverpflichtung werben. Das kann jeder von uns tun in Gesprächen mit Hochschulleitung, Studierenden und Mitarbeitervertretern. Das können wir alle tun. Und wir tun es hier doch auch. Ich denke, jeder Hochschulpolitiker von uns, der unterwegs ist, bespricht das mit seinen Partnern. Möglich wäre aber auch, in der Landesrektorenkonferenz einen einheitlichen Code of Conduct zu beschließen. Aber das müssen die Hochschulen selbst entscheiden. Wir können dafür nur werben. Staatlicher Dirigismus hilft uns an dieser Stelle dagegen nicht weiter, im Gegenteil, bei einer Realisierung der grünen Vorhaben schütten wir das Kind mit dem Bade aus. Wir können nicht, nur weil es uns politisch gerade in den Kram passt, mögliche Gefährdungen der Hochschulautonomie durch die Wirtschaft mit durchgreifenden eigenen Interventionen auf eben jene Hochschulautonomie beantworten. Das hieße, den Teufel mit dem Belzebub austreiben, und dazu ist die SPD-Fraktion nicht bereit. Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, manchmal ist es gut, wenn man einfach genau liest, was in einem Antrag steht. Deswegen lese ich Ihnen einfach noch mal den ersten Punkt unseres Antrages vor, denn da heißt es: „Die Landesregierung wird aufgefordert, 1. zu prüfen, welche wesentlichen Bestandteile von Kooperationsverträgen zwischen Hochschulen und privaten Unternehmen unter Achtung der Forschungsfreiheit, Berufsausübungsfreiheit, Vertragsfreiheit und unter Einhaltung weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen veröffentlichungspflichtig gemacht werden können; über die Ergebnisse ist der Thüringer Landtag bis zum 31. März 2014 zu informieren.“ Das ist mit Verlaub das Gegenteil von Dirigismus, das ist die Bitte um eine vernünftige, sachliche, fachgerechte Prüfung an dieser Stelle.
Lieber Herr Dr. Hartung, wo Sie es ja so schätzen, uns vorzuhalten, was wir in anderen Ländern oder gar auf Bundesebene tun, Sie müssen es ja wissen, dann aber nichts davon wissen wollen, was Ihre eigene Partei in anderen Landesverbänden tut,
Frau Rothe-Beinlich, würden Sie mir zustimmen, dass Ihr Antrag nicht nur den von Ihnen zitierten oder vorgelesenen Absatz 1, sondern auch noch einen zweiten Absatz beinhaltet, der dort wesentlich weitergeht?
Herr Dr. Hartung, ich stimme Ihnen zu, dass unser Antrag unter Punkt 2 sogar noch etliche Punkte, nämlich von a) bis e) enthält und sogar noch weitergeht, denn es gibt noch einen dritten Punkt in diesem Antrag und ich hoffe, dass Sie ihn auch alle gelesen haben.
Nichtsdestotrotz ist Fakt, dass wir genau das festgestellt haben oder vorangestellt haben, dass ganz entscheidend ist, dass nämlich die grundgesetzlich geschützte Freiheit von Forschung und Lehre gewahrt bleibt. Das ist uns selbstverständlich immer wichtig. „DIE ZEIT“ hat das Verhältnis zwischen Hochschulen und Wirtschaft im August 2013 einmal wie folgt kommentiert, ich zitiere: „Kooperation, das ist eines dieser Wörter aus Sonntagsreden. Es klingt nach Gemeinsamkeit und Anstrengung, nach Partnerschaft. Es verdeckt die Tatsache, dass der eine (...) mächtiger ist als der andere. Nämlich derjenige, der das Geld hat.“ Ich meine, dass diese wenigen Sätze doch sehr viel Wahres enthalten, denn Wissenschaftsfreiheit, lieber Herr Dr. Hartung, bedeutet auch Freiheit vor zu viel Eingriffen durch die Wirtschaft. Genau das scheint mir jedenfalls an vielen Stellen auch in Thüringen ganz sicher nicht gewahrt.
Der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht es darum, mehr Transparenz bei Kooperationen von Hochschulen und privaten Unternehmen zu schaffen. Uns geht es eben nicht darum, Kooperationen von Unternehmen mit Hochschulen in irgendeiner
Weise zu diskreditieren, denn wir haben da gar kein Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, das sei Ihnen versichert. Wir wissen, dass die anwendungsbezogene Forschung der Hochschulen die Wirtschaft im Land stärkt. Auch die Hochschullehre profitiert von einer Praxisorientierung. Wir halten diese Kooperationen für durchaus sinnvoll und auch für wünschenswert, weil sie den gesamtgesellschaftlichen produktiven Wissens- und Technologietransfer durchaus befördern. Sicher gibt es auch immer mal Einzelfälle von Fehlverhalten, das gibt es überall, ist aber nicht die Regel. Diese Einzelfälle können aber dem gesamten Ansehen der Wissenschaft schaden. Deshalb meinen wir, dass Transparenz auch hier als verbindliches Grundprinzip Fehlverhalten verhindern bzw. minimieren kann.
Nun ist es so, Herr Dr. Hartung, dass Sie selbst das Beispiel aus Berlin angesprochen haben. Da betraf es ja die Deutsche Bank. Im Mai 2011 ist öffentlich geworden, dass die Verträge zwischen der Deutschen Bank und zwei Berliner Spitzenuniversitäten dem Unternehmen der Deutschen Bank massive Mitspracherechte im akademischen Bereich eingeräumt hatten. So durfte die Deutsche Bank nicht nur bei der Besetzung von Professuren mitbestimmen und die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen absegnen, sondern auch über die Hauspost der Universität Werbematerialien verteilen und eigene Mitarbeiter und Dozenten in Seminare entsenden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das verstehen wir nicht mehr unter Wissenschaftsfreiheit,