Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

Sie wollen diese 100 neuen Mitarbeiter als Abteilung in das Innenministerium eingliedern, dafür auch die Verfassung ändern, damit klar ist, dass es keine eigenständige Behörde mehr ist. Es heißt dann bei Ihnen, dass der Chef des Verfassungsschutzes ein Abteilungsleiter sein soll. Sie reden dann in Ihrem Gesetzentwurf davon, dass auf der einen Seite eine bessere Verkopplung mit der politischen Spitze erfolgen soll, auf der anderen Seite betonen Sie aber, dass die Unabhängigkeit des bisherigen Landesamtes, dieser Behörde, auch wieder erhalten werden soll, persönliche Verflechtungen zwischen Aufsichtsreferat und Verfassungsschutzbehörde sollen ausgeschlossen werden. Das ist gerade mal sehr fragwürdig, ob das geht. Ich muss jetzt auch mal ehrlicherweise sagen, wir haben auch Fehlleistungen im Bereich der Aufsichtsbehörde im Innenministerium gehabt, das sagt schon der Schäfer-Bericht. Wenn wir ausgerechnet dann in dieses Innenministerium, speziell in Thüringen, den Verfassungsschutz, die Aufgabe des Verfassungsschutzes sozusagen eingliedern wollen, dann mache ich da auch mal ein Fragezeichen dran.

Richtig ist, da stimmen wir Ihnen zu, dass organisierte Kriminalität aus dem Landesamt oder aus den Verfassungsschutzaufgaben entfernt werden soll und dass nachrichtendienstliche Mittel schwerpunktmäßig im Bereich der gewaltbereiten Bestrebungen eingesetzt werden. Da kommt nun Ihr großer Schnitt, Sie sagen, wir schaffen die V-Leute ab. Das kann man wollen, das kann man fordern, es ist auch viel berechtigte Kritik an der Arbeit der V-Leute laut geworden. Dann stellt sich nur die Frage nach den Alternativen. Die Alternativen zum Einsatz sind verdeckte Ermittler. Sie kommen auch in Ihrem Antrag dann wieder vor. Verdeckte Ermittler oder Undercover Agents im Bereich des Verfassungsschutzes sind nach Meinung vieler Fachleute sehr schwer zu gewinnen, sehr schwer zu führen, vor allen Dingen auch sehr teuer. Wenn Sie die VLeute jetzt mit Federstrich abschaffen in Ihrem Gesetzentwurf, die 100 bisherigen Mitarbeiter in die Wüste schicken, 100 sich irgendwo neu herholen und dann noch die Undercover Agents oder verdeckten Ermittler im Bereich des Verfassungsschutzes benötigen, haben wir hier einen zusätzlichen Mehrbedarf an Personal, den wir auch nicht so leicht finden werden und dann haben wir natürlich das alte Problem, das in der Fachwelt dazu beigetragen hat, dass man gesagt hat: Wir wollen keine Undercover-Ermittlungen. Das ist auch schwierig, da kann man auch in Grenzbereiche geraten, denn diese Menschen, diese Mitarbeiter müssen dann auch in die verfassungsfeindlichen Strukturen rein. Sie lösen das in Ihrem § 12, indem Sie sagen: Diese Undercover Agents oder die verdeckten Ermittler, die dürfen dann rein in die verfassungsfeindli

chen Organisationen, aber ansonsten dürfen sie da gar nichts machen. Sie bleiben also von allgemeinen Strafbarkeitsregeln erfasst. Das ist eine sehr schwierige Gratwanderung und macht es sehr schwierig.

Wie gesagt: Probleme mit V-Leuten haben wir genug gehabt und keiner möchte künftig noch mal irgendeinen Tino Brandt oder etwas Ähnliches in den Reihen des Thüringer Verfassungsschutzes vorfinden oder alimentiert sehen. Aber die Frage, ob sich mit Undercover Agents alles löst, erscheint sehr schwierig und wenn Sie alle V-Leute abschaffen und das ist das Problematischste aus meiner Sicht an Ihrem Entwurf -, dann geht der Schwenk sozusagen auf andere nachrichtendienstliche Mittel, insbesondere auf elektronische Mittel. Sie haben zwar betont, dass Sie die Wohnraumüberwachung komplett abschaffen wollen, aber auf der anderen Seite wird die elektronische Schnüffelei dann ausgedehnt, es gibt sozusagen eine Art NSA-Klausel. Auch im Vorwort Ihres Gesetzentwurfs sagen Sie, Sie wollen, dass der Verfassungsschutz in InternetChats eindringen und die belauschen darf, also da wird mir ehrlich gesagt angst und bange. Da muss man sich auch - diese ernsthafte Diskussion hätte man vielleicht auch im Vorfeld führen können, aber wir können sie noch gern im Ausschuss führen Gedanken machen, was denn sozusagen weniger invasiv als Eingriff ist. Eine V-Person klassischen Zuschnitts, von der ich bestimmte Positionen abfrage, oder ein elektronisches Scannen von Umfeldern, wo ich dann schon eigentlich wieder bei der Rasterfahndung angekommen bin?

Wir haben dann auch, muss ich sagen, in der parlamentarischen Kontrolle bei Ihnen recht wenig gefunden von dem, was wir uns sehr viel weitreichender hätten vorstellen können. Also da sind Sie relativ mager geblieben. Wir denken, dass die parlamentarische Kontrolle noch viel stärker ausgeweitet werden muss. Wir sehen nicht nur irgendwelche Einsichtsrechte an und Berichtspflichten verstärkt, sondern wir denken, dass man auch die Personen beschreiben soll oder die Menschen oder die Mengen und die Qualitäten derer, die künftig die parlamentarischen Kontrollen begleiten. Wir können uns deswegen einen eigenen Mitarbeiterstab, der der PKK untergeordnet ist, zugeordnet wird, vorstellen, der dann Kontrollrechte im Auftrag der PKK wahrnimmt, damit Waffengleichheit hergestellt werden kann, der zu jeder Zeit das Zugangsrecht hat. Da sind wenige Abgeordnete überfordert und mit einer vierteljährlichen Berichtspflicht kommt man auch nicht sehr weit.

Sie sehen, es gibt doch leider in Ihrem Gesetzentwurf viele fragwürdige Elemente und deswegen ist schon die Frage, ob der Cocktail, den Sie angerührt haben, nicht am Ende doch ungenießbar wird. Gleichwohl erkennen wir natürlich an, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, erste Schlussfolgerun

gen aus dem NSU-Debakel zu ziehen und grundsätzlich sind wir auch bei dieser Arbeit. Der Bundestagsuntersuchungsausschuss hat sein Ergebnis abgewartet, hat überparteilich darüber diskutiert, welche Änderungen man gemeinsam vorschlägt, und jetzt setzt die neue Regierung an, dazu diese Änderungen umzusetzen. Wie gesagt: Qualität geht auch in Thüringen aus unserer Sicht vor Eile. Gleichwohl werden wir jetzt Ihre beiden Gesetzentwürfe an den Innenausschuss überweisen.

(Beifall SPD)

Vielen herzlichen Dank, Frau Marx. Als Nächster hat jetzt das Wort der Abgeordnete Marian Koppe für die FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir beraten heute über das Verfassungsschutzgesetz der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Gesetzentwurf, das will ich gleich am Anfang sagen, hat aus unserer Sicht wesentliche Schwächen. Trotzdem sind wir der Auffassung, dass wir den Gesetzentwurf auf jeden Fall im Ausschuss diskutieren sollten, weil das Thema an sich aus unserer Sicht dafür wichtig genug ist.

(Beifall FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will jetzt in aller Kürze, aber auch in der notwendigen Fülle auf die beiden Gesetzentwürfe eingehen, am Anfang kurz auf die Verfassungsänderung. Gleich am Anfang will ich sagen, dass ich mir gar nicht so sicher bin, ob es der Verfassungsänderung überhaupt bedurft hätte. Für die Eingliederung in das Innenministerium, so wie Sie es fordern, bedarf es dies meines Erachtens nicht. Bei dem Gesetzentwurf sehe ich schon ein weiteres Problem mit der Begründung. Genau dieses Problem - oder man kann es auch Ungereimtheit nennen - zieht sich dann leider durch das ganze Gesetz. Die Grünen schreiben als Ziel des Gesetzentwurfs eine geheimdienstund nachrichtendienstfreie Gesellschaft. Trotzdem will man dann am Ende letztendlich am Verfassungsschutz festhalten. Dieser Zwiespalt zieht sich durch den gesamten Gesetzentwurf. Ich will als Begründung dafür einmal ein paar Punkte nennen. In Ihrem Gesetzentwurf schreiben Sie, dass das Landesamt zum 31. Dezember 2014 aufgelöst und als Abteilung in das Innenministerium eingegliedert werden soll. Sämtliche Mitarbeiter des bisherigen Landesamtes sollen in anderen Bereichen eingesetzt werden und sämtliche Sachverhalte sollen neu geprüft werden. Wir sind uns absolut nicht sicher, ob ein Anfang von null wirklich gewollt sein kann.

(Abg. Marx)

(Beifall FDP)

Richtig ist, wir sind nicht mehr in den 90er-Jahren, aber wollen wir wirklich, dass wir wieder von null anfangen? Ich kann es aus den Erkenntnissen der Untersuchungsausschüsse jedenfalls nicht befürworten.

(Beifall FDP)

Ein weiterer Punkt ist in Ihrem Gesetzentwurf, dass man die V-Leute abschaffen und auch auf sämtliche Informationen von V-Leuten anderer Länder verzichten will. Das kann man wollen, wenn man diese als Informationsquelle als zu gefährlich einschätzt. Hier gibt es viele Argumente, die dafür, aber eben auch sehr viele, die dagegen sprechen. V-Leute abschaffen zu wollen und dann 2016 zu überprüfen, ob man sie gebraucht hätte, halte ich zumindest für sehr schwierig.

(Beifall FDP)

Ich kann nichts überprüfen, was ich nicht habe. Das wäre aus unserer Sicht Spekulation und zeigt, dass Ihre Argumentation nicht schlüssig ist.

Ich will noch auf zwei weitere Punkte eingehen. Der Gesetzentwurf sieht vor, den Aufgabenbereich der Organisierten Kriminalität beim Verfassungsschutz herauszunehmen. Ich weiß nicht und das ist halt die Frage, ob sich die Grünen einmal den Verfassungsschutzbericht angeschaut haben. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Verfassungsschutzberichts der Organisierten Kriminalität ist die Rockerkriminalität. Gerade den Bereich der Rockerkriminalität, der auch, und das ist schlimm, aber es ist halt so, in Thüringen auf dem Vormarsch ist, wollen Sie aus dem Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes rausnehmen. Jegliche Vorfeldmaßnahmen, das müssten Sie wissen, wären damit ausgeschlossen.

(Beifall FDP)

Ich glaube, da haben Sie die Gefährlichkeit der Rockerkriminalität noch nicht richtig verinnerlicht. Also auch hier sehe ich erhebliche Probleme in Ihrem Gesetzentwurf. Der letzte Punkt, den ich heute ansprechen möchte, sind die von Ihnen geforderten öffentlichen Sitzungen der PKK. Und genau hier komme ich auf das am Anfang Gesagte zurück. Was Sie hier machen, ist aus unserer Sicht weder Fisch noch Fleisch. Sie erhöhen die Informationspflichten gegenüber der PKK und wollen diese insgesamt stärken. Gleichzeitig wollen Sie aber eine öffentliche Sitzung der PKK. Jetzt frage ich mich natürlich, welche Informationen wollen Sie denn in der PKK über die Arbeit des Verfassungsschutzes bekommen, wenn dies in einer öffentlichen Sitzung stattfindet?

(Beifall FDP)

Das passt aus unserer Sicht überhaupt nicht zusammen. Dass es eine starke PKK braucht, da bin ich auf Ihrer Seite. Aber die kann es doch nur geben, wenn gewährleistet ist, dass die Informationen, die sie bekommt, auch vertraulich behandelt werden. Eine öffentliche Sitzung schließt dies aus.

(Beifall FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Tat, das zeigt auch die Diskussion, es ist eine sehr schwierige Angelegenheit. Gerade im Bereich des Verfassungsschutzes ist es uns wichtig, dass es klare Regeln geben muss. In der letzten Zeit hat der Verfassungsschutz immer wieder negative Schlagzeilen gemacht und lässt aus unserer Sicht berechtigte Zweifel zumindest an der Qualität seiner bisherigen Arbeit erkennen. Deswegen und genau deswegen sind wir als Gesetzgeber angehalten, den Verfassungsschutz auf rechtsstaatliche, eng definierte Füße zu stellen. Der Gesetzentwurf hat aus unserer Sicht einige wichtige Punkte, die es wert sind, im Ausschuss beraten zu werden. Ich beantrage auch namens meiner Fraktion die Beratung beider Gesetzentwürfe im Innenausschuss. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen herzlichen Dank, Herr Koppe. Als Nächster hat jetzt das Wort der Abgeordnete Ralf Kalich für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe zur Reform und Neuausrichtung des Thüringer Inlandsgeheimdienstes mit dem Namen Verfassungsschutz haben eine durchaus interessante Genese zur Grundlage, wie man in der Medizin sagt. Ich möchte als Erstes mal darauf eingehen. Im Januar 2012 war die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Auffassung, dass eine notwendige und für ein Gesetzgebungsverfahren zum damaligen Zeitpunkt auch ausreichende Reaktion auf die Selbstenttarnung des neonazistischen Terrornetzwerks NSU war, die Kontrollbefugnisse des parlamentarischen Kontrollgremiums auf die PKK in Thüringen inhaltsgleich zu übertragen. Im Juni 2012 rief geradezu euphorisch der Abgeordnete Dirk Adams im Thüringer Landtag aus, mit Genehmigung darf ich zitieren: „Wir brauchen einen Verfassungsschutz, das ist unser Bekenntnis von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.“ Im September 2013 buhlten die Grünen bei der Landesregierung um Einbringung des damals bekannten Gesetzentwurfs aus dem Innenministerium. Wortwörtlich sagte wiederum Kollege Adams, ich zitiere: „Der Gesetzentwurf sollte auf die Anerkennung von Experten hin noch einmal überprüft werden. Wenn

(Abg. Koppe)

wir diese breite Debatte in Thüringen und in Deutschland haben führen können, dann bin ich mir ganz sicher, Herr Minister Geibert, bekommen Sie dieses Gesetz auch durch.“ So viel Zustimmung erntete der Innenminister noch nicht einmal vom eigenen Koalitionspartner, was letztlich auch der Grund dafür sein dürfte, dass nunmehr die Grünen bei der Reform des Verfassungsschutzes ihrer Ungeduld erlagen oder nicht länger auf CDU und SPD warten wollten. Man kommt nicht umhin, bevor ich mich zum Gesetzentwurf selbst äußere, auf den politischen Rahmen hinzuweisen. Die Debatte um die Notwendigkeit von nach innen gerichteten Geheimdiensten ist zwar eine bürgerrechtliche und das Verständnis von Rechtsstaat berührende Debatte; sie ist im Jahr 2014 aber nicht mehr losgelöst vom systemisch begründeten Versagen der Geheimdienste bei der Verfolgung von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe und dem sich anschließenden Umherirren der Geheimdienste in und um das neonazistische Terrornetzwerk NSU zu führen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie ist auch nicht losgelöst von der offenbar gewordenen anlasslosen Sammelwut der Geheimdienste von Kommunikationsinhalten und Verbindungsdaten zu führen, die nicht allein Sache der NSA ist. In jedem Fall aber wäre es Aufgabe des Verfassungsschutzes gewesen, Einwohner der Bundesrepublik vor dieser groß angelegten Spionage zu schützen. Um es auf den Punkt zu bringen: Keine andere Behörde hat innerhalb so kurzer Zeit ihre Legitimation und ihre Legitimität verloren wie der Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz.

(Beifall DIE LINKE)

Die jahrelang wie ein Mantra wiederholte Mär vom Verfassungsschutz als Frühwarnsystem ist zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Nichts, aber auch gar nichts ist davon übrig. So gut wie nichts übrig ist von der angeblich parlamentarischen Kontrolle, die den Geheimdienst in einem demokratischen Rechtsstaat von denen in weniger demokratisch verfassten Systemen unterscheiden soll. Nichts ist übrig geblieben vom Schutz der Gesellschaft vor den Demokratie und Freiheit bedrohenden Bestrebungen, allein das Beispiel Ballstädt am Wochenende spricht Bände.

Was steht eigentlich auf der Habenseite für das Vorhandensein eines nach innen gerichteten Geheimdienstes? Der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lässt diese Frage auch unbeantwortet. Stattdessen wird suggeriert, es braucht einen transformatorischen Prozess in eine geheimdienstlich und nachrichtendienstlich freie Gesellschaft. Warum? Warum muss ich fortsetzen, was ich eigentlich abschaffen will? Es ist wirklich schwer nachzuvollziehen, warum die Neugründung eines Geheimdienstes der erste Schritt zu dessen Abschaffung sein soll.

(Beifall DIE LINKE)

An anderer Stelle formulieren die Autoren des Gesetzentwurfs, mit Hilfe der Reform des Verfassungsschutzes, wie von den Grünen vorgeschlagen, soll - und hören Sie bitte genau zu - „das gesellschaftliche Bewusstsein für die Bestrebungen gestärkt werden, die Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes sind“. Das, meine Damen und Herren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ist eine Frechheit gegenüber all denen, die in den vergangenen 24 Jahren immer wieder auf die Gefahren des Neonazismus hingewiesen haben.

(Beifall DIE LINKE)

Es fehlt nicht das gesellschaftliche Bewusstsein, es fehlt die Bereitschaft in der Thüringer Landesregierung und den Sicherheitsbehörden anzuerkennen, worauf zivilgesellschaftliche Akteure immer wieder hingewiesen haben

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir in der Mitte der Gesellschaft!)

- ich komme dazu -, dass es eine Verfestigung neonazistischer Strukturen in Thüringen gibt, dass diese eine Hegemonie in vielen Orten entfaltet haben, dass Neonazis sich bewaffnen und militant gegen Andersdenkende vorgehen, dass es Angsträume in Thüringen gibt, dass sich menschenverachtende Ideologien in der Gesellschaft verankern. Für all das gab es ein gesellschaftliches Bewusstsein. Nur das Bewusstsein, wenn es sich in Form antifaschistischer Demonstrationen und zivilgesellschaftlicher Gegenwehr artikuliert, wurde selbst eine politische Diskriminierung und Kriminalisierung ganz maßgeblich durch den Verfassungsschutz betrieben.

(Beifall DIE LINKE)

Diejenigen, die nunmehr zusagen, man brauche die Reform des Verfassungsschutzes, um das gesellschaftliche Bewusstsein zu stärken - das ist eine Frechheit. Wir haben wirklich gesucht in Ihrem Gesetzentwurf, auch in Ihren bisherigen Reden, um eine plausible Begründung für die Notwendigkeit des Geheimdienstes Verfassungsschutz zu finden, denn wenn man die nicht hat, braucht man über eine Reform nicht zu reden, sondern nur noch über das Verfahren der Auflösung.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben keine gefunden. Ganz im Gegenteil; Sie schreiben selbst im Gesetzentwurf, Zitat: „Einen Nachrichtendienst, eine staatliche Behörde, die nicht das notwendige Vertrauen genießt, bei der Abwehr von Gefahren dienlich zu sein, sondern vielmehr den Verdacht nicht ausräumen kann, Gefahren zu übersehen, zu unterschätzen, zu begünstigen oder gar erst ermöglicht zu haben, hat keine Daseinsberechtigung.“

(Beifall DIE LINKE)

Schöner hätten wir einen Satz unseres Gesetzentwurfs zur tatsächlichen und ersatzlosen Auflösung des Verfassungsschutzes nicht begründen können. Nur leider, und das unterscheidet uns, nehmen wir diesen Satz viel ernster als Sie selbst. Das findet auch darin seinen Ausdruck, dass Sie am Dienstag bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs einräumten, die Frage der Auflösung des Verfassungsschutzes innerhalb der Grünen in Thüringen nicht mehr diskutiert zu haben.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hä?)

Das ist politisch schade, um es zurückhaltend zu formulieren. Das wirklich Tragische an der Debatte ist, dass es trotz NSU, trotz V-Leute-Skandal, trotz der Beteiligung der Verfassungsschutzämter am Strukturaufbau und an politischen Aktionen von Neonazis ein ungebrochenes Bekenntnis zum Geheimdienst als solchem gibt,

(Beifall DIE LINKE)