Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

(Beifall DIE LINKE)

bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN füge ich hinzu trotz der Erfahrungen in der DDR. Die Linke hat im Februar 2012 einen Gesetzentwurf für eine tatsächliche Abschaffung des nach innen gerichteten Geheimdienstes in Thüringen vorgelegt. Die Argumente, die wir Ihnen damals hier vorgetragen und mit Sachverständigen diskutiert haben, sind auch heute noch richtig. Keine einzige Sitzung der beiden Untersuchungsausschüsse des Thüringer Landtags hat ein Argument für die ersatzlose Abschaffung entkräftet, im Gegenteil. Zutage getreten sind nicht nur personelle Fehler und strukturelle Mängel, zutage getreten sind vor allem systemische Fehler, die in einem Geheimdienst und in nachrichtendienstlichen, also verdeckten, Informationsbeschaffungen angelegt sind. Genau dies berücksichtigt Ihr Gesetzentwurf nicht. Ihr Gesetzentwurf ist in erster Linie ein Bekenntnis zum Geheimdienst, da werden Sie keine Unterstützung bei uns finden können. Aber Sie haben einen Vorschlag in den Landtag eingebracht, anders als die Regierungskoalition, und haben selbstverständlich ein Anrecht darauf, dass wir uns auch zum Gesetzentwurf in seinen Teilen äußern.

Meine Damen und Herren, Ihrem Gesetzentwurf haben Sie eine Änderung der Thüringer Verfassung im Artikel 97 vorangestellt. In der Pressekonferenz stellten Sie diese als hohe Hürde dar, die wie selbstverständlich von den Grünen in Angriff genommen wird, was eine neue und notwendige Qualität darstellt. Nun ist sie ein überflüssiger Popanz. In der Verfassung steht weder etwas von einem Landesamt noch von geheimdienstlichen Befugnissen. Wenn Sie sich mit Entstehung der Thüringer Verfassung und mit den Diskussionsbeiträgen in Thüringen zur Reform des Verfassungsschutzes

beschäftigt hätten, hätten Sie dies auch feststellen können. Prof. Baldus, Thüringer Verfassungsrichter, führt hierzu aus, ich zitiere: „Dem Wortlaut nach fordert Artikel 97 Satz 1 Thüringer Verfassung allein, dass es überhaupt eine Behörde gibt, die sich der Aufgabe des Schutzes der Verfassung annimmt, ohne dass damit auch die Organisationsform dieser Behörde, ihr Grad an Verselbstständigung festgelegt wird. Die Vorschrift spricht nicht davon, dass es ein Landesamt für Verfassungsschutz geben muss. Sie spricht nur von einer Landesbehörde. Der juristische Sprachgebrauch verwendet das Wort Behörde üblicherweise, um die in den staatlichen Hierarchien eingeordneten Organe zu bezeichnen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.“

Baldus verweist aufbauend auch auf eine Reihe von Aussagen von Sachverständigen unmittelbar vor der Abstimmung über den Artikel im Verfassungsausschuss im Oktober 1993. Da immer wieder behauptet wird, in der Verfassung begründet sich der Geheimdienst, sei Manfred Baldus noch in einem weiteren Auszug zitiert: „Wenn mithin die Thüringer Verfassung die Frage der Organisationsform offen lässt, fordert sie dann aber, dieser Behörde, in welcher Form sie auch immer organisiert ist, nachrichtendienstliche Befugnisse zuzuweisen, mithin Ermächtigungen zu heimlichen Informationserhebungen? Auch diese Frage ist zu verneinen. Artikel 97 Satz 2 Thüringer Verfassung bestimmt lediglich, dass dieser Landesbehörde keine polizeilichen Befugnisse und Weisungen zustehen. Es ist mit keinem Wort davon die Rede, sie stattdessen oder dann aber wenigstens mit nachrichtendienstlichen Befugnissen auszustatten.“

Kern Ihres Gesetzentwurfs ist die Auflösung eines Landesamtes für den Verfassungsschutz und die Neubildung einer Abteilung für den Verfassungsschutz. Was Sie vorher und hinterher haben, ist eine staatliche Behörde mit nachrichtendienstlichen Befugnissen für Zwecke des Verfassungsschutzes. Sie reden dabei von einem personellen und inhaltlichen Neuanfang. Den personellen haben Sie relativ plastisch dargestellt. Es darf keine personellen Identitäten geben. Den inhaltlichen Neuanfang konnten wir im Gesetz nicht erkennen. Während Sie die Weiterverwendung des Personals gesetzlich ausschließen, haben Sie zu den zwischenzeitlich über 16.000 Personendatensätzen und wahrscheinlich unzähligen Sachverhaltsdarstellungen keine Regelungen vorgesehen. Für einen inhaltlichen Neuanfang spricht dies nicht.

Aber Sie haben auch ein strukturelles Problem. Begründet haben Sie die Abteilungsbildung mit dem Schlagwort Verantwortungszuordnung. So groß sind die Unterschiede nicht. Derzeit ist der Innenminister oberster Dienstherr des Landesamtes. Zukünftig soll er der Leiter der Behörde für Verfassungsschutz sein. Die Durchgriffsmöglichkeiten ver

kürzen sich in der Tat. Allein das wirft schon die Frage nach der eigentlich erforderlichen politischen Neutralität auf, ist der Behördenleiter eines hochsensiblen Bereichs de facto ein Politiker, der von politischen Mehrheitsverhältnissen abhängig ist. Darüber hinaus ist der Innenminister in der Regel auch für die Polizei zuständig, mithin die Abteilung der Polizei unmittelbar in derselben Behördenstruktur, und zwar gleichrangig wie der Geheimdienst integriert. Hier stellt sich die Frage nach der strukturellen Einhaltung des verfassungsrechtlich erforderlichen Trennungsgebotes. So sehr Sie auch betonen, am Trennungsgebot aus historischen Gründen - Sacherwägungen standen ausweislich der Äußerung des Kollegen Dirk Adams in der Pressekonferenz nicht Pate - festhalten zu wollen, so scheitern Sie an diesem Vorhaben. Dafür trifft Sie allerdings keine Schuld, sondern es ist eine zwangsläufige Folge der Unvereinbarkeit eines Geheimdienstes mit einem demokratischen Rechtsstaat. Oder anders - an dieser Stelle offenbart sich der systemische Fehler. Das Trennungsgebot sagt, dass ein Geheimdienst über keinerlei Zwangsbefugnisse verfügen darf, weil er ja ohne strafprozessualen Anfangsverdacht und ohne das Vorliegen einer polizeirechtlichen Gefahr in Grundrechte von Menschen zur Informationsbeschaffung eingreifen darf. Dieses so verstandene Trennungsgebot macht aber auch nur dann Sinn, wenn die Institution mit Zwangsbefugnissen nicht auf ebenso erworbene Informationen anderer Behörden zugreifen darf. Mit Ihrem Gesetzentwurf werden die Aufgaben in getrennten Abteilungen ein und derselben Behörde organisiert, der Informationsaustausch aber derart instrumentalisiert, dass Sie von einer strukturellen oder gar informellen Trennung gar nicht mehr reden können, zum Beispiel dann, wenn die Informationsübermittlung an die Polizei zur, ich zitiere „vorbeugenden Bekämpfung von Staatsschutzdelikten ermöglicht wird“. Überdenkenswert sollte für Sie im Zusammenhang mit der Eingliederung in das Innenministerium auch die Tatsache sein, dass die mit der Einbringung des Verfassungsschutzes in das Ministerium verbundene Auflösung eines eigenständigen Amtes dieses als solches sich der öffentlichen Wahrnehmung entzieht und damit insbesondere die öffentliche, aber auch die parlamentarische Kontrolle durch den Landtag als Ganzes sich erschwert.

Nun haben Sie weiterhin versucht, die Eingriffschwellen zu konkretisieren. Im Wesentlichen belassen Sie sie aber im bisherigen Schema, ergänzen diese bloß durch die Norm zur Beendigung der Beobachtung im Falle fehlender Geeignetheit, der Gefährdung oder fehlender Anwendung von Gewalt. Auch zukünftig soll nach Ihrer Auffassung ohne konkreten Verdacht nachrichtendienstlich beobachtet werden können, wenn eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bestehen könnte. Ihre Begründung dafür wörtlich im Presse

gespräch, Zitat: „Wahrscheinlich brauchen wir das für die Vorfeldaufklärung.“ Mit Wahrscheinlichkeit zum Grundrechtseingriff schreiten, halten wir für wenig verfassungsrechtlich belastbar. Belastbar wollen Sie es gestalten, wenn Sie zum Beispiel im Bereich der Überwachung nicht öffentlicher Kommunikationsinhalte auf eine Reihe von Strafrechtsnormen verweisen, ohne dabei festzustellen, dass, wenn Sie Straftaten oder tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen haben, die Strafverfolgungsbehörden nicht nur handlungsbefugt, sondern handlungsverpflichtet sind. Da braucht es keinen Geheimdienst.

Meine Damen und Herren, daher wollen die Grünen auf V-Leute verzichten. Das allein ist tatsächlich ein erster Schritt zur geheimdienstfreien Gesellschaft. Aber da waren die Grünen plötzlich überrascht von ihrer eigenen Courage und relativierten. Ein Verzicht auf Probe soll es lediglich sein. Wenn die noch zu benennenden Evaluatoren nach bislang unbekannten Kriterien zu der Auffassung gelangen, es macht Sinn, auf V-Leute zurückzugreifen, so sollen sie wieder eingeführt werden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo steht das?)

In der Zwischenzeit verzichtet man aber, anders als in der Pressekonferenz dargestellt, nicht auf die Gelegenheitsinformanten, sondern man wolle auch weiterhin verdeckt ermitteln und Befragungen vornehmen. Die Grünen legen im Rahmen der öffentlichen Vorstellung sehr viel Wert darauf, dass Rechte der Betroffenen gestärkt werden. Aber auch hier blieb die verbale Darstellung hinter den vorgeschlagenen konkreten gesetzlichen Regelungen zurück. Die Auskunftsrechte gegenüber von Datenerhebungen betroffenen Personen wollen die Grünen inhaltsgleich mit der Regelung des Bundesverfassungsschutzgesetzes ausgestalten. Danach kann unter den gleichen Voraussetzungen begründungslos die Auskunft verweigert werden. Den Betroffenen bleibt die Beschwerdemöglichkeit beim Datenschutzbeauftragten. An dieser Stelle wird wiederum der nicht auflösbare Widerspruch zwischen einem geheim arbeitenden Nachrichtendienst einerseits und den Grundrechten von Menschen andererseits sichtbar. Will ich das eine sicherstellen, muss ich auf das andere verzichten und umgekehrt.

Meine Damen und Herren, im Gesetzentwurf der Grünen ist mehr Geheimdienst drin, als der Titel des Artikelgesetzes auf den ersten Blick erahnen lässt.

(Beifall DIE LINKE)

Er beinhaltet eine Reihe von Unbekannten, aber auch die Aufweichung des Trennungsgebotes. Er vermag nicht den grundsätzlichen Konflikt zwischen einer offenen transparenten Demokratie einerseits und einem Geheimdienst andererseits aufzulösen.

Der Versuch, diesem Konflikt hinterherzujagen und ihn durch Herumkritteln an den Eingriffstellen und Befugnissen zu lösen oder im Nachsorgen durch etwas mehr parlamentarische Kontrolle im grundsätzlich Geheimen zu entschärfen, muss scheitern. Aber meine Damen und Herren, unsere grundsätzliche inhaltliche Kritik lässt keinen Zweifel an dem ernsthaften Anliegen der Grünen, die Sicherheitsarchitektur in Thüringen zu reformieren. Deswegen werden wir uns einer Beratung auch unter dem Einfluss von Sachverständigen nicht verschließen. Aber eins ist der Gesetzentwurf nicht - ein Baustein zur geheimdienstfreien Gesellschaft. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Kalich. Als Nächster hat jetzt Abgeordneter Jörg Kellner für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf der Grünen hat sicherlich den Punkt getroffen, der uns im NSU-Untersuchungsausschuss alle bewegt, wo wir doch festgestellt haben, wie viele Defizite es gerade im Bereich Verfassungsschutz in den zurückliegenden Jahrzehnten gegeben hat, vor allem in der Zeit des NSU und dessen Untertauchen. Unser erklärtes Ziel war hier, auch aus dem Untersuchungsausschuss heraus, die Sicherheitsarchitektur in Thüringen zu verändern, zu verbessern. Ich hatte jetzt am Dienstag erst ein Gespräch mit einer Studentengruppe, wo dann zum Schluss gefragt wurde, welche dringendsten Aufgaben wir auch als CDU-Fraktion sehen, die wir bis zum Ende der Legislatur abschließen wollen. Meine Antwort darauf war, das Verfassungsschutzgesetz auf den Weg zu bringen und auch zu verabschieden. Ich weiß, dass der Innenminister an der Stelle auch ein Gesetz in Vorbereitung hat, was sich in der Feinabstimmung befindet, aber nichtsdestotrotz haben wir heute ein Gesetz vorliegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ich sage auch an der Stelle, wir werden uns einer Diskussion nicht verschließen und wir als CDU-Fraktion werden auch die Überweisung an den Innenausschuss mit beantragen. Auch wenn sich aus den Inhalten des Gesetzes, was ich von den Vorrednern gehört habe und Sie alle vernehmen konnten, doch erheblicher Aufklärungsbedarf, Diskussionsbedarf ergibt.

Ich will auch ein paar kleine Anmerkungen machen bzw. einzelne Paragrafen ansprechen, die aus meiner Sicht unbedingt geklärt und diskutiert werden müssen. Im Innenausschuss haben wir auf jeden Fall genügend Zeit, deswegen kann ich mich an der Stelle kurzfassen. Ich möchte aber eines noch vorwegschicken. Es geht jetzt nicht um die Struktur. Es

geht in erster Linie um Menschen, die an der Stelle versagt haben. Das muss man auch deutlich sagen. Wir haben im Untersuchungsausschuss mehrfach festgestellt, dass die Koordinierung nicht funktioniert hat, keine ordentliche Führung der V-Leute erfolgt ist, gerade in der Zeit des NSU bis zum Abtauchen die Dienstaufsicht versagt hatte - also alles Sachen, die eigentlich da waren, aber von Menschen, die die Verantwortung hatten, nicht genutzt wurden oder nicht ausreichend genutzt wurden. Auch das will ich vorwegschicken. Das gehört nämlich dazu, um nicht zu sagen, die Struktur ist schlecht, wir brauchen keinen Verfassungsschutz und dann ist alles gut. Das wird mitnichten so sein. Wichtiger ist, wir müssen den Verfassungsschutz auf den Prüfstand stellen. Es wird auch von der Landesregierung ein Gesetzentwurf vorgelegt werden und dann werden wir sehen, welche inhaltlichen Überschneidungen oder auch Möglichkeiten sich aus den Gesetzentwürfen ergeben. Das sollte unser Ziel sein.

Jetzt komme ich kurz zu dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es wurde hier schon mehrfach angesprochen, § 1: Das Landesamt wird bis zum 31.12.2014 aufgelöst. Aufgelöst! Das ist natürlich ein hehres Ziel. Parallel dazu sollen bis zum 31.12.2014 auch ca. 100 Beschäftigte entlassen werden. Aufgelöst - es muss aber am 01.01.2015 wieder arbeitsfähig sein. Es erschließt sich mir nicht, wie Sie das auf den Weg bringen wollen. Inhalt des § 2 ist, alle Mitarbeiter werden entlassen und dürfen auch im Anschluss weder im Verfassungsschutz noch in der beaufsichtigenden Behörde arbeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das ist Berufsverbot. Das ist an der Stelle Berufsverbot, Verstoß gegen Artikel 12 Grundgesetz - freie Berufswahl. Ich komme darauf zurück, was Frau Marx gesagt hat. Ich entlasse sie und die dürfen in diesem Bereich nicht mehr arbeiten, von der Putzfrau bis zum Abteilungsleiter dürfen die in keiner Weise mehr in diesem Bereich tätig werden. Das ist klassisch Berufsverbot und das vereinbart sich mit Sicherheit nicht mit dieser demokratischen Gesellschaft, die Sie letztendlich auch immer einfordern. Ich denke, Sie sollten ernsthaft darüber nachdenken, ob das so richtig gedacht und auch wirklich so gemeint ist.

Weiterhin haben Sie auch festgestellt, dass der Verfassungsschutz seine Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen bezieht, ca. 80 Prozent, haben Sie da reingeschrieben. Dann stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage: Was ist mit den anderen 20 Prozent? Wo kommen die Erkenntnisse beim Verfassungsschutz her? Wenn ich mal die 80 Prozent ansetzen würde, wo kommen die her? Parallel dazu sagen Sie, wir schaffen alle V-Leute ab, wir wollen keine V-Leute mehr haben. Jetzt ist die Frage: Wo kommen die Informationen her? Sie haben gesagt, wir arbeiten mit verdeckten Ermitt

(Abg. Kalich)

lern oder Ähnliches. Das ist aber was völlig anderes. Herr Adams, wie Sie wissen, ist ein V-Mann im Verfassungsschutz etwas völlig anderes, der nämlich aus der Szene heraus agiert. Sie wissen auch, dass es gerade in dem Bereich, ob das rechts ist, ob das der Islamismus ist, ob das auch die organisierte Kriminalität ist, die Rocker wurden auch schon genannt, äußerst schwierig ist, wenn nicht unmöglich, von außen jemanden da reinzubekommen. Wir haben auch mehrfach festgestellt, wie wichtig es ist, von innen heraus die Information zu bekommen, und deswegen sind V-Leute aus unserer Sicht nach wie vor wichtig, um auch die entsprechende Information zu bekommen. Und vielleicht, weil immer gesagt wird, da gibt es keine Erfolge: Die Sauerlandgruppe, die die Sprengstoffanschläge vorbereitet hat, ist sicherlich jedem bekannt. Der entscheidende Hinweis wurde von einem V-Mann aus Baden-Württemberg gegeben.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Gar nicht wahr. Den entscheidenden Hinweis hat die NSA geliefert. )

Nein. Nein, Herr Gentzel. Baden-Württemberg, VMann, nachlesen, steht drin. NSA hat den Ansatz gebracht, der V-Mann ist natürlich ein ägyptischer Arzt gewesen, der dort den entscheidenden Hinweis gegeben hat. Da müssen Sie nachlesen, das können Sie ganz genau einsehen. Das kam letztendlich über den Verfassungsschutz. Weil das immer so gesagt wird, es gibt keine Erfolge.

Zum anderen wissen wir auch nicht, welche Information im Vorfeld auch an die Polizei gesendet wird. Dafür ist ja der Verfassungsschutz da, aufzuklären im Vorfeld, Vorfeldaufklärung zu machen, Polizei zu informieren, bei Aufmärschen, bei Demonstrationen usw. Da sollte man natürlich auch mal hinschauen, welche Informationen da gekommen sind. Wenn Sie sagen, wir wollen keine V-Leute mehr haben, dann werden auch diese Informationen der Polizei vorenthalten.

Dann sind Sie die Antwort schuldig geblieben, was mit diesen Informationen ab 2015, 01.01.2015, wird, die jetzt natürlich vorhanden sind, ob das Datensätze sind, aber auch andere Informationen, die aus der Szene vorhanden sind, die bisher beobachtet werden. Was wird mit diesen Informationen? Werden die vernichtet? Wer bekommt die? Wie soll es weitergehen? Das sind viele Fragezeichen, die sich hieraus ergeben. Zum anderen auch diese Stellen mit Fachleuchten neu zu besetzen, 100 Leute wollen Sie entlassen und die wollen Sie hinterher wieder auffüllen mit wirklichen Fachleuten. Wo nehmen Sie die her? Wo kommen die Fachleute her? Die können doch nur aus dem Verfassungsschutz kommen, von anderen Bundesländern - oder wo wollen Sie die hernehmen? Sie können ja schlecht irgendjemanden von der Straße holen und sagen, Sie sind jetzt im Verfassungsschutz

tätig. Auch das muss hinterfragt werden und Sie sollten vielleicht auch noch einmal überlegen, wie das gemeint ist. Vielleicht habe ich das auch alles falsch verstanden.

Dann haben Sie noch vorgeschlagen, dass nach zwei Jahren eine Evaluation erfolgen soll, wenn die ohne V-Leute - ich weiß nicht, wie das funktionieren soll, ohne V-Leute, wo Sie da ansetzen wollen, welche Informationen, die es nicht mehr gibt, wollen Sie dann aber evaluieren, ob Sie die trotzdem haben ohne V-Leute? Aber Sie wissen ja gar nicht, was die V-Leute gebracht hätten. Auch das halte ich für äußerst schwierig, da eine Überprüfung vorzunehmen. Also das erschließt sich mir in keiner Weise. Es ist wichtiger aus meiner Sicht, ein Verfassungsschutzgesetz auf den Weg zu bringen, wo auf jeden Fall die PKK gestärkt wird, wo die PKK auch entsprechend Einfluss nehmen kann und das Parlament darüber, über die PKK, natürlich entscheidend mitbestimmen kann.

Zu Ihrem Vorschlag in § 26, die PKK öffentlich tagen zu lassen: Mir erschließt sich überhaupt nicht, wie das funktionieren soll. Einen Verfassungsschutz, den es zwar gibt, der im Verborgenen arbeiten muss - Sie sagen, wir wollen keine V-Leute, aber trotzdem im Verborgenen arbeiten muss -, soll hinterher öffentlich mitteilen, was man herausbekommen hat, wo die nächsten Ansätze sind und was man als Nächstes auf der Agenda hat. Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erschließt sich mir im Moment nicht.

Ich denke, das sollte für den Anfang reichen. Es gibt noch viele Fragezeichen, aber ich denke, dafür ist der Innenausschuss da, die vielleicht doch abschließend zu klären. Deswegen unser Antrag zur Überweisung an den Innenausschuss, um die Fragezeichen aufzulösen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Kellner. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dirk Adams für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen hier im Thüringer Landtag, erst einmal vielen Dank an alle Rednerinnen und Redner, an wirklich alle Rednerinnen und Redner für die Kritik, die Sie geübt haben. Das war uns klar, dass das heute keine einfache Debatte wird, dass es eine Debatte wird mit vielen Fragen, auch mit vielen Widersprüchen, die angesprochen werden, aber wir Grüne sind nicht dafür bekannt, dass wir vor derlei Gefahren, dass es auch mal schwierig

(Abg. Kellner)

wird, zurückschrecken. Die Debatte hier im Thüringer Landtag hat, glaube ich, heute als Erstes schon gezeigt, dass wir dringend darüber diskutieren müssen, wie diese Sicherheitsarchitektur aussehen soll. Damit haben wir einen Impuls gegeben und schon ein ganz klitzekleines Zwischenziel erreicht.

Ich möchte jetzt nicht noch mal das Gesetz vorstellen und dann immer darauf eingehen und sagen, da haben Sie mich falsch verstanden. Sie haben ganz oft, von Herrn Koppe bis zu Herrn Kalich über Herrn Kellner, alle Fragen gestellt. Ich will versuchen, ganz kurz auf einige dieser Fragen einzugehen, dass sie nicht ganz so im Raum stehen bleiben müssen.

Ich will bei Herrn Kellner anfangen. Eine Ihrer letzten Fragen war, wie das mit den öffentlichen Sitzungen der PKK ist. Es gibt Bundesländer, in denen das praktiziert wird. Wenn Sie sich ansehen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz in seiner heutigen Form - noch gar nicht in der Form, in die wir es bringen wollen - schon Veröffentlichungen herausgibt, Pressemitteilungen herausgibt, Informationen gibt, Informationen geben will, was hindert einen denn daran, so eine Information in öffentlicher Sitzung zu geben? Was hindert einen daran, Nachfragen von Abgeordneten in öffentlicher Sitzung auch zu beantworten, zu Sachverhalten, die man gern in öffentlicher Sitzung beantworten kann? Nichts hindert einen daran, nach jeder öffentlichen Sitzung eine nicht öffentliche und dann entsprechend eingestufte Sitzung zu haben.

Das jetzige Verfahren, wonach sozusagen eigentlich nur bekannt ist, dass es fünf Menschen gibt, die in dieser PKK sitzen, und dass wir alle zwei Jahre Ihnen hier im Plenum einen Bericht geben, ist ein Verfahren, das intransparent ist, das auch permanent die Vermutung nahe legt, arbeiten die da eigentlich oder die arbeiten wahrscheinlich gar nicht, die lassen sich alles Mögliche erzählen. Die öffentliche Sitzung ist doch ein erster Punkt, in dieses Kontrollorgan auch Vertrauen schöpfen zu können.

Sie haben die Frage gestellt: Wie machen wir das mit dem Personal? Das ging durch mehrere Sachen durch. Herr Kalich hat dazu einen ganz wichtigen Punkt gesagt, auf den ich nachher noch eingehen will. Er hat gesagt, wer war das denn, der die antifaschistischen Initiativen, die Leute, die in der Zivilgesellschaft unterwegs sind und sich gegen rechts engagieren, wer hat denn die zum Teil diskreditiert? Da hat Herr Kalich recht, dass das zum Teil aus dem Landesamt für Verfassungsschutz direkt kam. Wie will ich dann mit diesen Leuten weitermachen, wenn ich eine andere Zielstellung organisieren möchte? Das geht nur mit einem personellen Schnitt. Niemandem wird gesagt, dass er jetzt nicht mehr arbeiten darf, sondern sie sollen in anderen Bereichen des Geschäftsbereichs eingesetzt

werden, und das geht. Das sind Beamte, die kann der Innenminister dahin setzen, wo er sie braucht.

Die Frage, ob wir dafür eine Übergangsregelung einsetzen wollen, die Frage, ob wir ein Wiederkommen organisieren wollen, ist doch eine Frage, die wir in diesem Gesetzgebungsverfahren durchdiskutieren können, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mir ist aufgefallen, dass sehr viele - von Herrn Kellner wirklich bis zu Herrn Kalich - immer wieder in den Begründungen gelesen haben, insbesondere, wenn es um Kritik gehen sollte. Ich würde Sie wirklich bitten, wenn wir im Innenausschuss in die Debatte eintreten, dass wir uns mehr an den Gesetzestext halten und uns nicht einzeln herausgezogene Zitate, die einem gerade gut ins Redemanuskript passen, herausnehmen.

Herr Kalich, Sie haben, glaube ich, am heftigsten kritisiert, auch dafür herzlichen Dank. Aber vielleicht gibt es ein paar Dinge, die man hier doch geraderücken muss. Ich weiß nicht, warum Ihnen das so wichtig ist, uns an der Stelle zu diskreditieren. Aber die Bemerkung, dass wir ausgeführt hätten, dass ich irgendwann erzählt hätte, dass wir bei den Grünen darüber nicht mehr diskutiert haben, ist so irrig, ist so weit von der Realität weg, dass, Frau König, Sie wirklich überprüfen müssen, ob Sie da richtig mitgeschrieben haben. Es gibt kein Thema, über das wir so intensiv, so häufig und so permanent diskutiert haben, so häufig, von der LAG, bei jedem Landesparteirat und in vielen extra Sitzungen. Das können wir nicht stehen lassen und ich weiß auch gar nicht, warum es Sie an der Stelle interessiert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stellvertretend für die Gesellschaft führen wir die Debatte, wohin sich diese Sicherheitsarchitektur entwickeln soll. Die Linke sagt, die Sache ist vollkommen klar, weg damit und dann haben wir alle Probleme gelöst. Ich glaube, die Debatte um Ihren Gesetzentwurf hat es doch gezeigt, dass es so einfach nicht ist. Und alles, was wir aus dem Referentenentwurf, der dem Landtag von der Landesregierung zugeleitet wurde, wissen, ist, dass es da ein doch starkes Verharren im Alten gibt. Und jetzt haben Sie nichts anderes als größtes Problem, als dass es jemanden gibt, der versucht, zwischen diesen beiden Polen, die ziemlich zementiert sind und die sich beide nicht durchsetzen und die beide hier keine Mehrheit bekommen, einen neuen Diskussionsanstoß zu geben. Da verstehe ich die Linke nicht, dass das Ihr Hauptproblem ist, dass jemand versucht, da einen Weg aufzuzeigen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, glaube ich, noch mal ganz wichtig herauszuarbeiten. Sie haben gesagt: Was wollt ihr Grünen eigentlich? Wollt ihr diese Abteilung dichter an den Minister binden, an die Hausspitze - denn eigentlich

wollt ihr ja Unabhängigkeit - oder geht es um die Frage von Verantwortung? Ich glaube, diese Frage von Verantwortung und Unabhängigkeit ist aus der Balance gekommen und das ist unser Ziel, das ist unsere Aufgabe, das ist unser Streben, dass wir diese Fragen wieder in eine Balance hineinbekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Herr Kollege Koppe hat danach gefragt - eine ganz berechtigte Frage -, warum macht ihr das mit der Organisierten Kriminalität. Ich glaube, dass es in der Debatte im Innenausschuss relativ deutlich ist unter den Innenpolitikern, dass es für diese Organisierte Kriminalität im Verfassungsschutz als eigenes Beobachtungsobjekt keine Mehrheit mehr gibt, das ist erst mal sozusagen der politische Wille.