Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

Auf „gut“ reimt sich „Mut“.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Die Narren und die Närrinnen halten sich noch etwas zurück. Nichtsdestotrotz ist der Zeitpunkt gekommen, die Tagesordnung zu schließen.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Ich wollte natürlich nur den Tagesordnungspunkt schließen. Mir ist klar, wenn ich das jetzt durchgesetzt hätte, die Sympathien wären übergebordet in meine Richtung. Leider, leider geht das noch nicht. Wenden wir uns dem Ernst des Lebens zu, nämlich dem Tagesordnungspunkt 6.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6

Gesetz zur Änderung des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Vorschriften des öffentlichen Rechts Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/6875 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 5/7312

dazu: Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/7368

dazu: Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/7362

ZWEITE BERATUNG

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Kalich aus dem Innenausschuss zur Berichterstattung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, viel trockener geht es nun wirklich nicht. Wenn ich mir den Titel noch mal anschaue: Gesetz zur Änderung des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Vorschriften des öffentlichen Rechts in der Drucksache 5/6875. Dazu fand in der Plenarsitzung am 21.11.2013 die erste Beratung statt, in der der Gesetzentwurf ohne Aussprache zur weiteren Bearbeitung an den Innenausschuss überwiesen wurde. In der Sitzung des Innenausschusses am 13.12.2013 wurden die Durchführung einer schriftlichen Anhörung und die Einstellung des Gesetzentwurfs in das Online-Forum des Landtags beschlossen. In der schriftlichen Anhörung gingen nun Stellungnahmen ein, die des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, des Vereins Mehr Demokratie e.V., hier des Landesverbandes Thüringen, der Bürgerinitiative Fahner Höhe, der Umweltverbände BUND und NABU

(Staatssekretärin Neubert)

sowie der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald sowie des Vereins Thüringer Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter e.V., der kommunalen Spitzenverbände, Thüringer Gemeinde- und Städtebund und Thüringer Landkreistag sowie des Staatsministeriums Baden-Württemberg, genauer des Büros der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. Der Datenschutzbeauftragte forderte insbesondere Nachbesserungen beim Schutz besonders sensibler Daten, wie zum Beispiel Gesundheitsdaten, und verlangte zu deren Schutz im Rahmen der Anwendung des De-Mail-Verfahrens den Einsatz einer sogenannten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Er spricht sich gegen den Einsatz des ID-Verfahrens aus und erläutert darüber hinaus auch grundsätzliche datenschutzrechtliche Probleme. Der Verein der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter befürwortete den Gesetzentwurf auch mit Verweis auf die so mögliche Simultangesetzgebung auf Bundesebene und in den Bundesländern zu den von den Gesetzesänderungen betroffenen Regelungsthemen. Die Landesregierung, auch Befürworterin einer solchen Simultangesetzgebung, teilte auf Nachfrage in der Ausschussberatung am 14.02. mit, dass eine solche Simultangesetzgebung möglich, aber rechtlich nicht zwingend notwendig ist, und die einzelnen Länder jeweils einen eigenen Gestaltungsspielraum bei dieser Vorschrift haben. Auch die kommunalen Spitzenverbände befürworteten den Gesetzentwurf. Der Gemeinde- und Städtebund verlangte in seiner Stellungnahme auch die Einführung des zusätzlichen Berechtigungskriteriums der Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses, damit Personen den Anspruch auf die Erteilung von elektronischen Dokumenten durch die Behörden geltend machen können. Der Verein Mehr Demokratie, die Bürgerinitiative Fahner Höhe und die Verbände BUND und NABU monierten insbesondere, dass die Wortwahl in der neuen Vorschrift zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung rechtlich zu unverbindlich ist und forderten die Ausformulierung der Vorschriften im Sinne von Rechts-, Informations- und -Beteiligungsansprüchen für die Betroffenen bzw. die interessierte Öffentlichkeit. Die genannten bürgerschaftlich engagierten Organisationen forderten auch eine stärkere Verpflichtung zur Veröffentlichung von Verfahren bzw. Ergebnissen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Netz. Auch im Online-Forum des Landtags sind Beiträge von am Gesetzentwurf interessierten Bürgern eingegangen. Die Beiträge bezogen sich auf die zwei Schwerpunktbereiche des Gesetzentwurfs, den Ausbau der elektronischen Kommunikation der Behörden und Bürgerinnen und Bürger sowie die Einführung des Verfahrens der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung. Neben Beiträgen, die den Ausbau elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten befürworten, finden sich auch Stellungnahmen, die den Einsatz dieser Mittel, zum Beispiel des De-Mail-Verfahrens, aus da

tenschutzrechtlicher Sicht kritisch bewerten oder auch ablehnen bzw. zumindest technische Standards, wie die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, forderten. Von den vier zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Beiträgen sehen drei Beiträge positive Wirkungen des neuen Verfahrens, zum Beispiel hinsichtlich der Akzeptanz von Vorhaben, wenn das Verfahren eine wirkliche Steigerung der Beteiligungsmöglichkeit darstellt. Ein Beitrag lehnte die konkrete Vorschrift im Gesetzentwurf zu diesem neuen Verfahren ab.

In der Sitzung des Innenausschusses am 14.02.2014 wurden von drei Fraktionen zwei Änderungsanträge zur Debatte und Abstimmung gestellt. Der Änderungsantrag von CDU- und SPD-Fraktion in Vorlage 5/4363 greift unter anderem die Forderung des Gemeinde- und Städtebundes auf, die Änderung des § 33 Verwaltungsverfahrensgesetz betreffend hinsichtlich der Einführung des zusätzlichen Kriteriums Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses am Erhalt eines elektronischen Dokuments. Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Vorlage 5/4387 berücksichtigte alle Änderungsforderungen des Datenschutzbeauftragten, insbesondere hinsichtlich des Verzichts auf Anwendung bestimmter Verfahren bzw. der Einführung erhöhter datenschutzrechtlicher Standards und umfassender Veröffentlichungspflichten zur Information über Verfahren der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Netz. Ebenfalls im Änderungsantrag der Linken aufgegriffen werden die Vorschläge der größeren rechtlichen Verbindlichkeit des Verfahrens der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne eines Rechtsanspruches auf Beteiligung, der Durchführung der Beteiligung von Antragstellung durch die Vorhabenträger und der Verlängerung der Stellungnahmefristen. Die Inhalte des Änderungsantrags der Linken fanden keine Mehrheit. Die Ausschussmehrheit beschloss in der Sitzung am 14.02.2014 die Annahme des Gesetzentwurfs unter Berücksichtigung der von der CDU- und SPD-Fraktion vorgeschlagenen Änderungen zu § 33 Verwaltungsverfahrensgesetz. Dieses Beratungsergebnis liegt heute als Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 5/7312 erneut zur Abstimmung vor. Ich danke.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter. Wünscht die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Begründung zum Entschließungsantrag? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und wir beginnen mit dem Abgeordneten Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Abg. Kalich)

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte um die Änderung des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Vorschriften des öffentlichen Rechts kann ich hier ganz kurz halten für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dies ist ein Gesetz, in dem im Wesentlichen bundesrechtliche Regelungen hier nach Thüringen umgesetzt und eingeführt werden sollen. Wir werden dieses Gesetz ablehnen und machen das mit unserem Entschließungsantrag deutlich. Wir lehnen es aus drei Gründen ab. Erstens, wie eben schon im Bericht aus dem Ausschuss dargestellt: Die Anzuhörenden haben aufzeigen können, dass die De-Mail nicht sicher ist. Sie hat keine End-zuEnd-Verschlüsselung und deshalb wollen wir diese hier nicht eingeführt haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene hier für eine Gesetzesänderung einzusetzen. Wir fordern sie auch auf, bis dahin dieses Recht nicht in Thüringer Recht umzusetzen.

Drittens: Es ist nicht zeitgemäß im Jahr 2014, Vorbeteiligung oder frühe Bürgerbeteiligung nur fakultativ im Verwaltungsverfahren aufzunehmen. Wir brauchen Bürgerbeteiligung an allen Stellen, Bürgerbeteiligung ernsthaft und damit auch Bürgerbeteiligung obligatorisch in allen Verfahren, die hier anstehen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen maximale Transparenz. Maximale Transparenz heißt, dass wir eben nicht fakultativ, sondern obligatorisch die für den Antrag oder das Vorhaben wichtigen Unterlagen auch in das Internet einstellen, so dass jeder Bürger ohne große Kostenschranken sich mit der Thematik auseinandersetzen kann, wenn sie, wenn er das will. Darum bitten wir Sie um Zustimmung für unseren Entschließungsantrag und um Ablehnung für das Gesetz der Landesregierung. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Holbe von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Landtagskolleginnen und -kollegen, das ist wirklich nicht ganz einfach, aus dem illustren Stuhlkreis wieder in die Plenardebatte zurückzukommen. Und dann noch dieses Thema, Herr Kalich, da gebe ich Ihnen völlig recht. Es ist aus unserer Sicht im Grunde gar nicht so viel zu sagen, denn der vorgelegte Gesetzentwurf der Landesregierung befasst sich damit, die Änderungen im Verwaltungsverfahrensgesetz des

Bundes in Landesrecht zu übertragen, also Gesetzestechnik, Simultangesetzgebung, die wir hier umsetzen.

Gleichwohl will ich noch mal die Schwerpunkte darstellen, die ich schon als Verbesserung ansehe, insbesondere Punkt 2.

Doch zunächst Punkt 1: Die Erleichterung der elektronischen Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung soll dadurch erfolgen, dass die Schriftform neben der bisher schon bestehenden Möglichkeit der qualifizierten elektronischen Signatur durch weitere Verfahren ersetzt werden kann. Ich denke, es ist zeitgemäß, das hier einzubringen.

Zweitens - die Einführung einer frühen Bürgerbeteiligung, der Öffentlichkeit bei Großverfahren. Ich denke, jeder, der ein solches Verfahren auf den Weg gibt, ist gut beraten, hier entsprechend frühzeitig die Bürger zu beteiligen. Gerade das soll ja erreicht werden, insbesondere bei Planfeststellungsverfahren. Hier wird die Möglichkeit eröffnet, sich leichter zu beteiligen, zügiger an Informationen zu gelangen, und dies wird vielleicht im Ergebnis nicht zu einer wesentlich besseren Akzeptanz führen. Aber die Transparenz, Herr Adams, Sie haben es erwähnt, die wichtig ist, um diese Vorhaben erst einmal bekannt zu machen und die Bürger zu beteiligen oder die entsprechenden Institutionen, da halten wir es auch für wichtig, dass dies im Gesetz eingearbeitet ist.

Erforderlich und wichtig ist die Anpassung des Landesrechts an das Bundesrecht schließlich auch deshalb, da durch die inhaltliche Übereinstimmung der Vorschriften eine juristisch einheitliche Auslegung der jeweiligen Paragrafen durch die Behörden und Gerichte gewährleistet ist. Deswegen lehnt auch meine Fraktion die Änderungsanträge, die wir hier von den Linken und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorliegen haben, ab. Wir werden dem Gesetzentwurf, wie die Beschlussempfehlung im Innenausschuss am 14.02. in Drucksache 5/7312 gefasst worden ist, zustimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Kalich von der Fraktion DIE LINKE.

Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verhält es sich debattentechnisch ein Stück weit wie mit dem Gesetzentwurf zu den Justizkosten. Die vorgeschlagenen Änderungen werden vor allem deshalb aktuell, weil der Bundesgesetzgeber aktiv geworden ist, a) im Bereich der Stärkung der elektronischen Kom

munikation im Verwaltungsverfahren und b) hinsichtlich der Verankerung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Verwaltungsverfahrensrecht, hier vor allem mit Blick auf die Planungsangelegenheiten.

Wenn solche Änderungen in Bundesgesetzen durch den Landesgesetzgeber widergespiegelt und umgesetzt werden, ist es nach Ansicht meiner Fraktion Aufgabe des Landesgesetzgebers, also des Thüringer Landtags, sich nochmals kritisch mit den bundesrechtlichen Änderungen auseinanderzusetzen. Zum einen ist dies notwendig für einen verantwortungsvollen Umgang mit den rechtlichen und verwaltungslogistischen Umsetzungsmöglichkeiten auf der Landesebene. Zum anderen ist dies notwendig, um schon im Gesetzgebungsprozess einen möglichst treffenden Überblick zu bekommen, an welchen Punkten der Umsetzung Probleme aufgetreten und gegebenenfalls Nachbesserungen notwendig werden könnten. Ein Ausbau der Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation in dem Verwaltungsverfahren und Behördenangelegenheiten ist sinnvoll. Allerdings sind dabei drei Punkte unverzichtbar. 1. Datenschutz und Datensicherheit auf möglichst hohem Niveau. Das muss auch gewährleistet sein bei Zulassung weiterer Verfahren der elektronischen Kommunikation über die schon bestehenden Verfahren der Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur hinaus. Hier ist vor allem auf das Problem der E-Mail zu verweisen. Der Landesdatenschutzbeauftragte hat in seiner Stellungnahme zur Anhörung sehr ausführlich auf dieses Problemfeld hingewiesen. Nun würde es, praktisch gesehen, problematisch sein, Thüringen als freie Insel aus dem Länderverbund auszuklinken. Aber es ist unverantwortlich, und diese Kritik geht an den Innenminister, sich sozusagen fast sklavisch auf eine gar nicht notwendige Simultangesetzgebung der Länder bei diesem Gesetz zu berufen und Datenschutzanforderungen über den Haufen zu fahren. Auch aus diesem Grund hat sich die Fraktion DIE LINKE zu einem Änderungsantrag zur Beschlussempfehlung entschlossen. In ihm werden die Änderungsforderungen des Landesbeauftragen für Datenschutz aufgegriffen, unter anderem die Forderung, bei Nutzung von sensiblen persönlichen Daten, zum Beispiel aus dem Gesundheitsbereich, das Verfahren der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu nutzen. Unbegreiflicherweise wird die CDU- und SPD-Koalition die Änderungsvorschläge des Datenschutzbeauftragten nicht übernehmen. Nur eine Forderung des Städte- und Gemeindebundes, die den Zugang zu Einwohnern zu elektronischen Dokumenten erschwert, ist in der Beschlussempfehlung als Änderung zu finden. Das zeugt von mangelndem Verständnis, was Informationsfreiheit als Grundrecht angeht. Die Informations, Nachweis- und Archivfunktion muss zugunsten der Beteiligten, vor allem der Bürgerinnen und Bürger, ebenso gut sein wie bei den klassischen Pa

pierverfahren. Deutlich wird dies auch an einer Forderung im Zusammenhang mit dem Verfahren der früheren Öffentlichkeitsbeteiligung. Hier verlangen Verbände wie BUND und NABU, aber auch Mehr Demokratie Thüringen, dass die Informationen zum Verfahren im Netz veröffentlicht werden müssen. Auch diese Forderung aus der Anhörung, die leider mit Blick auf das Thema „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ nur eine schriftliche war - das Online-Forum des Landtags gleicht diese Lücke nicht aus -, greift die Linke mit ihrem Änderungsantrag auf. Es darf durch die verstärkte Einführung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten im Behördenverkehr keine elektronische Zwei- oder sogar Mehrklassengesellschaft entstehen. Menschen aller Altersgruppen und aller gesellschaftlichen Schichten müssen in gleicher Weise ungehindert mit den Behörden zur Wahrnehmung ihrer Rechte kommunizieren können. Das muss ganz unabhängig davon sein, ob sich diese Menschen den elektronischen Weg leisten wollen oder finanziell und logistisch leisten können. Sind diese Gesichtspunkte berücksichtigt, ist der Ausbau der elektronischen Kommunikation zu befürworten. Die Frage der möglichst frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Verwaltungsverfahren, vor allem in Planungsverfahren, ist ein wichtiger Schwerpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfs. Diese Beteiligung wird umso wichtiger, je aufwendiger das Projekt ist, je größer die Auswirkungen des Projekts auf Umgebung und Umwelt sind, je gesellschaftspolitisch umstrittener das Vorhaben ist. Die Stärkung der Bürgerbeteiligung, besser Einwohnerbeteiligung bzw. frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planungsverfahren und Projektplanungsprozessen wurde in der Vergangenheit, auf Thüringen bezogen, hier im Landtag schon diskutiert. Allerdings nicht so ausführlich hier im Plenum; vielmehr fand im Juni 2012 eine Demokratiefachtagung statt, veranstaltet vom Bündnis Mehr Demokratie in Thüringen, in dem auch die Linke sowie die SPD und das Bündnis 90 Mitglieder sind. Dabei wurde auch deutlich, dass die stärkere Einbeziehung der Einwohner, ihrer Belange und Vorschläge nicht nur bei klassischen Bauvorhaben sinnvoll ist, sondern zum Beispiel auch bei anderen öffentlichen Projekten wie Fragen der Ausgestaltung von Nah- und Fernverkehrsangeboten, Stichworte dazu die Festlegung von Haltepunkten oder Fahrplänen. Es ist insofern zu begrüßen, dass die Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in § 25 Verwaltungsverfahrensgesetz und dort unter „Verfahrensgrundsätzen“ aufgenommen wurde. Damit wird die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung für alle Verwaltungsverfahren anwendbar und nicht nur im Bereich der Planfeststellung. Allerdings signalisiert der Wortlaut des neuen Absatzes 3 wenig rechtliche Verbindlichkeiten, ich zitiere: „wirkt darauf hin“. Hier muss nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE, die sich hier mit zahlreich angehörten Organisationen deckt, eine andere Formulierung gewährt werden, die rechtli

che Verbindlichkeit des Verfahrens der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung absichert und auch die Pflichten der Vorhabenträger deutlich regelt. Im Änderungsantrag der Linken findet sich der entsprechende Vorschlag für die Neugestaltung des § 25, der auch Anregungen des BUND aufgreift. Wichtig ist, dass durch die Änderungen die Durchführung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung zwingend vor Antragstellung durch den Vorhabenträger stattfinden muss. Nur dann macht eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne der Rechte und Interessenwahrung der Einwohner wirklich Sinn. Es geht darum, dass betroffene, interessierte und engagierte Einwohner und Bürgerinitiativen so früh wie möglich mit ihren Anliegen, Vorschlägen usw. Einfluss nehmen können auf den Planungs- und Entscheidungsprozess. Weitere Details zum Verfahren sind dann in einer Verordnung, die der Zustimmung des zuständigen Fachausschusses des Landtags bedarf, zu regeln. Diese Rückbindung der Verordnung an das Parlament dient der demokratischen Kontrolle des Inhalts und der Ausgestaltung und Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit. Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung hat, wenn man sie ernst nimmt, eine durchaus schon gestalterische Funktion, auch ausgeübt von der einbezogenen Öffentlichkeit durch ihre Einschätzungen und Vorschläge. Das geht über bloße Beratung und Auskunft deutlich hinaus. In diesem Zusammenhang sei auch auf die in der ersten Lesung zum Bundesgesetz im Bundestag geäußerte Kritik aus der Fraktion DIE LINKE verwiesen. Mit Ihrer Genehmigung zitiere ich aus der Rede meiner Kollegin Sabine Leidig: „Sie nehmen die Anliegen und die konkreten Erfahrungen der Bürgerbeteiligung gar nicht ernst, sondern Sie wollen lediglich etwas früher um Akzeptanz werben, damit die Großprojekte, die Sie vorgeben, möglichst ungestört und beschleunigt umgesetzt werden können.“ Diese Kritik stimmt als Grundsatzkritik immer noch, obwohl es nach dieser ersten Lesung am Gesetzentwurf auf Bundesebene noch Änderungen gab. Das heißt aber auch, wie schon mit Blick auf Änderungsbedarf beim Punkt „elektronische Kommunikation“ gilt auch für die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung, wenn die vom Bund bzw. anderen Ländern vertretenen Regelungen, nachdem die Ergebnisse der Ausschussberatung, insbesondere der Anhörung, Mängel aufweisen, muss der Landesgesetzgeber sich für die inhaltliche bessere Regelung und gegen die sogenannte Simultangesetzgebung entscheiden, zumal der Innenminister zugibt, dass der Landesgesetzgeber diese Gestaltungsfreiheit hat.

Zum Schluss noch folgende kritische Gedanken, um das Verfahren der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung auch in den Gesamtzusammenhang der demokratischen Beteiligungsinstrumente insgesamt zu stellen. So sinnvoll für sich genommen eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ist, trifft auch zu: Diese Öffentlichkeitsbeteiligung darf als Instrument nicht

dazu missbraucht werden, um wirkliche Mitentscheidungsmöglichkeiten der Menschen bei Projekten, vor allem großen Bauprojekten, als überflüssig hinzustellen. Nach Ansicht meiner Fraktion gilt daher, eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung kann und darf kein Ersatz für direkte demokratische Mitbestimmungsverfahren sein. Um bei solchen Projekten Anwendung zu finden, müssen aber die derzeitigen Regelungen zur direkten Demokratie reformiert werden. So zum Beispiel: Eine Abschaffung des sogenannten Finanztabus bei Volksbegehren ist notwendig. Das Bahnhofsmonsterprojekt Stuttgart 21 wird mit Recht als gesellschaftspolitischer Auslöser für die Bundes- und Ländergesetzgebung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung benannt. Baden-Württemberg ist daher bei der Umsetzung und Ausgestaltung am aktivsten, bis hin zur Erstellung eines neuen Planungsleitfadens. Daran sollte sich Thüringen orientieren.

Bei Stuttgart 21 hatte es keine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung gegeben und der Volksentscheid wurde leider nicht in der Planungsphase abgehalten, sondern erst zu einem sogenannten Ausstiegsgesetz. Viel zu spät für wirkliche Mitentscheidung der Einwohner über das Projekt. Die spannende Frage ist daher, ob es je zu Stuttgart 21 gekommen wäre, wenn über dieses Großprojekt und Milliardengrab in der Planungsphase auf direktem demokratischem Weg entschieden worden wäre.

Auch in Thüringen gibt es solche Beispiele für in ihrem Sinne mehr als fragwürdige und damit hoch umstrittene Projekte. Ein Stichwort ist hier die 380-kV-Leitung durch den Thüringer Wald. Es gibt aber sichtlich bei intensiver Betrachtung noch manches Projekt, genauer genannt Bauprojekt, in Thüringen, das mit einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung oder noch besserer direkt demokratischer Entscheidung eine sinnvolle Lösung gefunden hätte. Insofern kann eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung zu mehr Akzeptanz für Projekte bei den Einwohnern führen. Wichtig dabei ist jedoch, dass sie die Erfahrungen machen, in dieser frühen Öffentlichkeitsbeteiligung auch wirklich ernst genommen zu werden mit ihren auch kritischen Einschätzungen, ihren Vorschlägen und es so tatsächlich die Möglichkeit gibt, konkrete Veränderungen bei Projekten zu erwirken. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Bergner von der FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir beraten heute eine

(Abg. Kalich)

Änderung zum Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz. So kompliziert, wie es sich ausspricht, ist es auch. Was soll die Gesetzesänderung bringen? Im Wesentlichen, meine Damen und Herren, lässt sich das schnell zusammenfassen. Es soll zur Vereinheitlichung der Verwaltungsverfahrensgesetze von Bund und Land beitragen und somit die derzeitige bestehende Zersplitterung von Verwaltungsverfahrensgesetzen und Fachgesetzen von Bund und Land vermeiden. Es soll die elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung durch Erweiterung der Schriftform erleichtert werden. Die Nutzung der De-Mail ist eine Neuerung des Gesetzes sowie die Möglichkeit der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben oder Planfeststellungsverfahren. Das hört sich erst einmal alles sehr gut an, aber es gibt eben auch hier und dort einige Probleme, meine Damen und Herren.

Bei der elektronischen Kommunikation geht es insbesondere um datenschutzrechtliche Aspekte. Die Förderung der rechtssicheren, datensicheren und zuverlässigen elektronischen Kommunikation zwischen Behörden und Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern ist für die heutige Informationsgesellschaft von erheblicher Bedeutung. Datensicherheit und Datenschutz sind unabdingbare Voraussetzung für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zum Unternehmen „E-Government“. Nur wenn wir gewährleisten, dass Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet sind, werden E-Government-Anwendungen auch von den Nutzern im hohen Maße angenommen. Auch wenn die De-Mail eine sicherere elektronische Kommunikation als die ganze normale E-Mail darstellt, besteht eben keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Wie schon gesagt und auch hier schon mehrfach angeklungen, sie gewährleistet mehr Datenschutz als bisher. Aber ist diese Gewährleistung denn wirklich ausreichend, um sensitive Daten, wie Sozialdaten, über eine DeMail-Verbindung unbesorgt zu versenden? Können wir dies mit gutem Gewissen unseren Bürgern sagen, meine Damen und Herren? Genau hier liegt auch das Problem, auf das der Thüringer Datenschutzbeauftragte hingewiesen hat. Ich will beileibe die De-Mail nicht verteufeln. Sie ist für einen normalen Datenaustausch meines Erachtens vollkommen ausreichend und bietet auch hier genug Sicherheit. Aber es gibt auch Daten, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob sie mit der De-Mail versendet werden sollten und ob ich das gern tun würde.

(Beifall FDP)

Ein anderes Problem sehe ich bei der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung. Spätestens seit Stuttgart 21, die Vokabel ist heute bereits gefallen, muss allen klar sein, wie wichtig die Öffentlichkeitsbeteiligung ist und wie wichtig es ist, auch zeitig die Öffentlichkeit zu beteiligen. Spätestens dort hat man gesehen, welche Ausmaße es annehmen kann, wenn Bürger sich zu spät informiert fühlen und

wenn sie zu spät eingebunden werden und wenn sie einfach an sehr formalen Öffentlichkeitsbeteiligungen auch ein Stück weit scheitern. Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist ein Mittel, um solche Vorkommnisse zu minimieren. Ausschließen wird man sie damit nicht.