Meine sehr verehrten Damen und Herren, 88 Prozent der zu erteilenden Unterrichtsstunden wurden nach Stundenplan erteilt. Von den 12 Prozent des zu vertretenden Unterrichts wurden gerade einmal 1,6 Prozent fachgerecht vertreten und in 1,3 Prozent der Fälle wurden Aufgaben statt Ausfall gegeben. Eine Kategorie, die im Übrigen sehr interessant ist und über die man bei der ministeriellen Erhebung und ihren öffentlichen Statistiken einmal nachdenken sollte. Der Rest: ersatzloser Ausfall bzw. fachfremde Vertretungen laut LSV-Statistik. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass drei Viertel des nicht ordnungsgemäß erteilten Unterrichts nicht im Sinne der Schüler erteilt worden ist.
Wir fordern deshalb das Ministerium auf, endlich transparent und ehrlich mit den Zahlen umzugehen und auch den fachfremd vertretenen Unterricht als Unterrichtsausfall wahrzunehmen. Auch wenn Sie jetzt wieder argumentieren wollen, dass dies per Definitionen kein Unterrichtsausfall sei, so ist und bleibt es trotzdem vor allem kein Unterricht im Sinne der Schüler. Es geht hier um unsere Schüler und ihre Ausbildung. Da hat Schönrechnerei nichts zu suchen. Hinzu kommt, dass nach den Zahlen des LSV der ersatzlose Unterricht prozentual zunimmt, je höher die betroffene Klassenstufe ist.
Gerade diejenigen Schüler, die kurz vor ihrem Abschluss stehen, bekommen keinen adäquaten Vertretungsunterricht. Das bedeutet, prüfungsrelevanter Stoff kann nicht mehr vermittelt oder wiederholt werden, die Abschlussprüfungen können nicht optimal vorbereitet werden. Die Folge davon ist, dass wir damit die Wahrung der Chancengleichheit unserer Schülerinnen und Schüler für ihre Studien- und Berufswahl schmälern. Das darf es nicht geben!
Im Kern ist nicht der Unterrichtsausfall per se das Problem - das wissen wir alle hier im Rund -, der Unterrichtsausfall ist nur ein Phänomen des eigentlichen Problems, dem der Überbelastung unserer Lehrerschaft. Wenn bei 70 Prozent des Unterrichtsausfalls Krankheit die Ursache ist, so können es nicht nur Erkältungen sein, die sich hier bemerkbar machen. Mit jedem Lehrer, der ausfällt, muss die Arbeitslast auf die restlichen Schultern des Kollegiums verteilt werden. Diese Mehrbelastung muss endlich gemindert werden. Dabei kann die geforderte Vertretungsreserve auch nur ein erster Schritt
sein und darf nicht als alleinige Maßnahme stehen bleiben. Außerdem bedarf es Maßnahmen zur Lehrergesundheit. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will zunächst einmal positiv anmerken, dass Thüringer Schüler dafür eintreten, dass der Unterricht im Umfang auch fachspezifisch und in guter Qualität stattfindet. Das war nicht immer so. Früher haben sich die Schüler gefreut, wenn der Unterricht ausfiel. Aber das zeigt doch, wie ernst die jungen Menschen die Dinge nehmen. Ich finde es auch positiv, wenn Schülervertretungen und auch Lehrervertretungen eigene Wege finden, um die tatsächliche Unterrichtserteilung oder den -ausfall zu erheben und zu dokumentieren. Es zeigt einfach ihr Interesse an Schule und an Erfüllung des Bildungsauftrags sehr umfänglich. Aber negativ muss man schon anmerken, dass die Zahlen, die von Schülern und Lehrern - TLV im Speziellen - erhoben wurden, sowie das gefühlte Erleben durch die Lehrer, durch die Schüler, durch die Eltern und im Gegensatz dazu die höchst ministeriell veröffentlichten Zahlen nicht in Übereinstimmung stehen. Man kann über Statistiken so viel reden, wie man will - die Sprüche dazu kennt jeder von uns -, aber Fakt ist, dass es gefühlt nicht zueinander passt.
(Zwischenruf Matschie, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur: Das ist wie mit der Außentemperatur, die passt auch immer nicht.)
Das ist richtig, Herr Matschie, das hat auch etwas mit Temperaturen zu tun, aber ganz so abfällig würde ich es dann nicht bezeichnen. Wenn man anschaut, wie miteinander umgegangen wird, und man den Unterrichtsausfall einzig so definiert, dass es um den ersatzlosen Ausfall geht, und dann dem Schulleiter auch noch sagt, dass der Schulleiter genau das den Eltern zu vermitteln hat - ist mit dem Monitoring im letzten Schuljahr so schriftlich mitgeteilt worden -, dann kann ich nur sagen, man lässt die Schulleiter nicht nur bei der Bereitstellung von Lehrern im Regen stehen, sondern lässt sie auch noch gegenüber der Elternschaft im Regen stehen.
Das finde ich insofern nicht in Ordnung, weil ich glaube, auch ein Minister und ein Herr Staatssekretär müssen sich hinter die Schulleitung stellen und mit ihnen gemeinsam das tun.
Herr Merten, wenn Sie sagen, Sie tun das: Meine Gespräche mit den Schulleitern sagen mir da ein bisschen etwas anderes.
Aber das will ich an der Stelle nicht ausbreiten, sondern nur sagen, dass es wohl Gründe hat, wenn verschiedene Leute und verschiedene Vereinigungen, Organisationen versuchen, die Zahlen zu erheben. Man muss sich ja nicht wundern, warum sich das Gefühlte etwas anders darstellt - Frau Hitzing ist ja schon einmal darauf eingegangen -, wenn übermittelt wird, dass die Erledigung von Unterricht in Form von Hausaufgaben oder von Stillbeschäftigungen oder durch andere Maßnahmen, Zusammenlegung von Klassen und, und, und, was man alles tun kann, nicht mit reingerechnet wird, dann kann man das alles so vertreten, meinetwegen. Aber gefühlt kommt da etwas ganz anderes an und nicht nur gefühlt. Denn am Ende ist es natürlich so: Wir haben leider an einigen Stellen im Freistaat Situationen, dass über Wochen und mehrere Monate Ausfall nicht kompensiert werden konnte und dass Fachunterricht nicht stattgefunden hat. Da will ich gar nicht in Abrede stellen, dass das Ministerium sich sogar im Einzelfall bemüht hat. Aber man muss eben auch zur Kenntnis nehmen, dass es nicht in jedem Fall von Erfolg gekrönt gewesen ist.
Lassen Sie mich noch ein Wort zur Aktuellen Stunde der FDP-Fraktion sagen. Die Frage ist wieder: Wie geht man die Dinge an? Man könnte sie im Ausschuss aufrufen und auch einmal im Detail darüber reden. Lieber Hans-Jürgen Döring, ich würde mich auch freuen, wenn das Ministerium einmal im Detail darstellt, wie es mit dem vielen Geld und den vielen Stellen, die wir ihm zur Verfügung stellen, tatsächlich umgeht und wie sich das verhält, Lehrer-Schüler-Relation und ausfallender Unterricht. Ich finde es dann schon etwas überzogen von der FDP, weil ich nicht glaube, dass es dazu kommt, dass ganze Schülergenerationen benachteiligt werden. Die Qualität der Thüringer Schulen, des Unterrichts, ist so gut, da muss man schon sagen, schauen wir einmal nach anderen Ländern. Dort entsteht da eher eine Katastrophe.
Sie überziehen auch noch völlig an einer anderen Stelle, liebe Frau Hitzing, wenn Sie jetzt auch noch in Ihren Sätzen die Ministerpräsidentin für den Unterrichtsausfall verantwortlich machen wollen. Ich kann nur sagen, hier greift ein Ertrinkender nach jedem Strohhalm.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich zunächst auch für unsere Fraktion bei der Landesschülervertretung bedanken.
Bedanken dafür, dass sie in der Tat einmal stichhaltige Summen der Stunden geliefert hat, was das Ausmaß an Unterrichtsausfall anbelangt. Ich glaube, da kann auch das Ministerium nur dankbar sein, wenn solche Zahlen geliefert werden, wenn sich Schülerinnen und Schüler die Mühe machen, diese Stunden zu erfassen und sich nicht darüber freuen, dass eine Freistunde mehr im Stundenplan steht, sondern sich wünschen, dass sie Unterricht haben. Das ist ein durchaus positives Signal. Ich glaube, wir sind uns auch einig, dass selbstverständlich jede Stunde Unterrichtsausfall eine Stunde zu viel ist. Wenn in Thüringen jede achte Schulstunde, wenn man das einmal so rechnet, außerplanmäßig stattfindet oder nicht stattfindet, dann kann man, glaube ich, auch in der Tat nicht zufrieden sein. Auch da sind wir uns, denke ich, weitgehend einig. Insofern ist ganz klar: Auch wir sagen, der Unterrichtsausfall, den wir verzeichnen müssen, ist zu hoch, weil jede ausgefallene Stunde natürlich eine zu viel ist, selbst wenn wir uns statistisch im bundesdeutschen Mittel bewegen. Wenn sich allerdings dann der Eindruck verfestigt, dass hier ein Stück weit Panikmache stattfindet - der Titel Ihrer Aktuellen Stunde war schon ein wenig reißerisch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP -,
halten wir das hier für ziemlich fehl am Platz. Wir glauben, dass es eine sachliche Diskussion über die Ursachen und auch über die Schlussfolgerungen braucht, die wir als Politik aus dem Stundenausfall ziehen müssen.
(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Es gibt auch Menschen, die einen Abschluss erzielen wol- len, Frau Kollegin.)
Wenn dann jemand von „stets bemüht“ spricht, wissen wir auch, was das heißt. Alle Pädagoginnen und Pädagogen, die schon einmal Zeugnisse geschrieben haben, die diesen Satz schreiben, „er hat sich stets bemüht, gute Leistungen zu erzielen“, wissen genau, was das im Klartext bedeutet. Insofern habe ich das jetzt auch als eine leise Kritik verstanden. Natürlich kann man es immer noch besser machen als bisher. Da reicht es uns nicht, wenn wir
davon reden, dass wir endlich diesen Vertretungspool aufbauen müssen, sondern er muss zum Einsatz kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Dieser Vorschlag ist nicht neu. Wir diskutieren jetzt, glaube ich, schon seit drei Jahren im Thüringer Landtag, dass wir dringend diese Vertretungsreserve brauchen. Auch das Ministerium hat sie in Aussicht gestellt. Nur kommt sie immer noch nicht zum Einsatz. Ich denke, die Umsetzung ist in der Tat überfällig. Die Ergebnisse der Schülerinnen- und Schülerumfrage haben die bisherigen Erkenntnisse, die wir hatten mit Blick auf den Unterrichtsausfall so will ich es einmal sagen - weitgehend bestätigt. So möchte ich mein Augenmerk insbesondere auf die fachfremde Vertretung richten. Denn diese Problematik kommt aus meiner Sicht mitunter schon zu kurz. Wir Grünen halten fachfremde Vertretung durchaus für problematisch. Ich habe mir einmal den IQB-Ländervergleich 2012 am Beispiel der mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I vorgenommen. Da kann man sehr gut ablesen, wie wichtig der Zusammenhang vom Fachstudium der Lehrkraft auf der einen Seite und der Schülerkompetenz auf der anderen Seite ist. Lassen Sie mich zwei Zahlen benennen: So erreichen nämlich Schülerinnen und Schüler in Mathematik im Durchschnitt bei einer fachfremden Lehrkraft 18 Leistungspunkte weniger, das ist mehr als ein halbes Jahr Leistungsunterschied. Noch dramatischer ist es im Fachbereich Biologie. Da schneiden Jugendliche im Durchschnitt um 25 Punkte und in Physik um 32 Punkte besser ab, wenn die Fachlehrkraft über eine Lehrbefähigung im Fach verfügt. Das entspricht einem Lernzuwachsunterschied von etwa einem Jahr. Ich glaube, dieser Zusammenhang wird immer noch zu wenig berücksichtigt. Man muss natürlich auch schauen, was die Ursachen dafür sind, dass wir so viel fachfremde Vertretung haben. Da, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sind auch Sie in der Verantwortung, das muss ich Ihnen ganz deutlich sagen. Ich habe es hier schon mehrmals benannt, es hat über viele Jahre faktisch keine Neueinstellungen gegeben.
Die Ursachen waren vielfältig, keine Frage. Aber wir wissen alle, dass genau dort Ursachen dafür liegen, dass es so viel fachfremde Vertretung gibt. Hinzu kommt noch der hohe Altersdurchschnitt der Thüringer Lehrkräfte von mittlerweile 53 Jahren, hohe Krankenstände usw. Das ist alles keine Überraschung.
Wir fragen uns jedenfalls, warum die Thüringer CDU, insbesondere Finanzminister Voß, diese Vertretungsreserve weiterhin blockiert. Genauso erleben wir das, sonst wäre sie längst im Einsatz. Ich
frage aber auch, lieber Herr Minister Matschie, wo denn die angekündigten Maßnahmen zur gesundheitlichen Vorsorge von Lehrkräften sind. Wenn Sie sich nämlich mal den Landeshaushalt im Einzelplan 04 anschauen, dann werden Sie dazu nichts finden. Wir wissen aber alle, das kostet Geld. Der einzige Haushaltstitel übrigens im Einzelplan 04, der den Begriff „Gesundheitsschutz“ enthält, befindet sich beim Landesamt für Denkmalpflege. Das sollte uns zu denken geben.
Abschließend: Wir brauchen schnelle und wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrergesundheit. Wir brauchen ganz klar Steigerungen bei den Neueinstellungen und wir brauchen jetzt die Vertretungsreserve für flexible Krankheitsvertretungen. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen. Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe auch die Überschrift gesehen, die die FDP für die Aktuelle Stunde gewählt hat, in der sie die Gefahr für eine ganze Schülergeneration an die Wand malt. Wir alle wissen, es geht wahrscheinlich eher um die Gefahr für die FDP, nicht wieder in den Landtag zu kommen, als um die Gefahr für die Schüler in Thüringen.
Wenn Ihnen die Schüler wirklich am Herzen liegen würden, dann würden Sie hier keine Panikmache betreiben, sondern sich an die Fakten halten.
Natürlich ist Unterrichtsausfall ein Problem, das nicht kleingeredet werden darf, sondern das man anpacken muss. Es ist aber auch ein Thema, das den Unterrichtsalltag in Thüringen nicht dominiert. Sie haben alle die Schülerumfrage zitiert. Ich selbst bin oft im Gespräch mit den Schülervertretungen. Wir haben uns auch zu ihrer Umfrage zusammengesetzt und die gemeinsam ausgewertet. Das Erste, was mir die Schüler gesagt haben: Wir waren natürlich neugierig darauf, wie das eigentlich mit der Statistik ist. Da wurde in der Öffentlichkeit immer diskutiert, die Statistik stimmt nicht. Jetzt haben wir selbst nachgeprüft und wir wissen, das Ministerium liefert realistische Zahlen. Das war die erste Aussage, die die Schülervertreter dazu gemacht haben. Ich habe das auch gelesen, das haben Sie heute nicht so wiederholt, Frau Hitzing, aber der Presse gesagt, dass wir die Statistik manipulieren würden und jeder wisse ja, wie das mit den
Das ist im Grunde genommen eine Unterstellung gegenüber den Schulleitern, die sie betreiben, denn die Schulleiter speisen die Statistik. Das läuft an den Zahlen dann nur im Ministerium zusammen. Ich finde, das ist ein Vorwurf,