Wir haben Schulleiter, die darum bemüht sind, erstens ein realistisches Bild ihrer Schule zu zeichnen, auch was den Unterrichtsausfall angeht, und zweitens dafür zu sorgen, dass möglichst wenig Unterricht ausfällt. Dazu haben wir mit den Schulen ein Prozedere vereinbart, dass, wenn Lehrer ausfallen und Stundenausfall droht, zuerst die Schule schaut, was sie mit den eigenen Ressourcen tun kann, um Unterrichtsausfall zu kompensieren. Zweitens: Wenn sie das nicht kann, wendet sie sich an das Schulamt. Das Schulamt schaut, was man schulübergreifend organisieren kann. Wenn auch das Schulamt keine Lösung findet, wendet es sich an die zuständige Abteilung im Ministerium. Dann schauen wir schulamtübergreifend, ob Lösungen zu finden sind. In den allermeisten Fällen gelingt es auch, über kurz oder lang Lösungen herbeizuführen. Wenn wir die Statistik insgesamt anschauen, dann weiß man auch, es lohnt überhaupt nicht, Panikmache zu betreiben. Wir bewegen uns mit dem Unterrichtsausfall, den wir in Thüringen haben, nach dem, was wir wissen können - es gibt leider keine vergleichbaren Statistiken in der KMK, weil jedes Bundesland andere Statistiken führt -, was man so ungefähr ermitteln kann, im Mittelfeld dessen, was in der Bundesrepublik in diesem Zusammenhang passiert, nämlich ein ersatzloser Ausfall in der Größenordnung zwischen 3 und 5 Prozent. Wir haben aktuell 3,1 Prozent, gemessen im Frühjahr. Das ist mit der Vergleichszahl des letzten Frühjahrs ein deutlicher Rückgang des ersatzlosen Ausfalls. Ich glaube, es hat auch etwas damit zu tun, dass die ersten Maßnahmen zur besseren Unterrichtsorganisation und natürlich die verstärkten Einstellungen greifen und erste Früchte tragen.
Klar ist aber auch, wenn wir beim ersatzlosen Unterrichtsausfall weiter runterkommen wollen, dann brauchen wir eine Vertretungsreserve. Genau darum kämpfen wir seit einiger Zeit. Wir haben eine solche Vertretungsreserve im Personalentwicklungskonzept mit den Lehrervertretungen verabredet, sowohl mit dem Beamtenbund als auch mit der GEW. Ich würde gern schon in diesem Jahr mit
dem Aufbau einer solchen Vertretungsreserve beginnen, aber hier macht der Koalitionspartner nicht mit. Es wäre durchaus möglich, schon in diesem Jahr statt 400 Lehrern 500 Lehrer einzustellen. Die Spielräume sind nach dem letzten Haushaltsabschluss durchaus gegeben.
Herr Emde, ich muss Ihnen dann nach Ihrem Auftritt hier auch sagen: Das ist schon ein bisschen schizophren. Vielleicht einigen Sie sich mal. Der bildungspolitische Sprecher fordert hier, mehr gegen den Unterrichtsausfall zu tun, und der Finanzminister bremst die zusätzliche Einstellung von Lehrern. Da müssen Sie vielleicht untereinander noch mal ins Gespräch kommen.
(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das können Sie in der Regierung mal versuchen. Sie sind doch stellvertretender Ministerpräsident, oder?)
Genau. Deshalb verhandeln wir auch in der Regierung über diese Frage. Es gibt bisher in dieser Frage keine Einigung und deshalb kann der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur an der Stelle nicht handeln. Die Einstellung kann nur mit Genehmigung des Finanzministeriums erfolgen. So sind die Regeln und wenn die CDU dort blockiert, gibt es keine zusätzlichen Einstellungen.
Zu dem Vorwurf, der hier auch immer wieder kolportiert wird: Was macht der denn mit dem vielen Geld, es hatte noch nie ein Bildungsminister so viel Geld, was passiert denn damit? Zum einen ist es richtig, dass der Bildungsetat steigt, was schon allein damit zu tun hat, dass Lehrergehälter steigen, dass es Tariferhöhungen gibt. Das haben sich Lehrerinnen und Lehrer auch verdient. Deshalb steigen auch die Ausgaben, selbst wenn man keinen einzigen zusätzlichen Lehrer einstellt.
Zum Zweiten: Wir haben im bundesweiten Vergleich auch so hohe Ausgaben pro Schüler, weil wir immer noch Altlasten finanzieren. Ich sage Ihnen ein Beispiel: Allein in diesem Jahr finanziert mein Haus 1.100 Stellen für Lehrer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit - 1.100 Lehrerinnen und Lehrer, die gar nicht an den Schulen unterrichten, sondern die von der Vorgängerregierung mit einer Altersteilzeitregelung in den Vorruhestand geschickt wurden. Das kostet uns allein in diesem Jahr 66 Mio. €. Da kann ich nur sagen, da rächt sich jetzt mit voller Wucht die kurzsichtige Fehlentscheidung der alten Landesregierung, Lehrer unabhängig vom Bedarf in die Altersteilzeit zu schicken. Die Rechnung bezahlen nicht nur die Steuerzahler, sondern auch Schülerinnen und Schüler, die mit dieser Situation klarkommen müssen.
Man könnte das jetzt genauso andersherum machen und sagen, der Finanzminister sitzt auf einem Schuldenberg von über 16 Mrd. und ist deshalb der Schuldenkönig von Thüringen. Ich würde auf die
Idee nicht kommen, weil ich weiß, dass ist nicht das, was Herr Voß zu verantworten hatte, sondern dass den Schuldenberg die Vorgängerregierungen zu verantworten haben. Genauso fair bitte ich dann aber auch, mit mir in dieser Frage umzugehen und mir zuzuordnen, was ich getan habe, und mir nicht in die Schuhe zu schieben, was Vorgängerregierungen verzapft haben.
Ein weiterer Grund für den hohen Krankenstand von Lehrerinnen und Lehrern ist das hohe Durchschnittsalter. Wir haben Statistiken - nun regen Sie sich doch mal nicht so auf, Herr Kollege -, die von Kassen gemacht worden sind. Die sagen, dass 55-Jährige fast doppelt so lange krank sind wie 25-Jährige. Wenn wir ein Durchschnittsalter bei unserer Lehrerschaft von über 52 haben, dann zieht das nach sich, dass wir hohe Krankenstände haben.
Jetzt kann man wieder fragen: Warum haben wir ein so hohes Durchschnittsalter? Das hängt mit der Einstellungspolitik der letzten beiden Jahrzehnte zusammen. Ich sage es noch mal, ich habe die Zahlen schon öfter genannt: Im Jahre 2008 hat der Freistaat Thüringen neun Lehrer eingestellt. Ich stelle in diesem Jahr 400 Lehrer ein. Ich habe auch im letzten Jahr 400 Lehrer eingestellt und ich würde in diesem Jahr 500 einstellen, wenn die CDU endlich zustimmen würde.
Jetzt noch mal zu der Frage: Wie wird Unterricht vertreten und ist wirklich fachfremd vertretener Unterricht das große Problem? Zum Ersten, wenn ein Physiklehrer, der auch in Mathe beschlagen ist, die Mathestunde vertritt, so kann man in aller Regel davon ausgehen, dass das ein vernünftig vertretener Matheunterricht ist.
Wenn er Musik vertritt - das ist wahrscheinlich bei Ihnen ausgefallen, sonst hätten Sie ein bisschen mehr Gespür für den richtigen Takt entwickelt.
Ich finde, zum einen kann ein Physiklehrer, der die Befähigung hat, auch Mathe gut vertreten. Das haben auch die Schülervertreter bestätigt. Zum Zweiten macht es oft auch Sinn, wenn man keine Vertretung finden kann, die die Fachkompetenz mitbringt, dann anderen Unterricht, statt Mathe zum Beispiel Deutschunterricht zu erteilen, und zu einem späteren Zeitpunkt dann etwas mehr Matheunterricht wieder in den Stundenplan einzufügen, um das wieder aufzuholen. Das heißt also, die vertrete
Nun haben mir die Schülerinnen und Schüler auch gesagt - und das kann man auch ganz offen einräumen -, es passiert manchmal, dass Lehrer Fachunterricht vertreten, die es eben nicht hinbekommen und von dem wir nichts haben. Vielleicht ist es manchmal überlegenswert - das ist aber eine Frage, die Schulleitungen entscheiden und nicht Bildungsminister -, dann statt einer solchen Vertretung den Schülern lieber Stillarbeit zu geben, bei der sie selber Stoff aufarbeiten können. Das haben sie selbst als wirksames Mittel für Unterrichtsausfall in dem Gespräch mit mir beschrieben, dass es durchaus Sinn machen kann, Stillarbeit, Eigenarbeit anzusetzen, um Stoff zu festigen, Stoff zu wiederholen.
Herr Barth, Sie kriegen im Anschluss eine Extrastunde von mir, dann erkläre ich Ihnen das alles noch mal.
Die anderen Kollegen können offensichtlich hier folgen. Ich erkläre es dann noch mal extra für Sie, als fachfremd vertreten, weil ich nicht aus der FDP komme, genau.
Herr Barth, aber zum Ernst der Situation zurück. Es gibt vernünftige Vertretungsregelungen und auch vernünftige Stillarbeit. Das haben mir Schülerinnen und Schüler so bestätigt, die im Übrigen nicht eine so dramatische Situation sehen, wie sie hier von der FDP an die Wand gemalt wird.
Deshalb werden wir uns weiter darum bemühen, Unterrichtsausfall zu minimieren. Dazu gehört auch, Frau Rothe-Beinlich hat es noch mal angesprochen, dass wir etwas für die Verbesserung der Gesundheitssituation von Lehrerinnen und Lehrern tun. Wir haben vor einigen Wochen einen Auftaktkongress zur Lehrergesundheit mit vielen Verantwortlichen aus diesem Bereich gemacht, indem wir Maßnahmen diskutieren, was man dort verstärkt tun kann. Übrigens geht da vieles ohne, dass man zusätzliches Geld investiert, indem man mit bestimmten Problemen anders umgeht, indem Schulleitungen aufmerksamer sind, was Belastungssituationen angeht, indem man vielleicht frühzeitiger auch mal Teilzeit möglich macht, wenn solche Überlastungssituationen drohen, und ähnliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrergesundheit.
Zum Schluss möchte ich noch einmal sagen: Ich warne etwas davor, dass wir unser Bildungssystem so schlechtreden, wie es die FDP mit der Aktuellen
Stunde versucht hat. Unsere Schülerinnen und Schüler sind in den bundesweiten Leistungsvergleichen und auch in internationalen Leistungsvergleichen gut. Wir haben erst vor Kurzem den Leistungsvergleich der Schüler der Klasse 9 in Mathematik, in den Naturwissenschaften gehabt. Dort liegen die Thüringer Schülerinnen und Schüler auf Platz 2, in der Chemie auf Platz 3, in allen anderen Fächern auf Platz 2. Das zeigt, dass wir ein starkes Schulsystem mit engagierten Lehrerinnen und Lehrern haben, das unseren Schülern gute Bedingungen bietet, ihren Weg im Leben zu gehen. Trotzdem bleibt die Aufgabe für alle Beteiligten, für das Ministerium, für die Schulämter und die Schulleitungen, Unterrichtsausfall zu minimieren. Daran arbeiten wir gemeinsam und das wird auch in den nächsten Jahren so sein. Herzlichen Dank.
Danke schön. Durch die verlängerte Redezeit des Ministers kommt es noch zu 1 Minute Redezeit für die Fraktionen. Frau Hitzing, bitte schön. 1 Minute, ja. Also 1 Minute, möchten Sie oder möchten Sie nicht? Doch, okay.
Ganz kurz zur Erklärung, sehr geehrter Herr Minister: Fachfremder Unterricht heißt nicht, dass die Person aus einem fachfremden Fach kommt, sondern der Unterricht muss fachgerecht sein und darf nicht fachfremd unterrichtet werden, weil vielleicht der Physiklehrer keine Ahnung von Musik hat und dann Physik macht, denn es geht um die Schüler, die den Unterricht bekommen müssen und nicht um die Lehrer, wo die herkommen. Ersatzlos - mir ging es um das Thema ersatzlos gestrichener Unterricht. Da sagen Sie, 3,1 Prozent und mehr ist es nicht, aber Sie haben den kompletten Ausfallunterricht, der fachfremd ist, oder dieser mit der Stillbeschäftigung nicht benannt. Wenn das so wäre, dass Stillbeschäftigung so toll ist, dann wäre die Frage zu stellen, brauchen wir überhaupt neue Lehrer und die Einstellungen, wenn das alles so wunderbar ist. Dass die Schule so gut in Thüringen ist, liegt an den Lehrern, liegt an den Lehrerpersönlichkeiten. Das kann ich Ihnen aus der eigenen Erfahrung sagen, weil wir nämlich sehr hoch motivierte Lehrer in den Schulen haben,
die aus Motivation und aus Berufung daran interessiert sind, dass ihre Schüler so viel wie möglich mitbekommen. Deshalb funktioniert es so gut.
Vielen Dank. Ich will nur noch mal klarstellen, Herr Minister, dass es hier nicht um Schizophrenie geht. Was, wie ich auch meine, man nicht als Wort in den Mund nehmen sollte, wenn es um den Umgang mit Kollegen geht und als solches verstehen wir uns doch. Zu den Stellen, 100 Stellen zusätzlich in diesem Jahr, sage ich erstens, man hat einen Haushalt verhandelt. Den haben Sie verhandelt. Dazu müssen Sie auch stehen. Das ist die Nummer 1. Die Nummer 2 ist, wenn man mehr möchte,
dann muss man aber auch sauber argumentieren. Das hat Hans-Jürgen Döring auch schon so vorgetragen. 100 Stellen zusätzlich in diesem Jahr heißt vielleicht für Herrn Döring ein Mal Aufwendungen in diesem Jahr. Aber jeder weiß, wenn man die Stellen einmal besetzt hat, dann gilt das für die Folgejahre und wir haben nur in diesem Jahr die Überschüsse aus guter Erwirtschaftung vom Jahr 2013 und die kann man auch nur dieses Jahr ausgeben oder wir legen sie zurück. Für die Zeit, wo wir auch noch gute Bildungspolitik machen wollen und Lehrer einstellen wollen, brauchen wir dieses Geld noch bitter nötig. Deswegen, glaube ich, ist dieser Weg richtig.
Danke schön. Gibt es weitere Wortmeldungen? Doch, Herr Döring? Okay. Gut, dann schließe ich diese Aktuelle Stunde. Ach, Herr Möller, bitte schön. Entschuldigung, Herr Möller.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Stichwort „nicht fachgerechte Vertretung“ ist hier immer wieder thematisiert worden und dabei gibt es immer den Vorschlag aus Ihrem Ministerium, Vereinbarungen mit den Universitäten auszuhandeln, damit die richtigen Fächerkombinationen ausgebildet werden. Wir schlagen an dieser Stelle vor, dass man öffentlich macht, welche Fächerkombinationen denn wirklich fehlen, damit die Lehramtsinteressierten sich rechtzeitig orientieren können, um sich entsprechende Fächerkombinationen bei ihrer Ausbildung entsprechend rauszusuchen und die Studienabläufe so zusammenzustellen. Das wäre ein Vorschlag, eine Möglichkeit, mit der man umgehen könnte.
Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich sehe, das ist nicht Fall. Dann schließe ich jetzt die Aktuelle Stunde zum ersten Teil.