Protokoll der Sitzung vom 09.04.2014

(Abg. Hitzing)

Dann lassen Sie mich bitte endlich mit der Mär aufhören, wir sind mit Schweinefleisch unterversorgt, meine Damen und Herren, wir hätten nur 74 Prozent. Ich bin des Lesens mächtig. Der statistische Bericht, Sie erlauben mir bitte ein Zitat, IV. Quartal 2013 des Thüringer Landesamtes für Statistik unter der Spalte „Einfuhr Lebendtier (Schwein)“: „Wir führen knapp 3,6 Mio. Kilogramm ein.“ Aber viel interessanter ist, Herr Kollege Primas, wir führen 6 Mio. Kilogramm aus. Meine begrenzte Mathematik als Architektin ermöglicht mir zu errechnen, wir haben ein Defizit in der Einfuhr und einen Überschuss in der Ausfuhr. Ergo stellt sich für mich die Frage: Sind wir hier mit Schwein unterversorgt? Ich sehe es nicht so.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Unruhe CDU, FDP)

Ich habe - werter Herr Kollege, Sie können gern Fragen stellen - hier nicht behauptet, wir sind unterversorgt, ich habe nur festgestellt, rein zahlenmäßig führen wir mehr aus als ein, ergo haben wir einen Überschuss. Punkt. Reine statistische Feststellung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Des Weiteren erlauben Sie mir noch zwei, drei Anmerkungen. Das ist eigentlich das Drama in dieser verfehlten Landwirtschaftspolitik, wir steigern die Produktionen. Weiterhin haben wir einen massiven Preisverfall. Wir wollen, dass Menschen auskömmliche Löhne in unserem Freistaat Thüringen bekommen, vor allem in der tragenden Säule, der Landwirtschaft. Bitte, wie sollen denn die Produzenten steigende Energiekosten, steigende Lohnkosten bei einem ständigen Verfall der Preise weiterhin finanzieren? Und diesen Preisverfall

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wenn die Menschen mehr produzieren.)

haben wir mit zu verantworten, weil dieser Markt überfüllt ist an dem Produkt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Ihnen mit Sicherheit bekannt ist, Herr Barth, geht dieser Kampf weiter. In der letzten, vorletzten Woche haben Aldi, Norma und Lidl gerade die Preise für Fleisch weiter gesenkt. Wir haben hier Probleme, zu denen es politischer Lösungen bedarf. Ein „Weiter so“ geht nicht. Ein „Weiter so“, mit einer Überkapazität

(Beifall DIE LINKE)

den Markt zu regulieren, funktioniert nicht. Wir ruinieren diesen Markt weiter. Lassen Sie mich hier bitte nur noch anmerken: Andere Länder haben dies vor Jahren erkannt. Die Schweiz hat die Pro

duktion, gerade beim Fleisch, um 30 Prozent gesenkt. Das hat in der Schweiz zur Folge gehabt, dass die Erzeugerpreise um 3,4 Prozent gestiegen sind. Ich sage hier deutlich, ein „Weiter so“ mit Masse hat keinen Sinn. Wir müssen Regionalität, Nachhaltigkeit, Bio mit Klasse erzeugen und nicht mit Masse. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Siegesmund das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Primas, Sie haben wirklich gar nichts verstanden. Sie haben nichts verstanden aus den

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

vergangenen Debatten. Das Entscheidende ist, dass Sie behaupten, dass jemand, der 11 Jahre Minister in diesem Land ist, weil er erst Wirtschaftsminister war und jetzt zuständig ist für Landwirtschaft und Umwelt, dass jemand, der 11 Jahre in so verantwortungsvollen Ämtern ist, nicht weiß, was er sagt und tut.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Darüber wischen Sie einfach hinweg und das finde ich unredlich, Herr Primas. Das finde ich unredlich und es ist absolut inakzeptabel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ernährung ist eine Frage der Haltung. Was wir essen, ist eine Frage des guten Geschmacks. Aber ich will Ihnen auch sagen, die Geschmacklosigkeiten, die sich Jürgen Reinholz in den vergangenen Monaten geleistet hat, sprengen die Grenzen jeder Verdaubarkeit. Das muss ich Ihnen so klar sagen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist eine Geduldsprobe nicht nur für uns hier im Thüringer Landtag, die mit ansehen müssen, wie ein ganzes Ministerium, in dem durchaus gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten, quasi lächerlich gemacht wird. Das ist eine Geduldsprobe für die Menschen im Land, denen nicht egal ist, wie Massentierhaltung vor ihrer Haustür praktiziert wird. Ich hätte jetzt sehr gern die Ministerpräsidentin, die nicht da ist, gefragt, wie sie es eigentlich zulassen kann, dass dieser Katastrophenminster über das Land gehen und gegen Bürgerinitiativen wettern kann.

(Abg. Mühlbauer)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist absolut inakzeptabel. Und ich hätte die Ministerpräsidentin sehr gern gefragt, ob ihr klar ist, dass er dieses Ministerium, was auch für umweltpolitische Aufgaben zuständig ist, an dieser Stelle der Lächerlichkeit preisgibt. Und ich hätte sie gerne gefragt, ob ihr klar ist, dass es wichtig wäre, dass sie sich dazu äußert. Und ich hätte sie tatsächlich auch gern gefragt, ob es sein kann, dass diese schwarzrote Landesregierung dafür steht, dass jedem Agrarindustriellen, egal wo er herkommt, die Tür aufgerissen wird und Thüringen zum neuen Haltungsland für noch mehr Schweinefleisch am Ende werden soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Gegensatz zu Ihnen reden wir mit den Immenrödern. Wir haben das getan, wir setzen uns mit den Bedenken der Menschen auseinander, wir nehmen sie ernst und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir nehmen auch die Demokratie in diesem Land ernst. Mit der Aussage, die Herr Reinholz getroffen hat - und noch einmal, er hätte es ja nicht gesagt, wenn er es nicht gedacht hätte -, zeigen Sie Ihre Arroganz gegenüber den Menschen. Die, die sich solidarisieren, die sich zusammentun, brauchen genau das nicht. Die brauchen nämlich Ermutigung dafür, gerade übrigens im Kyffhäuserkreis, wo die Menschen dafür hoch sensibilisiert sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diverse andere Anlagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, waren bereits in Rede. Ich will mit Ihnen noch einmal kurz den Blick zurück wagen: Im Jahr 2003 war an der Landesgrenze zu SachsenAnhalt die damals größte Schweinemastanlage Europas mit über 100.000 Schweinen im Landschaftsschutzgebiet geplant, am Ende zur Grenze eines FFH-Gebietes. Auf massiven Druck ist erst 2007, übrigens auch auf Druck des NABU und dank der Bürgerinitiativen vor Ort, dank der Menschen und Lokalpolitiker und -politikerinnen vor Ort, entschieden worden, dass es dazu nicht kommt. Und Sie diskreditieren all jene, die sich jahrelang bemüht haben, genau das zu verhindern. Es ist ein großer Fehler für einen Minister, der auch für Umweltpolitik zuständig ist, an dieser Stelle genauso zu agieren, wie Sie es tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt keinen Grund, bei einem Ausbau von 1.900 Tieren Kapazität auf knapp 50.000 so zu tun, als ob es keine Folgen für die Umwelt gebe oder als ob die Haltung am Ende bei der Vollspaltenhaltung, die in solchen großen Anlagen anzutreffen ist, als ob das etwas ist, was nicht Tatsache ist. Da können Sie nicht hergehen und die Menschen vor Ort beleidigen, Herr Primas.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU:... Unglaub- lich!)

Sie sollten es besser wissen, weil diese Idee der Fleischfabriken so alt ist, dass wir damit genug Erfahrungen - übrigens auch zu DDR-Zeiten in den Kombinaten industrieller Tierhaltung mit mehr als 100.000 Schweinen - gehabt haben und die auch dokumentiert ist. Absterbende Wälder waren die Folge, verseuchtes Wasser. Das ist inakzeptabel. Warum wir diese Lernschleife noch einmal brauchen, das verstehe ich nicht, Herr Primas.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist auch falsch - Frau Mühlbauer hat das vorhin dargelegt -, dass wir eine erhöhte Quote brauchen, um den Eigenbedarf zu decken. Nach Ihrer Rechnung, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssten wir auch ganz dringend mehr dafür tun, dass Gemüse und Obst in diesem Land angebaut werden. Da haben wir nämlich eine Eigenverbrauchsquote von gerade einmal 23 Prozent. Warum stellt sich denn hier keiner hin

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

und kümmert sich darum, dass das erhöht wird?

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Das ist wirklich ein Problem.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen eine Agrarwende, wir wollen einen Minister, der sich um Umweltpolitik kümmert und wir wollen einen Minister, der weiß, wovon er redet. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön. Es gibt auch noch Redezeit. Gibt es noch weitere Wortmeldungen? Ich sehe nicht. Seitens der Landesregierung. Herr Minister Reinholz, bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat

(Abg. Siegesmund)

ein Thema für die Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung angemeldet, bei dem ich eigentlich davon ausgegangen war, dass meine Entschuldigung in einer Presseerklärung vom 3. April bei allen angekommen ist. Das scheint offensichtlich jedoch nicht der Fall zu sein. Ich wiederhole deshalb meine Aussage vom vergangenen Donnerstag noch einmal ausdrücklich: „Ich bedaure, dass ich mich in einer Diskussion um die Ansiedlung einer Schweinemastanlage in Immenrode zu einer unangemessenen Äußerung habe hinreißen lassen.“ Mit meiner Entschuldigung für die unangemessene Äußerung ergibt sich natürlich gleichzeitig bezogen auf die beiden Fragen der Fraktion DIE LINKE die klare Antwort.

Zu Ihrer ersten Frage: Nein, die Bürger von Immenrode müssen ihre Heimat nicht verlassen. Vielmehr müssen wir alle nach neuen Wegen des Dialogs und neuen Instrumenten der Konfliktbewältigung suchen. Ziel, meine Damen und Herren, muss es sein, die unterschiedlichen Interessenlagen zwischen potenziellen Investoren moderner Tierhaltungsanlagen und den Bürgern in der jeweiligen Region in den Entscheidungsprozess von Beginn an bei der Abwägung noch besser zu berücksichtigen bzw. Dissenspunkte aufzuarbeiten und einer Klärung zuzuführen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Auch hier ein klares Nein. Die Politik der Thüringer Landesregierung hat selbstverständlich zum Ziel, die Bürger unseres Landes auch mit attraktiven Standortbedingungen im Freistaat zu halten, ihnen hier gute Lebensperspektiven zu ermöglichen und, wie Sie selbst angesprochen haben, Herr Ramelow, rückkehrwilligen Thüringern den Neustart in ihrer Heimat zu erleichtern.

Meine Damen und Herren, ich möchte diesen offensichtlich notwendigen Dialog zur Ausgestaltung einer modernen, tiergerechten, landwirtschaftlichen Nutztierhaltung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Menschen im ländlichen Raum aktiv mitgestalten und habe deshalb die zuständige Fachabteilung in meinem Haus gebeten, den Diskussionsprozess durch die Gründung einer Arbeitsgruppe „Moderne, tiergerechte, landwirtschaftliche Nutztierhaltung“ zu begleiten. Dieser Arbeitsgruppe sollen neben den wichtigen landwirtschaftlichen Berufsverbänden auch Vertreter des Umwelt- und Naturschutzes sowie natürlich des Tierschutzes angehören. Ich verspreche mir davon, den Dialog zwischen den verschiedenen Interessenverbänden und Akteuren beim Thema Zukunft der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Thüringen auf eine neue Grundlage zu stellen und damit neue Wege des Dialogs zu organisieren, um eine breit getragene Kompromissfindung auch zu ermöglichen.

Lassen Sie mich abschließend noch eine Anmerkung zu Frau Mühlbauer machen. Darüber, Frau Mühlbauer, müssen wir noch mal reden, weil wir völlig verschiedene Zahlen haben - 3 Mio. Kilogramm sind 3.000 Tonnen und 6 Mio. Kilogramm sind 6.000 Tonnen. Wir schlachten in Thüringen aber 133.000 Tonnen. Das kann irgendwo jetzt nicht ganz zusammenpassen. Das sollten wir bilateral noch mal miteinander bereden. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)