Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Frau Abgeordnete Berninger von der Fraktion die Linke hat sich erneut zu Wort gemeldet.

Katharina König hat mir gerade eine Frage mit auf den Weg gegeben: Was hat denn Würde mit Geld zu tun?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist eine sehr legitime Frage, wie ich finde.

(Unruhe FDP)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Darüber re- den wir das nächste Mal, wenn es um Sozial- leistungen geht.)

Ja, ökonomische Interessen sind legitim. Etwas anderes habe ich nicht behauptet. Aber bei der Anerkennung von Menschen ökonomische Interessen als Zweck aufzuschreiben und nicht die Anerkennung dieser Menschen und die soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, das ist nicht legitim. Wenn Sie in unserem Änderungsantrag gelesen

haben, dass wir verbieten, dass es ökonomische Interessen gibt und dass es ökonomische Auswirkungen auf Thüringen hat, wenn wir Berufe anerkennen, dann zeigen Sie mir die Stelle, dann streichen wir die. Aber wir haben kein Verbot ausgesprochen. Wir sehen nur Menschen mit anderen Augen als jene, die ausschließlich durch die ökonomische Brille gucken.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen seitens der Abgeordneten? Das sehe ich nicht. Für die Landesregierung spricht Minister Matschie. Bitte schön, Herr Matschie.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass das ein überflüssiger, ideologisch aufgeladener Streit ist, den wir gerade zum Schluss gehört haben, denn es geht in dem Gesetz darum, dass Menschen, die hier leben, ihre Fähigkeiten, ihre beruflichen Qualifikationen nutzen können, um hier eine Arbeit aufzunehmen, die ihrer Qualifikation entspricht. Hieraus einen Gegensatz zwischen der Anerkennung des Menschen und der ökonomischen Verwertbarkeit seiner Berufsqualifikation zu machen, das ist schlicht abenteuerlich.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das machen Sie doch aber mit § 1.)

Es geht hier nicht um ein Gegeneinander, sondern es geht um ein Miteinander.

(Beifall SPD)

Selbstverständlich sind Menschen hier anerkannt, aber diese Menschen bringen Berufsqualifikationen mit und die sollen sie einsetzen können, damit sie eine ökonomische Basis für ihr Leben haben. Darum geht es doch.

(Beifall SPD)

Integration ist auch Integration in das Berufsleben und das Nutzen der beruflichen Qualifikation. Das steht im Zweck des Gesetzes, in § 1 drin: „... eine qualifikationsnahe Beschäftigung zu ermöglichen“. Ich finde, das ist einerseits ein höchst menschliches Anliegen und andererseits auch ökonomisch vernünftig. Und ja, Thüringen braucht Fachkräfte, Thüringen braucht gut qualifizierte Menschen. Schauen Sie einmal in die Arbeitslosenstatistik der Arbeitsagentur im März dieses Jahres: 15.000 offene Stellen. Schauen Sie in die Studie „Fachkräfteperspektive Thüringen 2025“, dort sehen wir, dass wir einen Einstellungsbedarf bis 2025 von 280.000 Fachkräften haben; ja, wir brauchen gut qualifizierte Men

(Abg. Hitzing)

schen für die Entwicklung dieses Landes. Dazu ist es notwendig, dass wir ein gutes Bildungssystem haben und in dieses Bildungssystem investieren: Kindergärten, Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, Weiterbildungsmöglichkeiten. Das alles wird aber gerade kurzfristig nicht ausreichen, wir brauchen Menschen, die bereit sind, nach Thüringen zu kommen, die hier leben, die hier arbeiten wollen. Da sage ich ganz deutlich, jeder, der hierherkommen möchte, muss uns willkommen sein, zunächst auch einmal unabhängig von seiner Qualifikation.

(Beifall SPD)

Aber jeder Mensch bringt Qualifikationen mit und die muss er hier nutzen und sinnvoll einsetzen können, auch im beruflichen Leben. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass dieses Gesetz auf den Weg kommt. Unser Land wird davon profitieren.

Das Anerkennungsgesetz bietet ein einheitliches und transparentes Verfahren für eine Vielzahl landesrechtlich geregelter Berufe. Es schafft Rechtsklarheit für Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Erde mit unterschiedlichen beruflichen Qualifikationen, ob das die Lehrerin aus Kolumbien ist, der Erzieher aus Russland oder der Vermessungsingenieur aus China. Sie sollen ein klares Verfahren haben, wie ihre berufliche Qualifikation anerkannt werden kann. Das Gesetz formuliert einen Rechtsanspruch auf Anerkennung der erworbenen Berufsqualifikation, wenn gleichwertige Voraussetzungen vorliegen. Wir lassen aber auch die nicht außen vor, deren Qualifikationen nicht sogleich anerkannt werden können. Auch dafür sieht das Gesetz ein Verfahren vor. Die Anerkennungsbehörden stellen die erworbenen Qualifikationen fest und beschreiben Wege zur Nachqualifizierung.

Ich finde auch die Debatte, ob es eine einzige Anlaufstelle gibt oder mehrere unabhängige Beratungsstellen, eine Debatte um des Kaisers Bart. Es gibt Länder, die haben eine Anlaufstruktur, das ist Hamburg beispielsweise, die hatten das schon vor dieser gesetzlichen Regelung und haben es in Ihr Gesetz aufgenommen. Wir haben die Beratungsangebote, zum Beispiel des Bildungswerks der Thüringer Wirtschaft, die als Anlaufstellen fungieren können, und wir haben die Welcome Center. Warum sollen wir diese Strukturen nicht nutzen, um gute Beratung und Anlaufstellen möglich zu machen?

Dann ist immer wieder diskutiert worden, Interessenten würden durch überhöhte Verwaltungskosten von Anerkennungsverfahren abgehalten. Ich finde, das stimmt nicht. Die Gebühren, die wir hier aufgenommen haben, orientieren sich an dem Musterentwurf, der bundesweit in allen Ländern Anwendung findet. Es war gerade ein Bestreben mit diesem Mustergesetzentwurf, nicht in jedem Bundesland unterschiedliche Verfahren zu bekommen, unter

schiedliche Gebührentatbestände, sondern eine möglichst einheitliche Regelung in der Bundesrepublik. Egal ob hier SPD oder CDU oder Grüne oder Linke in der Regierungsverantwortung stehen, überall sind diese Gebührenstrukturen in die Anerkennungsgesetze übernommen worden. Deshalb bauen Sie hier bitte keinen Popanz auf. Ich denke, das sind Gebühren, die getragen werden können. Hier wird von den zuständigen Stellen erwartet, dass die maximalen Gebühren weit unter der im Gesetz erlaubten Höchstgrenze von 600 € liegen werden. Man geht davon aus, dass es maximal 140 bis 150 € werden und außerdem - und das wissen Sie - sieht das Verwaltungskostengesetz auch vor, dass Verwaltungsgebühren erlassen werden können. Es wird niemand an der Hürde Verwaltungsgebühr scheitern, der hier eine Berufsanerkennung erwerben will.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Internationalität ist ein Erfolgsfaktor für Regionen. Das kann man überall auf der Welt sehen. Dort, wo Menschen zuwandern, ihre Qualifikation einbringen, neue Sichtweisen einbringen, ihre Kultur mitbringen, dort entstehen neue Ideen, dort ist Innovation besonders stark und das muss auch unser Ziel sein. Wir brauchen keine Angst vor Zuwanderung zu haben. Das Gegenteil ist der Fall. Angst müssten wir haben, wenn niemand mehr hierher zu uns kommen möchte, weil die Bedingungen nicht ausreichend sind. Deshalb ist es gut, dass wir dieses Anerkennungsgesetz haben, ein wichtiger Schritt dazu, mehr kluge Köpfe, gut ausgebildete Fachkräfte dauerhaft nach Thüringen zu bringen. Das wird eine bleibende Zukunftsaufgabe sein. Die hängt, das sage ich ganz ausdrücklich, nicht nur an diesem Gesetz. Das ist ein kleiner Baustein darin. Willkommenskultur ist sehr viel mehr. Es bedeutet, auf Menschen zuzugehen, offen zu sein für Neues, sich selbst herausfordern zu lassen. Ich hoffe, dass wir gemeinsam dazu einen Beitrag leisten können.

(Beifall SPD)

Danke schön. Es gibt eine erneute Wortmeldung. Nein? Gut. Dann schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen als Erstes ab über den Änderungsantrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE in der Drucksache 5/7637. Wer dem die Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Fraktionen der CDU, der FDP und der SPD. Wer enthält sich? Ich sehe keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag in der Drucksache 5/7637 abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft

(Minister Matschie)

und Kultur in der Drucksache 5/7592 unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung des Änderungsantrags. Wer der Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU und der SPD. Wer ist dagegen? Das sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? Es enthält sich niemand. Somit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 5/6963 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung der Beschlussempfehlung. Wer für den Gesetzentwurf ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU und der SPD. Wer ist dagegen? Dagegen ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich? Es enthält sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung in der Schlussabstimmung geben will, den bitte ich, sich jetzt von den Plätzen zu erheben. Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU und der SPD. Wer ist dagegen? Dagegen ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich? Es enthält sich in der Schlussabstimmung die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3

Thüringer Gesetz zur Verbesserung der Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/7018 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur - Drucksache 5/7593 - korrigierte Fassung

dazu: Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/7639

ZWEITE BERATUNG

Es hat das Wort der Abgeordnete Volker Emde zur Berichterstattung aus dem Ausschuss. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, am 20. Dezember letzten Jahres wurde der Entwurf des Thüringer Gesetzes zur Verbesserung der Per

spektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften in erster Lesung hier im Plenum beraten und an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur überwiesen.

Wir haben im Ausschuss in der 52. Sitzung im Januar 2014 beschlossen, ein mündliches Anhörungsverfahren in öffentlicher Sitzung durchzuführen. Dieses fand am 13. Februar statt. Außerdem verständigte sich der Ausschuss über die Einstellung des Gesetzentwurfs bis zum 2. März dieses Jahres in das Online-Diskussionsforum. In der März-Sitzung des Bildungsausschusses erfolgte die Auswertung der mündlichen Anhörung und in der darauffolgenden Sitzung im April empfahl der Ausschuss, den Gesetzentwurf der Landesregierung mit Änderungen anzunehmen.

Hier einige wesentliche Aspekte der Stellungnahmen in der Anhörung, die im Wesentlichen zu den Änderungsanträgen führten.

Erstens: Zum einen verdeutlichte die Landesrektorenkonferenz in der Anhörung, dass bereits ein bis zwei Semester für die Einschätzung der Studierfähigkeit eines Studienbewerbers ausreichten. Insofern wird in der Beschlussempfehlung die neu eingeführte Möglichkeit des Probestudiums für beruflich Qualifizierte ohne Abitur von vorher bis zu vier Semestern auf bis zu zwei Semester beschränkt. Wir beschränken also dieses Probestudium und ein Hintergrund ist, dass wir nicht wollen, dass sehr lange ein Irrweg gegangen wird, sondern die jungen Menschen frühzeitig über ihren weiteren Weg entscheiden und damit Bildungsbiografien stringenter sind.

Zweitens: Seitens des Wirtschaftsrates wurde die Einführung des sogenannten Tenure Tracks, also eines etwas planbareren Karriereweges für den wissenschaftlichen Nachwuchs, ausdrücklich begrüßt, jedoch auch deutlich gemacht, dass ein Ortswechsel innerhalb einer solchen Karriere zwingend vorgeschrieben werden sollte. Es wird die Auffassung vertreten, und der schließt sich die große Mehrheit der Abgeordneten im Ausschuss an, dass es nicht zielführend ist, dass jemand seinen gesamten Karriereweg an einer Hochschule bestreitet, sondern dass es einfach notwendig ist, Zwischenetappen auf diesem Weg einzulegen. So ist man einen Kompromiss eingegangen zwischen erleichterten Karrierewegen, aber doch der Möglichkeit und gewissem Zwang, sich an anderen Hochschulen zu bewähren.

Drittens: Auch die im Rahmen der Anhörung insbesondere vom Deutschen Hochschulverband bemängelte Sache zur Besserstellung des Klinikumsvorstandes gegenüber dem Präsidenten und Rektor einer Hochschule wurde durch die im Ausschuss beschlossenen Änderungen abgestellt.

(Präsidentin Diezel)

Insofern, denke ich, liegt jetzt mit dem vorliegenden Beschlussvorschlag des Bildungsausschusses ein insgesamt ausgewogener Gesetzesvorschlag vor und ich bitte um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Als Erste in der Aussprache spricht Frau Astrid Rothe-Beinlich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Plenum ist in der Tat sehr bildungslastig, wenn ich das sagen darf. Und: Das ist auch gut, denn Bildung ist schließlich das zentrale Landesthema, was uns bewegt und wo wir entsprechende Weichenstellungen zu treffen haben. Sicher haben viele von Ihnen heute Morgen die Zeitung gelesen und konnten dort - sicher nicht zufällig - einen Artikel nachvollziehen, wo der Ausschussvorsitzende Dr. Mario Voigt seine Erwartungen zumindest via Presse sehr deutlich formuliert hat, wie er sich Hochschulentwicklungsplanung und Hochschulentwicklung in Thüringen vorstellt. Ich bin gespannt, wie seine Rede jetzt gleich hier ausfallen wird. Denn Fakt ist, das Gesetz ist gemeinsam von der Koalition vorgelegt worden und wir meinen, es wird nicht einmal seinem Namen gerecht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)