Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

an kommunalen Investitionen abzuschaffen und zu ersetzen. Da hatten die Fraktionen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und DIE LINKE sowie die Bürgerinitiativen aus meiner Sicht einen Vorschlag unterbreitet, der es wert gewesen wäre, diesen intensiv zu diskutieren, nämlich die Infrastrukturabgabe. Es ist eine Leistung von Bürgerinnen und Bürgern, dass sie einen Vorschlag machen, nicht einfach eine Abgabe abzuschaffen, sondern einen Gegenfinanzierungsvorschlag zu machen.

Herr Abgeordneter …

Wir sind sehr leichtfertig mit dieser Initiative umgegangen, die Landesregierung hat es beklagt, das Verfassungsgericht hat gesagt, Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande dürfen nicht über Geld abstimmen, ich formuliere es mal vereinfacht, das ist nur Sache des Parlaments. Da muss ich sagen, welches Misstrauen haben Sie gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, dass Sie ihnen nicht zutrauen, über Geld Entscheidungen zu treffen. Das war keine Glanzstunde der Arbeit der Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt komme ich zu Wort und kann Sie fragen, ob Sie dem Herrn Abgeordneten Bergner eine Frage beantworten würden.

Sehr gern.

Bitte, Herr Abgeordneter Bergner.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Kollege Kuschel. Herr Kollege Kuschel, Sie haben uns gerade vorgeworfen, dass wir jetzt mit dem Gesetzentwurf so ziemlich in die Nähe der Wahl kämen. Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen,

dass die FDP-Fraktion die erste Fraktion in dieser Legislatur war, die mit einem Antrag in den Landtag gekommen ist, der die Kommunen von dem Zwang zur Erhebung von Beiträgen freistellen sollte. Würden Sie zweitens bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass wir nochmals den Versuch unternommen hatten, als die Änderung vom Kommunalabgabengesetz durch die Koalition da gewesen ist. Würden Sie bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass Ihnen die Infrastrukturabgabe durch ein Gutachten der Landtagsverwaltung als verfassungswidrig attestiert worden ist.

Frau Präsidentin, wo waren jetzt die Fragen? Also es waren Aufforderungen zur Kenntnisnahme.

Die Fragen waren: Würden Sie zur Kenntnis nehmen in drei Punkten.

(Unruhe FDP)

Ja, ich nehme alles zur Kenntnis, was in diesem Haus gesagt wird, unsere Fraktion grundsätzlich, weil als Fraktion, wo der Dogmatismus nicht mehr Gegenstand unseres Handelns ist,

(Heiterkeit SPD)

nehmen wir natürlich alles zur Kenntnis und lassen auch alles zu. Herr Hey freut sich schon.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Ich kenne euch.)

Er kennt uns.

Herr Bergner, hätten Sie mir zugehört, dann hätten Sie zur Kenntnis genommen, dass ich in meinen Ausführungen darauf verwiesen habe, dass Sie zu Beginn dieser Legislaturperiode einen Antrag gestellt hatten, der darauf abzielte, die Erhebung der Straßenausbaubeiträge zu lockern. Wir sind aber zu der Entscheidung gekommen, gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass das nicht mehr zeitgemäß ist, weil man das System nicht mehr reformieren kann. Das war ja die Erwiderung. Das Rechtsgutachten, das Sie erwähnt haben, was die Infrastrukturabgabe betrifft - klar, das ist eine Rechtsposition. Wir leben in einem Rechtsstaat und da wissen wir, da werden Rechtsnormen völlig unterschiedlich interpretiert. Dafür gibt es Anhörungen und dergleichen, um das mit Experten zu beraten. Wir sind aber der Überzeugung, dass es durchaus Alternativen zu den Straßenausbaubeiträgen gibt, und wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es diese Form der finanziellen Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Infrastrukturinvestitionen nur noch in der Bundesrepublik gibt;

in keinem anderen europäischen Mitgliedsland gibt es das. Wir haben in drei Tagen Europawahl und da muss man sagen, die Harmonisierung der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten ist auch eine Herausforderung. Wenn keiner der anderen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union dieses Instrument zur Anwendung bringt, warum hält Deutschland an diesem Instrument, das 1894 in Preußen entwickelt wurde, im 21. Jahrhundert dennoch fest? Das ist die eigentliche Frage.

Aber auch in der Bundesrepublik ist es nicht mehr flächendeckend. Die drei Stadtstaaten haben keine Straßenausbaubeiträge, also Hamburg, Bremen, Berlin. Berlin hat es mal probiert über einen Zeitraum von fünf Jahren und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass die Aufwendungen zur Festsetzung und Beitreibung der Beiträge, also der Verwaltungsaufwand viel höher ist als der fiskalische Ertrag für den Haushalt. Deshalb haben CDU und SPD nach der Regierungsübernahme in Berlin diese Straßenausbaubeiträge wieder abgeschafft. Ich wiederhole noch mal: Es waren CDU und SPD, die haben sie abgeschafft. Offenbar sind die weiter als die CDU und SPD hier in Thüringen.

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg hat vor etwa 20 Jahren diese Form der finanziellen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger abgeschafft und meines Wissens gehört auch Baden-Württemberg noch zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Also was hier immer thematisiert wird, dass BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN oder die Linken oder die Bürgerinitiativen hier verfassungswidrige Dinge verlangen, scheitert doch an der Verfassungsrealität oder Gesetzesrealität in den anderen Bundesländern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist einfach eine Schutzbehauptung. Das wissen wir, Herr Hey lebt davon. Weil die SPD sich nicht inhaltlich positionieren will, sagt er immer „verfassungsrechtliche Bedenken“. Aber was die SPD will, das sagt er dann nicht. Das ist verständlich, es ist schwierig. Ich bin überzeugt, die SPD will die Straßenausbaubeiträge abschaffen, aber ist im Koalitionsvertrag so gefangen mit der CDU, dass es zurzeit nichts wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine letzte Anmerkung, was die Berücksichtigung der finanziellen Leistungskraft der Abgabenschuldner betrifft, was die FDP vorgeschlagen hat. Das gibt es auch in anderen Bundesländern. Aber wir wissen, dass diese Regelung sehr schwierig in der Praxis anzuwenden ist, denn wer definiert denn, ob ein Abgabenschuldner noch finanziell leistungsfähig ist oder nicht? Wenden wir die Sozialgesetzgebung an oder greifen wir auf andere Rechtsnormen zurück? Das bringt wieder große Anwendungsprobleme in den Gemeinden und spricht eher dafür, die Straßenausbaubeiträge grundsätzlich abzuschaffen.

Zur Jagdsteuer, da teilen wir nicht ganz die Position der Grünen, die sagen, wir müssen an jeder Steuer hier festhalten. Wir haben festgestellt, dass der Verwaltungsaufwand zur Erhebung und Beitreibung der Jagdsteuer die fiskalischen Erträge um ein Vielfaches übersteigt. Mit einer solchen Situation sind wir bereit, auch über die Abschaffung derartiger Steuern und Abgaben nachzudenken, wenn dieser Nachweis erbracht ist. Bei der Jagdsteuer - ich hatte dazu im Vorfeld eine Anfrage gestellt, die Landesregierung hat geantwortet. Da sind in ganz Thüringen um die 20.000 € daraus hervorgekommen.

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: 18.)

Sogar nur 18.000 €, danke für die Konkretisierung. Dahinter, weiß ich, standen mindestens 30 Gemeinden. Wenn ich das runterrechne, dann ist es tatsächlich eine Steuer, die fragwürdig ist, sowohl fiskalisch als auch aus Verwaltungsaufwendungen heraus.

Insgesamt sind wir bereit, im Ausschuss darüber zu diskutieren. Aber noch mal an die Kolleginnen und Kollegen der FDP: Sie werden keine Möglichkeit mehr haben, in der Legislaturperiode noch mal gesetzgeberisch zu agieren. Aber auch außerparlamentarisch können Sie an den Landtag mit Vorschlägen herantreten. Das machen Bürgerinnen und Bürger auch, ist auch wichtig für das Parlament, dass es außerparlamentarische wahrnehmbare Kräfte gibt. Aber für diese Legislaturperiode kommt Ihre parlamentarische Initiative einfach zu spät. Danke.

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: Wahnsinn, Wahnsinn.)

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe jetzt Redemeldungen aus allen Fraktionen und rufe für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Weber auf.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuschauer auf der Zuschauertribüne, eigentlich hatten wir uns darauf verständigt, dass wir über diesen Punkt in dem zuständigen Ausschuss umfassend diskutieren. Das ist der Konsens gewesen. Jetzt haben wir doch die Diskussion hier im Plenarsaal und da muss man noch ein paar Punkte sagen.

Herr Kollege Adams hat es schon deutlich gemacht, das ist so das Hobby der FDP: Hier im Haus oder auch in der Bundespolitik wird jede Steuer angegriffen, jede Form, die den Staat handlungsfähig macht und draußen vor Ort wird erzählt, was für Wohltaten man machen kann und was man alles brauchte und was alles besser ausgestattet werden

(Abg. Kuschel)

würde mit anderen Mitteln, die man aber auf der anderen Seite wieder abschaffen will. Das macht die FDP an vielen Stellen.

Was die Jagdsteuer betrifft, kann man natürlich darüber diskutieren. Aber man muss sich die Frage stellen, ob diejenigen, die aktiven Naturschutz betreiben, diejenigen, die vor Ort für viele Naturschutzräume zuständig sind und das auch wirklich machen, und zwar nicht, weil sie aus der Stadt kommen und am Sonntag einmal spazieren gehen, sondern weil sie sich regelmäßig um diese Landschaften und die Arten, die in diesen Regionen leben, kümmern, nicht irgendwann einmal an einen Punkt kommen, dass sie tatsächlich überbelastet sind. Wenn man sich das anguckt, wir erleben einen exzessiven Ausbau der Bioenergie. Überall hat man dadurch größere Monokulturen. Das wiederum fördert Wildschaden. Wildschaden zahlen am Ende wieder die Jäger. Die Jagdsteuer zahlen die Jagdgenossenschaften, legen es auf die Pacht um; das zahlen dann auch wieder die Jäger. Im Übrigen, Kollege Kuschel, worauf Sie angespielt haben mit dem Landesrechnungshof, das ist die Jagdabgabe, nicht die Jagdsteuer, das sind zwei verschiedene Tatbestände. Aber die abzuschaffen, ist auch nicht sinnvoll. Von daher macht das im Ergebnis keinen Unterschied. Wir sind der Auffassung, dass natürlich darüber diskutiert werden kann, wie hoch die Abgabenlast ist. Per se reden wir aber über 18.000 € in ganz Thüringen und wir reden darüber, weil die FDP-Fraktion irgendjemandem vor Ort wieder einmal versprochen hat, da machen wir etwas. Das ist der Hintergrund.

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: Jetzt reicht es aber.)

Ja, das ist der Hintergrund. Umsonst geht nichts. Ich bin der Meinung, wir brauchen diesen Entwurf nicht, wenn wir über die Abgabensituation in den Kommunen reden, da gibt es mit Sicherheit viele weitere Felder als diesen einzelnen Punkt. Man kann umfassend darüber diskutieren, das ist überhaupt keine Frage. Aber aus meiner Sicht kann man das auch noch einmal weiter im Ausschuss diskutieren. Von daher beantragen wir die Überweisung. Herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: So viel Bor- niertheit auf einem Haufen.)

Na, na, na! Jetzt rufe ich erst einmal für die CDUFraktion den Abgeordneten Primas auf.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Er redet jetzt über die Jagdsteuer.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das ist schon so, wenn man im Vorfeld vereinbart, das ist etwas, was wir in den Fachausschüssen mal bereden wollen, dann artet es jetzt so aus. Da macht die FDP einen Antrag und da kommt natürlich gleich der Vertreter der Grünen und wirft vor, die machen Wahlkampf. Aber was war denn das, Herr Adams? Das war noch viel schlimmer, als wenn hier ein Gesetzentwurf eingebracht wird, was Sie hier abgezogen haben.

(Beifall FDP)

Sie werfen der FDP Wahlkampf vor, aber Sie machen nichts anderes.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn Sie die FDP erpressen; Sie erpressen die FDP.)

Und Sie machen nichts anderes. Inhaltlich habe ich bei Ihnen nichts gehört, was etwas Vernünftiges gewesen wäre. Nun regen Sie sich nicht so auf, ich habe ja eh recht, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und zwar seit 30 Jahren.)

Kommen wir einmal zur Jagdsteuer. Selbst da reicht es nicht. Sie reden von den Jägern, aber die Jagdsteuer wird von den Jagdgenossenschaften erhoben. Bei den Jagdgenossenschaften - das ist eigentlich der Punkt, über den wir reden müssen sind die Kommunen regelmäßig Mitglied in der eigenen Jagdgenossenschaft. Also sie besteuern sich selbst. Das ist ein Thema, über das man einmal reden muss und auch einmal reden kann. Das wird dann an die Jäger über die Pacht weitergereicht. Dann holt man es sich wieder rein. Da ist fachlich schon eine ganze Menge Diskussionsstoff drin, worüber wir reden müssen. Bloß, wir wollten nun kein Gesetz haben, wir wollten eigentlich mit den Kommunen reden. Ist es denn notwendig, dass man jetzt 18.000 € im ganzen Lande - das sind 28 Kommunen, die das erheben, alle anderen nicht -, ob wir das nun so groß hochziehen müssen, dass wir hier die Verordnung und die Kommunalordnung ändern, oder ob die Kommunen - dies ist nämlich in ihrer Hoheit, das selbst zu entscheiden darauf verzichten? Da hätte es genügt, wenn wir mit dem Gemeinde- und Städtebund zu dem Thema ins Gespräch gekommen wären. Das war in den nächsten Wochen das Ziel. Aber jetzt haben wir den Antrag der FDP und den sollte man schon nutzen, ihn in den Ausschuss zu überweisen und begleitend in den Landwirtschaftsausschuss. Da möchten wir dann schon mal mit dem Gemeindeund Städtebund reden, ob wir nicht eine vernünftige Lösung finden, ohne dass wir die Kommunalord

(Abg. Weber)