Protokoll der Sitzung vom 27.06.2014

57. Sitzung am 14. Mai 2014 beraten sowie ein schriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt.

Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur empfiehlt, den vorliegenden Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Ich eröffne nun die Aussprache. Es hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Emde das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Wissen darum und die Erziehung zu Toleranz gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ist ohne Frage eine Aufgabe von Schule, von Kindergarten und gehört ohne Frage auch zur Ausbildung des pädagogischen Personals in Thüringen.

Aber meine Fraktion wird gegen den Antrag votieren und ein paar Gründe dazu will ich anführen, Frau Rothe-Beinlich.

Erstens: In Ihrer Antragsbegründung heißt es, dass das Schulgesetz keine Vorschläge, wie die Vielfalt in der Schule adäquat umgesetzt werden kann, enthält. Dazu ist nun mal zu sagen, die Umsetzung von Bildungszielen ist nicht Aufgabe, in einem Bildungsgesetz formuliert zu sein, und gehört dort überhaupt nicht hin.

Zweitens muss man aber auch mal klipp und klar sagen, schon in den ersten Paragraphen, nämlich in § 2 des Schulgesetzes, ist unter dem Auftrag für die Thüringer Schule klar formuliert: „Die Schüler lernen, ihre Beziehung zu anderen Menschen nach den Grundsätzen […] der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten.“ Damit ist schon klar, das ist ein Auftrag von Schule und damit ist es auch schon per Gesetz in der Schule verankert. Deswegen ist der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überflüssig. Er geht damit in die Leere, denn es gibt gar keine Regelungslücke. Das sei damit noch mal gesagt.

Drittens: Auch im Begründungstext werfen Sie den Lehrkräften in Thüringen eine mangelnde Sensibilität für das Thema vor. Dazu kann ich nur sagen, diesen pauschalen Vorwurf teilen wir ausdrücklich nicht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da haben Sie aber lange gesucht nach einem Haar in der Suppe.)

Nein, Sie drehen die Dinge wieder um. Das Haar in der Suppe suchen Sie und ich stelle nur klar, wie die Dinge tatsächlich in Thüringen sind.

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

(Beifall CDU)

Es kommt eben einfach daher, weil wir das Ohr mehr an der Schule dran haben, als Sie es jemals haben können.

Viertens: Frau Rothe-Beinlich, in der Anhörung sowie in der Debatte des Bildungsausschusses zu diesem Thema haben wir erfahren, wie vielfältig die Bemühungen sind, wie vielfältig auch die Festlegungen sind, wie vielfältig die Angebote in Schulen, in der Lehrerbildung hinsichtlich der Fragen des Umgangs mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sind. Wir schlussfolgern daraus, dass alles Notwendige veranlasst ist und dass es das tägliche Bemühen gibt, um das tatsächlich Machbare auch zu erreichen.

Fünfte Begründung: Weitere staatliche Maßnahmen, wie Sie sie einfordern, wie zum Beispiel die Schaffung eines Beschwerdemanagementsystems und ein gesondertes Landesprogramm zu diesem Thema, halten wir für absolut unverhältnismäßig, aber auch nicht zielführend.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, alles klar.)

Deswegen lehnen wir es ab.

Meine Damen und Herren, nichts ist so gut, dass es nicht noch besser gemacht werden könnte. Aber die Debatte der letzten Wochen hat auch gezeigt, dass Einsicht und Wille zu einem offenen und progressiven Umgang mit dem Thema sowohl in den Schulen als auch im Ministerium als auch in den Hochschulen, die für die Lehrerbildung zuständig sind, vorhanden sind. Nicht alles, meine Damen und Herren, was gern von manchem Politiker als Aufgabe zur Veränderung unserer Gesellschaft erdacht wird, muss man den Lehrern als ideologisches Korsett per Zwang überstülpen. Deswegen gehört dieser Antrag in die Papiertonne, denn mit solchen unterschwelligen Vorwürfen an die Lehrerschaft und ständig neuen Konzepten und Verpflichtungen für die Schulen kann man keine vernünftige Politik für unsere gute Thüringer Schule machen. Vielen Dank.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat der Abgeordnete Möller das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren hier im Rund, werte Gäste, ein herzliches Willkommen zur heutigen Plenarsitzung und natürlich auch die Teilnehmerinnen draußen an den Schirmen. Inhaltlich haben wir uns bereits zu die

sem Thema ausgetauscht und ich möchte heute gern den Fokus auf etwas anderes richten, was mir bei dieser Debatte um den inhaltlich guten Antrag aus unserer Sicht aufgefallen ist.

Nachdem sich nun die Koalition durchgerungen hatte, den Antrag von Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Ausschuss zu überweisen, hatte man fälschlicherweise gedacht, dass es nun eine solide Auseinandersetzung zum Thema sexuelle Vielfalt im Thüringer Bildungswesen geben wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wurde eine schriftliche Anhörung durchgeführt, die sehr umfangreiche Stellungnahmen erbrachte. Wenn ich Herrn Emde gerade zugehört habe, habe ich den Eindruck, er hat weder eine Zeile zur Kenntnis genommen, wenn überhaupt etwas dazu gelesen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Gab es eine Aufarbeitung vonseiten der regierungstragenden Fraktionen hierzu? Ich glaube, das ist nicht der Fall. Lediglich Herr Kollege Döring hat sich als einziger Vertreter der Koalition im Ausschuss genannt. Herr Emde, die Argumente, die Sie gerade eben vorgebracht haben, hätten wir sehr gern im Ausschuss diskutiert,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber Sie waren zwar körperlich anwesend, aber ansonsten null Beteiligung.

Der Ausschuss behandelte den Antrag in drei Sitzungen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU:... wenn Sie nicht zugehört haben.)

Ich habe im Ausschuss schon zugehört. Bei anderen Kollegen hatte ich nicht den Eindruck.

In der 53. Sitzung wurde die Festlegung getroffen, eine schriftliche Anhörung durchzuführen, da sich für eine mündliche Anhörung keine Mehrheiten gefunden hatten. In der 54. Sitzung wurde die Anzuhörendenliste festgelegt und in der 57. Sitzung, als es endlich um die Inhalte ging, schien seitens der Koalition die Meinung festzustehen, wir brauchen nichts zu ändern.

Meine Damen und Herren, es ist eine traurige Geschichte, dass nur widerwillig der Ausschussüberweisung und der späteren Anhörung zugestimmt wurde, um im Endeffekt zu sagen: „Bei uns ist doch alles gut, machen wir also weiter so!“, und das, obwohl sämtliche Anzuhörende - und hier noch mal meine Bemerkung vorhin zu Ihnen, Herr Emde, man muss die entsprechenden Stellungnahmen halt zur Kenntnis nehmen und die sagen nämlich etwas anderes und kein „Weiter so“.

(Abg. Emde)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Natürlich haben wir momentan einige andere Probleme, die nach ihrer Lösung drängen. Da sei an dieser Stelle nur der Lehrermangel und die hohe Arbeitsbelastung der Pädagoginnen und Pädagogen genannt und natürlich auch die mangelnden Schulinvestitionen. Aber das kann kein Argument sein, sich mit solchen inhaltlichen Fragen nicht auseinanderzusetzen. Die Anhörung hat gezeigt, dass in Thüringen dieses Thema eben nicht immer in den Schulen präsent ist und es viel zu oft zu Stigmatisierungen kommt. Hier war eine Forderung des Antrags und auch aus der Anhörung, Beschwerdebzw. Anlaufstellen zu schaffen. Selbstverständlich wollen wir auch keine Doppelstrukturen. Diese Aufgabe könne von den Kräften der Schulsozialarbeit und Schulpsychologie mit übernommen werden. Hier stimmen wir den Vorschlägen von Kollegen Hans-Jürgen Döring ausdrücklich zu. Auch im Hinblick auf die Thüringer Lehrpläne wurde im Gegensatz zum Herrn Minister festgestellt, dass es einer dringenden Überarbeitung bedarf bzw. ein fächerübergreifender Lehrplan angeraten wäre. So hat die Humboldt-Universität zu Recht herausgestellt, dass Lehrkräfte gerade bei tabuisierten Themen wie diesem hier nicht als Einzelkämpfer auftreten wollen und gern klare und umfängliche Vorgaben haben möchten, damit sie sich sicher fühlen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch auch hier war wieder zu hören bzw. gerade eben: Was wir haben, ist gut und wir brauchen nichts zu ändern. Dieses Vorgehen kennen wir bereits aus den Reihen der Regierungskoalition, daran sei zum Beispiel bei dem Thema Abschiebestopp erinnert. Meine Damen und Herren, ein solches Verhalten ist unrühmlich und unehrlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wären Sie wenigstens dem Hohen Haus gegenüber und zur Opposition bzw. sich selbst ehrlich gewesen und hätten von vornherein diesen Antrag abgelehnt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Was haben Sie nun eigentlich gesagt?)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hätten Sie zugehört, Herr Emde, dann wüssten Sie es.)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Döring das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „Schule ist der Ort, an dem viele vielfältige Menschen verschiedener Altersgruppen, verschiedener Geschlechter und verschiedener Herkunft zusammenleben. Da ist zugleich der Ort, an dem junge Menschen die Wertschätzung von Vielfalt erleben können und auch sollen.“ Diese beiden Sätze stammen aus einer schriftlichen Stellungnahme des Bundesverbandes der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen zum heute behandelten Antrag. Sie bringen für mich auf den Punkt, worum es uns beim Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Diversität im schulischen Rahmen gehen muss. Vielfalt ist Normalität und Bereicherung, ist zutiefst menschlich, den Menschen von jeher eigen. Gute Schule ist daher ein prädestinierter Lebens-, Lern- und Erfahrungsort für eben diese Vielfalt. Ich denke, alle Fraktionen in diesem Haus können sich die von mir eingangs zitierten Sätze zu eigen machen. Dieser hohe Grad an Übereinstimmung bei einem durchaus sperrigen, sich einer plakativen Politisierung entziehenden und differenziert zu diskutierenden Thema möchte ich hier ausdrücklich erwähnen und positiv hervorheben. Er hat nach meinem Empfinden den gesamten Beratungsgang zu dem von den Grünen vorgelegten Antrag geprägt und dementsprechend haben die Fraktionen im Bildungsausschuss gemeinsam eine schriftliche Anhörung zu der Thematik durchgeführt und sind zudem in einen, wie ich finde, sehr fruchtbaren und ergebnisorientierten Dialog mit dem Bildungsministerium zu den einzelnen Aspekten dieses Anliegens getreten. Dabei ist für mich deutlich geworden, dass es nicht primär um neue Strukturen, um neue Beauftragte oder neue, umfassende Konzepte geht, sondern vor allem um eine bessere Verknüpfung bereits bestehender Angebote und Strukturen, um eine bessere Sichtbarmachung und Vermittlung des schon Existierenden sowie um eine stärkere Sensibilisierung von Pädagogen, Schülern und Eltern.

Meine Damen und Herren, ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung, bei der die Koordinierungsstelle Aids-Prävention und Sexualpädagogik angesiedelt ist, hat in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die schon bestehenden Fortund Weiterbildungsangebote zum gesamten Themenspektrum der Sexualpädagogik nicht nur stärker kommuniziert und damit intensiver im Bewusstsein der Pädagogen verankert werden müssten, sondern dass diese Angebote künftig auch für Schulsozialarbeiter geöffnet werden sollten. Das macht meines Erachtens wirklich Sinn, denn die Schulsozialarbeiter sind wichtige Ansprechpartner für die Schüler, die gerade beim Thema Sexualität einen ganz anderen Zugang zu Heranwachsenden finden können als Lehrer oder Eltern. Für mich ist das daher ein guter und wichtiger Hinweis aus der

(Abg. Möller)

Praxis, der der Bildungspolitik zeigt, an welchen konkreten Stellschrauben noch gedreht werden muss, um die bereits vorhandenen Ansätze zu optimieren.