Es gibt im Moment keine weiteren Redeanmeldungen mehr aus den Fraktionen. Für die Landesregierung Herr Minister Matschie, bitte.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, ich will zu Beginn noch einmal sagen, ich bin schon überzeugt, Thüringen hat ein leistungsfähiges Bildungssystem, und zwar nicht nur bezogen auf die fachliche Qualifizierung von Schülerinnen und Schülern, sondern auch, wenn es darum geht, wichtige gesellschaftliche Themen aufzugreifen. Wir wissen aus vielen Untersuchungen, am Ende gelingt Schule so gut, so gut Lehrerinnen und Lehrer, Pädagoginnen und Pädagogen, Erzieherinnen und Erzieher sind. Deshalb glaube ich, macht es zunächst einmal Sinn, zu schauen, welche Instrumente wir eigentlich haben, um mit Problemen umzugehen. Wo können wir ansetzen im bestehenden System, bevor wir anfangen, neue Strukturen zu schaffen, neue Programme über die Schulen zu ziehen? Denn es gibt auch am Ende einen Abnutzungseffekt. Dann geht es heute um die Frage der sexuellen Vielfalt, dann geht es morgen um die gesunde Ernährung, da geht es übermorgen um den Umgang mit Medien, da geht es überübermorgen um mehr Bewegung. Alles wird sozusagen mit zusätzlichen Strukturen diskutiert, manches mit zusätzlichen Fächern, die eingerichtet werden. Das kann am Ende nicht aufgehen.
Deshalb müssen wir schauen, wie wir Schule als Schule, wie wir sie haben, stärken, mit bestimmten Themen umzugehen. Insofern glaube ich, Frau Rothe-Beinlich, auch wenn der Antrag heute hier keine Mehrheit findet, war er doch insofern wichtig, als er die Debatte wieder auf den Weg gebracht hat. Auch
in den Stellungnahmen, die dort gekommen sind, sind viele Anregungen, die wir weiter besprechen und verfolgen können, enthalten. Am Ende muss es uns doch darum gehen, auch in einer sachlichen konstruktiven Art und Weise in dieser Frage weiterzukommen, auch unseren Schülern weiterzugeben, welches Rollenverständnis, welche Vorstellungen von Zusammenleben, vom Umgang miteinander wir vermitteln wollen, wie diese Gesellschaft aussehen soll.
Wir leben in einer pluralen, in einer offenen Gesellschaft und das wollen wir auch an Schulen vermitteln. Das gelingt an vielen Stellen gut, das kann aber an vielen Stellen auch noch besser gemacht werden. Darüber müssen wir weiter diskutieren.
Zunächst möchte ich noch einmal festhalten, dass das Thema „Umgang mit sexueller Vielfalt“ einen festen Platz in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern und Lehrerinnen und Lehrern hat. Das Thema hat auch seinen festen Platz in den Lehrplänen. Auch der Bildungsplan - er ist hier eben noch einmal erwähnt worden -, der die Bildungsansprüche aus der Sicht der Kinder und Jugendlichen formuliert, greift dieses Thema auf. Ich weiß aus einer ganzen Reihe von Gesprächen, dass auch viele Pädagogen sensibilisiert sind für das Thema. Trotzdem passiert es natürlich, dass Schüler ausgegrenzt werden, dass sie von Klassenkameraden verspottet werden, dass sie sich ungerecht behandelt fühlen. Damit müssen wir umgehen.
Jetzt ist natürlich die Frage: Was steht uns an Mitteln und Möglichkeiten zur Verfügung? Hier rate ich, dass wir uns erst einmal den Instrumentenkasten anschauen, den Schulen zur Verfügung haben. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist eine schulische Aufgabe, und wenn es Anzeichen dafür gibt, dass das Wohl eines Schülers oder einer Schülerin gefährdet ist, sind die Schulen in der Pflicht, dem nachzugehen und zu schauen, wie man das lösen kann. Es gibt eine ganze Reihe von Ansprechpartnern an der Schule. Ich gehe gleich darauf ein. Das Thema ist in der Schulordnung und auch im Schulgesetz verankert. Wir haben die Fachlehrer, wir haben die Klassenlehrer, wir haben besonders ausgebildete Beratungslehrer. Eine herausgehobene Rolle haben Vertrauenslehrer in diesem Zusammenhang. Wir haben Schülervertretungen, die ansprechbar sind, Schulleiter, Mitglieder der Schulkonferenz. Wir haben Schulsozialarbeiter, wir haben die Schulpsychologen. Ich sage, es ist wirklich eine Breite von Möglichkeiten, von Personen, die mit diesen Themen umgehen können und reagieren können. Wir haben gerade auch im Bereich der Schulsozialarbeit mit dem Landesprogramm zur Schulsozialarbeit einen großen Schritt nach vorn gemacht. Ich will mich auch bei Sozialministerin Frau Taubert noch einmal bedanken, die das Programm auf den Weg gebracht hat, weil das
Dazu kommt, neben dem, was wir in Lehrplänen verankern, neben den Ansprechpartnern, die wir haben: Wie werden eigentlich auch öffentliche Diskussionen genutzt? Das sind Dinge, die Kinder und Jugendliche sehr genau und sehr wach wahrnehmen. Schule hat viele Möglichkeiten, auf solche öffentlichen Debatten zu reagieren. Manchmal sind Nachrichten schneller am Puls der Zeit, als irgendwelche Lehrbücher oder Lehrpläne es sein können.
Lassen Sie mich einfach mal ein paar Beispiele machen: Das Outing von Thomas Hitzlsperger und die Debatte, die sich über den Profifußball angeschlossen hat, oder der Auftritt von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest oder Proteste von Schwulen- und Lesbenverbänden gegen die Olympischen Spiele in Russland, das sind alles Themen, die sind in den Medien da. Kinder und Jugendliche nehmen das wahr und die können im Unterricht aufgegriffen werden, vom Ethikunterricht über die Sozialkunde bis zum Sportunterricht. Ich weiß aus Gesprächen mit Lehrerinnen und Lehrern, dass, wenn so etwas passiert, wenn so etwas in der Schule, im Unterricht aufgegriffen wird, oft die spannendsten Unterrichtsstunden daraus entstehen können, weil ein ganz aktuelles Interesse da ist.
Mir ist wichtig, dass alle, die Schule gestalten, ein sensibles Gespür entwickeln, dass sie auch ein Gefühl haben für die Zwischentöne. Wenn Menschen sich ausgegrenzt fühlen, kann man das oft gar nicht so ganz genau benennen, was es war. Es ist der Ton, den man miteinander trifft, wie man miteinander umgeht. Hier müssen wir natürlich weiter sensibilisieren. Da muss auch eine Einrichtung wie das Thillm mit seinen Weiterbildungsangeboten Lehrerinnen und Lehrern helfen, wachsamer, sensibler zu werden für solche Zwischentöne.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Schule ist kein Elfenbeinturm, sie ist immer Teil der Gesellschaft und Schüler bringen das in den Unterricht mit, was sie erleben, was sie zu Hause erleben, was sie im Freundeskreis erleben. Frau Hitzing hat das eben auch noch einmal deutlich gemacht und kann das auch aus eigener Erfahrung als Lehrerin sehr gut beschreiben. Mir ist es wichtig, dass es uns gelingt, dann zu zeigen, was die Werte unserer Gesellschaft ausmacht, wie wir mit Menschen umgehen, die andere Entscheidungen für ihr Leben getroffen haben, die anders leben, die anders sind. Trotzdem sind wir eine Gesellschaft, die tolerant miteinander umgehen muss. Für mich ist ein ganz entscheidendes Wort in diesem Zusammenhang: Respekt! Respekt vor dem anderem, egal wie er ist, wie er lebt, welche Entscheidungen er oder sie für ihr Leben getroffen hat. Das muss Ziel der schulischen Arbeit sein. Wir sind hier auf dem Weg.
Ich will an dieser Stelle auch noch mal sagen: Je konstruktiver und sachlicher wir selbst als Politikerinnen und Politiker mit diesem Thema umgehen, desto eher wird es uns gelingen, die notwendige Sensibilität in den Schulen zu erzeugen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Es gibt keine weiteren Redewünsche mehr. Demzufolge kann ich die Aussprache schließen. Wir stimmen nun direkt über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/ 6835 ab, da - das ist in der Debatte deutlich geworden - der Ausschuss die Ablehnung des Antrags empfiehlt. Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/6835 seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus der SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? Die gibt es nicht. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10. Die Tagesordnungspunkte 11 a und b, das hatten wir gestern gesagt, sind abgesetzt worden.
Mopedführerschein mit 15 Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/7305
Die Landesregierung hat angekündigt, zu Nummer I des Antrags einen Sofortbericht zu erstatten. Ich frage trotzdem noch mal die antragstellenden Fraktionen: Gibt es den Wunsch zur Begründung des Antrags? Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann haben Sie das Wort, Herr Minister Carius.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Mopedführerschein mit 15 basiert auf einem Modellprojekt, das zum 1. Mai des letzten Jahres im Freistaat Thüringen, im Freistaat Sachsen und im Land Sachsen-Anhalt gestartet ist. Es umfasst die sogenannte Fahrerlaubnisklasse AM, mit der unter anderem Mopeds und kleine Quads mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h gefahren werden können. Regulär kann die Klasse AM erst mit Vollendung des 16. Lebensjahrs erworben werden. Auf Vorschlag von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wurde durch das Bundes
verkehrsministerium eine Ausnahmeverordnung hinsichtlich der Altersgrenze erlassen. Danach dürfen in den Teilnehmerländern bereits 15-Jährige den Führerschein für diese Fahrerlaubnisklasse erwerben und diese Fahrzeuge auch führen. Das bedeutet, dass beispielsweise ein 15-jähriger Thüringer auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt fahren darf, die regionale Beschränkung entfällt mit Erreichen des regulären Mindestalters für die Fahrerlaubnisklasse, also mit 16 Jahren.
Nach gut einem Jahr Laufzeit können wir feststellen, dass das Modellprojekt von den Jugendlichen sehr gut angenommen wird. Von 208 Fahrerlaubniserteilungen in Thüringen in der damaligen Klasse M im Jahr 2012 stiegen die Fahrerlaubniserteilungen im Jahr 2013 um das über Fünffache auf 1.118 Fahrerlaubnisse. Von diesen 1.118 entfallen insgesamt 907 Erteilungen auf das Modellprojekt. Ich glaube, das ist ein Ausweis dafür, dass es hier eine echte Nachfrage gibt. Was die theoretische Fahrerlaubnisprüfung angeht, lassen sich Auffälligkeiten dahin gehend beobachten, dass die Bestehensquote der 15-Jährigen im Vergleich zu 16-jährigen Prüflingen um fast 10 Prozent höher ausfällt. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Signal insbesondere für die Verkehrssicherheit. Hieraus kann geschlossen werden, dass die 15-Jährigen besonders motiviert sind, die Prüfung zu bestehen. Bei der praktischen Prüfung sind die Bestehensquoten etwa vergleichbar zwischen 15- und 16-Jährigen.
Hinsichtlich der regionalen Verteilung in Thüringen wurde bereits drei Monate nach dem Start des Modellprojekts eine Evaluation vorgenommen. Danach wird der Mopedführerschein mit 15 besonders im ländlichen Raum angenommen, so wie wir es auch vorhergesehen haben. Danach ist die Nachfrage für den Mopedführerschein in den kreisfreien Städten Erfurt, Jena und Weimar etwas geringer im Vergleich. So wurden in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 2013 zwölf Anträge in Erfurt, fünf in Jena und nur drei in Weimar auf die AM 15 gestellt. Dies deckt sich mit der Nachfrage in dieser Fahrerlaubnisklasse in den Vorjahren und hat natürlich etwas damit zu tun, dass das ÖPNV-Angebot in den verdichteten Räumen naturgemäß einfach etwas größer ist als im ländlichen Raum. Deswegen haben wir ja gerade dieses Projekt entwickelt, um damit die Mobilität insbesondere für junge Leute im ländlichen Raum ein Stück weit zu erhöhen.
So hat sich auch die Zahl der Anträge beispielsweise im Eichsfeld im gleichen Zeitraum von 32 auf 73 mehr als verdoppelt. Auch in Altenburg findet das Modellprojekt eine große Nachfrage mit insgesamt 69 Anträgen, Nordhausen, Kyffhäuserkreis jeweils 34. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung der DEKRA als der zuständigen Stelle für die Durchführung der theoretischen und praktischen Fahrerlaubnisprüfung. Auch dort kommt man zur Feststellung, dass die Zahl der Prüfungen zum herkömmlichen
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch etwas zu den Bedenken hinsichtlich der Verkehrssicherheit sagen, denen wir uns zu Beginn des Modellprojekts gegenübergestellt sahen. Was die Unfallzahlen angeht, können wir bislang keine Auffälligkeiten in der Unfallstatistik erkennen. Erfreulich ist, dass bislang kein Teilnehmer des Modellprojekts tödlich verunglückte oder einen anderen Verkehrsteilnehmer tödlich verletzte. Allgemein ereigneten sich im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 422 Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Mopedfahrern. Bei 238 Verkehrsunfällen wurden Mopedfahrer als Verursacher erfasst. Insgesamt waren unter Beteiligung von Mopedfahrern zwei Verkehrsunfälle mit Getöteten, 57 Unfälle mit Schwer- und 178 mit Leichtverletzten zu verzeichnen.
Im Vergleichszeitraum 2013 sank die Anzahl der Verkehrsunfälle mit beteiligten Mopeds auf 406, davon 205 von Mopedfahrern verursacht. Unter Beteiligung von Mopedfahrern waren drei Verkehrsunfälle mit getöteten, 68 Unfälle mit Schwer- und 190 Unfälle mit Leichtverletzten. Die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Teilnehmern des Modellprojekts fiel mit 15 Unfällen sehr gering aus. In neun Fällen wurden sie als Verursacher erfasst. Diese Zahlen machen mich durchaus optimistisch, dass das Modellprojekt auch weiterhin erfolgreich verläuft.
Meine Damen und Herren, welche Schlussfolgerungen ziehen wir aus dieser etwas vorläufigen Bilanz des Modellprojekts? Ich bin überzeugt, dass mit einem zeitigeren Erwerb der Fahrerlaubnis frühzeitig Erfahrungen und Fahrkompetenz als aktive Teilnehmer im Straßenverkehr gesammelt werden können. Dies befähigt die Jugendlichen zu einem späteren verantwortungsvollen Umgang mit größeren Motorrädern oder dem ersten eigenen Auto. Hinzu kommt, dass die Fahrschulausbildung für den Mopedführerschein wesentlich intensiver als die Vorbereitung auf die Mofaprüfung ist. Zudem spielt die Mobilität vor allem für Jugendliche im ländlichen Raum eine immer größere Rolle.
Der frühere Erwerb des Mopedführerscheins stellt für die Jugendlichen eine gute Ergänzung zum ÖPNV-Angebot dar, mit dem sie ihre Mobilitätsinteressen freier und auch deutlich flexibler verwirklichen können. Viele dieser jungen Leute müssen zunehmend weitere Wege zur Schule gehen; Berufsschule, Ausbildungsstätte sind auch nicht alle direkt an der Wohnungstür, was nicht zuletzt auch der demografischen Entwicklung geschuldet ist. Gerade mit dem Angebot eines Mopedführerscheins mit 15 wollen wir ermöglichen, dass Jugendliche mobil sind und zugleich zu Hause bleiben können. Das stärkt die regionale Verbundenheit und fördert nicht zuletzt auch die Bereitschaft, in
Meine Damen und Herren, durch die bevorstehende Evaluation durch die Bundesanstalt für Straßenwesen erhoffen wir uns umfassende und auch aussagekräftige Ergebnisse. Unser Ziel ist es, das Modellprojekt AM 15 fortzuführen und zum Vorreiter einer bundesweiten Einführung zu machen. Die bisherigen Erfolge sprechen hier für sich. Kurz- und mittelfristig bin ich auch gern bereit, mich bei meinen Kollegen in Hessen, Niedersachsen und Bayern für eine Anerkennung der Fahrbescheinigung in diesen Ländern einzusetzen. Andernfalls müssten die Jugendlichen ihr Moped an der Ländergrenze stehen lassen und weiterschieben. Ich glaube nicht, dass das sinnvoll wäre. Insofern müssen wir schauen, was wir da bei den Kollegen erreichen. Vielen Dank.
Kann ich davon ausgehen, dass mit der Abgabe der Redemeldungen alle Fraktionen die Aussprache zum Bericht wünschen? Dann gehe ich davon aus und eröffne die Aussprache zu dem Sofortbericht und zu Nummer II des Antrags. Ich rufe als Erstes für die Fraktion DIE LINKE die Frau Abgeordnete Dr. Lukin auf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich will noch mal zum Ausgangspunkt zurückkehren. Am 16. Januar 2013 wurden die Bestimmungen der 3. EU-Führerscheinrichtlinie in geltendes Recht umgesetzt. Ziel war unter anderem, das bisherige Regelwerk in den EU-Ländern zu harmonisieren. Dazu gehörte neben der Befristung der Führerscheindokumente auch eine Neuordnung der bisherigen Führerscheinklassen sowie der Möglichkeiten des stufenweisen Erwerbs des Führerscheins bei den Motorradklassen. Der Minister hat es schon erwähnt, die neu geschaffene EUKlasse AM fügte zur bisherigen M-Klasse - Mopeds mit einem Hubraum bis 50 Kubikzentimeter und einer Geschwindigkeit von 45 Kilometer pro Stunde noch dreirädrige Fahrzeuge und vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge bis 45 Kilometer pro Stunde hinzu. Gerade für diese Klassen hat die EU ein Prüfungsalter ab 16 Jahre empfohlen, ließ aber den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sich auf ein Alter zwischen 14 oder 18 festzulegen. Die Bundesrepublik folgte den EU-Empfehlungen, hat in ihren Nationalen Richtlinien ein generelles Alter von 16 für den Führerscheinerwerb in der Klasse AM festgeschrieben. Die schon erwähnten drei Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben am 01.05.2013 ein bis 2018 befristetes Modellprojekt gestartet, das den Erwerb des Führerscheins mit 15
für diese Leistungsklasse und den Beginn der Ausbildung bereits mit 14,5 zuließ. Die Diskussion dazu war sehr kontrovers geführt worden, unter anderem hatten der Deutsche Verkehrssicherheitsrat auch in Auswertung der Österreichischen Ergebnisse und auch die Deutsche Verkehrswacht eine ablehnende Haltung dazu eingenommen. Andere Bundesländer, wie zum Beispiel Baden-Württemberg, haben sich ebenfalls dort zurückgehalten und wollten den Modellversuch aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt erst abwarten, um dann eigene Festlegungen zu treffen, die sich von dem festgelegten Alter 16 unterschieden.
Die bisher erzielten Ergebnisse lassen eine positive Schlussfolgerung für diesen Modellversuch zu. In Thüringen hatten sich die Landesverkehrswacht und auch unsere Fraktion auf jeden Fall mit für den Modellversuch entschieden. Es gab erstens schon Erfahrungen in den neuen Bundesländern, was das Mopedfahren mit 14 bzw. 15 anbetraf. Außerdem hatten Vertreter der Polizei und auch Vertreter der örtlichen Verkehrswachten darauf hingewiesen, dass gerade im ländlichen Raum mit diesem frühen Modellversuch die Schwarzfahrerquote auf diesen Verkehrsmitteln entscheidend gesenkt werden könnte. Dass junge Leute in diesem Zusammenhang eine solide Ausbildung erhielten - denn das war der Unterschied zu Österreich; hier in der Bundesrepublik wurde für diese Mopedprüfung in dieser Klasse neu AM eine theoretische und auch eine praktische Prüfung festgelegt, die auch anspruchsvoll ist -, wurde allgemein begrüßt. Hier wurden junge Leute für Verkehrsregeln, für das Einhalten von Verkehrsregeln, auch für ein entsprechendes, sich nach § 1 orientierendes Verhalten im Straßenverkehr geschult und haben das auch sehr gerne angenommen. Nun ist auch Sachsen an der Stelle noch einen Schritt weitergegangen. Sie haben AM Plus kreiert, also beispielsweise würden sie nach der erfolgreich abgelegten Prüfung auch noch einen Gutschein in Höhe von 24 € für eine nachträgliche Fahrschulung und ein Fahrsicherheitstraining mitgeben. Außerdem gibt es einen weiteren sehr positiven Nebeneffekt. Die jungen Leute durchlaufen eine Schulung im Erste-Hilfe-Kurs, das heißt also, auch dort lassen sich wertvolle Erfahrungen für ihr Leben und auch für ihr Verhalten im Straßenverkehr vermitteln. Es ist außerdem, das kann man in dem Zusammenhang auch sagen, relativ schwierig, für die 12- bis 16-Jährigen Projekte in der Verkehrssicherheit für richtiges Verhalten im Verkehr festzulegen. Erstens sind diese Altersgruppen relativ schwierig zu erreichen. In Bayern beispielsweise geht die Verkehrssicherheit mit einem eigenen Landesprojekt in die Schulen. Auch unser Verkehrssicherheitsprogramm bietet Schulungsprojekte an. Es sind Bundesmittel dafür vorgesehen, aber es ist eben schwierig, mit dieser Altersgruppe ins Gespräch zu kommen. Deshalb auch der Appell, dass wir uns hier gerade an der Stelle noch
mehr bemühen, erstens die Forderungen der KMK, den Beschluss von 2013 mehr umzusetzen und die Empfehlung zu Mobilitäts- und Verkehrserziehung in der Schule weitestgehend mit mehr Leben zu erfüllen, auch die Mittel in diesem Bereich für die jungen Leute, was die Verkehrserziehung und die Schulung anbetrifft, im Landes- und im Bundesmaßstab noch mehr zu erhöhen. Das würde diesen Modellversuch auch positiv begleiten.
Ich will in dem Zusammenhang - der Minister hatte schon die ersten Erfahrungen hier aus Thüringen benannt - auf ein Problem hinweisen, das ein bisschen angeklungen ist, das Problem des Mobilitätsgewinns im ländlichen Raum. Wir müssen aufpassen, dass die AM-Klasse, also das Mopedfahren mit 15, nicht etwa als Ersatz für Busverbindungen,
für die Frage, wie man mit öffentlichen Verkehrsmitteln seine Schule, seine Bildungsstätte und auch seinen Wohnort gerade im ländlichen Raum erreichen kann, dient. Es darf keine Ausrede werden, dass man eventuell die Busverbindungen reduzieren kann oder dass sich das Grundrecht auf Mobilität sozusagen über den individuellen Fahrverkehr erreichen lässt, denn erstens sind Bus und Bahn immer noch die sichersten Verkehrsmittel und zweitens ist es keine Sache, dass junge Leute frühzeitig auf Individualmobilität orientiert werden. In dem Zusammenhang - das ist aber nur ein zweiter Aspekt, nicht nur einer, der die Verkehrsplanung anbetrifft, sondern auch noch ein Schulaspekt - ist die Feststellung von Minister Carius vom 05.04.2013 in der TLZ interessant, als er den Versuch so begründet hat: Schüler und junge Azubis müssen inzwischen oft weite Wege zu ihren Bildungsstätten zurücklegen. Damit hat er zwar recht,
aber auf der anderen Seite müssen wir eines machen: Wir können natürlich die Berufsschulplanung nicht so ausrichten, dass Berufsschulen nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind.
Insofern wäre gerade eine landesweite Berufsschulplanung, eine landesweite Überlegung, wie man jungen Leuten auch ermöglichen kann, den Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, natürlich sehr sinnvoll. Das betrifft auch die Frage, die in einem weiteren Tagesordnungspunkt sicher noch besprochen wird, wie wir ihnen Fahrtkosten zurückerstatten können, und zwar effektiver, als es bisher der Fall ist.