Protokoll der Sitzung vom 27.06.2014

Insofern wäre gerade eine landesweite Berufsschulplanung, eine landesweite Überlegung, wie man jungen Leuten auch ermöglichen kann, den Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, natürlich sehr sinnvoll. Das betrifft auch die Frage, die in einem weiteren Tagesordnungspunkt sicher noch besprochen wird, wie wir ihnen Fahrtkosten zurückerstatten können, und zwar effektiver, als es bisher der Fall ist.

Also kurz: Wir begrüßen dieses Projekt, sind aber der Meinung, dass es nicht als Alibifunktion für den öffentlichen Nahverkehr und seine Dezimierung dienen darf.

Ich möchte zum Schluss noch eine kurze Bemerkung machen, was das Projekt selber anbetrifft und die hier gewünschte schnellere Evaluierung. Wir müssen natürlich aufpassen, ein Modellprojekt, das evaluiert wird, braucht signifikant eine Reihe von Zahlen, eine Reihe von Werten und eine Serie von Erhebungen. Das heißt also, es wird sich, um die Wissenschaftlichkeit dieses Versuchs dann auch beizubehalten, nicht signifikant verkürzen lassen können. Aber in dem Antrag ist auch erwähnt, dass man Überlegungen anstellen könnte, wie eventuell andere Bundesländer die hier erworbene Fahrprüfung anerkennen können und dann die jungen Leute, die sich mit 15 auf das Moped setzen, auch in ihrem Bereich fahren lassen. In dem Zusammenhang kann man sagen, okay, warum soll man hier einen Prüfauftrag nicht positiv begleiten, allerdings unter den von mir genannten hervorgehobenen Aspekten. Man muss sich natürlich wesentlich mehr bemühen, sowohl die Verkehrssicherheit der jungen Teilnehmer weiterhin zu stärken, eventuell auch die Überlegung anzustellen, wie man noch zusätzlich Fahrsicherheitstraining anbieten kann, wie man zudem ihr Interesse für das Verhalten im Straßenverkehr durch zusätzliche Mittel noch stärken kann, zusätzliche Ausbildung und natürlich keine Vernachlässigung des ÖPNV.

(Beifall DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Tasch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Antrag „Mopedführerschein mit 15 - Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit“ haben wir die Landesregierung gebeten, über die ersten Erfahrungen bei der Umsetzung dieses Modellprojekts zu berichten. Ich möchte mich ganz herzlich bei Minister Carius für den umfangreichen Sofortbericht bedanken.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das war sehr gut.)

Genau. Insbesondere soll mit diesem Antrag die Frage beantwortet werden, welche positiven Erwartungen die Landesregierung mit dem Vorhaben hinsichtlich der Erhöhung der Verkehrssicherheit verbindet. Das haben wir ja gerade gehört. Vor einem Jahr startete in Mitteldeutschland ein Modellprojekt, das die Erteilung der Mopedfahrerlaubnis an Ju

(Abg. Dr. Lukin)

gendliche bereits mit 15 Jahren ermöglicht. Frau Lukin hat es schon gesagt, unsere Generation hat diese Erfahrung auch gemacht. Ich habe auch mit 14 Jahren schon einen Mopedführerschein gehabt und bin dann damals von meinem Dorf

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Durchs Eichsfeld geheizt.)

auch in ein Nachbardorf gefahren und habe damit gute Erfahrungen gesammelt. Mit der Fahrerlaubnis Klasse AM können zusammengefasst zweirädrige Kleinkrafträder und Fahrräder mit Hilfsmotor sowie dreirädrige Kleinkrafträder und vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge jeweils mit einer Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 Kilometern pro Stunde geführt werden. Laut einer ersten Bilanz unseres Ministeriums wurde dieses Projekt besonders im ländlichen Raum sehr gut angenommen und ist ein voller Erfolg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich ein paar Ergebnisse dieser Zwischenbilanz vorstellen. Bis Ende 2013 haben 1.355 Jugendliche eine AM-Fahrerlaubnis erhalten. Mehr als 80 Prozent sind unter 16 Jahre alt. Allein im Eichsfeld haben sich die Anträge auf Erteilung einer Fahrerlaubnis mehr als verdoppelt, und das ist ja nun ein ländlich geprägter Landkreis. Es wurde kein Unterschied zwischen 15- und 16-Jährigen beim Bestehen der Fahrerlaubnisprüfung festgestellt. Es können frühzeitig Erfahrungen als aktiver Teilnehmer am Straßenverkehr gesammelt werden. Und, was auch sehr wichtig ist, die Unfallwahrscheinlichkeit der jüngeren Nutzer war nicht höher. Gerade was die Unfallzahlen betrifft, gab es ja in der Vergangenheit immer wieder Kritik, auch von den Grünen hier im Landtag.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich komme dazu.)

Sie kommen dazu, das denke ich mal, Frau Schubert. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich einen Artikel, der „Osterländer Volkszeitung“ vom 7. Februar 2014, in dem der Sprecher der Polizeidirektion Leipzig im Zusammenhang mit dem Mopedführerschein ab 15 und den Erfahrungen in Sachsen sagt: Es gibt keinerlei Auffälligkeiten junger Mopedfahrer beim Unfallgeschehen. Das ist eine positive Nachricht. Demnach haben weder das Verkehrsministerium noch die Polizei bisher schlechte Erfahrungen mit dem Pilotprojekt gemacht. Anhand dieser Ergebnisse ist meine Fraktion der Ansicht, dass wir mit dem vorliegenden Antrag ganz klar den Nerv der jungen Leute getroffen haben. Das finde ich auch eine tolle Sache. Im zweiten Teil unseres Antrags bitten wir die Landesregierung, sich für eine zügige Evaluierung des Modellprojekts „AM 15“ durch die Bundesanstalt für Straßenwesen einzusetzen - der Minister hat gesagt, das wird er gern tun -, abhängig von diesem Ergebnis gemeinsam mit dem Bund und den Län

dern eine Verkürzung des Modellprojekts - das soll 2018 auslaufen - zu prüfen und vor allen Dingen, was uns auch wichtig ist, eine bundesweit einheitliche Regelung einzuführen, sich in Abstimmung mit den Ländern Hessen, Niedersachsen, Bayern und dem Bund für eine Anerkennung der Fahrbescheinigung „AM 15“ in Hessen, Niedersachsen und Bayern einzusetzen, was Sinn macht. Gerade dieser Punkt ist uns wichtig, denn viele Jugendliche arbeiten in diesen Ländern und es kann nicht sein, dass man an der Landesgrenze dann vom Moped absteigen und schieben muss. Das macht keinen Sinn. Das wäre gerade auch der Vorteil, wenn es auf diese Bundesländer ausgeweitet wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Führerschein mit 15 ist für uns ein wichtiger Beitrag zur Mobilität, gerade im ländlichen Raum. Er verstärkt die Verkehrssicherheit und stellt eine gute Ergänzung zum bestehenden ÖPNV vor Ort dar. Leider rede ich jetzt vor der Frau Schubert, die schon fleißig mitschreibt, die natürlich das Ganze infrage stellen

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nicht Ihretwegen.)

und sagen wird, dadurch wollen wir den ÖPNV im ländlichen Raum eindämmen oder zurückfahren, was Quatsch ist. Wie gesagt, es ist eine gute Ergänzung im ländlichen Raum. Die Anfangszeiten, gerade wenn junge Leute dann schon zur Arbeit fahren, sind unterschiedlich. Zur Berufsschule können sicher alle mit dem Bus fahren, wenn er in der Erreichbarkeit liegt, oder auch mit dem Zug. Aber die Zahlen zeigen es, wir haben den Nerv der jungen Leute getroffen, wir wollen das als Ergänzung zum ÖPNV sehen. Deshalb bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, unserem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Schubert das Wort.

Ich habe gar nicht so viel mitgeschrieben, das sah nur so aus. Aber es hat mich natürlich gefreut, dass Frau Tasch mich so genau beobachtet hat.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist Ihnen nicht neu, dass wir von Anfang an skeptisch waren bei dem Modellversuch. Ich möchte aber auch nicht verhehlen, dass wir in der Fraktion durchaus sehr kontrovers darüber geredet haben. Man sollte nicht vergessen, dass die Initiative für dieses Modellprojekt aus der Industrie kam. Man sollte nicht vergessen, dass hier die Industrie auch mehr Absatzmöglichkeiten für Mopeds sieht.

(Abg. Tasch)

Genauso sollte man nicht vergessen, dass es einen Sinn hat, wenn Verkehrspsychologen eine Grenze festlegen, die im individuellen Fall natürlich immer unterschiedlich ist, aber die versucht, eine Mehrheit abzudecken, und diese bei 16 Jahren festgesetzt hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sollte man nicht vergessen. Ich wundere mich über den Antrag sehr, weil er auch als Zwischenbericht im Ausschuss hätte abgefeiert werden können. Sie wollen offensichtlich das Modellprojekt verkürzen. Ich habe ein bisschen geschmunzelt, wenn Sie die Bundesanstalt für Straßenwesen auffordern, das Modellprojekt zügig zu evaluieren. Vor nicht viel länger als einem Jahr hat der Landtag wohlwollend zugestimmt, dass ein Modellprojekt auf den Weg gebracht wird, das fünf Jahre dauert. Bei aller Liebe, jetzt schon zu sagen, das ist ein Erfolg, ohne wenigstens die fünf Jahre abgewartet zu haben und nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen so ein Modellprojekt dann auch durchzuführen, das ist nicht ganz redlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen offensichtlich Erfolge feiern, die man jetzt noch nicht so bezeichnen kann. Das wundert mich und deswegen werden wir uns am Ende auch zu diesem Antrag enthalten. Ich kann doch nicht nach einem Jahr schon sagen, das ist ein Erfolg. Das geht einfach nicht, nein. Wir brauchen doch diese fünf Jahre. Sie wissen auch, dass eine Statistik, die sich auf wenige Monate bezieht, nicht aussagekräftig sein kann für einen Zeitraum bis 2018.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist einfach unseriös. Sie haben vielleicht anderes von mir erwartet. Sie haben vielleicht erwartet, dass wir den Antrag ablehnen. Nein, wir sind dafür, dass man das in Ruhe auswertet, aber dann auch bitte so, wie es mal angedacht war. Das braucht einfach seine Zeit.

Die Erweiterung kann man dann immer noch vornehmen, wenn sich wirklich herausstellt, dass die Unfallzahlen nicht zugenommen haben. Dann freut uns das natürlich auch als Fraktion, das ist doch klar. Dann kann man immer noch sagen, Hessen, Niedersachsen und Bayern mögen sich dem bitte anschließen. Verkehrssicherheit ist für uns ein sehr wichtiges Thema. Deswegen habe ich auch damals mal die Zahlen in Österreich zitiert, die eine Zunahme in diesem Bereich, also für Mopedfahrer mit 15, ergeben haben. Ich habe mich aber auch belehren lassen, dass dort die Fahrausbildung einen deutlich kleineren Umfang hat als in Deutschland. So was muss man natürlich dann ins Kalkül nehmen. Ich lasse mich gern eines Besseren belehren, wenn nach diesen fünf Jahren wirklich herauskommt, dass 15-Jährige nicht mehr beteiligt sind.

Aber ich möchte mit etwas anderem schließen. Herr Carius hatte die Unfallzahlen genannt, hat von Toten und Schwerverletzten gesprochen und in diesem Zusammenhang gesagt, diese Zahlen würden ihn optimistisch stimmen. Ich weiß schon, wie Sie es gemeint haben. Sie meinten die abnehmende Tendenz und die Tatsache, dass bis jetzt in den wenigen Monaten, die dieses Modellprojekt läuft, 15-Jährige nicht mehr beteiligt sind als andere. Trotzdem fällt es mir sehr schwer, diesen Zusammenhang zu sehen und in diesem Zusammenhang von „optimistisch“ zu reden. Es zeigt nämlich, dass Sie eine grundsätzliche Akzeptanz für eine gewisse Zahl an Schwerverletzten und Toten haben. Damit werde ich mich in meinem ganzen Leben nicht anfreunden können. Wir müssen uns doch fragen, ob wir nicht mit so einem Modellprojekt der Motorisierung weiter Vorschub leisten,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ob wir nicht in einem Motorisierungskult leben, der gerade auch an vielen anderen Stellen nach wie vor viele Tote und Verletzte fordert. Das ist etwas, mit dem ich mich nie abfinden werde. Deswegen werden wir auch solche Initiativen weiter kritisch begleiten und an anderer Stelle weiter für Alternativen streiten, nämlich dafür, dass junge Leute auch die Möglichkeit haben, mit dem ÖPNV zur Arbeit und zur Ausbildung zu kommen und nicht irgendwann nur auf ein Moped angewiesen sind,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

weil die Gefahr, zu verunfallen, nun mal deutlich höher ist, wenn man mit einem Moped oder mit dem Auto unterwegs ist. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Doht zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Schubert, vorab: Wenn Sie dem Minister hier unterstellen, dass er eine grundsätzliche Akzeptanz für Verletzte, Schwerverletzte und Tote hätte, und das folgerichtig dann auch den Regierungsfraktionen, dann muss ich das hier mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Es ist eine Unverschämtheit, das hier so vorzubringen.

(Beifall CDU, SPD)

Wir haben diesen Pilotversuch mitbefördert und wollen, dass er möglichst zügig evaluiert und auch das Gebiet für den Pilotversuch ausgeweitet wird, weil wir hier eine Möglichkeit sehen, die Verkehrssi

(Abg. Schubert)

cherheit für junge Leute zu erhöhen. Das will ich einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall CDU)

Die meisten von uns hier in diesem Landtag sind früher selber mit 14 oder 15 Moped gefahren. Dem kann man sicher entgegnen, dass die Verkehrssituation auf unseren Straßen heute eine ganz andere ist als zu DDR-Zeiten, als man 15 bis 17 Jahre auf einen Pkw warten musste. Aber gerade deshalb ist es wichtig, dass junge Leute, bevor man sie in den Straßenverkehr lässt, entsprechend solide ausgebildet werden. Mit einer soliden Ausbildung für einen Mopedführerschein ab 15 tun wir hier mehr für die Verkehrssicherheit, als wenn wir es bei 16 Jahren belassen, weil zum einen - der Minister hat es bereits angesprochen - der Mofa-Führerschein bei Weitem nicht so eine solide Ausbildung, so eine umfangreiche voraussetzt. Was ist mit EBikes, die heutzutage entsprechende Geschwindigkeiten erreichen? Dafür ist überhaupt keine Ausbildung erforderlich. Ein Problem ist sicherlich auch, wenn man...

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist genauso, für E-Bikes bis 45 km/h braucht man auch einen Führer- schein.)

Aber bis 25 km/h nicht und wenn sie dann an einer abschüssigen Strecke sind, dann sind sie auch ganz schnell bei 45 km/h. Ich fahre das auch ohne E-Motor mit dem Fahrrad oder Mountainbike.

(Beifall CDU, SPD)

Ja, das ist so.