Protokoll der Sitzung vom 26.03.2010

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie kennen sich ja aus damit.)

Es gibt ja nicht nur Friseure. Ich empfehle Ihnen das jetzt nicht. Die Zeiten der Kinderunterbrechung ist alles schon genannt worden, aber wenn man mal tiefer in die Statistik eintaucht, Frau Rothe-Beinlich, dann merken Sie auch, dass die Statistik mehr Erhellung bringt. Denn in dem Altersbereich bis 24 Jahre beträgt der Lohnunterschied „nur“ 7,8 Prozent. In der Altersklasse dann bis 34 wächst er an auf 17,5 Prozent, um in der Altersklasse bis 55 bei 22,2 zu landen. Und das ist sicherlich vor allen Dingen der Entscheidung vieler Frauen geschuldet, Unterbrechungszeiten für Kindererziehung in Kauf zu nehmen. Sie haben sich jedenfalls meist freiwillig dafür entschieden.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Jetzt sind die Frauen selber Schuld.)

Das wollen wir doch weiter anerkennen. Insofern müssen wir sicherlich an der Einstellung der Bevölkerung arbeiten, aber - da wissen Sie, sind wir liberaler - wir werden hier keinem irgendwelche Vorschriften machen.

Gleichwertige Arbeit, hier Punkt 2. Was heißt gleichwertig? Wer will beurteilen, welche Arbeit wertiger ist oder weniger wert? Ich möchte mir das nicht anmaßen. Ich möchte nicht unterscheiden, ob der Maurer wertiger ist oder die Kindergärtnerin. Ich möchte nicht entscheiden, ob der Autoschlosser wertiger ist oder weniger wertig ist.

Meine Damen und Herren, Fakt ist eins, wir bewegen uns in einer globalisierten Wirtschaft. Wir müssen die Produkte am Weltmarkt verkaufen. Und wenn der Autoschrauber halt bei Opel, bei Daimler deutlich besser bezahlt ist, wenn der Pendler, den Sie eben anführten, außerhalb von Thüringen besser bezahlt ist als die Kindergärtnerin, dann ist das erst mal ein Fakt. Den müssen wir gesamtvolkswirtschaftlich erst mal zur Kenntnis nehmen, und dann sicherlich mit anderen Mechaniken hier dafür Sorge tragen, dass es zum sozialen Ausgleich kommt.

Es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage vom Abgeordneten Kuschel.

Ich bringe das kurz zu Ende, Herr Kuschel, dann komme ich gern auf Sie zurück. Aber die Volkswirtschaften haben sich anders entwickelt. Wir stehen in einer globalisierten Welt. Wir haben heute Probleme, das so darzustellen, dass alle gleicher verdienen, was wir auch nicht wollen. Deshalb, denke ich, dass wir in der Republik den Fakt haben, dass für wirklich gleiche Arbeit auch gleicher Lohn bezahlt wird. Wenn das nicht der Fall sein sollte, gibt es das AGG, was diese Fälle regelt und heute schon hier eingreifen könnte. Herr Kuschel.

Herr Kuschel.

Danke, Herr Präsident. Eine Frage, können Sie mir mal erläutern, wie die Globalisierung im Friseurhandwerk durchschlägt und dort das Niedriglohnniveau begründet?

Ich kann Ihnen gern den Markt erklären, ja es gibt keinen globalisierten Friseurmarkt, weil Herr Kuschel, ich weiß nicht, ob Sie schon mal in China waren zum Haareschneiden?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das lohnt bei mir nicht.)

Insofern, das fällt eigentlich aus. Wo Sie zum Friseur gehen oder überhaupt, spielt jetzt auch keine Rolle. Aber den deutschen Markt kann ich Ihnen erklären. Liebe rot-grüne Fraktion, durch Ich-AGen, durch Kleinstunternehmerregelungen hat man unter anderem dafür Sorge getragen, dass wir eine Schwarzarbeitsquote haben von fast 40 Prozent. Die verdirbt den Markt, die ermöglicht nicht, eine vernünftige Preispolitik zu nehmen, und die ermöglicht insofern auch nicht, darüber hinausgehende Löhne zu zahlen, die heute insgesamt in der Republik gezahlt werden. Wir haben das mal ausgerechnet. Ich komme gleich zu Ihnen dann auch. Wenn wir Ihren FantastLohn im Gebiet der fünf neuen Länder von 7,50 € zur Anwendung bringen würden auf Basis, was heute tatsächlich gezahlt wird, und wir würden davon ausgehen, dass gleich viele Leute zum Friseur gehen mit der gleichen Frequenz, dann würde das eine Preissteigerung von 38 Prozent nach sich ziehen. Die Statistik und dieses Gutachten kann ich Ihnen auch gern zur Verfügung stellen.

Es gibt einen weiteren Nachfragewunsch durch die Abgeordnete Leukefeld.

Herr Kemmerich, Sie haben gerade von der Schwarzarbeit im Friseurhandwerk gesprochen. Können Sie sich vorstellen, dass es unter anderem auch daran liegt, dass vor allen Dingen Frauen, Friseurinnen so wenig verdienen, dass sie nebenbei noch einer Tätigkeit nachgehen, und dass das ausgeräumt werden könnte, indem Sie ordentliche Löhne zahlen?

(Beifall DIE LINKE)

Frau Leukefeld, hätten Sie mir zugehört, hätte ich Ihnen das schon erklärt. Es liegt an der Preisgestaltung, die sich auf dem Markt einstellt. Gehen Sie mal in einen Friseurladen und fragen Sie die Mädels, die haben das jetzt 15 Jahre mitgemacht, wie Kunden darauf reagieren, wenn ich nur 10 Cent oder 50 Cent auf den Preis aufschlage. Die Kunden reagieren mit Abwanderung. Das ist das Problem.

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Wohin sollen die abwandern?)

In den Schwarzmarkt. Ich habe gesagt 40 Prozent Schwarzmarkt, Gefälligkeit, ähnliche Sachen.

Der Friseurmarkt ist sehr preissensibel, aber ich weiß nicht, ob wir hier ein Referat über den Friseurmarkt machen, wir sind hier beim Antrag der GRÜNEN. Ich stehe aber gern zur Verfügung, Ihnen das Weitere zu erläutern.

Wir lehnen den Antrag der GRÜNEN ab, weil sie unter anderem auch hier wieder 7,50 € Mindestlohn fordern. Das ist ja interessant, für was Mindestlohn insgesamt immer herhalten muss, was das alles lösen soll, aber ganz bestimmt für die wirklich teilweisen Diskrepanzen in der Lohnzahlung, die aber andere Ursachen haben, wird es nicht herhalten.

Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE wird auch nicht unsere Zustimmung finden. Auch da sagen wir, es gibt das AGG und wer will die Gleichheit von Arbeit bewerten.

Zum Antrag der CDU und SPD: Den Punkt 1 kann man sicherlich durchaus unterschreiben. Der Punkt 2, wo Sie sich dafür aussprechen, dass diejenigen Branchen ausgeweitet werden, wo ein Mindestlohn gilt, findet nicht unsere Zustimmung. Wir sind für die im Grundgesetz verankerte Tarifhoheit und wollen

die auch weiter hochhalten.

(Beifall FDP)

Es gibt von der Koalition in Berlin eine Verabredung im Koalitionsvertrag, dass in den Bereichen, in denen eine Tariffähigkeit nicht mehr gegeben ist aufgrund fehlender Organisationstiefe, der Ausschuss einstimmig auf Antrag beider Tarifparteien einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag festsetzen kann. Das unterstützen wir ausdrücklich, das macht auch Sinn, aber bitte keine einseitig politisch motivierten Aktionen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat Abgeordnete Leukefeld.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist in diesem Hohen Haus schon oft zu diesem Thema gesprochen worden. Zumindest in der letzten Wahlperiode hat sich das doch durchgesetzt. Es hat auch im Gleichstellungsausschuss erhebliche Debatten gegeben. Meistens rankten sich diese Themen um den Frauentag, um den Girls Day, um den Equal Pay Day. Ich meine aber, schöne Reden nützen da wenig, darüber können wir uns alle mal trefflich unterhalten, wenn Sie dann mehrheitlich doch die Anträge ablehnen und letztendlich gar nicht gewillt sind, dort gemeinsam Strategien zu entwickeln, denke ich, verpufft das.

Die Frage mit den 23 Prozent Lohndifferenz in Deutschland auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist ein Thema. Deutschland nimmt dort den siebentletzten Platz ein. Frau Astrid RotheBeinlich hat schon versucht, Gründe und Ursachen zu analysieren. Das ist die Voraussetzung dafür, dass man den Hebel ansetzen kann. Ich will da vielleicht noch zwei, drei Sachen ergänzen.

Meine erste grundlegende Position ist: Es gibt keine wirkliche Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt. Das ist aus meiner Sicht die Hauptursache. Da gibt es viele Fakten. Die überdurchschnittliche prekäre Beschäftigung und unfreiwillige Teilzeit von Frauen mit schlechterer Bezahlung ist aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Grund. Lassen Sie mich zwei Zahlen im Vergleich nennen. 1998 waren 60.000 Menschen in Teilzeit, 2008 hat sich das verdoppelt auf 113.000 und davon sind 70 Prozent Frauen. Aus den praktischen Erfahrungen wissen wir, eine Reihe von Frauen wollen gern in Teilzeit arbeiten, das ist auch gut so, das ist ihre individuelle Entscheidung, viele

wollen es aber auch nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Ein zweiter Punkt: Frauen werden in der Jobvermittlung benachteiligt. Das lässt sich ganz klar nachweisen, die Zahl ist vorhin schon genannt worden. Bei den Neueinstellungen in Thüringen sind Frauen nur mit 34 Prozent dabei. Das ist so und das ist auch näher untersucht worden, nämlich in der Studie zur geschlechtsspezifischen Umsetzung von Hartz IV vom IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor- schung), wo ganz klar herausgearbeitet wurde, dass bei einem hilfsbedürftigen Paar mit einem Kind immer von vornherein zuerst versucht wird, den Mann in Arbeit zu vermitteln, weil es bei der Frau einfach problematischer ist und weil man im Grunde genommen schon von vornherein davon ausgeht, der Mann verdient mehr, kommt vielleicht eher aus der Hilfebedürftigkeit heraus. Im Übrigen muss man bei der Frau sich noch um einen Platz in der Kindertagesstätte kümmern oder sie ist nicht so mobil oder nicht so qualifiziert.

Frau Abgeordnete, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage vom Abgeordneten Recknagel.

Ja, ich beende nur den Gedanken. Ich möchte das gern noch mit einem Fakt untermauern. In dieser IAB-Studie, die ist von 2007, bekamen von 1.000 männlichen Arbeitslosen 40 einen Eingliederungszuschuss, bei Frauen lag dieser Anteil nur bei 20. Das macht, denke ich, ein strukturelles Defizit ganz klar und deutlich.

Jetzt würde ich die Frage beantworten.

Frau Abgeordnete Leukefeld, Sie haben hier einige Behauptungen in den Raum gestellt, bei denen ich den Beweis nicht nachvollziehen kann und ich den Beweis vermisse. Sie behaupten, es gäbe eine strukturelle Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Arbeitsvermittlung.

Herr Abgeordneter Recknagel, wenn Sie zwischendurch mal die Geschäftsordnung zur Hand nehmen und den § 30 Abs. 2 lesen, werden Sie feststellen, dass solche Zwischenfragen kurz, präzise und ohne eigene Wertung zu verfassen sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen das noch einmal anheimlegen, wenn Sie in der Art und Weise so weiterverfahren, gibt es bei der nächsten Zwischenfrage in dieser Stilart einen Ordnungsruf.

Ich habe aber, glaube ich, die Frage trotzdem verstanden und würde an der Stelle vielleicht gern antworten.

Jetzt muss ich noch einmal die Frage formulieren: Wo nehmen Sie die Beweise her? Welche Beweise führen Sie an?

Ich würde gern antworten. Da sage ich, lesen bildet.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe keine Behauptung aufgestellt, sondern ich habe mich auf die IAB-Studie zur geschlechtsspezifischen Umsetzung von Hartz IV aus dem Jahr 2007 bezogen. Das kann man sich ganz unkompliziert aus dem Computer holen, runterladen und nachlesen. Das würde ich Ihnen empfehlen.

Ich will noch einen Fakt nennen, weil immer auf die Privatwirtschaft abgehoben und gesagt wird, die können nicht anders. Das haben wir eben bei Herrn Kemmerich gehört. In der Zeitung „Die Welt“ vom 28.09.2009 gibt es einen Artikel, der heißt „Beamtinnen verdienen 18,7 Prozent weniger“. Wenn man glaubt, der öffentliche Dienst steht da vor anderen, da ist das alles schon geregelt, dann ist ganz klar hier auch nachgewiesen, dass selbst im öffentlichen Dienst Beamtinnen 18,7 Prozent weniger verdienen, wenn man Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte zusammenfasst. In diesem bewussten Artikel gibt es noch einen interessanten Satz, den würde ich gern zitieren mit Ihrer Erlaubnis, der lautet nämlich: „Die Gründe sind die gleichen. Beim Staat wie in der Privatwirtschaft ist die unterschiedliche Bezahlung nicht hauptsächlich in einer direkten Diskriminierung begründet nach dem Motto: Eine Frau bekommt weniger, ganz einfach, weil sie eine Frau ist. Die Unterschiede ergeben sich vielmehr indirekt. Es gibt weniger Frauen in gut bezahlten Führungspositionen, zudem arbeiten viele Frauen in Teilzeit und setzen zeitweise wegen der Kinderbetreuung aus.“ Ich denke, da muss man den Hebel ansetzen.

Ich will ganz aktuell verweisen - auch da kann man sich noch einmal ganz viel Wissen in dieser Frage analytisch herholen -, unsere Fraktion DIE LINKE im Bundestag hatte eine Kleine Anfrage gestartet in Drucksache 17/874. Das ist ein ziemlich dickes Papier, aber auf eines will ich noch einmal eingehen, und zwar wo man noch mal deutschlandweit vergleicht vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer Männer und Frauen. Da ist es in der Tat so, dass Männer im Jahr 2008 im Durchschnitt 3.294 € Brutto verdient haben und Frauen 2.661 €. Das ist eine Differenz von 633 €. In der Antwort der Bundesregierung ist auch noch mal nachzulesen: „Frauen setzen sich im Rahmen individueller und kollektiver Lohnverhandlungen nicht ausreichend durch und typische Frauenberufe werden immer noch schlechter bewertet sowie vergütet wie klassische Männerberufe.“ Ich meine, da dürfen Sie sich nicht wundern, wenn wir Frauen mobil machen und sagen: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, das ist jetzt einfach dran. Frauen sind eben immer noch zu sehr auf traditionelle Frauenberufe festgelegt, so im Dienstleistungsbereich, im soziokultureller Bereich, in Bildung, Gesundheitswesen und Pflege. Da gibt es aus meiner Sicht zwei Strategien, zwei Wege. Das eine ist schon gesagt worden: Frauen und Mädels, geht in die Berufe, die besser bezahlt werden, MINT-Berufe sind hier genannt worden, vor allen Dingen im technischen Bereich, geht auch in traditionelle Männerberufe, die besser bezahlt werden. Im Übrigen gibt es da auch einen Fachkräftebedarf. Hier wird schon eine ganze Menge getan, was mit Berufsorientierung einhergeht, Girls Day ist da auch nur eine Eintagsfliege, das muss durchgängiger gemacht werden.

(Beifall DIE LINKE)

Aber ich glaube in der Tat, dass es noch einer zweiten Strategie bedarf, und zwar die in Richtung der Vergleichbarkeit und der gleichwertigen Arbeit. Da möchte ich schon mal die Frage stellen: Was ist uns Arbeit wert, die in sogenannten traditionellen Frauenberufen geleistet wird? Das muss in der Pflege, im sozialen Bereich schon gemeinschaftlich diskutiert und auch beantwortet werden, wenn wir wollen, dass diese Arbeit entsprechend auch geleistet wird, dann muss die auch besser bezahlt werden. Ich möchte mich hier beziehen auf einen Beschluss des Landesfrauenrates in Thüringen, interessanterweise unterschrieben nach dieser Beschlusslage von Frau Holzapfel - sie ist leider nicht da -, wo noch mal drinsteht, da möchte ich zitieren: „Eine Lösung für diese Probleme ist aber nicht eine Vergeschlechtlichung von Berufsarbeit, sprich ein stärkeres Durchdringen der Frauenberufe durch Männer oder dass Frauen sich abwenden von den sogenannten typischen Frauenberufen und überwiegend in den von Männern dominierten Berufen einsteigen. Es kann nicht sein, dass Frauenarbeit erst dann etwas wert ist,

wenn sie von Männern erbracht wird. Es kann nicht sein, dass Frauen, die Karriere und eine eigenständige Lebensführung als ihr Lebensziel sehen, in Berufe gehen müssen, die durch Männer geprägt und besetzt sind, um ausreichend Geld zu verdienen und Anerkennung zu finden.“ Das ist das strukturelle Problem und dem kann man nicht ausweichen.