Protokoll der Sitzung vom 22.08.2014

Unterstützen möchten wir die von der SPD vor wenigen Tagen geforderten Veränderungen in der Sicherheitsstruktur, soweit sich diese auf Änderungen auf Länder- und Bundesebene beziehen. Welche weiteren Schritte allerdings im Einzelnen richtig und geboten sind, muss dann in Abstimmung mit den Ländern und dem Bund erfolgen, um zu verhindern, dass genau wie erlebt unkoordinierte Einzelaktionen unterschiedlicher Behörden einer effizienten Ermittlungsarbeit, Strafverfolgung im Weg stehen.

Ein weiterer Aspekt ist die weitere Sensibilisierung der Gesellschaft im Kampf gegen Rechtsextremismus. Zwar können wir in Thüringen im Gegensatz zu anderen Bundesländern mit Stolz sagen, dass die rechtsextremistische NPD noch nie im Thüringer Landtag vertreten war,

(Beifall im Hause)

das ist aber keine Garantie dafür, dass es auch so bleibt. Deswegen sind alle aufgefordert, genau da entgegenzuwirken. Ich hoffe, das NPD-Verbot hat Erfolg. Ungeachtet dessen, auch wenn man sich dann einen neuen Namen gibt, ist dieses Thema nicht aus der Gesellschaft, ist die Ideologie nicht aus der Gesellschaft. Deswegen sind wir alle aufgefordert, hier wachsam zu sein, dass es auch so bleibt, dass rechtsextreme Parteien in keinster Weise in den Thüringer Landtag einziehen dürfen.

(Beifall im Hause)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt noch etwas über unser Sondervotum sagen. Alle Fraktionen haben ein Sondervotum abgegeben. Wir haben auch ein Sondervotum vorbereitet. An der Stelle möchte ich mich bedanken bei Beate Meißner und Frau Walsmann, meinen Kolleginnen im Untersuchungsausschuss, die maßgeblich mitgearbeitet haben. Ich möchte einleitend betonen, dass unser Sondervotum nicht als Kritik an dem Abschlussbericht zu verstehen ist, sondern vielmehr als Empfehlung zu verstehen ist, dass bestimmte Bereiche von uns ergänzt bzw. differenziert betrachtet werden. Insbesondere legt unser Sondervotum einen Schwerpunkt auf die besondere Aufbausituation in Thüringen nach der Wiedervereinigung 1990. Es ist sicherlich auch richtig und wichtig, dass wir als Untersuchungsausschuss 1990 begonnen haben und einen Schwerpunkt bis 1998 betrachtet haben und dann die Folgejahre, aber die 90er-Jahre waren der intensivste Teil. Es gehört auch dazu, dass man auf die politischen Verhältnisse, auf die strukturellen Verhältnisse zumindest hinweist. Wir haben das zu Anfang getan, aber aus unserer Sicht nicht entschieden genug und vielleicht auch nicht, ich sage einmal, differenziert genug die Sache betrachtet, als es dort im Ausschussbericht festgestellt wird. Es ist also nicht so, dass wir den Abschlussbericht ablehnen, sondern wir wollen ihn hier nur ergänzen, dass dieser Aspekt noch einmal gewertet wird. So werden nach unserer Auffassung die Besonderheiten der damaligen historischen Situation des Transformationsprozesses nicht hinreichend reflektiert. Der Ausschuss verfügte über einen weitaus besseren Erkenntnisstand als die damaligen Akteure und wir dürfen nicht vergessen, wir reden von 2014 und nicht von 1990. Diese Fülle an Aktenwissen und Entscheidungsgrundlagen, die wir als Ausschuss zur Verfügung hatten, stand den damaligen Akteuren nicht zur Verfügung. Wir wollen das nicht damit entschuldigen, die Verfehlungen sind entstanden, man hat versagt in vielen Bereichen, aber ich denke, wir sollten das Augenmerk auch darauf legen, welche Bedingungen wir damals vorgefunden haben. Die Polizisten, das haben auch alle in den Zeugenaussagen bestätigt, haben sich redlich bemüht. Sie haben versucht, alles zu erfüllen, was für sie an Aufgaben besteht, waren personell unterbesetzt - auch das waren mehrfach Argumente, die von den Polizisten vorgebracht wurden - und sie waren überfordert. Manche, das muss ich auch sagen, haben vielleicht die Aufgabe auch nicht ganz so ernst genommen und sie hatten andere Probleme in der Zeit nach 1990.

Ich möchte auch noch ein Wort dazu sagen, dass im Abschlussbericht schon der Eindruck erweckt wird, dass es in jedem Fall eine hundertprozentige Aufklärung geben muss. Auch das möchte ich ein

wenig relativieren, ohne die Verfehlungen und ohne die Missstände zu relativieren, aber es gehört auch zu der Tatsache, dass wir in Thüringen mit 60 Prozent Aufklärungsrate die Spitze in Deutschland bilden, was die Polizeiarbeit anbelangt, und wir können nicht von einem hundertprozentigen Erfolg in jedem Fall ausgehen, so bedauerlich das auch ist. Auch darauf wollten wir in unserem Sondervotum noch einmal hinweisen, dass wir letztendlich mit den Realitäten umgehen müssen, die uns tagtäglich hier vor Augen geführt werden.

Ein weiterer Fakt, der im Abschlussbericht zu kurz kommt, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat über 2.500 Mitarbeiter, Thüringen verfügt über weniger als 100 Mitarbeiter. Hier hätten wir mehr Augenmerk darauf lenken müssen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Thüringen an der Stelle alleingelassen hat. Bis auf technische Hilfeleistungen ist kaum etwas passiert. Das hätte auch noch einmal deutlicher im Abschlussbericht ausgearbeitet werden sollen, dass dieser Fakt, der nun da ist, Ergebnis 1990 bis 1998, noch etwas mehr hätte vertieft werden können.

Zudem sind aus unserer Sicht datenschutzrechtliche Belange im Abschlussbericht nur ungenügend berücksichtigt worden. Dies wurde leider noch dadurch gesteigert, dass der Bericht, bevor er fertig war, mit sämtlichen Klarnamen bereits vor der offiziellen Veröffentlichung am Donnerstag allen Medien vorgelegen hat. Auch dieses Verhalten gegenüber vielen in dem Bericht genannten Personen in keinen direkten oder mittelbaren Verantwortungen, Vorkommnissen braucht Verantwortung.

Weiterhin möchte ich an der Stelle noch einmal festhalten, dass wir zwar viele Vermutungen über Sabotagen und Vereitelungen und Hilfe von Zeugen gehört haben, aber wir haben keinerlei Beweise dafür gefunden, dass es auch tatsächlich, dass es wirklich eine aktive Mitarbeit der Behörden gegeben hat.

Abschließend möchte ich mich noch einmal an die Hinterbliebenen wenden und ihnen von ganzem Herzen die nötige Kraft für die Zukunft und die Bewältigung ihrer Trauer wünschen. Ich sage dies deshalb, da aufgrund von Tagen wie dem heutigen oder auch dem Prozess in München ihre Erinnerungen an die schrecklichen Vorkommnisse sicherlich immer wieder neu aufgewühlt werden. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Abgeordnete Dirk Adams.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag! Warum gibt es einen Staat, warum gibt es dieses Parlament, das eine Ministerpräsidentin wählt, die hinterher Minister beruft, die zusammen eine Regierung bilden und dann gemeinschaftlich die Exekutive gestalten, ihr voranstehen und exekutive Gewalt ausüben? Am Anfang dieser Fragen stand in unserer Geschichte das Eingeständnis aller, dass der Kampf jede und jeder gegen jeden zu nichts führt, niemandem nützt, allen schadet. Es wurde die Gewissheit geboren, dass alle der Gewalt abschwören müssen und nur etwas Höheres, nennen wir es den Staat, noch ein Gewaltmonopol hat. Mit diesem Gewaltmonopol ausgestattet, soll dieser Staat jede und jeden vor Gewalt schützen, mindestens aber jede und jeden, der dennoch Gewalt ausübt, zur Rechenschaft ziehen, und zwar ohne Ansehen der Herkunft und dessen, was man ist. Mit diesem Grundgedanken war ein wichtiger Baustein für unseren modernen Rechtsstaat gelegt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Unser Staat, die Bundesrepublik Deutschland, bekennt sich zuallererst zum Schutz der Menschenwürde. Das Leben ist die vitale Grundlage der Menschenwürde. Schafft es der Staat nicht, das Leben zu schützen, hat der Staat versagt. Im hier zu untersuchenden Fall hat der Staat versagt. Wir stellen das unmissverständlich fest.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch im Namen meiner Fraktion und, wie Sie gehört haben, für alle Kollegen hier im Thüringer Landtag, möchten wir uns bei den Opfern und den Familien der Opfer entschuldigen und um Verzeihung bitten. Vielen Dank, dass Sie zu uns gekommen sind.

Die große Frage bei dem Vertrauen, das ich gerade beschrieben habe, das die Menschen in den Staat haben müssen, die große Frage war für uns auch, ob unsere Aufklärung, die vor allen Dingen auch Missstände schonungslos benennen musste, ob unsere Aufklärung das Vertrauen in den Staat stärkt oder gar diesem Vertrauen zuwiderläuft. Wir haben uns für den schweren Weg entschieden, um das Vertrauen zu kämpfen und, wie es Kollege Ramelow gesagt hat, nicht einem Versagen des Staates in der Fahndung auch noch ein Versagen in der Aufklärung folgen zu lassen. Diese Verantwortung, die wir damit übernehmen, Herr Kollege Kellner, diese Verantwortung ist unteilbar, nicht relativierbar, nicht verkleinerbar und wir wollen Sie übernehmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Kellner)

Dieser Untersuchungsausschussbericht, den wir heute vorlegen, ist nur der erste Schritt. In den fast 70 Sitzungen unseres Untersuchungsausschusses haben wir vieles hinterfragt. Auf einiges will ich eingehen und möchte vorher auch Frau Marx danken, die sehr ausführlich und sehr deutlich hier vieles ausgeführt hat.

Konrad Weiß, einer unserer Sachverständigen, die wir am Anfang gehört haben, ist der Verfasser einer wahrscheinlich ersten soziologischen Analyse über die erstarkende rechte Szene, auch zu DDR-Zeiten. Er hat deutlich gemacht, dass es Rassismus, Antisemitismus auch vor 1998 gab. Anetta Kahane hat den Gedanken fortgeführt und hat deutlich gemacht, was passierte, als diese enorm gewaltbereite Szene Ost - aus „Faschos“ und Skinheads bestehend - auf die wohlorganisierte Szene West der Rechten traf, die sich mit einer ausgeführten und bestehenden, gut präparierten Ideologie zusammentaten und die in einer brisanten, hochgefährlichen Entwicklung über Rostock, Hoyerswerda, Mölln und Solingen auch zum Rechtsterrorismus aus Thüringen führte. Dieser Rechtsterrorismus zog ungebremst und unerkannt über zehn Jahre durch unser Land, tötete Menschen, verletzte viele und hat Banküberfälle begangen, ohne dass wir es erkannten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegt in der Natur des Menschen, dass wir uns nicht lange darüber freuen, was wir schon wissen. Dennoch sollten wir einige Dinge feststellen, die wir herausgefunden haben, obwohl die vielen Fragen weiter im Raum stehen bleiben. Ich bin Frau Marx auch sehr dankbar, dass sie deutlich gemacht hat, wir haben für den am Anfang sehr immanent im Raum stehenden Verdacht, dass der Staat mit einem Masterplan gar bei Morden zugesehen hat, keine weiteren Hinweise gefunden. Auch wenn wir das nicht ausschließen können, ist es wichtig, dieses Ergebnis deutlich immer auch als Ergebnis unseres Untersuchungsausschusses zu benennen. Dies ist wichtig, um all denen, die mit Verschwörungstheorien und unsagbarem Unfug sich streckenweise in die Debatte einmischen und damit eben nicht zur Aufklärung beitragen, sondern zur Verunsicherung vieler, hier etwas entgegensetzen zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir keine Hinweise auf die große Verschwörung gefunden haben, müssen wir doch drastisch sagen, gefunden haben wir ein politisches Klima des Aufbaus und der Transformation. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber dieses politische Klima führte dazu, dass Menschen als frühe Warner vor einem erstarkenden Rechtsextremismus eben als Nestbeschmutzer gesehen wurden. Ihnen wurde gesagt, ihr redet unser Land herunter, lasst uns nicht zu einer Demonstration gegen die Rechten gehen, lasst uns nicht Gesicht zeigen, wir machen die doch nur erst stark. Meine sehr verehrten Da

men und Herren, das war der falsche Weg, und eine Lehre aus unserem Untersuchungsausschuss ist, nie wieder wegzusehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben auch erfahren, dass unsere Sicherheitsbehörden von einer falschen Theorie, der sogenannten Extremismustheorie, gelenkt waren, die dazu führte, dass man in die falsche Richtung fahndete und bestimmte Merkmale nicht erkennen konnte. Diese Extremismustheorie sagte: Es ist egal, links oder rechts, Rechtsterrorismus, Linksterrorismus, alles müsse gleich aussehen. Sie verblendete unsere Sicherheitsbehörden nicht nur in Thüringen, dass sie den rassistischen Kern der Taten nicht erkennen konnten und damit nicht die richtigen Fahndungsmaßnahmen einsetzen konnten. Wir haben auch in unseren Sicherheitsbehörden viel an Desinteresse, viel an männlicher Selbstüberschätzung in Staatsanwaltschaften und Polizeien gefunden, was, auf die Spitze getrieben, sein Ende im Landesamt für Verfassungsschutz gefunden hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Marx hat, wie ich finde, aus einer unserer Fragen die zwölf Punkte, an denen wir festmachen, dass wir mit großer Kritik auf die Fahndung hier in Thüringen schauen, vorgetragen und ich kann dies übergehen. Vielen Dank dafür.

Deutlich und zu Recht haben alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland zuerst auf die Nachrichtendienste geschaut und hier kritisiert. Nachrichtendienste, die die alleinig zur Fahndung berechtigte Polizei behindern oder Informationen zurückhalten, sind nicht akzeptabel und es muss unsere Aufgabe sein, hier etwas entgegenzusetzen und mit ernsthaften Änderungen hier auch gesetzlich voranzugehen. Aber es ist auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, unverzeihlich, dass in den Staatsschutzabteilungen hier in Thüringen wesentliche Grundkenntnisse offensichtlich nicht vorgeherrscht haben. Die EG TEX hätte davon wissen können, dass es die Schriften des „führerlosen Widerstands“ oder „Eine Bewegung in Waffen“ gegeben hat, die eine Anleitung für den rechten Terrorismus waren, eine Anleitung für den NSU waren, mordend durch unser Land zu ziehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Lassen Sie mich das deutlich sagen: Neben der Kritik an Nachrichtendiensten und der Polizei, die zu Recht geäußert wird, wiegt die Verantwortung der Staatsanwaltschaft - und hier die Verantwortung der Staatsanwaltschaft Gera - schwer. Das ist auch unrelativierbar. Die Begründung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass man sich damals in einer Aufbausituation und einer sowieso immer personellen Unterausstattung befunden hat, ist

eine Ausrede und diese Ausrede darf nicht weiter gelten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umso mehr darf sie nicht gelten, weil wir alle aus dem Jahr 1997 das Schreiben aus dem Innenministerium kennen - es ist Bestandteil unseres Untersuchungsausschusses -, in dem das Thüringer Innenministerium das Justizministerium eindringlich bittet, die Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften in Thüringen zu überdenken. Eindringlich wird hier gefordert, dass nicht nur die Verstöße gegen das Waffengesetz und die Verstöße gegen Rechtsnormen im Zusammenhang mit Skinhead- und „Fascho“-Konzerten und die zunehmenden Propagandadelikte endlich auch geahndet werden müssen, sondern es wird auch gerügt, dass die Staatsanwaltschaft diesen Einstellungen des Gerichts immer wieder zugestimmt hat.

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Poppenhäger, ich bitte Sie, hier Ihrer Verantwortung gerecht zu werden und einen Diskussionsprozess, den wir hier aus dem Parlament einfordern, unter den Richterinnen und Richtern, unter den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in Thüringen einzufordern und zu moderieren - das darf so nicht bleiben.

(Beifall im Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Grüne fordern: Nie wieder wegsehen, keine Relativierung. Wir wollen in Thüringen nicht von der Zwickauer Zelle sprechen und wollen nicht, dass in allen Ländern mit dem Finger aufeinander gezeigt wird. Wir wollen unsere Verantwortung übernehmen, wir wollen ein Ende der V-Mann-Praxis und wir wollen die Aufarbeitung kontinuierlich weitertreiben. Ich sage das ganz deutlich: Ich wünsche mir hier eine Zusammenarbeit nicht nur mit dem Untersuchungsausschuss in Nordrhein-Westfalen, nicht nur mit dem Untersuchungsausschuss in Hessen, sondern ich wünsche mir auch einen Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg, der dringend erforderlich ist. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Pelke das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, bevor der Untersuchungsausschuss hier im Thüringer Landtag beschlossen wurde, gab es durchaus Zweifel, ob denn ein solcher Untersuchungsausschuss notwendig wäre, war doch bereits die Schäfer-Kommission eingesetzt. Jetzt,

nach zweieinhalb Jahren intensiver Ausschussarbeit und den Erkenntnissen des nun vorliegenden Abschlussberichts, kann deutlich gesagt werden, dieser Untersuchungsausschuss war notwendig. Ich bin froh, dass er hier parteiübergreifend eingesetzt wurde,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nicht zuletzt deshalb, weil der Untersuchungsausschuss viel mehr und andere Akten erhalten hat als die Schäfer-Kommission und damit auch die Möglichkeit hatte, mehr und andere Zeugen zu hören. So war es denn auch möglich, mehr und andere Erkenntnisse zu erhalten.

Ich habe in meiner Zeit hier im Thüringer Landtag schon sehr viele Untersuchungsausschüsse erlebt und ich muss feststellen, dass dieser Ausschuss in mehrfacher Hinsicht ein besonderer war, er war auch ein besonders wichtiger. Der Ausschuss folgte nicht dem sonst üblichen Gegenüber von Oppositionsvertretern und regierungstragenden Mitgliedern, sondern war zumeist von sachorientierter Aufklärungsarbeit geprägt und auch für uns als SPD-Fraktion war von Beginn an klar, dass dieser Ausschuss auch für uns nicht irgendeiner Koalitionsdisziplin unterliegen kann und unterliegen wird. Insofern einen ausdrücklichen Dank an alle Fraktionen für die meist sachliche Auseinandersetzung und den Umgang mit dem Thema und auch den Umgang miteinander. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch einmal einen ganz, ganz herzlichen Dank äußern für die Arbeit, die die Vorsitzende Dorothea Marx geleistet hat und damit auch dafür Sorge getragen hat, dass ein solches Miteinander im Ausschuss möglich war. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall DIE LINKE, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich natürlich auch namens meiner Fraktion dem Dank an alle Mitarbeiter, auf welcher Ebene auch immer, anschließen, Dank dem Parlament, dem Landtag, der Präsidentin, die diese Arbeit unterstützt hat, und insbesondere auch Dank für die Begleitung der Medien.

Lassen Sie mich nun einige Aspekte noch einmal deutlich machen, die für uns wichtig waren und die sich auch auf die Anfangszeit des Untersuchungsausschusses beziehen, aber die auch zeigen, wie möglicherweise etwas hätte in anderer Richtung bewegt werden können. Die Thüringer Politik und die Sicherheitsbehörden sind in den 1990er-Jahren mit dem Problem des wachsenden Rechtsradikalismus ganz überwiegend viel zu nachlässig umgegangen. Dies ermöglichte der Szene, darunter auch den Mitgliedern des späteren NSU, fatale Erfolgserlebnisse und auch Raumgewinne. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat mit Tino Brandt einen VMann aus der Führungsetage der Neonazis be

(Abg. Adams)

schäftigt. Das war schon nach damals geltenden Regeln unzulässig. Die durch das Landesamt an Tino Brandt gezahlten Gelder sind zumindest anteilig in den Aufbau der von ihm geführten Strukturen des Thüringer Heimatschutzes geflossen und damit wurde unmittelbar das Milieu gefördert, in dem das spätere NSU-Trio groß geworden ist und sich radikalisiert hat. V-Leute wie Brandt sind offenkundig vor Strafverfolgungsmaßnahmen gewarnt worden. Bereits im Rahmen der Garagenuntersuchung am 26.01.1998 in Jena hätte Böhnhardt festgenommen werden können oder müssen und an der Flucht gehindert werden können bzw. müssen. Ich bin der Vorsitzenden dankbar, dass sie auch gestern deutlich gesagt hat, wenn dieses geschehen wäre, wäre möglicherweise vieles anders gewesen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kooperation zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz und der Polizei war mangelhaft, wichtige Informationen wurden aus Gründen eines übersteigerten Quellenschutzes nicht an die Polizei weitergegeben. Auch die Polizei/Landeskriminalamt hat die Suche nach dem Trio nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben, die zuständige Staatsanwaltschaft hat ihre Sachleitungsbefugnis nicht hinreichend ausgeübt und die Fachaufsicht des Innenministeriums über das Landesverfassungsschutzamt war unzureichend.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)