Nach Artikel 35 des Grundgesetzes sind alle Behörden des Bundes und der Länder einander zur Amtshilfe verpflichtet. Wenn die Bundeswehr ihren Amtsauftrag in Gera ausüben will, ist auch die Stadt Gera grundsätzlich verpflichtet, der Bundeswehr die entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen und ihr das Hausrecht in diesem Zusammenhang zu übertragen.
In der Anwendung des Auftrags der Bundeswehr wird das Versammlungsrecht auf keiner Weise suspendiert. Auch die Bundeswehr muss sich Gegendemonstrationen, anderen Meinungsäußerungen stellen, wie es für eine pluralistische Gesellschaft üblich ist. Die pluralistische Gesellschaft, vor allem Minderheiten in dieser Gesellschaft haben allerdings nicht das Recht, die Erfüllung des Amtsauftrags der Bundeswehr zu unterbinden.
Frau Präsidentin, danke schön. Herr Innenminister Huber, ich hätte eine Nachfrage. Sie sprachen von einer dienstlichen Veranstaltung, in deren Rahmen das Hausrecht ausgeübt wird, und dafür müsste nicht das Versammlungsrecht in Anschlag gebracht werden. Welche Organe - auch vielleicht ergänzend, welche Landesorgane - haben denn diese Möglichkeit, diese dienstlichen Veranstaltungen mit Hausrecht im öffentlichen Raum durchzuführen?
Im Grundsatz genießt das Hausrecht die jeweilige kommunale Gebietskörperschaft, die die Ausübung dem Freistaat Thüringen oder der Bundesrepublik Deutschland, wenn es diese nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, überlassen muss.
Dann möchte ich noch mal fragen: Sie hatten gesagt, dass sich das, was Sie ausgeführt haben, vorwiegend auf das Hausrecht an dem Ort bezieht, für den die Bundeswehr das Hausrecht beantragt hat - in diesem Fall Gera auf dem Markt. Nun ist aber die Frage, ob sich die Sonderrechte auch über den Ort des Hausrechts hinaus erstrecken.
Die Annexkompetenz des Bundes für polizeiliche Befugnisse im Zusammenhang mit der Bundeswehr erstreckt sich auf alles, was erforderlich ist, um den Amtsauftrag der Bundeswehr zu erfüllen. Sie unterliegt - da war der Abgeordnete Kuschel einem Irrtum aufgesessen - vollumfänglich dem Übermaßverbot bzw. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die sperren ganze Städte ab, um drei Leute marschieren zu lassen.)
Es wäre jetzt noch die Möglichkeit, durch den Fragesteller selbst eine Anfrage zu stellen. Das ist nicht der Fall. Alle anderen Fragemöglichkeiten haben sich hier zunächst erschöpft.
Ich rufe die Frage der Frau Abgeordneten Sedlacik für die Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/794
Am 8. Mai 2010 findet in der Gemeinde Langenorla eine Gedenkveranstaltung für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einstiger Rüstungsbetriebe statt. Eingebettet ist die Gedenkveranstaltung, zu der der Bürgermeister der Gemeinde Langenorla einlädt, in das "Fest der Völkerverständigung 2010". Im Rahmen dieses Festes wird auch ein Feldlager der US-Army gegen Entgelt zu besichtigen sein und die Möglichkeit der Nutzung von Militärfahrzeugen eingeräumt. Das "Feldlager" wird durch einen Belgier veranstaltet. In der Lagerordnung wurde u.a. explizit darauf verwiesen, dass "jegliche Wehrmacht, Waffen-SS oder andere parteipolitische Organisationen des 3. Reiches … auf dieser Veranstaltung grundsätzlich verboten" seien und die Darstellung "vonseiten der Organisatoren und den Verantwortlichen der Gruppen/Vereine genau verfolgt" werde.
1. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass am 8. Mai eine Zurschaustellung von Militärtechnik eine Gedenkveranstaltung für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der Rüstungsindustrie begleiten soll, und wie begründet sie ihre Auffassung?
2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über den Veranstalter des beschriebenen "Feldlagers" hinsichtlich der Verherrlichung des Krieges oder des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in der Vergangenheit vor?
3. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über weitere Zurschaustellung historischer und zeitgenössischer Militärtechnik im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit Gedenkveranstaltungen anlässlich des Tages der Befreiung vom Faschismus in Thüringen vor?
4. Wie bewertet die Landesregierung eine bestehende kriegsverherrlichende bzw. den Krieg romantisierende Wirkung durch eine Zurschaustellung von historischer und zeitgenössischer Militärtechnik grundsätzlich und wie begründet sie ihre Auffassung?
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sedlacik beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Die Landesregierung bedauert den Umstand, dass die Gemeinde Langenorla zeitgleich zur jährlichen Gedenkveranstaltung an die Opfer der Zwangsarbeit des Saale-Orla-Kreises mit einem militärischen Spektakel des Endes der Naziherrschaft erinnern will. Die Landesregierung hat sich mit großem Erfolg in den vergangenen 20 Jahren um die lebendige Erinnerungsarbeit auf wissenschaftlicher Grundlage und unter Einbeziehung der Erfahrung von Opfern und Zeitzeugen bemüht. Davon zeugt insbesondere die außerordentliche internationale Anerkennung der Arbeit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora. Die in Langenorla geplante Veranstaltung widerspricht den vom Freistaat Thüringen geförderten Formen des Gedenkens.
Zu Frage 2: Für Kriegsverherrlichung oder einen Verstoß gegen deutsche Gesetze durch das Verwenden von Symbolen verfassungswidriger Organisationen seitens der Veranstalter gibt es keine Anhaltspunkte.
Zu Frage 4: Die Landesregierung lehnt jede Form von Kriegsverherrlichung bzw. Romantisierung entschieden ab. Im vorliegenden Fall verstoßen Kriegsspiel und Zurschaustellung von Militärtechnik gegen die in unserem Land gepflegte Gedenkkultur. Sie schaden dem Anliegen und sind unter Umständen dazu angetan, die Würde der Opfer zu verletzen.
Herr Staatssekretär, Mitveranstalter bei dieser Veranstaltung ist auch der lokale Aktionsplan dort. Ich habe mir mal kurz die Zielsetzung und die Zielgruppen dieses Programms, das ja Teil des Bundesprogramms ist, angesehen. Ich muss sagen, auch nach Ihren Ausführungen fühle ich mich gestärkt in der Auffassung, dass diese Aktivität in keiner Weise mit der Zielsetzung und dem Programm der lokalen Aktionspläne in Deckung zu bringen ist. Wie wer
den Sie in der Frage weiter auch hinsichtlich des ganzen Veranstalterkreises dort in der Frage agieren? Ich denke, da muss es im Nachgang doch noch mal eine kritische Würdigung geben.
Werte Frau Abgeordnete Renner, ich kenne die einzelnen Mitveranstalter jetzt nicht. Ich werde mich diesbezüglich aber gern kundig machen und werde Ihnen dann eine entsprechende Antwort zukommen lassen.
Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, inwieweit war denn diese Veranstaltung anzeige- oder genehmigungspflichtig? Welche Entscheidungen haben da diesbezüglich Kommunal- oder Landesbehörden getroffen?
Auch hier bitte ich um Verständnis. Ich kann Ihnen jetzt nichts sagen, weil ich die Veranstaltung selbst nicht im Einzelnen kenne, inwieweit eine Anzeige- oder Genehmigungspflicht vorliegt. Ich werde mich diesbezüglich aber gern kundig machen und Ihnen die entsprechende Antwort zukommen lassen.
Es gibt keine weiteren Nachfragen. Ich rufe jetzt die Anfrage des Abgeordneten Hauboldt, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/795 auf und frage: Wer trägt die gegebenenfalls vor? Frau Abgeordnete Renner.
Zusammenlegung der Sozialgerichtsbarkeit mit anderen Gerichtszweigen? - aktueller Stand der Diskussion
Schon seit mehreren Jahren wird im Rahmen der Diskussion um die sogenannte Große Justizreform auch über die Zusammenlegung einzelner Gerichtszweige debattiert - unter anderem auch um die Zusammenfassung von Sozialgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit „unter einem Dach“. Nun hat sich der DGB Hessen-Thüringen - offensichtlich im Nachgang zu einem Gespräch mit dem Thüringer Justizminister - am 16. April 2010 mit einer Pressemitteilung zum Thema zu Wort gemeldet. Darin warnt
der DGB vor einer Zusammenlegung, insbesondere mit Blick auf die Gefahr der Zerschlagung von Strukturen, in der in besonderem Maße notwendige spezielle Fachkompetenz für das Gebiet des Sozialrechts gebündelt ist.
1. Wie ist der aktuelle Stand der Diskussion zur Frage der Zusammenlegung der Sozialgerichtsbarkeit mit anderen Gerichtszweigen, insbesondere der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in den Fachministergremien und anderen Diskussionszusammenhängen, z.B. zwischen Thüringen und anderen Bundesländern?
2. Welche Vor- bzw. Nachteile sieht die Landesregierung bei einer Zusammenlegung von Gerichtszweigen unter Einbeziehung der Sozialgerichtsbarkeit?
3. Welche Informationen liegen der Landesregierung vor zu den Erfahrungen bzw. Problemen anderer Länder mit dem Modell der Fachkammern/ Fachsenate statt getrennter Gerichtsbarkeiten?
4. Welche Äußerungen aus Wissenschaft und Praxis - insbesondere aus Thüringen - sind der Landesregierung für den Zeitraum 2007 bis 2010 bekannt?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hauboldt, vorgetragen durch Frau Renner, beantworte ich für die Landesregierung wie folgt und bitte gestatten Sie mir einige knappe Vorbemerkungen, die die Beantwortung der einzelnen Fragen erleichtern.
Es ist sicherlich zutreffend, dass die Diskussion über die Zusammenlegung einzelner Gerichtszweige bereits seit mehreren Jahren andauert, um genau zu sein, es ist eine sehr alte Diskussion, die Zusammenfassung von Zweigen der Rechtsprechung, also von der Fachgerichtsbarkeit, war bereits Thema des 42. Deutschen Juristentages 1957. In letzter Zeit hat sich auch die Justizministerkonferenz vom November 2003 damit befasst und eine Arbeitsgruppe mit entsprechenden Prüfungen beauftragt. Nach Verabschiedung der sogenannten Hartz-IV-Gesetze und den danach einsetzenden massiven Mehrbelastungen der Sozialgerichte verstärkten sich Bestre
bungen einzelner Länder, die Sozialgerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit zusammenzulegen. Dies war mehrmals Gegenstand von Justizministerkonferenzen, zuletzt im Jahr 2007. Auch die Föderalismuskommission II diskutierte den Vorschlag einer Öffnungsklausel im Bundesrecht, die es den Ländern ermöglicht, die Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit zusammenzulegen. In der 16. Legislaturperiode wurde vom Bundesrat ein Gesetzentwurf eingebracht, der dann der Diskontinuität anheim gefallen ist.
Zur derzeitigen Situation: Die Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung enthält folgende Festlegung, ich zitiere: „Um den Mitteleinsatz der Justiz effizienter gestalten zu können, eröffnen wir den Ländern die Möglichkeit, ihre Verwaltungs- und Sozialgerichte unter Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit zu einheitlichen Fachgerichten zusammenzuführen.“ In der Thüringer Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD heißt es, ich zitiere: „Bundesratsinitiativen zu einer Übertragung von Aufgaben aus der Sozialgerichtsbarkeit auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit werden geprüft.“ Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihre Mündliche Anfrage nun wie folgt beantworten.
Zu Frage 1: Meine Vorbemerkungen machten bereits deutlich, dass die Thematik hochaktuell und zugleich eine alte Diskussion ist. Das Für und Wider wird insbesondere im Hinblick auf Entlastungseffekte für die Sozialgerichtsbarkeit kontrovers diskutiert. Neue Gesetzesinitiativen haben bisher weder der Bundesrat noch die Bundesregierung eingeleitet. Wesentliche Gründe dafür sind: Einerseits ist die Meinungsbildung auf der Ebene der Justizministerkonferenz noch nicht abgeschlossen, die Diskussionen dauern an. Andererseits, und das gilt für Thüringen, hat auch die Thüringer Landesregierung sich zu dieser Frage bisher keine abschließende Meinung gebildet. Dafür gibt es folgende Gründe:
2. Nach wie vor sind die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer Zusammenlegung von Gerichtsbarkeiten nicht abschließend geklärt. Dies betrifft insbesondere eine Änderung des Artikels 95 Abs. 1 des Grundgesetzes, der eine dort festgelegte institutionell-organisatorische Gliederung in fünf Fachgerichtsbarkeiten auch für die Ebene der Landesgerichte nahelegen würde.
3. Zudem ist ein klares Meinungsbild bei den von einer eventuellen bundesrechtlichen Öffnungsklausel betroffenen Ländern derzeit nicht festzustellen. Es dürfte jedoch, wie in der vergangenen Legislaturperiode, einiges dafürsprechen, dass eine überwiegende Mehrheit der Länder einer Öffnungsklausel