Protokoll der Sitzung vom 27.05.2010

Ich will Ihnen, ohne Ihre Geduld zu lange zu strapazieren, eine aktuelle Entwicklung nennen: Die deutsche Bundesregierung hat mit Unterstützung der Tarifpartner beschlossen, die Kurzarbeiterregelung bis ins Jahr 2012 auszuweiten. Das war aus Sicht der Sicherung von Beschäftigung notwendig. Das schafft aber wiederum im europäischen Binnenmarkt unter der Annahme, dass andere europäische Länder nicht über diese Möglichkeiten aus ihren Staatshaushalten verfügen, für unsere exportierenden Unternehmen unmittelbare Konkurrenzvorteile - und das über Jahre - in der Krisensituation und einer Situation, wo die Staaten in den Ländern, die keine Möglichkeit mehr haben, so viel Geld in die Waagschale zu werfen, noch Sozialabbau bis zu 30 Prozent machen müssen. Das hat zur Folge, dass deren Binnenkonjunktur per se nach ganz unten geht. Allein die Frage, wie wir die Krise gestalten können, ohne dass am Ende die anderen europäischen Staaten völlig platt am Boden liegen und über allen die deutsche Exportwirtschaft strahlt - dann noch mit der Interpretation von Herrn Bundespräsidenten, da würde mir angst und bange - müssen wir anders miteinander diskutieren.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir finden, es wäre nicht seriös, das nur bundespolitisch und nur europäisch zu diskutieren, sondern alle diese Fragen haben auch etwas mit unserer Verantwortung hier im Land Thüringen zu tun. Der Wirtschaftsminister hat die aus seiner Sicht bedeutsame Frage von vernünftigen Löhnen angesprochen. Wir betonen beispielsweise die Nachfragefunktion der öffentlichen Hand in Form von hohen Investitionen hier in Thüringen. Da sind wir natürlich auch beim Thema Landeshaushalt. Wir fragen bei dem Thema sozialökologischer Umbau auch die anderen Fraktionen, sind das aus Ihrer Sicht die Branchen - also Kulturwirtschaft, Denkmalpflege, Tourismus, öffentliche Daseinsvorsorge, Gesundheits- und Sozialwesen - oder sehen Sie andere? Ich glaube, die Debatte, welche Branchen in den nächsten Jahren besonders stark gefördert werden sollten, um hier eine Wirtschaft aufzubauen, die nachhaltigen Ansprüchen gerecht wird, die sollten wir miteinander führen.

Meine Damen und Herren, wir haben uns verständigt, nachdem Sie signalisiert haben, unseren Antrag ablehnen zu wollen. Da zu Punkt I. ein gewisser Handlungsbedarf besteht, würden wir den gern

direkt abstimmen lassen. Bezüglich der Punkte II. und III., die Thüringen betreffen, sowohl den Umbau der Wirtschaftsbinnennachfrage als auch die Frage Konversion, wäre es sachdienlich, in den Ausschüssen weiterzuberaten. Für die Punkte II. und III. beantrage ich die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Huster. Die Finanzministerin hat, nachdem aus der Mitte des Hauses keine Wortmeldung mehr vorliegt, signalisiert, reden zu wollen.

Um es zum Thema Wirtschafts- und Finanzkrise von aller Ideologie entkernt auf den Punkt zu bringen - in Brüssel, in Berlin und auch in Thüringen wird derzeit alles getan, was sinnvoll und möglich ist, um den Euro zu stabilisieren und den Wirtschaftsstandort Thüringen und Deutschland zu schützen. Um die wichtigsten Maßnahmen zu nennen, füge ich ganz vorn eine an, die in keiner Weise bisher angesprochen wurde: Wir haben in Deutschland die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert, die künftig verhindern wird, dass es in Deutschland ein zweites Griechenland geben wird. Es wurde ein europäischer Rettungsschirm in Höhe von 750 Mrd. € aufgespannt, dem der Bundestag und auch der Bundesrat - wie bekannt - am 21. Mai zugestimmt haben. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin genannt, hat in der letzten Woche, am 18. Mai, befristet bis zum 31. März 2011 ungedeckte Leerverkäufe von zehn deutschen Finanzinstituten, beispielsweise der Allianz und der Deutschen Bank, sowie sogenannter Credit Default Swaps, die CDS, auf Staaten der Eurozone verboten. Es ist richtig genannt worden, die Bundesregierung will hier noch einen Schritt weiter gehen und arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf mit dem Ziel, Finanzgeschäfte noch stärker einzuschränken. Unter anderem ist geplant, die hoch spekulativen sogenannten ungedeckten Leerverkäufe grundsätzlich zu verbieten. Darüber hinaus - und das ist wichtig - hat sich die Berliner Koalition auf eine Initiative zur Einführung einer europaweiten Finanzmarktsteuer geeinigt, die auf dem nächsten G-20-Gipfel, nämlich im Juni, besprochen werden soll.

Auch, meine Damen und Herren, die Einführung einer Banken- und Versicherungsabgabe hat die Bundesregierung auf dem Plan. Das Bundeskabinett hat hierzu Ende März ein Eckpunktpapier verabschie

det. Geplant ist es, einen Stabilitätsfonds einzurichten, der von der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung verwaltet wird. Finanziert werden soll der Fonds durch eine Sonderabgabe, die von allen deutschen Banken zu entrichten ist, und die bei Schieflagen systemrelevanter Banken zum Einsatz kommt. Derzeit geht man jährlich von rund 1,2 Mrd. € aus, die in den Fonds fließen sollen. In Brüssel, das wissen Sie auch, will man einen Schritt weitergehen und denkt an eine europaweite Bankenabgabe, die in nationale Fonds einzuzahlen ist. Zudem hat am 21. Mai in Brüssel eine neue Task Force ihre Arbeit aufgenommen mit dem Ziel, die europäische Währungsunion für die Zukunft krisenfest zu machen. Auch hier ist vieles genannt, was darunterfällt.

Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, Sie sehen also zum Thema „Finanzkrise und Regulierung“ ist die Realität in der Tat - das haben viele Vorredner gesagt - an vielen Stellen wesentlich weiter, als das, was Sie hier in Ihrem Antrag fordern.

Was die Haushaltskonsolidierung betrifft: Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen, was unsere Situation ist. Zwischen den Anmeldungen für den Haushalt 2011 nach der Mittelfristigen Finanzplanung und den voraussichtlichen Einnahmen liegt derzeit ein Defizit von 1,3 Mrd. €. Für den Haushalt 2010 haben wir 820 Mio. € neue Schulden aufgenommen, um vor allem die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise abzufedern. Das ist eine Sondersituation, die nicht zum Regelfall werden darf. Es muss unser Anspruch sein, dass unsere Einnahmen und Ausgaben in Einklang gebracht werden, denn Kinder können eben nicht auf Schuldenbergen spielen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Solidarpakt- und EU-Mittel die nächsten Jahre deutlich zurückgehen werden. Allein aus dem Solidarpakt sind es rund 100 Mio. €, die Thüringen jedes Jahr weniger an Zuweisungen erhält. Sie wissen auch, dass wir einen verantwortungsvollen Bremsweg gestalten müssen, wenn wir mit Blick auf die Schuldenbremse in 2020 ohne neue Schulden auskommen müssen. Niemand von Ihnen kann doch wollen, dass wir in den nächsten Jahren vom Stabilitätsrat angezählt werden, weil wir uns selbst in eine Haushaltsnotlage gebracht haben. Außerdem muss es unser Anspruch sein, effiziente und bezahlbare Strukturen zu schaffen, auch mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung in unserem Land.

Deshalb hat die Landesregierung eine Haushaltsstrukturkommission eingerichtet, die uns dabei helfen wird, unser Land auf die zukünftigen Aufgaben und Herausforderungen gut vorzubereiten. Wir müssen vor allen Dingen die staatlichen Ausgaben überprüfen. Daran führt kein Weg vorbei. Selbst dann nicht, wenn die sogenannte Reichensteuer erhöht würde oder wenn es zu einer Neuauflage einer, wie

auch immer, Vermögensteuer käme. Wenn wir schon über Mehreinnahmen reden, sollten wir nicht aus dem Auge verlieren, dass der beste Weg dorthin immer noch über mehr Wirtschaftswachstum führt.

(Beifall FDP)

Noch ein Wort zu Ziffer III Ihres Antrags: Was die Wiedereingliederung von Konversionsflächen betrifft, liegen mit dem Thüringer Liegenschaftsverwaltungsgesetz alle notwenigen Grundlagen vor, um die Entwicklung von bisher militärisch genutzten Standorten voranzubringen.

Meine Damen und Herren, insbesondere der Linksfraktion, ich habe es eben angedeutet, ein besserer Weg zu Mehreinnahmen in den öffentlichen Kassen führt über ein kräftiges Wirtschaftswachstum. Auch aus diesem Grund halte ich eine Abkehr von der Exportorientierung für den falschen Weg.

(Beifall CDU)

Ich weiß, dass es gerade in letzter Zeit Bedenken gibt, dass es aus europäischer Sicht nicht gut sei, wenn Deutschland auf Kosten seiner Nachbarn Handelsüberschüsse realisiert - Französische Finanzministerin, Sie wissen, wir haben es gelesen. Daraus resultiert dann die Forderung nach einer grundlegenden wirtschaftspolitischen Richtungsänderung, weg von einer Exportorientierung und hin zur Stärkung des Binnenmarkts. Ich halte aber diese Forderung für naiv und für bedenklich zugleich. Naiv deshalb, weil wir nicht mehr in einer Planwirtschaft leben und den Unternehmen nicht vorschreiben können und auch nicht wollen, welche Märkte sie zu bedienen haben.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Zum Glück.)

Bedenklich, weil Europa als Wirtschaftsraum nicht dadurch wettbewerbsfähig wird, indem man seinen Konjunkturmotor abwürgt.

(Beifall FDP)

Bedenklich auch aus Thüringer Sicht, weil es hier vor allem die exportstarken Wirtschaftsbereiche sind, die in den letzten Jahren unser Konjunkturmotor waren und künftig auch wieder sein werden. Die aktuellen Wachstumszahlen lassen jedenfalls darauf hoffen. Außerdem sind es gerade die exportstarken Industriezweige, die auch mit Blick auf die Schlüsselthemen der Zukunft wie Green Tech oder Elektromobilität eine zentrale Rolle spielen und von denen auch diejenigen EU-Länder profitieren, die dieses Know-how importieren. Es sind doch gerade diese Industriezweige, die das Gütesiegel „Made in Ger

many“ in die Welt tragen und dafür sorgen, dass Deutschland international als hervorragender Industriestandort angesehen wird. Erst Anfang dieser Woche, am 25., konnten wir lesen, dass ein amerikanisches Fachmagazin für Investitionen und Unternehmensansiedlung, Site Selection ist der Name dieses Magazins, Thüringen auf seiner Europaländerliste auf den Spitzenplatz als Topstandort für Investitionen gesetzt hat. Ob Automobilbranche oder die optische Industrie, ob erneuerbare Energien oder Kunststoffe, Ihnen muss doch klar sein, wenn wir über Export reden, reden wir auch über die Erfolgsgeschichte der Thüringer Wirtschaft. Ich frage also, wie sollen sich Ihrer Meinung nach die kleinen und mittleren Industriebetriebe weiterentwickeln können? Gerade diese sind darauf angewiesen, ihre Produkte über die Landesgrenzen hinaus zu verkaufen. Nur so können sie wachsen, neue Arbeitsplätze schaffen und anständige Löhne und Gehälter zahlen, die wiederum Kaufkraft bedeuten und die Binnenkonjunktur ankurbeln und ganz nebenbei auch für Einnahmen bei den öffentlichen Kassen sorgen.

(Beifall CDU)

Natürlich müssen wir auch den Binnenmarkt stärken. Aber ich bin mit meinem Kollegen, Wirtschaftsminister Machnig, einer Meinung. Das ist doch kein Widerspruch, ganz im Gegenteil, das sind zwei Seiten einer Medaille. Wir brauchen eine starke und wettbewerbsfähige Exportwirtschaft und wir brauchen eine moderne und leistungsfähige Binnenwirtschaft, die gemeinsam für Wachstum und Wohlstand sorgen.

(Beifall CDU)

Das kann im Übrigen auch nur die Formel sein, die uns dabei helfen wird, Thüringen so schnell wie möglich aus dem Tal der Wirtschafts- und Finanzkrise herauszuführen. Mit Blick auf die Ziele, die sich die Landesregierung hierbei auf die Fahnen geschrieben hat, sind wir auf einem guten Weg.

Kollege Machnig hat die Schwerpunkte seiner Arbeit hier im Hohen Haus schon mehrfach erläutert. Es gibt konkrete Projekte, um Schlüsseltechnologien nicht nur zu erforschen, sondern auch ganz konkret in die Anwendung zu bringen. Beispielsweise der Kollege Carius als Verkehrsminister startet gemeinsam mit der Stadt Erfurt, den Stadtwerken, der Siemens AG und der Fachhochschule Erfurt das Projekt „Elektromobilität in Erfurt“ mit dem Ziel, den öffentlichen Nahverkehr mit dem Thema zu verknüpfen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie also für Thüringen einen grundlegenden wirtschaftspolitischen Richtungswechsel fordern, dann sollten Sie sich vor

her darüber im Klaren sein, wohin Sie damit eigentlich steuern, und Sie sollten darauf achten, dass Ihre Forderungen nicht von den wirtschaftspolitischen Realitäten eingeholt werden.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal deutlich machen, wohin unsere Reise gehen muss. Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, in schwierigen Zeiten einen großen Spagat zu schaffen. Es gilt, Sparen und Investieren unter einen Hut zu bringen. Die Handlungsfähigkeit unseres Landes wird davon abhängen, inwieweit es uns gelingt, einen ehrlichen Blick auf die Dinge zuzulassen, und zwar auch dann, wenn es mit Schmerzen und großer Ernüchterung verbunden ist. Im Prinzip ist das wie in der Medizin, auch hier kommt die Diagnose immer vor der Therapie. Ich appelliere deshalb auch an die Fraktion DIE LINKE: Lassen Sie Ihren Systemwechsel doch endlich mal zu Hause und werfen Sie einen realistischen Blick auf unser Thüringen, das hilft uns weiter. Danke schön.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter Hausold, war das eine Wortmeldung? Dann erteile ich Ihnen das Wort.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, ich grüße Sie besonders. Frau, nein, Herr Präsident, jetzt wäre mir das auch bald passiert, Frau Ministerin Walsmann, ein paar Anmerkungen möchte ich schon noch machen. Man muss Sie an sich schon bewundern, Kompliment, wie Sie bei Ihrer Stimmlage das heute hier auf sich genommen haben, da zolle ich Ihnen meinen vollen Respekt. Inhaltlich muss ich allerdings sagen, sehe ich doch schon viel Dissens zu Ihren Ausführungen.

Zunächst möchte ich darauf verweisen, dass wir in unserem Antrag deutlich gesagt haben, wir möchten nicht ein Ende des Exports der Thüringer Wirtschaft. So etwas zu fordern, das wäre in der Tat völlig realitätsfremd in einer internationalen Wirtschaftsgestaltung, in einer globalisierten Welt. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, dass wir die stark einseitige Ausprägung auf die Exportwirtschaft langfristig überwinden müssen nach unserer Auffassung. Das ist etwas anderes als das, was Sie hier in Kritik genommen haben. Um nicht noch so sehr viel Zeit zu verbrauchen in dieser schon längeren Debatte im Hause, will ich deutlich sagen, wenn wir dies nicht erreichen, natürlich nicht isoliert für die Thüringer Wirtschaft, sondern unter europäischen Gesichtspunkten und für unsere deutsche Wirtschaft, dann werden wir immer schneller an den Punkt kom

men, an dem dieser Außenhandelsüberschuss für uns nicht mehr zu realisieren sein wird, weil in den anderen europäischen Ländern einfach die Finanzstärke nicht dafür da ist, unsere eigenen Produkte zu kaufen, meine Damen und Herren. Das ist die internationale wirtschaftspolitische Verflechtung.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube, Sie hatten gesagt, Sparen ist wichtig. Auch wir sehen das als wichtige Aufgabe für die Zukunft an. Sie haben gesagt, Sie wollen Binnennachfrage und Wirtschaftskraftentwicklung zusammenbringen. Insofern wäre ich wirklich bei Ihnen. Nur da muss ich sagen, meine Damen und Herren, auch bundespolitisch dotiert, passiert ja genau das gegenwärtig nicht, sondern wir haben weiter eine einseitige Fixierung auf die Wachstumsangelegenheit und dadurch auch auf den Export. Es gibt Warnungen von außerhalb - wie immer die gemeint sein mögen, aber die haben einen rationalen Kern -, die Deutschland darauf aufmerksam machen, dass gerade wir jetzt nicht damit beginnen sollen, die ganz große Sparkeule rauszuholen, aus den Gründen, die ich vorher genannt hatte. Ich sage mal, wenn ich der Auffassung bin, wir müssen die Wirtschaft mehr binnenwirtschaftlich entwickeln und damit insgesamt auch einen Ausgleich in Europa erreichen, dann wird das natürlich konterkariert durch das, was ich gegenwärtig vor allen Dingen aus der Bundesregierung höre. Wir haben einen Haushalt zu konsolidieren mit einem Sparvolumen, wenn ich das richtig sehe, von 750 Mio. € nach Ihrer Ansicht. Im Bund stehen solche Fragen auch, aber da ist die Frage: Wie gestalten wir das denn jetzt? Es gibt demnächst im Juli wohl eine Haushaltsklausur in Meseberg - werden Sie vielleicht auch schon zur Kenntnis genommen haben -, da wird sich jetzt langsam so positioniert. Da kommt dann natürlich raus, dass einerseits die Wirtschaft schmerzen dürfte, wenn ihnen Steuererleichterungen ausgerechnet im Öko-Bereich gestrichen werden. Gut, auch das ist ein Thema, aber dann geht das natürlich weiter. Im Bereich der Sozialversicherung wird es zu Kürzungen und zu höheren Beiträgen kommen. Der Satz für die Arbeitslosenversicherung von derzeit 2,8 Prozent des Bruttolohns soll auf 4 Prozent angehoben werden. Die 20 Mio. Rentner können für die nächsten Jahre nur mit Nullrunden rechnen. Der Zuschuss des Bundes an die Krankenversicherung wird gekürzt. Alle Kassen werden ab oder noch 2010 dann gezwungen sein, einen Zusatzbeitrag zu erheben. Da muss ich mal sagen, das ist im Sinne der Binnennachfrage Null, das ist sogar Minus, das ist Gift für eine konjunkturelle Entwicklung in diesem Land. Deshalb müssen wir die Auseinandersetzung dazu führen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich will es vielleicht an dieser Stelle belassen mit der Formulierung. Deshalb ist mir Ihr Beitrag zu einseitig, Frau Walsmann. Ja, Sparen, Haushaltskonsolidierung sind wichtig, aber sie sind nicht das alleinige und schon gar nicht das hauptsächliche Mittel, um diese Krise in ihrem Zentrum zu bekämpfen. Deshalb werden wir nicht damit aufhören, für einen Systemwechsel in der Wirtschaftspolitik einzutreten - und übrigens nicht nur wir, meine Damen und Herren, auch viele andere Menschen, Parteien und Organisationen im Land.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich schaue noch mal in die Runde und stelle fest, dass es keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt gibt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/956 „Finanzmärkte regulieren - Demokratie und Binnenwirtschaft stärken“. Die Fraktion DIE LINKE hat als Antragsteller berechtigt den Antrag auf Teilung der Frage gestellt: Punkt I Direktabstimmung, die Punkte II und III mögen an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen werden.

Wir beginnen in der Abstimmung mit der Frage, ob die Punkte II und III des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen werden sollen. Wer dafür ist, aus dem Antrag in Drucksache 5/956 die Punkte II und III an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit zu überweisen, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Das war eine deutliche Mehrheit gegen die Ausschussüberweisung.

Ich gehe mal davon aus, dass sich die Teilung der Frage jetzt damit erledigt hat und wir über den Antrag insgesamt abstimmen können, deshalb frage ich Sie, wer möchte dem Antrag in Drucksache 5/956 zustimmen, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Das ist eine deutliche Mehrheit an Gegenstimmen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10

Unabhängigkeit und Selbstverwal- tung der Justiz in Thüringen aus- bauen! Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/957 -

Die Fraktion DIE LINKE hat signalisiert, dass sie die Begründung wünscht. Das Wort hat Abgeordneter Kubitzki.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz ist eine tragende Säule des demokratischen sozialen Rechtsstaats. Beim Thema „Selbstverwaltung der Justiz“ geht es neben der Unabhängigkeit auch um die Demokratisierung der Strukturen und die Stärkung der Mitbestimmung der Richter und Richterinnen.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Aspekt: Wir hatten in der letzten Landtagsdebatte auch über den Europagedanken hier in diesem Haus diskutiert. Gerade auch in unserem Antrag steckt ein Stück Europa drin, was wir bei der Bearbeitung des Antrags leben können. In einer Presseerklärung - ich darf daraus zitieren - des Thüringer Landesverbands des Deutschen Richterbunds vom 20.04.2009 heißt es: „Der Thüringer Richterbund mahnt die Thüringer Politiker, die notwendigen Reformen in der Justiz nicht zu vergessen.“ Die Bundesrepublik Deutschland hat immer noch eine Justizstruktur, die die Richter und Staatsanwälte dem Justizministerium unterstellt. Wörtlich sagt die Vorsitzende des Thüringer Richterbunds Frau Kerstin Böttcher-Grewe: „Wäre Deutschland ein Beitrittskandidat für die Europäische Union, stellte diese Abhängigkeit der Justiz von der Regierung ein Beitrittshindernis dar.“ Damit sind wir nämlich bei Europa. Es gibt auf europäischer Ebene schon Beschlüsse für entsprechende Standards und Organisationsstrukturen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz. Zu nennen sind hier vor allem die vom Europarat verabschiedete Europäische Charta über die Rechtsstellung der Richterinnen und Richter, beschlossen im Juli 1998 in Straßburg, oder die Stellungnahme des Beirats der europäischen Richter über den Justizverwaltungsrat vom November 2007. Der Ministerrat des Europarats hatte zu diesem Thema eine Stellungnahme des Beirats erbeten. Aber zu bedenken in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Europäische Union z.B. im Jahr 2002 den Beitrittskandidaten Litauen aufgefordert hat, zwecks Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz solche Selbstverwaltungsstrukturen und Gremien zu schaffen.