Meine Damen und Herren, ein weiterer Aspekt: Wir hatten in der letzten Landtagsdebatte auch über den Europagedanken hier in diesem Haus diskutiert. Gerade auch in unserem Antrag steckt ein Stück Europa drin, was wir bei der Bearbeitung des Antrags leben können. In einer Presseerklärung - ich darf daraus zitieren - des Thüringer Landesverbands des Deutschen Richterbunds vom 20.04.2009 heißt es: „Der Thüringer Richterbund mahnt die Thüringer Politiker, die notwendigen Reformen in der Justiz nicht zu vergessen.“ Die Bundesrepublik Deutschland hat immer noch eine Justizstruktur, die die Richter und Staatsanwälte dem Justizministerium unterstellt. Wörtlich sagt die Vorsitzende des Thüringer Richterbunds Frau Kerstin Böttcher-Grewe: „Wäre Deutschland ein Beitrittskandidat für die Europäische Union, stellte diese Abhängigkeit der Justiz von der Regierung ein Beitrittshindernis dar.“ Damit sind wir nämlich bei Europa. Es gibt auf europäischer Ebene schon Beschlüsse für entsprechende Standards und Organisationsstrukturen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz. Zu nennen sind hier vor allem die vom Europarat verabschiedete Europäische Charta über die Rechtsstellung der Richterinnen und Richter, beschlossen im Juli 1998 in Straßburg, oder die Stellungnahme des Beirats der europäischen Richter über den Justizverwaltungsrat vom November 2007. Der Ministerrat des Europarats hatte zu diesem Thema eine Stellungnahme des Beirats erbeten. Aber zu bedenken in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Europäische Union z.B. im Jahr 2002 den Beitrittskandidaten Litauen aufgefordert hat, zwecks Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz solche Selbstverwaltungsstrukturen und Gremien zu schaffen.
Mit dem vorliegenden Antrag will meine Fraktion die notwendige Reformdiskussion auch in Thüringen anstoßen. Thüringen - und das sollte unsere Verpflichtung sein - darf nicht länger europäischen Standards hinterherhinken. Dazu sind Reformschritte im Land nötig und möglich wären eine Änderung der Verfassung und der Erlass eines Landesgesetzes zur Schaffung der neuen Selbstverwaltungsstrukturen. Thüringen kann und sollte dazu auch auf Bundes
Die Reformdiskussion ist innerhalb der Justiz und darüber hinaus in vollem Gange. Berufsverbände wie die neue Richtervereinigung und der Deutsche Richterbund haben schon konkrete Reformvorschläge unterbreitet. Daher verlangen wir als Fraktion DIE LINKE von der Landesregierung im Rahmen der Berichterstattung zum aktuellen Diskussionsstand auch eine deutliche Positionierung der Landesregierung zum Thema. Diese Positionierung sollte auch schriftlich und etwas detaillierter erfolgen, um als Baustein in der weiteren Reformdebatte im Land Verwendung zu finden. Daher soll - so auch unser Antrag - die Landesregierung bis zum 30.09.2010 dem Landtag Eckpunkte zu einem Konzept zum Ausbau der Selbstverwaltung vorlegen.
Die tatsächlich wirksame Gewährleistung von Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Justiz ist ein zentraler Baustein des demokratischen und sozialen Rechtsstaats und der ihn tragenden demokratischen und sozialen Zivilgesellschaft. Hier sollte es keine Defizite mehr geben. Deshalb ist für uns diese Reformdebatte unverzichtbar notwendig und diese möchten wir heute an dieser Stelle beginnen.
Danke, Herr Abgeordneter. Sie haben für den Antragsteller richtigerweise auch erwähnt, dass es in Nummer I um einen Sofortbericht geht. Die Landesregierung hat signalisiert, dass sie diesen Sofortbericht geben wird. Ich erteile das Wort dem Justizminister Herrn Dr. Poppenhäger.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Fraktion DIE LINKE hat dem Thüringer Landtag heute einen Antrag unter dem Titel „Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Justiz in Thüringen ausbauen!“ vorgelegt. Bevor ich den unter Nummer I des Antrags erbetenen Sofortbericht für die Landesregierung erstatte, erlauben Sie mir folgende zwei Vorbemerkungen.
Erstens: Ich möchte vorab feststellen, dass die Landesregierung in der nachhaltigen Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit als Kernelement der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung im Verbund mit der Sicherstellung effektiven und zeitnahen Rechtsschutzes für jeden Bürger eine besondere Verantwortung sieht.
Unabhängige Richterpersönlichkeiten sind die unabdingbare Basis für eine moderne Justiz als Garant für Rechtsstaatlichkeit und für gesellschaftliche und politische Stabilität, aber auch für eine Justiz, die im europäischen und internationalen Wettbewerb der Rechtsordnungen und Justizstandorte eine wesentliche Rolle spielt.
Zweitens: Auch mir sind die Vorgänge aus dem in der Begründung des heute zu beratenden Antrags genannten sogenannten Pilz-Verfahren vor zehn Jahren noch in guter Erinnerung. Der Landtag, in dessen Wissenschaftlichem Dienst ich damals tätig war, hat in mehreren Sitzungen des Justizausschusses und in einer Sondersitzung dieses Hohen Hauses dazu beraten, dass ein Richter vonseiten des damaligen Präsidenten des Thüringer Oberlandesgerichts und durch Einflussnahme des damaligen Justizministers in seiner Arbeit beeinflusst werden sollte. Nur zur Erinnerung: Auch Richter sind nicht unfehlbar. Der besagte damalige OLG-Präsident hat seine Telefonanrufe bei dem Richter, der das Pilz-Verfahren führte, später öffentlich bereut, indem er der Thüringer Allgemeinen erklärte, seine Unschuld verloren zu haben, so das Interview damals mit Herrn OLG-Präsidenten Bauer vom 10.10.2000. Dieser Fall zeigt, unabhängige Richter verdienen unseren ganzen Respekt. Ihre unabhängige Arbeit anzuerkennen, ihre Unabhängigkeit dort, wo es nötig ist, auch zu verteidigen und dort, wo es möglich ist, sie auszubauen, muss das Ziel guter Justizpolitik in einem demokratischen Rechtsstaat sein. Diese Gründe und Ereignisse waren es auch, die die Koalitionsparteien dazu bewogen haben, in die Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU Rahmenvorgaben zur Novellierung des Thüringer Richtergesetzes aufzunehmen. Ziel im Rahmen der aktuellen Reformbestrebungen ist es, im Interesse der richterlichen Unabhängigkeit die Beteiligungsrechte der Richterinnen und Richter zu stärken und die Mitwirkungsmöglichkeiten der richterlichen Gremien zu erhöhen. Damit hat sich die Landesregierung bewusst für einen eigenen Ansatz zur Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit entschieden.
Damit habe ich, wie es unter Nummer I des Antrags der Fraktion DIE LINKE gewünscht wird, bereits in wesentlichen Punkten den Rahmen für den Reformbedarf umschrieben, den die Landesregierung im Bereich der richterlichen Unabhängigkeit sieht. Auf das Wie der Umsetzung komme ich später noch zurück.
Lassen Sie mich zunächst zum Thema „Modellvorschläge zur richterlichen Selbstverwaltung“ sprechen. Der Landesregierung ist bekannt, dass unter der Überschrift „Unabhängigkeit der Justiz“ seit einigen
Jahren von richterlichen Berufsverbänden unterschiedliche Modelle für eine Selbstverwaltung der Justiz diskutiert werden. Im Jahre 2007 bereits hat der Deutsche Richterbund sein Selbstverwaltungsmodell der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieses Modell hat teilweise heftige verfassungsrechtliche und verwaltungspraktische Kritik erfahren. Der Deutsche Richterbund hat daraufhin im März dieses Jahres einen überarbeiteten Entwurf für ein Landesgesetz zur Selbstverwaltung der Justiz vorgelegt. Nahezu zeitgleich hat auch die sogenannte Neue Richtervereinigung einen inhaltlich noch weitergehenden Gesetzentwurf zur institutionellen Unabhängigkeit der Justiz veröffentlicht.
Auch einige Länder haben in den vergangenen Jahren Interesse an einer Selbstverwaltung der Justiz bekundet, namentlich Hamburg und Schleswig-Holstein. Allerdings haben diese Länder - soweit ersichtlich - bislang keine nennenswerten Fortschritte bei dem Aufbau von Selbstverwaltungsstrukturen gemacht; erst recht kann man von einer Erprobung nicht sprechen. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass sich eine selbstverwaltete Justiz ohne Änderungen des Grundgesetzes und der Landesverfassungen und ohne weitreichende Änderungen der einschlägigen bundesrechtlichen Bestimmungen, insbesondere des Gerichtsverfassungsgesetzes, und der einschlägigen Prozessordnungen nicht realisieren lässt. Die verfassungsrechtlichen Streitigkeiten werden sicher auch erörtert werden, wenn die Thematik „Selbstverwaltung der Justiz“ auf der im Juni dieses Jahres anstehenden Konferenz der Justizminister und Justizministerinnen beraten wird.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich möchte an dieser Stelle betonen, dass sich der Reformansatz der Thüringer Landesregierung zum Richtergesetz im Gegensatz zu den angesprochenen Selbstverwaltungsmodellen im Rahmen des Grundgesetzes und der Thüringer Verfassung sowie der Vorgaben des Bundesgesetzgebers bewegt, sich also insbesondere ohne Verfassungsänderungen umsetzen lassen wird. Daher besteht auch für die Landesregierung derzeit kein Anlass, wie unter Nummer 3 des Antrags der Fraktion DIE LINKE gefordert wird, im Bundesrat oder in anderen Gremien aktiv zu werden. Überdies möchte ich kritisch anmerken, dass die berufsständischen Selbstverwaltungsmodelle prinzipielle verfassungsrechtliche Probleme verursachen, die nach wie vor nicht wirklich überzeugend ausgeräumt sind und daher weiterer Prüfung bedürfen. Ich habe Zweifel, ob sich derartige Modelle, die weitreichende ministerial- und kontrollfreie Räume für Selbstverwaltungsorgane beinhalten, mit zentralen rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungsgrundsätzen in Einklang bringen lassen.
Der Landesregierung liegt es jedoch im besonderen Maße am Herzen, dass die künftigen Thüringer Justizstrukturen über eine einwandfreie, über jeden Zweifel erhabene verfassungsrechtliche und demokratische Legitimation verfügen. Im Übrigen hält es die Landesregierung nicht für sachgerecht, Reformüberlegungen von vornherein im Wesentlichen auf justiz- bzw. verwaltungsorganisatorische oder institutionelle Gesichtspunkte einzuengen, wie dies bei diversen Selbstverwaltungsmodellen der Fall ist. Dies wird der individuell geprägten richterlichen Unabhängigkeit in Artikel 97 Grundgesetz nicht gerecht. Die Landesregierung bevorzugt stattdessen einen diskussionsoffenen Reformansatz, mit dem Ziel, die richterliche Unabhängigkeit vor allem über den Ausbau der individuellen Beteiligungsrechte der Richterinnen und Richter und mittels Verbreiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten der richterlichen Vertretungsgremien zu stärken, um so einen substanziellen Beitrag zum Ausbau der richterlichen Unabhängigkeit zu leisten. Dabei wird sich in der anstehenden Diskussion des Justizministeriums mit den Berufsverbänden und mit den Richter- und Staatsanwaltschaftsvertretungen erweisen, inwieweit zur Stärkung der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter möglicherweise Reformen der Juristenausbildung und Fragen der richterlichen Ethik und des richterlichen Berufsverständnisses Berücksichtigung finden sollten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Einführung einer Selbstverwaltung der Justiz ist auch nicht durch vermeintliche europäische Standards veranlasst. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE könnte den Eindruck erwecken, dass die Justizstrukturen in Deutschland und in Thüringen nicht europäischen Standards entsprechen. Dies wäre allerdings sachlich unrichtig und verkennt die Leistungen der Justiz in Deutschland und in Thüringen grundlegend. Ich möchte unterstreichen, dass die Justiz in Deutschland und in Thüringen rechtsstaatlichen Anforderungen in jeder Hinsicht vollkommen entspricht und ihre Unabhängigkeit auch im Vergleich der europäischen Praxis anderer Staaten auf höchstem Niveau gewährleistet ist.
Die Justiz in Deutschland verfügt über besondere Schutzmechanismen, die in Europa beispielhaft sind. Ich möchte hier nur die unabhängigen Richterdienstgerichte nennen, die jedem Richter effektiven Rechtsschutz zur Wahrung seiner richterlichen Unabhängigkeit gewähren.
Um den Bericht der Landesregierung zu vervollständigen, erlaube ich mir an dieser Stelle auch den Hinweis darauf, dass die deutsche Justiz durchaus eine weltweit anerkannte Spitzenstellung hinsichtlich ihrer
Unabhängigkeit genießt. Sie liegt auf Platz 4 der aktuellen Rangliste des Weltwirtschaftsforums - World Economic Forum. Länder mit Selbstverwaltungsmodellen sind demgegenüber teilweise weit abgeschlagen. Beispielsweise liegt die spanische Justiz auf Platz 56 und die italienische Justiz auf Platz 78 und damit gleichauf mit Ländern wie Syrien und China.
Soweit in dem Antrag der Fraktion von angeblichen europäischen Standards die Rede ist, möchte ich also an dieser Stelle nochmals klarstellen: Es gibt keine rechtsverbindlichen Standards der Europäischen Union für die mitgliedstaatlichen Justizstrukturen, die etwa eine Selbstverwaltung der Justiz vorschreiben würden. Lassen Sie mich - weil mir das europäische Thema durchaus wichtig ist - weiterhin feststellen, dass auch der Europarat keine rechtsverbindlichen europäischen Standards erlassen hat und im Übrigen dazu auch nicht befugt wäre. Davon abgesehen akzeptiert der Europarat neben den von einigen richterlichen Berufsverbänden favorisierten Selbstverwaltungsmodellen ausdrücklich auch das bestehende deutsche Justizsystem als sachgerechte Alternative. Ich möchte hier beispielsweise auf die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates über die Unabhängigkeit, Effizienz und Funktion von Richtern verweisen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zu Beginn meiner Ausführungen habe ich gesagt, dass ich auf das „Wie“ der Novellierung des Thüringer Richtergesetzes noch zu sprechen komme. Hierzu kann ich Ihnen mitteilen, dass das Thüringer Justizministerium den Startschuss für die Novellierung des Thüringer Richtergesetzes im April dieses Jahres bereits gegeben hat. Das Gesetzgebungsverfahren läuft also. In einem ersten Schritt ist den richterlichen Berufsverbänden und Richtervertretungen in der Thüringer Justiz sehr frühzeitig von meinem Haus Gelegenheit gegeben worden, verbandsintern Vorschläge und Konzepte zu diskutieren und eigene Positionen zu erarbeiten. Die Ergebnisse werden dem Thüringer Justizministerium noch im 1. Halbjahr 2010 vorgelegt werden. Mit dieser frühen Einbindung in den Diskussionsprozess möchte ich ein Zeichen für einen vertrauensvollen, konstruktiven und vor allen Dingen ergebnisoffenen Dialog mit den Verbänden und Vertretungen sowie für den hohen Stellenwert der richterlichen Unabhängigkeit im Freistaat Thüringen setzen. Es ist mir also ein ganz besonderes Anliegen, auf diese Weise ein möglichst hohes Maß an Akzeptanz und Transparenz zu gewährleisten.
Zum Schluss möchte ich noch einmal um Ihr Verständnis bitten, dass ich aufgrund der beschriebenen Verfahrensweise heute keine abschließenden inhaltlichen Hinweise zur Ausgestaltung der künftigen Thüringer Justizstrukturen und zur Novellierung
des Thüringer Richtergesetzes geben will. Ich möchte an dieser Stelle den vor uns liegenden konstruktiven und ergebnisoffenen Diskussionsprozess, den ich bereits geschildert habe und zu dem ich alle Fraktionen des Thüringer Landtags ausdrücklich einlade, nicht vorwegnehmen und damit auch infrage stellen. Ich denke, unser aller Bemühen, das Thüringer Richtergesetz zum Wohle der unabhängigen Justiz im Freistaat und damit auch im Interesse unseres Rechtsstaats zu verbessern gebietet es, zunächst auf die Stimmen aus der Justiz selbst zu hören und dann zu handeln. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Poppenhäger. Ich frage: Wünscht jemand die Beratung zum Sofortbericht? Die Fraktion DIE LINKE, die Fraktion der SPD. Gut, alle wünschen die Beratung zum Sofortbericht. Ich werde auf Verlangen aller Fraktionen die Beratung jetzt eröffnen, gleichzeitig die Aussprache zu den Punkten II und III des Antrags. Das Wort hat auf meiner Rednerliste als Erster Abgeordneter Meyer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Poppenhäger vielen Dank für den Sofortbericht. Ich denke, mit diesen Thematiken kann zumindest ich persönlich mich in diesem Thema etwas weiter einarbeiten, denn ich gestehe ganz ehrlich, das Thema der Justizstruktur ist nicht gerade mein Hauptthema bislang gewesen. Insofern werden wir uns auch als Fraktion darauf freuen, dieses Thema lernend weiter zu begleiten in der Debatte. Die Debatte ist scheinbar notwendig, das habe ich verstanden, und offensichtlich auch von allen Seiten gewünscht. Ich bin nur kurz nach vorne gekommen, um einen Aspekt in diesem Bereich zu thematisieren - abgesehen davon, dass ich mich natürlich freue, wenn die LINKE in ihrem Antrag auf ein schwarz-grünes Papier verweist - das ist mal ganz was Neues - aus Hamburg. Wie es halt heutzutage so geht in der Politik in Deutschland. Ich finde, die beiden - Punkt I ist abgearbeitet - Punkte - Punkt II und III - des Antrags richtig. Herr Dr. Poppenhäger hat darauf hingewiesen, dass die Landesregierung im 2. Halbjahr das Thema sowieso auf die Agenda bringen wird, insofern wird auch da der Antrag „sowieso“ erfüllt. Ich bin gespannt auf die Frage, ob wir im Bundesrat zu dem Thema Debatten initiieren müssen. Ich bin bei einem Punkt der Meinung, dass es Diskussions- und vielleicht sogar auch Reformbedarf gibt, und zwar bei dem Punkt der Ausbildung. Nach dem Kenntnisstand, den ich habe aus dem Bereich der Richterschaft heraus und auch aus dem
Bereich der sonstigen Juristerei heraus, ist die Ausbildung nach Meinung vieler Beteiligter deutlich zu stark immer noch auf das Richteramt ausgerichtet und nicht auf den Feld-, Wald- und Wiesenanwalt - so nenne ich es einmal etwas despektierlich. Damit meine ich niemanden, der hier in diesem Raum ist. Es gibt meiner Ansicht nach bei der juristischen Ausbildung das Problem, dass diese Fixierung auf das Richteramt dazu führt, dass zum Beispiel Übung und Betrachtung von der Sachverhaltsgewinnung unterbelichtet wird, wenn nicht sogar ganz fehlt. Die Sachverhalte werden vorgegeben im Studium und das ist ein Fehler, denn im Alltag von Rechtsanwälten und Staatsanwälten müssen Sachverhalte erhoben werden. Das geht bis dahin, dass auch solche heutzutage notwendigen Situationen wie Anwaltsmarketing, Buchführung für Anwälte usw. besser und ausführlicher gelehrt werden müssen. Also in dem Bereich wäre ich auch gern bei der Debatte dabei und freue mich darauf, dass wir lernend diese Debatte führen werden. Wir werden also einer Überweisung an die Ausschüsse beispielsweise zustimmen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. Habe ich das richtig verstanden, dass Sie jetzt Ausschussüberweisung beantragen?
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Gegensatz zum Antragsteller sieht die FDP keinen Mehrwert für einen Systemwechsel hin zu einer richterlichen Selbstverwaltung, wie es beispielsweise auch der Deutsche Richterbund, aber auch indirekt der Antrag der Fraktion DIE LINKE fordert.
Die Justiz in Thüringen und in Deutschland insgesamt genießt weltweit einen glänzenden Ruf, ist personell und technisch gut ausgestattet und verfügt über hervorragende Richter und Staatsanwälte. Forderungen, wie sie vom Lobbyverband der Richterinnen und Richter kommen, rücken unsere Justiz in ein eher schlechtes Licht. Das hat sie nicht verdient. Die Personalauswahl erfolgt allein orientiert an leistungsbezogenen Kriterien und wird durch die starke Stellung der Präsidialräte effektiv kontrolliert. Dieser ist nach § 45 Thüringer Richtergesetz zu be
Die Richterschaft ist also in die Entscheidung bereits jetzt aktiv eingebunden. Zudem ist eine sich ausschließlich selbst verwaltende Richterschaft ohnehin verfassungsrechtlich unzulässig, da ihr dafür die demokratische Legitimation fehlt. Aber auch das Selbstverwaltungsmodell des DRB ist zumindest politisch unklug. Vor allem geht es aber an der Realität in Deutschland vorbei.
Zur Verdeutlichung möchte ich an dieser Stelle einmal auf den Richterstreik im vergangenen Jahr in Spanien aufmerksam machen. In Spanien verwaltet sich die Justiz nämlich selbst. Spanien gehört also zu den Ländern, die der Deutsche Richterbund ganz offensichtlich als Vorbild ansieht, ein Vorbild, das allerdings in einem schlechten Ruf steht. Die spanischen Gerichte gelten als langsam, schwerfällig und nicht unbedingt unparteiisch. Ich darf hier die Stuttgarter Zeitung vom 19. Februar vergangenen Jahres zitieren: „Wahr ist, dass keine Institution in Spanien von den Menschen so gering geachtet wird wie die Justiz. Sie arbeitet langsam und ist gefürchtet für ihre Nachlässigkeit und für ihre Parteilichkeit.“ Als schmerzlich und deprimierend und als beispielhaft für den gesamten Zustand der spanischen Justiz werden in dem Zeitungsartikel die Empfindungen der Sprecherin des spanischen Justizrates, Frau Gabriela Bravo, für den Zustand eines von ihr besuchten spanischen Gerichts beschrieben. Die spanischen Richter nämlich streikten für bessere Arbeitsbedingungen und beklagten, in ihrer Arbeit unterzugehen. Wollen wir wirklich solche Zustände in unserem Land? In Deutschland gibt es gemessen an der Bevölkerungszahl fast dreimal so viele Richter wie in Spanien. Mich würde interessieren, was der Richterbund dazu sagt, dass die sich selbst verwaltenden spanischen Gerichte sich nach deutschen Verhältnissen sehnen. Die Justiz muss unabhängig sein, das ist ein Grundpfeiler unseres Rechtsstaates, aber das bedeutet nicht, dass sie sich auch selbst verwalten muss.
Ihre Aufgabe ist Rechtsprechung und nicht Verwaltung. Schon die These des Richterbundes ist falsch, wenn er meint, die Leistungsfähigkeit der Justiz sei gefährdet und die Justizministerien schaffen es nicht, die Justiz ausreichend mit Personal und Geld auszustatten. Gerade am aktuellen Haushalt in Thüringen haben wir gesehen, dass das nötige Personal innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit schon bereitgestellt wird. Die Gerichte in Thüringen und in ganz Deutschland sind schnell, effizient und gut. Die Justiz in Deutschland ist hochmodern ausgerüstet. Die Entscheidungen sind qualitativ auf einem hohen Niveau. So muss die Frage erlaubt sein, ob so eine Justiz aussieht, die kurz vor dem Kollaps steht. Worin besteht also der Änderungsbedarf? Der Justiz in Deutschland geht es deshalb so gut, weil ihre Interessen an den Kabinettstischen der Landesregierung unmittelbar vertreten werden vom jeweiligen Justizminister. Er hat ein ganz ursprüngliches vitales Interesse am Wohlergehen der Justiz, denn er ist es auch, der politisch direkt verantwortlich ist für das, was in der Justiz vor sich geht. Er wird für das verantwortlich gemacht, was schief läuft. Das Demokratieprinzip fordert eine klare demokratische Legitimation für diejenigen, die die Staatsgewalt ausüben. Dies ist im Übrigen auch mit der Besetzung des Richterwahlausschusses von 12 Personen, davon sind übrigens acht Abgeordnete, einige meiner Kollegen wissen das, gegeben. Eine Direktwahl der Richter und Staatsanwälte, wie etwa in den USA, will aber, glaube ich, selbst der Richterbund nicht, was aber faktisch die logische Konsequenz aus den Befindlichkeiten und Forderungen des Richterbundes wäre.
Daher stimmen wir diesem Antrag nicht zu. Aber, Herr Hausold, man möge mir noch ein paar Worte zum letzten Teil der Begründung ihres Antrags gestatten.
Es ist schon erstaunlich, dass vier Diplomphilosophen der Linkspartei gemeinsam nicht in der Lage sind, herauszubekommen, was der Begriff des Neoliberalismus oder Ordoliberalismus meint, welchen Ursprung er hat und was er bedeutet. Das passiert dann, wenn man sich nämlich nur mit Frühsozialisten, wie Babeuf, Marx und Lenin beschäftigt. Ich will Sie ja nicht belehren, aber es sollte Ihnen doch wenigstens von Ihrer gründlichen Marx-Lektüre im Studium noch bekannt sein,