Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

(Beifall DIE LINKE)

Es ist nichts Neues, es ist auch kein neues Thema. Es ist auch richtig, dass man um Lösungen ringen muss. Aber ob der Vorschlag der LINKEN, die Kompetenz von der kommunalen Ebene ein Stück weit auszuhebeln und dort abzuzielen und auf das Land zu übertragen, der hier gemacht wird, der richtige ist, daran habe ich gewisse Zweifel. Ich empfehle, wir beraten diese Sache in den Ausschüssen. Wir sollten das an den Bildungsausschuss überweisen, gleichzeitig natürlich an den Justizausschuss, an den Innenausschuss und an den Haushalts- und Finanzausschuss. Gleiches empfehle ich auch für den Entschließungsantrag, der dazu gestellt wird. Denn auch hier ist zu sagen, ob man durch die Einrichtung einer Stabsstelle, die dann auch noch personell aufgeblasen wird, wirklich etwas erreicht, da mache ich zumindest mal ein Fragezeichen dahinter. Das könnte eine mögliche Variante sein, wie man mit der Sache organisatorisch umgeht.

Das Thema, ein Moratorium für Investitionen zu erlassen, das versehe ich dann nicht nur mit einem Fragezeichen, sondern das stelle ich einfach infrage. Denn es ist sicherlich richtig, dass man nicht überall Investitionen lostreten kann, aber dort, wo Entscheidungen für Standorte klar sind, da muss es auch weiterhin möglich sein, Investitionen zu tätigen, zumal

diese Investitionen nicht immer nur aus Landesmitteln erfolgen, sondern dort auch EU-Mittel kofinanziert werden müssen. Insofern ist es wichtig, dass wir dieses Geld auch nutzen. Lassen Sie uns die Dinge im Ausschuss weiterberaten.

(Beifall CDU)

Für die FDP-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Hitzing zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, werte Besucher, lassen Sie mich bitte zu dem Thema der Berufsschulnetzplanung ein Beispiel aus dem Bereich Nordthüringen erwähnen. Es ist natürlich so, dass die demographische Entwicklung gerade im Bereich der berufsbildenden Schulen dazu führt, dass es eine Verringerung der Schülerzahlen gibt. Das ist vollkommen natürlich. So haben wir zum Beispiel im Landkreis Nordhausen im Jahr 2005/2006 1.400 Schüler in den Berufsschulen zählen können; jetzt im Schuljahr 2009/2010 sind es noch 1.100. Das sind etwa 80 Prozent. Das führt natürlich dazu, dass die Klassenbildung in nicht jedem Ausbildungsberuf mehr gegeben ist und trotzdem eine qualitativ hochwertige Berufsschulausbildung vorgehalten werden muss.

Mit dem Klassenbildungserlass des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und vorher dem Kultusministerium, der sagt, dass mindestens 15 Schüler in diesen Klassen sein müssen, gibt es schon einen gewissen Zugzwang für die Bildungseinrichtungen, sich zu organisieren und abzusprechen. Das ist in den letzten Jahren schon geschehen und auch nicht ganz einfach gewesen, wie ich das zumindest für den Landkreis Nordhausen eruieren kann. Trotzdem kommt man verstärkt dazu, ich glaube, das ist auch der richtige Weg, dass man sich als Berufsbildungsregion zusammenschließt - in meinem Beispielfall jetzt zur Berufsbildungsregion Nordthüringen. Das bedeutet, dass sich vier Landkreise zusammenschließen und einfach darüber reden, welche Ausbildungsberufe bleiben beispielsweise in Nordhausen, welche gehen nach Sondershausen usw., um diese Berufsschulklassen entsprechend aufzufüllen in ihrer Größe. Ich denke, das ist der richtige Weg. Der ist natürlich steinig und auch schwierig, weil wir alle wissen, dass man immer Probleme damit hat, etwas abzugeben, was man schon errungen hat und was man hat. Man möchte natürlich seine Kompetenzen nicht verlieren. Aber hier, glaube ich, ist schon die Notwendigkeit erkannt worden. In Nordhausen ist es zum Beispiel so, dass die Maurer nach Sondershausen gehen, dafür kom

men die Fahrzeugmechatroniker nach Nordhausen. Es funktioniert also. Die Zielstellung im Nordbereich ist, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren der Landkreis Nordhausen ein Berufsschulzentrum entwickelt mit den entsprechenden Berufsbildern, um die Berufsbildungsregion Nord aktiv mitzugestalten in Zusammenarbeit mit den anderen Kreisen. Ich glaube, das ist der richtige Weg, weil das aufgesetzte Obendrauf und die Verpflichtung immer auch auf Ablehnung stoßen und man dann sofort mit einer Gegenreaktion zu rechnen hat. Das Einvernehmen scheint mir hier wichtig zu sein. Das Benehmen im Sinne der Auslegung des Gesetzestextes würde dann heißen, wenn denn das Veto der Landkreise eingetreten ist, dann wird das einfach festgelegt und die Landkreise haben kein Mitspracherecht mehr. Ich glaube nicht, dass das im Sinne der Kammern ist, der Träger der Ausbildungsbetriebe.

Zum Entschließungsantrag möchte ich zu Punkt 2 noch sagen, das Moratorium für die Investition macht für mich den Eindruck, als ob wir am Punkt Null wären - aber das sind wir wahrlich nicht. Wir haben in den Regionen sehr gute Berufsschulen, die auch gut ausgerüstet sind. Natürlich sind immer - darüber haben wir schon oft gesprochen - qualitative Veränderungen wünschenswert.

In Punkt 4 haben Sie formuliert: „Bisher erzielte Abstimmungsergebnisse sind nach Möglichkeit einzubinden.“ Da würde ich darum bitten, das werden wir dann sicherlich im Ausschuss auch besprechen, nicht „nach Möglichkeit“, sondern die sind „unbedingt“ einzubinden, wenn wir darüber reden, denn die Erfahrungen, die die Regionen gemacht haben, sollten schon genutzt werden und darauf müssten wir auch aufbauen. Danke schön.

(Beifall FDP)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Metz zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, durch den Gesetzentwurf der LINKEN soll die Landeskompetenz der Berufsschulnetzplanung deutlich ausgeweitet werden und so soll das TMWBK künftig letztinstanzlich die Festlegung der Berufsschulbezirke sowie der Einzugsbereiche der jeweiligen Berufsschulen treffen. Damit reagiert DIE LINKE durchaus auf die demographische Entwicklung - geht ja auch in die richtige Richtung - im Berufsschulbereich und die bislang nur gering ausgeprägte Kooperation der kommunalen Schulträger bei der Ausgestaltung des Thüringer Berufsschulnetzes. Die bis

herige gesetzliche Festschreibung konsensualer Lösungen zwischen den Schulträgern wird zugunsten einer primären Durchsetzung übergeordneter Landesinteressen aufgegeben. Da scheint die Tatsache, dass seit Beginn des 21. Jahrhunderts die Schülerzahlen drastisch zurückgehen, Ihrem Anliegen auch recht zu geben. Sie haben das Zedler-Gutachten erwähnt, was 1995 und 2005 fokussiert nur auf die staatlichen Berufsschulen abzielt. Hier brauchen wir auch in Zukunft den Diskurs über die Entwicklung der Berufsschulen in freier Trägerschaft, die es nicht pauschal zu verdammen gilt, aber dort, wo staatliche Schulen in ähnlichen Berufszweigen Angebote anbieten und parallel dazu freie Träger, gibt es durchaus Probleme. Dass die staatlichen Schulen große Probleme im Bereich der Sozialstruktur und auch des Leistungsniveaus haben, das ist gar nicht wegzudiskutieren. Berufsschulnetzplanung darf nicht weiter dem reinen Selbstlauf und einer bloßen Aushandlung zwischen den betroffenen Schulträgern überlassen werden.

Die Landesregierung als überregionale Instanz ist hier natürlich auch in Zukunft in der Pflicht, die unterschiedlichen Positionen aufzunehmen und zu einem größeren Ganzen zusammenzubringen. Nur so wird garantiert, dass auch künftig ein regional ausgewogenes und fachlich differenziertes Berufsschulangebot in Thüringen vorhanden ist und dass die Interessen der Berufsschülerinnen und Berufsschüler gewahrt werden. Herr Bärwolff hat das an dieser Stelle genauso wie Herr Emde richtigerweise gesagt. Die Betriebsnähe ist hier der entscheidende Punkt. Es ist klar, dass hier deutlicher Handlungsbedarf der Landesebene besteht, ob das allerdings mit einem derart umfassenden Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung passieren muss, da bin ich mir - und auch die SPD-Fraktion - noch nicht in dem Diskurs sicher.

Wir bitten deswegen um Überweisung beider Anträge, um die Entwicklung auch tatsächlich zu begleiten, denn Berufsschulnetzplanung hat nicht nur Auswirkungen auf die Situation von Berufsschülerinnen und Berufsschülern, nicht nur Auswirkungen auf die Kommunen selbst, sondern auch Auswirkungen auf Innungen, die die Zukunftsfähigkeit von ganzen Regionen sichern können. Deswegen geht es hier nicht um Auswirkungen auf den Weltfrieden, sondern um Auswirkungen auf Innungen und Schulen. Deswegen beantrage ich die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur, an den Innenausschuss, den Haushalts- und Finanzausschuss und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch ich werde jetzt nicht über den Weltfrieden reden, aber es geht natürlich um die Zukunftsfähigkeit, Herr Emde. Da haben Sie auch viele Punkte gesagt, wo wir uns vermutlich sogar einig sein werden und da bin ich sehr gespannt auf die Debatte im Ausschuss.

Zunächst möchte ich mich aber bei der LINKEN bedanken, die diesen Vorstoß gemacht hat, indem sie das Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes in dieser Form vorgelegt hat. Ich möchte insbesondere auf zwei Punkte eingehen - den einen hat Peter Metz auch schon benannt -, die jetzt in der Gesetzesänderung durch DIE LINKE tatsächlich eine Neuerung erfahren sollen. Das ist zum einen, dass eine Kannbestimmung in eine Sollbestimmung geändert werden soll, nämlich dass damit natürlich auch, ich nenne es mal Einschätzirrtümer zulasten des Ministeriums gehen. Das halten wir für ganz wichtig, denn wir wissen alle, dass die Schwierigkeit im Moment tatsächlich so ist, dass aufgrund der zurückgehenden Schülerinnen- und Schülerzahlen vor Ort, wenn wir ganz ehrlich sind, eigentlich kein Standort mit Sicherheit damit rechnen kann, die entsprechende Auslastung zu haben. Es gibt mit Sicherheit einige Klassen, wo wir sagen können, es wird immer viele Interessentinnen und Interessenten geben, die beispielsweise Kfz-Mechaniker/in erlernen wollen, wo es auch einen relativ großen Bedarf gibt, aber wenn wir sehr genau hinschauen, auch in die Fläche gehen, kann überhaupt kein Standort im Moment von einer Sicherheit sprechen. Deswegen, glaube ich, ist diese Debatte tatsächlich überfällig.

Der zweite Punkt ist, den ich sehr wichtig finde, dass die Festlegung der Einzugsbereiche, wenn sie über das Gebiet des Schulträgers hinausgehen, nach dem Berufsbildungsgesetz tatsächlich dann auch die zuständigen Stellen anhören muss. Das dient der Absicherung möglichst sach- und fachgerechter Lösungen und die Kompetenzen des Landes gegenüber den Schulträgern werden gestärkt. Insofern begrüßen wir auch diese Verbesserung - so will ich es nennen - im Vorschlag der LINKEN, den sie hier im Text vorgelegt hat.

Lassen Sie mich aber auch nachfragen - Herr Emde, Sie haben darauf hingewiesen, dass dieses Thema nicht neu ist. Das wissen wir auch alle. Peter Metz hat eben schon in seinem Redebeitrag seine Position

oder die Position der SPD noch einmal erläutert, die sich auch wiederfindet in diesen wunderbaren Wahlprüfsteinen, die wir immer wieder beantworten im Vorfeld von Wahlen. Diese fand sich wieder im Wahlprüfstein des Thüringer Handwerkstags. Dort hat die CDU zu der Frage geantwortet - bitte gestatten Sie, dass ich zitiere: „Bis zum Schuljahresende“ - wir befanden uns im Sommer 2009, ist meine Anmerkung - „soll ein Konzeptvorschlag für ein zukunftsfähiges Berufsschulnetz vorliegen. Wir brauchen den Konsens mit allen Partnern. Ziel der neuen Berufsschulstruktur ist eine flächendeckende, betriebsortnahe und wohnortnahe berufsschulische Ausbildung. Die Einzugsbereiche sollen durch einen Berufsschulverbund den regionalen Bedarf an berufsschulischer Bildung absichern. Wir befürworten die landkreisübergreifende Zusammenarbeit von Berufsschulträgern und Kommunen in sogenannten Bildungsregionen.“ Das trifft eigentlich auch die Intentionen, die ich jetzt eben hier schon von den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört habe. Das setzt sich auch fort in den Forderungen, die wir von den Kammern kennen. So hat die Industrie- und Handelskammer sich auch immer entsprechend in diese Richtung positioniert.

Wenn ich noch einmal Bezug nehmen darf auf den Entschließungsantrag, der uns auch vorliegt und der ebenfalls diskutiert werden soll in den betreffenden Ausschüssen, dann lassen Sie mich auch noch feststellen, dass die Stabsstelle Berufsschulnetzplanung, die hier erneut eingefordert wird, aus unserer Sicht durchaus sinnvoll sein kann, wenn sie unter vernünftigen Rahmenbedingungen arbeitet.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war offenkundig nicht der Fall, als sie 2008 nach nur wenigen Monaten wieder - wie soll ich es nennen - beerdigt wurde. Insofern sagen wir ganz deutlich: Nur weil es einmal nicht so gut gegangen ist, wie es vielleicht mal gehen sollte, kann es trotzdem einen vernünftigen zweiten Anlauf geben.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Emde?

Aber sicher doch.

Bitte, Herr Emde.

Ich bin froh, dass Sie jetzt mal Luft geholt haben. Frau Rothe-Beinlich, ist Ihnen bekannt, dass sich die Schulträger in Ostthüringen und Westthüringen bereits geeinigt haben auf ein Berufsschulnetz?

Es ist mir bekannt, dass sie sich geeinigt haben, trotzdem ist, glaube ich, auch in diesem Hause hinlänglich bekannt, dass es keine landesweite Planung gibt, die tatsächlich sämtliche Faktoren berücksichtigt, das heißt nämlich die Schülerinnen- und Schülerzahlen, die es überhaupt gibt, aber auch die Bedarfe, die es gibt. Ich glaube, wir brauchen hier eine landesweite Koordinierung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass sich Ost- und Westthüringen geeinigt haben, ist sehr löblich. Das ist schön, aber, ich glaube, wir dürfen hier das Land auch nicht aus der Verantwortung entlassen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich aber noch einen inhaltlichen Punkt sagen. Ich glaube, gerade angesichts des demographischen Wandels ist es wichtig, die Berufsschulen tatsächlich - ich nenne es mal so - zu Orten, die Fort- und Weiterbildung anbieten, zu Kompetenzzentren weiterzuentwickeln, um auch und gerade denjenigen einen Einstieg zu ermöglichen, die es vielleicht ein bisschen schwerer hatten bisher. Wir wissen das auch. Es befinden sich ja viele in sogenannten berufsvorbereitenden Jahren oder in ähnlichen - manche nennen es Warteschlaufen, die es hoffentlich nicht sind. Wir meinen, wir brauchen tatsächlich auch gerade angesichts der demographischen Entwicklung alle Jugendlichen, wir brauchen für sie eine Perspektive. Deswegen lassen Sie uns das umfänglich diskutieren, um für ganz Thüringen etwas Vernünftiges auf den Weg zu bringen.

Ein letzter Punkt, den ich noch benennen möchte, ist noch mal das Moratorium, das Sie kritisiert haben, denn genau der Punkt, den Sie ansprachen, ist aus meiner Sicht in Punkt 2 geregelt. Da steht: „Davon ausgenommen sind bereits begonnene Vorhaben, bei denen der Abbruch einen unvertretbaren Wertverlust hervorrufen würde.“ Insofern ist, glaube ich, auch Ihren Bedenken Rechnung getragen in Punkt 2 des Entschließungsantrags, denn - und da schließe ich mit dem, womit ich begann - es gibt im Moment keine Standortsicherheit für die Berufsschulen, egal wo. Dieser Realität müssen wir uns stellen und ich

bin gespannt auf unsere Debatte.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Hennig das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, ich bin sehr positiv überrascht über die Debatte heute, möchte aber trotzdem noch einige grundsätzliche Worte loswerden zur Berufsschulnetzplanung und auch noch einige kritische Punkte benennen, auch wenn ich das Gefühl habe, dass nach vier Jahren Debatte im Thüringer Landtag tatsächlich der dringende politische Handlungsbedarf angekommen ist. Wir sprechen über nichts Geringeres als über die Ausbildungsmöglichkeiten von ca. 70 Prozent aller Schulabgängerinnen und Schulabgänger in Thüringen, das heißt 65.000 Schülerinnen und Schüler, die Ausgestaltung und Struktur der 117 berufsbildenden Schulen derzeit, davon 51 staatliche und 66 freie Schulen, über millionenschwere Investitionssummen als auch natürlich über den Einsatz von Tausenden Lehrern und Lehrerinnen.

In Vorbereitung auf meine heutige Rede war ich fast versucht, meine Rede von 2008 zu wiederholen, deren Tenor auch damals schon war, wir haben ein demographisches Problem und müssen endlich handeln. Ich habe es nicht getan und bin froh darüber, dass sich die Fraktionen des Thüringer Landtags heute entschieden haben, das Thema endlich auf die Tagesordnung zu setzen und an den Bildungsausschuss zu überweisen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch da möchte ich schon meine Kritik ansetzen. In den vergangenen zwei Jahren seit 2008 haben wir schon insgesamt 7.000 Schülerinnen an berufsbildenden Schulen weniger und schlittern im Moment auf den Tiefpunkt der Schülerinnenzahlen 2012 zu, was bedeutet, dass wir etwa 40 bis 50 Prozent der Schülerzahlen von 2004 an den berufsbildenden Schulen zu erwarten haben. Noch immer ist nichts passiert und auch - zumindest ist das mein Stand aus der letzten Ausschuss-Sitzung im April - der SPD-Kultusminister knickt vor der Aufgabe einer Landesmoderation in der Berufsschulnetzplanung bisher ein und wartet ab. Ich hoffe, wir kommen da zu einer anderen Situation.

Ich will noch etwas zu - sagen wir mal - dem Lebenslauf der Berufsschulnetzplanung sagen. 1995 stellt Prof. Zedler in einer Studie zur Entwicklung der Grundschulzahlen fest, dass man unbedingt die berufsbildenden Schulen im Blick haben müsse. 1999 bestätigte er dieses in einem Gutachten zur Entwicklung der Regelschulen und Gymnasialschülerinnen, gehandelt wurde nicht. DIE LINKE thematisierte die Schülerentwicklungszahlen an den berufsbildenden Schulen 2004 im Landtag, 2007 im Bildungsausschuss, 2008 zusammen mit der SPD im Landtag und 2009 letztendlich mit Anfragen. Auch da gab es einige Schritte der Landesregierung, die zumindest bei mir den hoffnungsvollen Eindruck erweckten, sie hätten ihre Verantwortung verstanden. Eine Stabsstelle Berufsschulnetzplanung wurde im Ministerium gebildet, ein Gutachten zur Verfügung gestellt, das sogenannte Zedler-Gutachten, das zusammen mit dem Thüringer Landkreistag finanziert worden ist. Das Ministerium bestimmte Kriterien, die aus Sicht des Landes dem Planungsprozess zugrunde gelegt werden sollten, dann aber geschah nichts mehr. Die angekündigte Schiedsstelle zwischen den Landkreisen ist nicht zustande gekommen. Die 2007 eingerichtete Stabsstelle im Kultusministerium wurde 2008 aufgelöst und ein im Januar durch Minister Müller damals noch 2009 angekündigter Konzeptentwurf - ich zitiere: „zu einem ausgewogenen Berufsschulnetz unter Maßgabe einer wohnortnahen und betriebsortnahen Beschulung sowie einer fachlichen, auf höchstmöglichem Niveau stattfindenden berufsschulischen Kenntnisvermittlung“ hat entweder das Licht der Welt in diesem Jahr nicht erblickt oder ist über das Ministerium nicht hinausgekommen.

Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur - jetzt durch die SPD mit Minister Matschie geführt - musste im April dieses Jahres im zuständigen Ausschuss erklären, dass nur zwei Bildungsregionen der vorgeschlagenen sechs sich halbwegs zusammengefunden haben - Herr Emde hat das schon erwähnt, das sind Ost- und Westthüringen -, dass eine Vielzahl guter, aber viel zu kurz greifender Ansätze vorhanden sind, die aber über die Bildungsregion hinaus Abstimmungsbedarf hätten. Von über 600 unterfrequentierten Klassen wurden ganze 80 nicht genehmigt.

2004 monierte in der Debatte zur Berufsschulnetzplanung der damalige Abgeordnete Andreas Bausewein mit Rückblick auf das Vorgehen im allgemeinbildenden Schulbereich, wo sie sich alle erinnern, dass wir 400 allgemeinbildende Schulen verloren haben. Die Situation „verlangt förmlich nach einem konzertierten Handeln im Interesse der weiteren Entwicklung des Bildungs- und Ausbildungsstandes Thüringen. Allerdings steht zu befürchten, dass die Schulträger erneut unkoordiniert vorgehen und insbesondere nach eigener Kassenlage über das Wohl und Wehe der Berufsschulstandorte entschei

den werden.“ Ich glaube, diesen Punkt haben wir. Frau Hitzing, genau an diesem Punkt gebe ich Ihnen nicht recht; aus meiner Sicht stehen wir am Punkt null. Wir haben zwar einzelne Abstimmungen, aber was eine landesweite Berufsschulnetzplanung angeht, stehen wir bei null und die Landkreise entscheiden selbst.

Sehr geehrte Damen und Herren, Berufsschulnetzplanung ist kein einfaches Thema, Herr Emde hat das auch schon erwähnt. Deswegen noch ein kleiner Diskurs, was sagte eigentlich das sogenannte ZedlerGutachten 2007? Ich werde noch einmal einige Kernaussagen zurückholen, damit wir uns über die Bedeutung der Situation noch mal klar werden.

Punkt 1: Die Anzahl der 15- bis 25-Jährigen wird sich in Thüringen bis 2010 - das haben wir jetzt - halbiert haben und nach 2015 nicht wesentlich ansteigen.

Punkt 2: Der massive Rückgang der Schülerzahlen im berufsbildenden Bereich um 50 Prozent gefährdet insbesondere die beruflichen Ausbildungsgänge im dualen Bereich, aber auch vorzeitschulische Ausbildungsgänge.