Eli Wiesel hat mal einen wunderbaren Text geschrieben: „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass. Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht Verzweiflung“, sondern ist immer nichts anderes als die Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit ist auch das, was viele Menschen in der damaligen DDR gekennzeichnet hat - zum Teil bis heute. Gleichgültigkeit gegenüber denjenigen Schicksalen, welche ob ihres Freiheitswillens und Freiheitshandelns verhaftet, verhört oder hingerichtet wurden. „Verzweifelt, wenn da nur Unrecht ist und keine Empörung“ sagte Brecht. Die Empörung und der Widerstand in der damaligen DDR waren viel zu wenig. Wenn Herr Barth heute davon spricht, dass es viele Widerstandskämpfer oder auch -kämpferinnen gab, dann ist das eine Lüge, dann kennzeichne ich es als eine Lüge. Für mich war die
Danke, Frau Abgeordnete König. Gibt es weiteren Redebedarf? Das sehe ich nicht. Dann frage ich Sie: Kann ich davon ausgehen, dass dem Berichtsersuchen Rechnung getragen wurde? Dann schließe ich an dieser Stelle den Tagesordnungspunkt 13.
Der Verantwortung für eine fried- fertige Welt gerecht werden Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/990 -
Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Auf meiner Rednerliste ist das die Abgeordnete Renner. Bitte, Sie haben das Wort.
Danke, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, zuerst einmal möchte ich allen Fraktionen hier im Haus danken. Danken, dass schon vor Beginn der heutigen Debatte zu unserem Antrag in vielen weiteren Tagesordnungspunkten im Verlauf der Plenarsitzung auf den Inhalt unseres Antrags Bezug genommen wurde.
Ich finde, das ist ein einmaliger Vorgang und den wollte ich von dieser Stelle aus auch noch einmal würdigen. Ganz im Ernst. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass mit dieser konzertierten Aktion wir und unser Anliegen ins Lächerliche gezogen werden sollten und dafür habe ich eigentlich kein Verständnis.
Glauben Sie wirklich, die Fragen von Friedenspolitik, Abrüstung und Entmilitarisierung der Gesellschaft haben so gar nichts mit unserer Lebensrealität zu tun? Ich sage, es gibt viele, die das glauben machen wollen. Dass wir uns nicht mit dem Krieg auseinandersetzen, den die Bundesrepublik führt, dass wir uns nicht für die Verantwortung der Politik, auch die der Landespolitik, für eine andere Form der Konfliktlösung zu streiten, einsetzen, das wollen wir ändern. Der Krieg, seine Opfer auf allen Seiten, soll lediglich eine Meldung in den Nachrichten sein - so ist es gewünscht -, ein abstrakter Bericht über ein fer
800 Schüler und Schülerinnen besuchten gestern das Panzerpionierbataillon Gera. Wie kommen Lehrer und Lehrerinnen auf die Idee, jungen Erwachsenen ein Berufsbild anzupreisen, das beinhaltet, andere Menschen zu töten oder selbst das Leben zu lassen?
Warum gibt es diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit? Staatssekretär Prof. Merten erklärte auf eine Mündliche Anfrage zu einer Militaria-Schau in Langenorla, ich zitiere: „Die Landesregierung lehnt jede Form von Kriegsverherrlichung bzw. Romantisierung entschieden ab.“ Im vorliegenden Fall verstoßen Kriegsspiel und Zurschaustellung von Militärtechnik gegen die in unserem Land gepflegte Gedenkkultur. Diese Auffassung, und die ist wichtig, muss aber auch in Bildung und Kultur in diesem Land sichtbar werden.
Jungen Menschen ist nicht die Attraktivität eines Panzers zu vermitteln. Was sollen all die Programme von „Faustlos“ und „Schulstreitschlichtung“, die wir in Thüringen haben, wenn der Wert des Friedens so gering geachtet und der Krieg verharmlost wird.
Prof. Merten hat recht, es hat auch etwas mit Gedenkkultur zu tun, mit der Verantwortung vor der Geschichte. Je weiter die leidvollen Erfahrungen des Krieges im Alltagswissen der Menschen zurückliegen, desto leichter wird es anscheinend, dem Thema aus dem Weg zu gehen oder es gar lächerlich zu machen. Die Wirklichkeit in unserem Leben sieht anders aus. Krieg ist Realität. Weltweit zählte das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung für das Jahr 2009 insgesamt 365 Krisen, von denen 31 als schwere Konflikte und 7 als Kriege gezählt wurden. Hinter jedem Krieg, hinter jedem bewaffneten Konflikt stehen menschliche Opfer, steht die Zerstörung von materiellen und ökologischen Lebensgrundlagen. Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Kriege, in denen der militärischen Intervention immer wieder das Argument vorausging, dass nur durch das militärische Eingreifen Menschenrechtsverletzungen beendet werden können. Die militärische Logik, die militärische Eskalation, an deren Ende es keine Sieger, sondern nur Verlierer gibt, sehen wir täglich. Ein erster Schritt, aus dieser Logik auszusteigen, ist, dass wir uns bewusst verweigern.
Das heißt auch, die Forderung nach Rückzug von Soldaten und Waffentechnik aus Afghanistan, aber das heißt auch auf Landesebene Schluss mit der destruktiven Rüstungsproduktion und -forschung, und die findet hier auch in Thüringen statt.
An anderer Stelle gab es eben persönliche Erklärungen, ich will auch eine anfügen. Ich wohne am Rande des Truppenübungsplatzes Ohrdruf. Nachts hören meine Kinder Maschinengewehrsalven und Granateinschläge. Ich habe meinen Kindern erklären müssen, dass dort für den Krieg geübt wird. So nah ist Afghanistan.
Meine Damen und Herren, alle parlamentarischen Vorhaben müssen darauf gerichtet sein, Entscheidungen auszuschließen, die kriegerische Auseinandersetzungen hervorrufen oder fördern. Da sehe ich mich auch in der Verantwortung unserer gemeinsamen Landesverfassung. In der Präambel der Thüringer Verfassung, die ich hier ganz besonders in Erinnerung rufen würde, steht, dass Thüringen sich zu dem Willen bekennt, inneren wie äußeren Frieden zu fördern und Trennendes in Europa und der Welt zu überwinden. Ich denke, dies zeigt auch die Verantwortung, in der Landespolitik heute steht, angesichts kriegerischer Konflikte für Friedenspolitik einzustehen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Renner, ich werde in meiner Rede dann noch ein bisschen intensiver darauf eingehen, aber in der Replik auf Ihre Rede möchte ich Ihnen eins sagen, alles beginnt natürlich mit Wahrhaftigkeit. Und es hat mich schon ein Stückchen, was Wahrhaftigkeit betrifft, übrigens auch ein Problem mit meiner eigenen Partei, damals stark verwundert, als die Friedensteinkaserne in Gotha geschlossen werden sollte, dass auch nicht wenige Mitglieder der Partei DIE LINKE, damals noch PDS, in der ersten Reihe der Protestanten gegen die Schließung dieser Kaserne waren.
Das ist das Problem, was ich in diesen Debatten immer wieder bekomme, dass wir über Worthülsen, die wir alle seit Jahren kennen, eigentlich nie dahin
kommen, dieses Thema wirklich in der Sache zu debattieren. Und das hat für mich ganz persönlich auch etwas mit meiner Geschichte zu tun. Ich bin in einem Land groß geworden, das angeblich sozialistisch und friedfertig war. Es bezeichnete sich sogar selbst als Friedensmacht. Der Weltfrieden war das Ziel und die damalige DDR der sogenannte Garant für diesen Weltfrieden. Deshalb zählten die Kinder im Matheunterricht auch Panzer und Soldaten und wurden sie älter, wurden sie mit dem Wehrkundeunterricht beglückt. Pompöse Militärparaden zeugten von der Friedfertigkeit des sozialistischen Staates. Im täglichen Leben wurde man dann, je älter man war, umso öfter immer wieder mit der Frage konfrontiert: Bist du für den Frieden? Nur eine Antwort war von Staats wegen zulässig, ja erlaubt: Ja. Alles andere führte im besten Fall zu einem schweren Fall von Agitation und Propaganda, Ähnliches schwant mir heute. Bürger des sozialistisch-friedliebenden Staates, die sich offen und öffentlich zum Pazifismus bekannten und zum Beispiel gegen die sowjetische Aggression, den Afghanistan-Feldzug, redeten, wurden verfolgt, drangsaliert, eingesperrt. Gleichzeitig kämpfte der Sowjetbürger Abduschaparow gegen Olaf Ludwig bei einer sogenannten Friedensfahrt um den Etappensieg. Welch bittere, böse Ironie unserer Geschichte!
Meine Damen und Herren, warum sage ich das hier? Warum sage ich das hier im Zusammenhang mit dem Antrag der LINKEN? Ich habe aufgrund meiner eigenen Erfahrung ein tiefes Misstrauen gegen alle die, die für sich ständig postulieren, friedlich, friedfertig oder gar Friedenspartei oder Friedensmacht zu sein.
Da ist mir auch heute noch viel zu viel Agitation und Propaganda. Was da über die deutschen Fernsehsender in den Talkshows flimmert, bestätigt meine schlechten Erfahrungen mit diesem Thema. Ich sage ganz klar, ich habe es lernen müssen in den letzten Jahren, nicht überall, wo Frieden draufsteht, ist dann in der Realität auch Frieden wirklich drin. Die Frage: Bist du für den Frieden? - egal wie geartet, stößt in mir ein tiefes Unwohlsein hervor. Ich glaube auch nicht, dass diese Frage geeignet ist, egal in welcher Form, um in eine Debatte einzusteigen. Es geht für mich nicht um Anträge, es geht für mich vor allem - und da will ich anfangen - um das persönliche Handeln. Kriterienkataloge abzuarbeiten für eine friedfertige Welt, ist für mich hanebüchen, ich sage das ganz offen. Diese Versuche sind immer wieder gescheitert, ob in der damaligen DDR, ob unter Jaruzelski in Polen, ob in der ehemaligen Sowjetunion, ich meine damit ausdrücklich nicht die Sowjetunion unter Gorbatschow, ob in den Vereinigten Staaten unter George Bush, von Nordkorea und
China will ich gar nicht reden. Meine Damen und Herren, solche Debatten werden aufgrund konkreter Bundestagsbeschlüsse oder -vorlagen dort geführt und dort gehören sie hin. Diese Debatten gehören auch in die Frage der politischen Bildung, darüber haben wir gesprochen und diese Debatten gehören auch in die Partei. Aber das Grundproblem dieses Antrags ist, dass er aufgrund von Zuständigkeiten eigentlich nicht hierher gehört. Dann wird eben so ein Antrag konstruiert und man merkt ihm an, dass er konstruiert worden ist.
Ich als Person in meiner Partei, der SPD, habe und werde mich so einer Debatte immer stellen. Natürlich bemerken wir dabei auch immer, dass es mitunter darum geht, die SPD, andere Parteien oder Bündnisse in eine Ecke zu stellen, in die sie nicht gehören - auch das ein schwerer Fall von Agitation und Propaganda.
Die SPD, natürlich auch die in Thüringen, hat einen ganz anderen Ansatz als die LINKE. Wir stehen fest auf dem Boden von Grundgesetz und Landesverfassung.
Dieses, ich betone, glaubwürdige Bekenntnis zum Grundgesetz und zur Verfassung und das Bekenntnis, Grundgesetz und Verfassung im Ernstfall auch zu schützen, geht weit über den Antrag der LINKEN hinaus. Weil ich weiß, dass nicht jeder das Grundgesetz parat hat, will ich an dieser Stelle den Artikel 26 Abs. 1 aus dem Grundgesetz zitieren:
(Friedenssicherung) „Handlungen, die geeignet sind und in Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ Und genau das ist der Ansatz für die Art und Weise, wie wir mit der Frage Friedfertigkeit und Frieden umgehen. (Beifall CDU, SPD)
Meine Damen und Herren, ich hatte mich schon zur letzten Sitzung auf diese Rede vorbereitet. Es wäre jetzt zu einem mittellangen Absatz über die Rolle des damaligen Bundespräsidenten im Zusammenhang mit dieser Verfassung gekommen. Ich kann mir das sparen, aber, ich glaube, es spricht für dieses Grundgesetz, dass es nicht einmal der ersten Person im Staat erlaubt ist, widerstandslos von Medien, Parteien, Organisationen an diesem Artikel 26
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich habe mit meinen kurzen Worten deutlich gemacht, was die SPD-Fraktion von dem Antrag der LINKEN hält, nämlich gar nichts. Es ist einfach zu viel Agitation, zu viel Propaganda. Man müsste eigentlich über vieles reden: Bestreiten denn wirklich alle hier in diesem Haus die Überschrift einer Demonstration „Hauptsache es knallt - kein Frieden für Deutschland“. Ist das so? Oder hat nicht DDR-Geschichtsklitterung überhaupt nichts mit Friedfertigkeit zu tun, weil sie verharmlost und weil sie relativiert.
Meine Damen und Herren, diese Debatte kann in diesem Umfang gar nicht in diesem Haus geführt werden. Ich bitte sie nur um eines abschließend, lehnen Sie den Antrag der Fraktion der LINKEN ab. Danke.
Danke, Herr Abgeordneter Gentzel. Es hat jetzt das Wort die Abgeordnete Rothe-Beinlich von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Martina Renner, das Thema Weltfrieden steht ja nun wirklich auf der Tagesordnung und ist ja auch das, womit der Antrag in gewisser Weise überschrieben ist, wenn es da heißt: „Der Verantwortung für eine friedfertige Welt gerecht werden“.
Ich habe schwer mit mir gerungen, die Kollegen aus meiner Fraktion werden es bezeugen können, ich glaube, ich habe mich noch mit keinem Antrag, mit keinem einzigen Antrag in diesem Landtag, seit wir hier vertreten sind, so schwergetan wie mit diesem, weil ich mich zunächst sehr lange gefragt habe: Was will dieser Antrag eigentlich erreichen?