Protokoll der Sitzung vom 18.08.2010

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie noch einmal, sich einen Moment zurückzuerinnern an die heiße Debatte, die wir um die Ausstattung der Kindergärten geführt haben. Im Ergebnis haben wir hier im Haus gemeinsam ein sehr fortschrittliches Kindergartengesetz auf den Weg gebracht. Wenn man die unterschiedlichen Bedingungen, die wir beschreiben, zusammennimmt, kann man, glaube ich, sagen, wir haben uns damit in Deutschland an die Spitze gesetzt. Ich glaube, wir sollten aufpassen, dass wir das, was wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, jetzt nicht einfach zerreden. Natürlich ist es immer so, wenn Gesetze umgesetzt werden, dass auch Probleme in der Umsetzung auftreten können. Darüber muss man reden. Wovor ich allerdings warnen möchte, Frau Jung, ist ein Alarmismus. Sie haben in der letzten Ausschuss-Sitzung die Frage auf den Tisch gelegt und ich habe Ihnen damals gesagt, ich muss mir das erst einmal genau anschauen, dann kann ich Ihnen zu dem Fragebogen auch eine Erklärung geben. Noch am gleichen Nachmittag kam die Alarmmeldung: Der Minister verstößt mit diesem Fragebogen gegen sein eigenes Gesetz. Ich finde, um es ganz offen zu sagen, ein solches Umgehen miteinander nicht angemessen. Worum geht es hier eigentlich? Wir haben die Personalausstattung im Kindertagesstätteneinrichtungsgesetz in § 14 Abs. 2 festgeschrieben. Hier wird festgelegt, wie viele Kinder der entsprechenden Alterstufe jeweils maximal von einer pädagogischen Fachkraft betreut werden dürfen. Daraus werden dann ausgehend von einer durchschnittlichen Betreuungszeit neun Stunden Kindergarten, vier Stunden Hort – unter Berücksichtigung der mittelbaren Betreuungszeit und Ausfallzeiten - die Personalschlüssel pro Altersstufe abgeleitet. So ist es im Gesetz. Ganz konkret vor Ort sieht es natürlich so aus, dass wir Kinder haben, die halbtags in den Kindergarten ge

hen. Das können sechs Stunden sein, das ist der angenommene Durchschnitt, das können aber auch nur vier oder drei Stunden sein, die ein Kind halbtags geht, oder es gibt Kinder, die den angesetzten Durchschnitt für ganztags in Anspruch nehmen neun Stunden -, es können aber nur acht oder sieben Stunden sein oder es können auch bis zu 12 Stunden sein. So haben wir das im Gesetz geregelt. Es ist auch klar, dass die Träger zu den Zeiten, in denen regelmäßig mehr Kinder in der Betreuung sind, mehr Personal da haben müssen, um den Personalschlüssel einzuhalten und zu den Zeiten, zu denen regelmäßig weniger Kinder in der Einrichtung sind, möglicherweise weniger Personal brauchen, um den Personalschlüssel einzuhalten. Das ist überhaupt nichts Neues. Dementsprechend ist auch der Personalschlüssel der Einrichtung immer für die konkrete Betreuungszeit zu berechnen. Dies entspricht im Übrigen, Frau Jung, einer jahrelang geübten Praxis bei den Trägern. Ich sage es noch einmal ganz klar: Der im Gesetz festgelegte Personalschlüssel ist jederzeit im Kindergarten einzuhalten.

Jetzt noch einmal zu dem Fragebogen, mit dem die aktuelle Belegung in den Kindertagesstätten erfasst wird und auch die Berechnung des Personaleinsatzes erfolgt. Der Meldebogen erfüllt grundsätzlich mehrere Aufgaben: Zum einen gibt es die jährliche Meldepflicht nach § 47 SGB VIII und zum anderen sind die mit der Meldung mitgeteilten konkreten Personalschlüssel der jeweiligen Einrichtung die Grundlage für die Kontrollen, die wir im Rahmen der Fachaufsicht vornehmen.

Zur Stafflung der Abfrage ist Folgendes festzustellen: Die im Gesetz genannten Betreuungsschlüssel basieren auf einer Betreuungszeit von durchschnittlich neun Stunden - das hatte ich gesagt - in den Einrichtungen. Das ist jahrelang geübte Praxis. Die Halbtagesplätze werden mit durchschnittlich sechs Stunden berechnet und die Vollzeitplätze mit durchschnittlich neun Stunden Betreuungszeit. Auf dieser Basis folgt die Berechnung der Personalschlüssel und die Staffelung im Meldebogen nimmt genau diese jahrelange Verfahrensweise vor Ort auf. Sie kanalisiert damit aber auch zugleich, das will ich auch deutlich sagen, Bestrebungen der Träger, eine wesentlich differenziertere Staffelung vorzunehmen, mit der man dann zu niedrigeren Personalschlüsseln kommen könnte, sondern wir sagen, wir haben Durchschnittszahlen für halbtags sechs Stunden und für ganztags neun Stunden, mit denen wir insgesamt die Personalschlüssel berechnen. Sie wissen, an der Berechnungsgrundlage der durchschnittlichen Betreuungszeit ist ja im neuen Gesetz nichts geändert worden. Auch im Gesetz des Volksbegehrens stand dazu nichts anderes, so dass wir, was die Berechnung angeht, das fortsetzen, was geübte Praxis ist. Was wir verbessert haben, ist der auf dieser Berechnung aufsetzende

(Abg. Hitzing)

Personalschlüssel und dabei bleibt es auch ganz selbstverständlich.

Ich will auch noch einmal sagen, ohne eine Meldung, ohne Berücksichtigung der Halbtags- und Ganztagsplätze würde das auch die tatsächliche Betreuungssituation in den Kindertageseinrichtungen nicht korrekt abbilden. Sie wäre damit insbesondere als Grundlage für die örtliche Prüfung vor Ort nicht verwertbar.

Zum Schluss möchte ich Sie auch noch einmal darauf hinweisen, dass das Ganze in einem sehr überschaubaren Rahmen insgesamt die Berechnung des Personalschlüssels nur beeinflusst. Wir haben jetzt zwar keine absoluten statistischen Werte, aber wir haben Überschlagsrechnungen dazu und wir wissen, dass die Betreuung in einem Umfang von sechs Stunden die Ausnahme ist. Wir gehen von etwa 10 Prozent der Kinder aus, die in diesem Umfang betreut und in diese Kategorie gemeldet werden. Die übergroße Zahl der Kinder, also rund 90 Prozent, wird mit der ganztägigen Betreuungszeit veranschlagt. Deshalb bitte ich Sie noch einmal, wir können getrost den Kindergarten im Dorf lassen.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das sehe ich nicht. Dann schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den dritten Teil

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Windräder gefährden Thüringens Natur- und Kulturschätze“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/1341

Als Erstes hat sich Frau Abgeordnete Christina Tasch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die drohende Aberkennung des Weltkulturerbestatus der Wartburg durch die Errichtung von Windrädern in ihrer Nähe hat die CDU-Fraktion veranlasst, diese Aktuelle Stunde einzuberufen.

„Vom Winde verweht - Windräder gefährden Thüringer Natur- und Kulturschätze“ - so war eigentlich unser Titel geplant, aber wir durften ihn nicht verwenden, obwohl wir schon sehen, dass der Welterbestatus der Wartburg hier weggeweht werden soll.

Wer will denn eigentlich weitere Windkraftanlagen? Es sind doch in der Regel finanzielle Interessen der Betreiber und einzelner Kommunen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Koalitionspartner?)

Unsere Aufgabe aber sollte es sein, unsere Landschaft, unsere erhaltenswerte naturnahe Kulturlandschaft, die wir fast flächendeckend hier in Thüringen haben, zu schützen. Wir dürfen das Landschaftsbild nicht weiter zerstören. Denn Windkraftanlagen sieht man ja nicht nur in der Gemeinde, die das unbedingt will, sondern über ihre Grenzen hinaus.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Alle, alle.)

Alle, natürlich alle. Da müssen Sie einmal durch Thüringen fahren, denn Thüringen hat eine Mittelgebirgslandschaft und da ist es nicht flach, sondern hügelig. Ich rate mal an, vielleicht einen Ausflug zu machen in das Eichsfeld nach Wachstedt und mit dem Auto auf der L 1006 nach Küllstedt zu fahren, der kann bis nach Weimar sehen und er wird in Nordthüringen nur noch einen Windpark am anderen Windpark sehen, der nachts dann auch schön blinkt und so kommt man nachts immer nach Hause.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen die Kulturlandschaft erhalten und es gibt Widerstand gegen den Bau von Windkraftanlagen und der ist groß. Diese Widerstände gibt es nicht nur im Bereich der Wartburg, sondern auch in anderen Landesteilen, in Ostthüringen, im Eichsfeld, im Thüringer Wald, in Südwestthüringen. Da brauchen Sie nur einmal die Diskussion zu den regionalen Raumordnungsplänen in den Planungsregionen zu verfolgen und nicht die Augen zu verschließen, wie dort diskutiert wird. Dort wird kontrovers diskutiert und die ablehnende Haltung überwiegt. Ich habe es schon einmal gesagt: Wer möchte denn weitere Windkraftanlagen errichten? Wo ist der Wille? Der Wille ist bei den Betreibern, der Wille ist bei einzelnen Kommunen, aber nicht bei den meisten Gemeinden hier im Land und auch nicht bei den meisten Bürgern. Diesen Willen der Thüringer haben wir zu respektieren und zu akzeptieren. Da brauchen Sie sich überhaupt nicht totzulachen, da müssen Sie mal rausgehen und müssen mit den Betroffenen reden.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Windräder beeinträchtigen die Landschaft, sie zerstören das Landschaftsbild und haben negative Auswirkungen auf bestandsgeschützte Tierarten. Ich möchte nur beispielhaft den Rotmilan nennen, die Fledermäuse, den Kiebitz. Auch hier gibt es genügend Beispiele, wo diese geschützten Tierarten nach dem Bau von großen Anlagen in einem Ver

(Minister Matschie)

breitungsgebiet des Kiebitzes, diesen dort nach dem Bau von Windkraftanlagen nicht mehr gibt.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist mit unseren Lurchen, die auf allen Straßen sterben?)

Oder haben Sie sich eigentlich mal überlegt, wenn ein Windrad in einer Höhe von 150 Metern gebaut wird, wie viel Beton in die Erde verbracht wird, um die Standfestigkeit zu gewährleisten? Haben Sie sich überhaupt schon mal gedacht, was das für eine Auswirkung auf den Mikroorganismus hat?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wesentlich weniger als bei...)

Aber das will man nicht wissen, das sind ja alles gute Dinge, Windräder sind etwas Gutes, da kann man auch den Rotmilan vertreiben, den Kiebitz. Das ist ja alles nicht so schlimm, Hauptsache die Ideologie Windrad muss vorangebracht werden.

Wir sind der Meinung, Thüringen verfügt über genügend Windkraftanlagen und wir brauchen keine weiteren. Wer das nicht glaubt, wer noch nie weggefahren ist, vielleicht einmal mit dem Auto auf der A 38 oder auf der A 9 in Richtung Halle-Leipzig, der schaut sich dort mal an, wie in Sachsen-Anhalt, in dieser ausgeräumten Landschaft, das Landschaftsbild unwiederbringlich zerstört worden ist.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Deswegen kommt kein Tou- rist...)

Wem das zu weit ist, der setzt sich heute Abend es ist noch bis um 21.00 Uhr hell - in sein Auto und fährt mal auf der B 249 von Mühlhausen nach Struth und sieht dann die Dorfsilhouette eines ganz alten Dorfes, wie sie unwiederbringlich zerstört ist, der sollte sich dann seine Meinung bilden. Beispiele gibt es genug.

Wir müssen und wir wollen unsere Kulturlandschaft erhalten, denn sie ist Grundlage für unser Wohlbefinden, sie ist Grundlage für unsere Heimatliebe und sie ist Grundlage für den Tourismus in Thüringen. Welcher Wanderer will schon einen von einem Windrad umstellten Horizont sehen, welcher Besucher will die Wartburg sehen durch eine verspargelte Landschaft? Man sieht sie gar nicht mehr. Wer möchte das noch?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da müsst Ihr aber auch gegen die 380-kV-Lei- tung sein.)

Jetzt sind meine fünf Minuten vorbei, aber wenn ich noch eine halbe Minute habe, würde ich Ihnen gern mal als Eichsfeldpatriot die Strophe vom Eichsfeldlied...

Einen Satz.

„Bist du gewandert durch die Welt auf jedem Weg und Pfade,... hast du mein Eichsfeld nicht gesehen mit seinen burggekrönten Höhen...“ und diese burggekrönten Höhen wollen wir nicht nur im Eichsfeld, sondern in Thüringen schützen und die CDUFraktion wird alles tun. Danke schön.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Tasch. Als Nächster spricht der Abgeordnete Tilo Kummer von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Tasch, die Rubrik „Ideologie“ haben Sie gerade in wunderbarer Weise erfüllt.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Meine Damen und Herren, ich hätte den Antrag der Fraktion der CDU zu dieser Aktuellen Stunde auch anders genannt. Ich hätte ihn genannt: „CDU und Landesregierung gefährden Investorensicherheit“.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die aktuelle Polemik von CDU und Landesregierung gegen die Investoren der Windkraftanlagen auf dem Milmesberg der Gipfel ist, das möchte ich Ihnen im Folgenden erklären: Die Landesregierung und die CDU damals in Alleinlandesregierung hat eine konkrete Mitverantwortung für die Baugenehmigung und für den jetzt anstehenden Bau der Windkraftanlagen dort in über sieben Kilometern Entfernung von der Wartburg übrigens, Frau Tasch,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja,...)

übrigens auch der Kreis und die Gemeinde, die damals das Vorranggebiet Windkraft wollten. Wir haben eine Ausweisung als Vorranggebiet bekommen, anschließend ist die Fläche auf dem Milmesberg durch die 100-prozentige Landestochter LEG an den örtlichen Agrarbetrieb verkauft worden, gerade mit der Maßgabe, dass dort ein Vorranggebiet Windkraft ist und der Agrarbetrieb hatte die Auflage zu erfüllen, eine dort vorhandene Altlast, nämlich eine russische Radarstation, abzureißen. Diesen Aufwand hat er erbracht, um dann anschließend dort mit Windkraftanlangen seine landwirtschaftliche Produktion auf ein weiteres Standbein zu setzen, landwirtschaftliche Produktion und ländliches Leben abzusichern, Frau Tasch. Es ging um Regionalentwicklung, es ging um das Überleben dieses Betriebs, es ist keine große Fondsanlage, es ist ein regionales Unternehmen, das hier auf Verlässlichkeit von Landespolitik gesetzt hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Tasch)

Bis zur Baugenehmigung ging noch alles gut und dann kam plötzlich das große Umschwenken. Und dann noch ein Wort zu der Frage „Widerstand von Bürgern“. Ich bin immer für Widerstand von Bürgern, aber er darf nicht verlogen sein. Die Transparente, mit denen damals über 10.000 Unterschriften eingesammelt wurden, titelten: „die haben die Windkraftanlagen direkt vor die Wartburg gesetzt“. Das, Frau Tasch, wenn Sie sich von der Wartburg aus mal den Milmesberg suchen in fast 8 Kilometer Entfernung, ist der Gipfel gewesen. Das war unehrlich und diese Unterschriften sind durch diese unehrliche Art und Weise zustande gekommen, das kann ich auch nicht gutheißen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wer macht denn so etwas?)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)