Protokoll der Sitzung vom 18.08.2010

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, wie ging es weiter? Es gab schon 2006 eine heftige Diskussion um die Frage „Weltkulturerbestatus der Wartburg“. Ich sage ganz klar für unsere Fraktion: Wir wollen nicht, dass der Weltkulturerbestatus der Wartburg in irgendeiner Weise gefährdet wird. Aber dabei steht für die UNESCO als Hauptkriterium der Blick auf das Denkmal und nicht der Blick vom Denkmal aus. Und wenn Sie sich auf die Wartburg stellen heutzutage, sehen Sie jede Menge Windkraftanlagen deutlich näher als die auf dem Milmesberg. Auch das gehört zur Wahrheit hier.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man hat es nicht politisch entschieden und das ist die einzige Parallele zur Waldschlösschenbrücke an der Elbterrasse. Man hat die Fledermäuse vorgeschickt.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mopsfledermäuse.)

Man wollte vor dem Verwaltungsgericht in Meiningen die Fledermäuse als Beispiel nehmen, um diesen Windpark zu verhindern. Das ist auch eine sehr merkwürdige Geschichte. Es hat inzwischen ein endgültiges Urteil gegeben. Und was macht dann die Landesregierung? Statt sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen für die Ausweisung dieser Windkraftanlagen droht sie mit Klage.

Auch das, meine Damen und Herren, ist ein Skandal, was das Verhalten gegenüber den Investoren angeht. Man hätte doch erwarten können, wenn sich schon Regionale Planungsgemeinschaft, Landesentwicklungsgesellschaft, Gemeinde und Kreis allesamt geirrt haben, was die Baugenehmigung für diese Windkraftanlagen angeht, dass man mit einem Gutachten nachweist, dass wirklich der UNESCO-Status der Wartburg gefährdet ist. Wenn er denn gefährdet sein sollte, dann müsste doch klar sein, dass der Investor, der entsprechende Aufwendungen im Vertrauen auf die Aussagen getätigt

hat, für diese Aufwendungen, die er im Vertrauen tat, entschädigt wird. Stattdessen zieht man das Verfahren über Ewigkeiten hin. Man hat ursprünglich mit ganz anderen Einspeisevergütungen geplant, Sie wissen das ganz genau und Sie schleppen es weiter mit Ihrer Klageandrohung, weil Sie hoffen, dass es sich durch die weiter sinkenden Einspeisevergütungen irgendwann erledigt hat. Das ist doch Ihre Strategie und das offenbart den Umgang von CDU-Landtagsfraktion in ideologischster Art und Weise mit erneuerbaren Energien, mit Windkraft.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag geschrieben, Thüringen soll grüner Motor werden. Wenn Thüringen grüner Motor werden soll, dann müssen Sie Investitionen in erneuerbare Energien, in Greentech und auch Investitionssicherheit geben. An diesem Beispiel haben Sie ihnen nur gezeigt, lasst die Hände von Thüringen, wir verarschen euch nach Strich und Faden - und das darf nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Abgeordneter Kummmer, für das „ver...“ - ich möchte es nicht aussprechen - gibt es einen Ordnungsruf.

Es spricht jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Frank Weber.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion der CDU hat eine Aktuelle Stunde unter dem Titel „Windräder gefährden Thüringens Natur- und Kulturschätze“ beantragt und wir befinden uns in der Diskussion. Wir konnten hier schon sehr eindrucksvolle Wortbeiträge erleben. Zu der Frage Welterbe ja oder nein, Gefährdung ja oder nein will ich an dieser Stelle nichts sagen, das muss an anderer Stelle diskutiert und geprüft werden. Was aber zweifelsfrei vorhanden ist, ist ein Konflikt. Und diese Formen von Konflikten müssen wir vermeiden, aber, Frau Tasch, nicht in Ihrem Sinne, sondern wir müssen sie deshalb vermeiden, damit die Akzeptanz für erneuerbare Energien in Thüringen zunimmt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb müssen wir solche Diskussionen vermeiden und deshalb müssen wir in der Tat nach Ausweichflächen suchen, und zwar schnell, und den Investoren Sicherheit und Möglichkeiten geben, ihre Investitionsvorhaben voranzubringen und zu reali

(Abg. Kummer)

sieren, unter Umständen an ganz anderen Stellen besser, wahrscheinlich an ganz anderen Stellen, die im Übrigen, wenn Sie sich mit dem Thema auseinandersetzen, sowohl von der Windhöffigkeit als auch von den Auflagen, die Sie am Milmesberg haben, besser geeignet sind. Da gibt es Ausweichflächen, die zur Verfügung stehen, die müsste man dann entsprechend ausweisen. Die sind da viel geeigneter und die sind auch viel effizienter und lukrativer. Letztendlich ist doch eines klar: Sie verwechseln in Ihrer Fragestellung Ursache und Wirkung. Die Frage ist doch nicht, ob Windräder Kultur- und Naturerbe gefährden, die Frage ist doch, ob restriktive Politik zur Vermeidung erneuerbarer Energien in Thüringen in der Vergangenheit - daran hat die jetzige Landesregierung keinen Anteil - diese Gefährdung herbeiführt. Letztendlich ist doch völlig klar, kein Investor dieser Welt würde einen solch langen Weg, einen solch steinigen Weg auf sich nehmen, wenn er geeignete Ausweichflächen an anderer Stelle hätte. Das Problem ist eben nicht, dass wir genug Windräder haben, das Problem ist eher, dass wir zu wenige Windvorranggebiete in Thüringen haben, und zwar deutlich zu wenig. Wenn wir genug hätten, Frau Kollegin Tasch, dann wäre das Problem auch gelöst,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dann würde nämlich kein Mensch darüber diskutieren, ob man drei oder vier Jahre prozessiert, um irgendeinen Standort zu sichern. Ich will in dem Zusammenhang auch noch einmal deutlich machen, Sie haben gesagt, wir haben genug Windkrafträder - wie Sie sie auch immer nennen wollen -, also der Begriff ist „Windkraftanlagen“. Ich sage Ihnen einmal, es gibt vom Sachverständigenrat für Umweltfragen eine Untersuchung, wie wir es schaffen können, bis zum Jahr 2050 auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzusteigen. Das ist ein Gesamtenergiebedarf für die Bundesrepublik Deutschland von 509 TWh im Jahr. Das wäre der geschätzte Gesamtenergiebedarf im Jahr 2050. Wir sind uns einig in der Zielstellung, dass wir das schaffen müssen bis zu dem Zeitpunkt. Das sind im Übrigen, wenn man den gesamten Individualverkehr auf Elektromobilität umstellen würde, 700 TWh im Jahr. Von diesen 500 respektive 700 TWh ist im Bereich Windkraft das Potenzial 409 TWh. Das ist das Potenzial, was in dieser Zukunfts- und Leittechnologie steckt. Ich nenne Ihnen zwei Vergleichszahlen: Im Bereich der Photovoltaik sind es 110 TWh, im Bereich der viel gelobten Wasserkraft sind es gerade mal 28 TWh. Das ist die Größenordnung, über die wir reden. Jeder, der tatsächlich aus der Atomenergie aussteigen will, der tatsächlich umsteigen will auf erneuerbare und nachhaltige und für zukünftige Generationen noch kalkulierbare Risiken und sichere Energieversorgung, der muss darin investieren und Politik machen, die es möglich macht, in Thü

ringen Windkraft auszubauen, und zwar ganz massiv. Deswegen werden wir alles dafür tun als SPDFraktion, die Akzeptanz dieser Leittechnologie zu erhöhen. Wir werden den Minister und die Landesregierung dabei unterstützen, Ausweichflächen - wir sind da auf dem Weg - zu finden, Flächen, die man ausweist, die unter Umständen noch effizienter und wesentlich effizienter sein können als diejenigen auf dem Milmesberg. Dann haben wir das Problem nicht. Aber, Frau Tasch, die Grundaussage ist grundsätzlich falsch. Nein, wir brauchen nicht weniger, sondern wir brauchen mehr Windkraftanlagen in Thüringen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weber. Für die Fraktion der FDP spricht jetzt Frau Abgeordnete Hitzing.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte die Thematik der Windräder genau so verstanden wissen, wie die Überschrift lautet: „Windräder gefährden Thüringens Kultur- und Naturschätze“. Die Wartburg steht seit 1999 auf der Weltkulturliste und das Komitee, das diese Festschreibung unter anderem mit geleitet hat, wird im Auftrag der UNESCO überwacht. Im Jahre 1998 wurde der regionale Raumordnungsplan für den Bereich Südthüringen erstellt und 1999 veröffentlicht. Also der Raumordnungsplan - um es noch einmal zu verdeutlichen - war vor dem Status „Weltkulturerbe“. In diesem Raumordnungsplan ist der Ort Milmesberg bei Eckartshausen, Gemeinde Marksuhl, als Vorranggebiet zur Nutzung von Windenergie ausgewiesen. Steht man auf der Wartburg und sieht in Richtung Milmesberg, ist man von einem unzerschnittenen, zusammenhängenden, wunderbaren Waldgebiet umgeben. In der Entscheidung des Komitees wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Wartburg in einer waldreichen Umgebung befindet. Ich möchte das nur noch einmal in Erinnerung rufen, wie die zeitliche Geschichte ist. Erst der Raumordnungsplan, dann das Weltkulturerbe. Inwieweit dieser Tatbestand, wenn wir dann nicht mehr dieses wunderbare Waldgebiet unzerstückelt vor uns haben, den Status Weltkulturerbe beeinträchtigt bzw. gefährdet, das kann man jetzt mit Gewissheit noch nicht voraussagen. Aber die Frage ist: Wollen wir es so weit kommen lassen

(Beifall FDP)

wegen vier Windkraftanlagen auf dem Milmesberg, für die in den aktuellen Vorranggebieten des Landes mit Sicherheit ein adäquater Ersatz gefunden

(Abg. Weber)

werden könnte? Hier müssen wir kritisch und auch mit Augenmerk den Nutzen betrachten, denn auch der kulturelle Aspekt in Thüringen ist nicht von der Hand zu weisen. Auf der einen Seite der Waagschale liegt die Wartburg als Weltkulturobjekt, weltweit bekannt, überregional bekannt, mit jährlich etwa 450.000 Besuchern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf der anderen Seite der Waagschale liegen die Windräder, vier auf dem Milmesberg in Sichtweite der Wartburg. Um das ganz klar und deutlich zu sagen, erneuerbare Energien in Form von Nutzung von Windenergie sind grundsätzlich positiv zu bewerten, da bin ich völlig bei Ihnen. Aber man darf auf keinen Fall die Notwendigkeit von Einzelfallentscheidungen vergessen, in diesem Falle ist es die Gemeinde Marksuhl. Die regionalen Raumordnungspläne sind doch auch nicht statisch, die sind ganz einfach elastisch und sie bedürfen auch immer einer Fortschreibung.

(Beifall FDP)

Ich möchte es noch einmal sagen, erst der Raumordnungsplan, dann der Status Weltkulturerbe. Es gibt auch bestimmte Voraussetzungen, unter welchen Bedingungen man zum Beispiel nicht Windräder installieren sollte, es gibt Ausschlussgebiete. Der Abstand der Windräder von Wäldern sollte 300 Meter betragen. Der Ist-Stand für diesen jetzt speziellen Fall ist 50 Meter. Der Abstand zu empfindlichen Landschaftsbildern sollte sein 5.000 Meter. Ich verstehe die Wartburg schon als ein sensibles und empfindliches Landschaftsbild, Ist-Stand 1.000 Meter. Ich frage Sie: Welche Auswirkungen hat denn die Ausweisung als Vorranggebiet auf den Denkmalschutz oder auf die landschaftliche Kulisse? Im Entwurf des Regionalplans steht ausdrücklich: „Die bereits im regionalen Raumordnungsplan von 1999 festgelegten Vorranggebiete für die Windenergienutzung wurden erneut ausgewiesen,“ - und jetzt kommt es - „sofern sie sich unter den veränderten Rahmenbedingungen weiterhin als geeignet erweisen.“ Ich frage Sie, unter dem Gesichtspunkt, dass wir das Weltkulturerbe Wartburg haben: Sind denn die Rahmenbedingungen von 1998 dann immer noch die gleichen? Ich glaube nicht.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das ist die entscheidende Frage.)

(Beifall FDP)

Nun haben wir die Wartburg mit dem Status Weltkulturerbe und kritisch müssen wir deshalb bei der Erarbeitung der neuen Raumordnungspläne vor der Ausweisung der Vorranggebiete zur Nutzung von Windenergie nochmals die Rahmenbedingungen betrachten, überdenken und überarbeiten, denn Windenergieanlagen müssen raumordnerischen Grundsätzen selbstverständlich Rechnung tragen. Der Koalitionsvertrag sagt ausdrücklich: Das Land

Thüringen bekennt sich insbesondere zu seiner Verantwortung zum Weltkulturerbe und zu den Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung.

Verehrte Damen und Herren, lassen Sie uns über Spielräume und Veränderungen nachdenken im Sinne der Kulturlandschaft Thüringen und auch im Sinne unserer Kommunen. Danke schön.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hitzing. Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Adams.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin, erlauben Sie mir, mit zwei Zitaten zu beginnen. „Der außergewöhnliche universelle Wert der Wartburg wird durch die geplante Errichtung der Windkrafträder nicht infrage gestellt.“ Und bezogen auf den Status des UNESCO-Weltkulturerbes sagt der Zitierte: „Aberkennung des Status würde weder den Bestand der Wartburg noch den Schutzstatus nach dem Thüringer Denkmalschutzgesetz beeinträchtigen.“ Ich komme später darauf zurück.

Liebe Frau Tasch, ich habe erst einmal einen Schluck getrunken, um noch einmal ganz runterzukommen, bevor wir in die Diskussion einsteigen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich glaube, eines ist doch ganz klar, und da hilft uns diese Debatte, die heute hier in der Aktuellen Stunde geführt wird, keinen Schritt weiter: Windenergie ist die Zukunft bei der erneuerbaren CO2-neutralen Energieversorgung. Da beißt die Maus keinen Faden ab, da können Sie machen, was Sie wollen. Das wird so sein und das wird so kommen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und wenn Sie fragen, wo das steht, dann rufe ich Ihnen zu, ich bin ja Oppositionspolitiker, aber es steht in Ihrem Koalitionsvertrag. Wenn Sie darauf keine Lust mehr haben, hören Sie auf.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir als Opposition freuen uns darüber nur. Aber solange das so ist und Sie dazu stehen, sollte man das auch halbwegs ernst nehmen. Ich bin ja sehr gespannt darauf, wenn die Landesregierung noch spricht. Ich werde auch nachher noch einmal auf die Frage der Tierschutzgesichtspunkte zurückkommen. Die große Frage, die sich allerdings in der De

(Abg. Hitzing)

batte stellt: Was ist denn die Alternative zur Windkraft, die Sie so hart angreifen? Ich will zunächst einmal ganz kurz Ihnen ein kleines Stück entgegenkommen. Natürlich hat jede Energieerzeugung, jede Energieumwandlung - nennen wir es einmal so präziser - negative Auswirkungen auf das Umfeld. Darauf können wir uns sofort einigen. Aber was ist denn die Alternative zu Windrädern? Das kann ich Ihnen sagen, das ist Atomenergie. Das ist das Verbrennen von Gas, das endlich ist. Das ist das Verbrennen von Öl, das aus dem Golf von Mexiko ein schwarzes Meer macht. Das wollen Sie machen unter dem Gesichtspunkt der Bewahrung der Schöpfung?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Unruhe CDU)