Protokoll der Sitzung vom 19.08.2010

Meine Damen und Herren, gleichzeitig steigen aber in verschiedenen Bereichen die Ausgaben. Neben der normalen Teuerung steigen, wenn nicht gegengesteuert wird, die Personalausgaben durch die zu erwartenden Tarifsteigerungen. Die in der Vergangenheit bei den Verbeamtungen an den Tag gelegte Kurzsichtigkeit hat zur Folge, dass die aufgelaufenen Pensionslasten regelrecht explodieren. Wir hatten das Thema heute beim Tagesordnungspunkt 4. Die Zahlen sind dort genannt worden.

Auch für uns ist diese Vorsorge nicht ausreichend. Darüber werden wir in Zukunft sicher noch öfter sprechen, auch im Haushalts- und Finanzausschuss. Bei diesen Aussichten können und dürfen die positiven Wachstumszahlen der letzten Tage nicht von der Konsolidierungsaufgabe ablenken, die vor uns allen gemeinsam liegt. Und genau deshalb ist die Arbeit des Thüringer Rechnungshofs so wichtig, darauf zu achten, dass die dem Freistaat Thüringen zur Verfügung stehenden Mittel sinnvoll und effizient eingesetzt werden, dass er uns Hinweise gibt, was besser gemacht werden kann. Im jährlichen Bericht wird über die Feststellung zur Jahresrechnung und über die Prüfergebnisse zur Haushalts- und Wirtschaftsführung berichtet. Der Rechnungshofbericht bildet die Grundlage für die Entlastung der Landesregierung für das betreffende Haushaltsjahr, über die wir heute hier im Hohen Haus befinden werden.

Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich Frau Keller widersprechen. In den Bemerkungen des Rechnungshofs zur Haushaltsund Wirtschaftsführung und zur Haushaltsrechnung 2007 spiegelt sich nach meiner Auffassung die Arbeit einer geordneten Landesverwaltung wider, die in weiten Teilen gut arbeitet, natürlich nicht fehlerfrei. Die haushaltsrechtlichen Regelungen wurden bis auf wenige Einzelfälle im Jahr 2007 eingehalten. Nachdem ich die Entwicklung hier schon relativ lange verfolge, muss ich da wirklich gute Fortschritte bescheinigen. Einzelne Fehler wird man nie ausschließen können. Wichtig ist es, dass die Zahl der Fehler so gering wie möglich gehalten wird.

In diesem Kapitel des Berichts bewertete der Rechnungshof auch noch einmal die finanzwirtschaftliche Entwicklung des Jahres 2007. Und hier steht schon wesentlich Kritischeres zu Buche. So bestätigt der Rechnungshof genau das, worauf die SPDFraktion seit Langem hinweist. Die ausgeglichenen Haushalte der Jahre 2007 und auch 2008 und 2009 waren nicht das Ergebnis besonderer Konsolidierungsanstrengungen der damaligen Landesregierung, sondern - ich zitiere hier den Rechnungshof: „War die Kreditaufnahme zur Deckung der im Haushaltsplan 2007 vorgesehenen Ausgaben noch mit 850 Mio. € veranschlagt, bedurfte es im Vollzug aufgrund der Steuermehreinnahmen keiner Neuverschuldung.“

Meine Damen und Herren, ich will die Mehreinnahmen des Jahres 2007 noch einmal aufzählen. Das waren einmal 703 Mio. € mehr Steuereinnahmen, beim Länderfinanzausgleich und den Bundesergänzungszuweisungen waren es 127 Mio. € mehr, dazu kamen 100 Mio. € zusätzliche Einnahmen bei anderen investiven und nichtinvestiven Zuweisungen und Zuschüsse und 128 Mio. € durch gestiegene Verwaltungseinnahmen. Unter solchen Rahmenbedingungen ist es natürlich leicht, einen Haushalt ohne Kreditaufnahme durch den Vollzug zu brin

(Abg. Keller)

gen. Da braucht man sich im Nachhinein nicht zu rühmen.

Meine Damen und Herren, am Ende seiner Ausführungen im Rechnungshofbericht wird der Rechnungshof noch etwas grundsätzlicher. Es wird eine Analyse der Haushaltsentwicklungen der wichtigsten Einnahme- und Ausgabepositionen über einen langen Zeitraum gefordert, da der Zeithorizont der Mittelfristigen Finanzplanung zu kurz ist, um die erforderlichen finanzpolitischen Entscheidungen frühzeitig verantwortungsvoll und nachhaltig treffen zu können. Ich weiß um die Schwierigkeiten von solchen langfristigen Prognosen. Je weiter man in die Zukunft schaut, umso größer sind natürlich die Abweichungen, die zutage treten. Da aber bestimmte Entwicklungen bis zum Jahr 2020 festgeschrieben sind - ich bin ja bereits zu Beginn meines Beitrages darauf eingegangen -, sollte man wirklich einmal darüber nachdenken, ob man nicht solche langen Betrachtungslinien wählt. Der zudem geforderte Benchmarkvergleich mit anderen Ländern wird im Rahmen der Arbeit der Strukturkommission ohnehin vorgenommen. Bei der weiter zurückgehenden Einwohnerzahl muss sowieso darauf geachtet werden, dass die Vergleiche nicht in wenigen Jahren schon wieder überholt sind. Bei aller Vorsicht sollte doch eine längerfristige Betrachtung vorgenommen werden.

Meine Damen und Herren, vielleicht erkennen ja bei einer solch längerfristigen Betrachtung auch weitere Kollegen hier im Hohen Hause die Notwendigkeit struktureller Reformen. Ohne diese werden wir die finanziellen Probleme des Landes ohnehin nicht nachhaltig lösen können. Darauf weist auch der Präsident des Thüringer Rechnungshofs hin. In seinem kürzlich veröffentlichten Zeitungsinterview hat er noch einmal zu Protokoll gegeben, dass eine Verwaltungs- und Gebietsreform kommen muss, weil dadurch viel Geld einzusparen ist. Unser Koalitionspartner weist jetzt bei der Aufstellung des Haushalts für 2011 ständig darauf hin, dass alles ohne Tabus auf den Prüfstand zu stellen ist. Dann darf man aber auch nicht mit einem Tabu gegen die notwendige Verwaltungs- und Gebietsreform beginnen.

Meine Damen und Herren, zu den entsprechenden Bemerkungen des Rechnungshofs zu den Einzelplänen ist hier schon viel gesagt worden. Es sind natürlich wieder Tatsachen aufgelistet, die uns alle ärgern und die abgestellt werden müssen. Frau Keller hat auf die Stiftung hingewiesen, wie dort Mitarbeiter in Führungspositionen finanziert worden sind. Diesen Mangel hat die Regierung inzwischen behoben. Frau Lehmann hat auf die Produktion der Oper abgestellt, die durch die Klassik Stiftung Weimar realisiert worden ist, wobei meines Erachtens das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vollkommen aus den Augen verloren worden ist. Man könnte noch weitere Beispiele nennen, die

Rechnungshofbemerkung zu der Anzahl der Dienstfahrzeuge und zum Fahrzeugleasing bei der Polizei waren genauso berechtigt und ziehen entsprechende Überprüfungen nach sich.

Zu einer Reihe der aufgelisteten Feststellungen des Rechnungshofs fordert der Haushalts- und Finanzausschuss auch in der vorliegenden Beschlussempfehlung Berichte und Zuarbeiten von der Landesregierung ab.

Meine Damen und Herren, bemerkenswert ist meines Erachtens der sehr offene Umgang der Landesregierung mit dem Rechnungshofbericht. Festgestellte Mängel wurden zum Teil schon abgestellt, zum Teil Maßnahmen eingeleitet, damit solche Fehler nicht wieder passieren. Also dieser offene Umgang, das war nicht immer so.

Zum Abschluss möchte ich dem Rechnungshof, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Thüringer Rechnungshofs ganz herzlich danken. Ich empfehle dem Hohen Haus die Entlastung der Landesregierung, weil es keinen triftigen Grund gibt, diese zu versagen außer ein paar Fehlern, die gemacht worden sind und die nicht wieder vorkommen dürfen, und ich empfehle die Entlastung des Rechnungshofs und damit die Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Recknagel von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, zunächst mal mein ganz herzlicher Dank an den Rechnungshof. Es ist immer wieder aufschlussreich, die Analysen zu lesen. Auch wenn es sich hier in dem einen oder anderen Fall um Einzelfälle handeln sollte, sollte sich doch jeder in der öffentlichen Verwaltung und der öffentliches Geld ausgibt, die einmal zu Gemüte führen.

Ich bin heute hier nach vorne gegangen - was ich eigentlich gar nicht wollte -, nachdem ich die Beiträge aus der Fraktion der CDU und der SPD gehört habe. Frau Lehmann, Herr Dr. Pidde, also das kann man so nicht stehen lassen. Sie führen hier eine ganze Menge Grundsätze, Wünsche und Vorstellungen brav auf, die ich fast alle unterschreiben würde. Ich frage mich aber, wo bleibt die Handlung im praktischen Tun? Wir haben das beim Haushalt 2010 erlebt - keinerlei tatsächliche Schlussfolgerungen, keine Handlungen, die schlüssig erwarten lassen würden, dass Sie Ihrem eigenen Anspruch gerecht würden, und für den 2011er-Haus

(Abg. Dr. Pidde)

halt lässt das einen relativ ähnlichen Verlauf befürchten.

Frau Lehmann, Sie hatten gesagt, der Rechnungshof hat angemahnt: Schuldenaufnahme nur noch für Unabweisbares. Ich empfinde das als eine Frechheit, wenn ich mir den Haushalt 2010 anschaue, wo Sie Spielwiesen des Wirtschaftsministers und andere Dinge offenherzig finanzieren und sich dann hier hinstellen: nur Unabweisbares.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das sagen Sie doch. Dafür hätten Sie eine Gurke ver- dient.)

Sie haben gesagt, die Rücklagen aus den Vorjahren werden in diesem Jahr ausgegeben.

Die Rücklagen aus den Vorjahren werden in diesem Jahr ausgegeben. Ich denke, da ist die CDU am eigenen Anspruch gescheitert. Warum tun Sie das denn mit? Die Mittelfristige Finanzplanung weist einen Konsolidierungsbedarf aus. Das haben wir beim Haushalt 2010 diskutiert, das haben wir indirekt auch bei der Mündlichen Anfrage von soeben diskutiert. Da ging es darum, welche Vorstellungen denn die Landesregierung bezüglich der Verschuldung und der Eingrenzung des Haushaltsvolumens hat, und bis heute scheint keine abschließende Vorstellung dazu zu existieren, sonst hätten Sie hier heute vortragen können.

Für mich bleibt es dabei, die Mittelfristige Finanzplanung ist immer noch der Insolvenzplan des Landes. Sie sprechen, Frau Lehmann, von einer 3,6Mrd.-Euro-Lücke bis 2020. Na eben, genau darum geht es. Und was tun Sie dagegen? Warum handeln Sie nicht? Auch das, eine Frechheit.

Sie haben davon gesprochen, der Haushalt 2010 sei ein Übergangshaushalt gewesen und es ist eine Strukturkommission eingerichtet worden. Die Ergebnisse der Strukturkommission stehen allerdings noch aus. Auf die Anfrage von eben wurde gesagt, Anfang Oktober etwa soll der Haushalt vorliegen. Die müssen sich noch ein bisschen beeilen; wir haben schon August.

Herr Dr. Pidde, auch bei Ihnen, es trifft vollständig zu, was Sie gesagt haben, die Ausgaben steigen, die Personalkosten steigen unter anderem durch die Tarifsteigerungen. Aber die Frage: Welche Folgerung ziehen Sie daraus? Was tun Sie? Welche Anpassung nehmen Sie vor, um das zu begrenzen? Die Pensionslasten explodieren, haben Sie eben gesagt. Dann frage ich mich: Warum tun Sie nichts dagegen? Warum handeln Sie nicht? Warum haben Sie heute morgen hier in diesem Plenum den Entschließungsantrag der FDP abgelehnt?

(Beifall FDP)

Das sind alles Lippenbekenntnisse, die Sie hier vorgetragen haben. Das hätten Sie sich sparen können. Sie sagen, die Pensionslasten explodieren; ich sage Ihnen, sie sind schon explodiert, Sie haben sie nur noch nicht ausgewiesen, Sie haben es den Leuten nur noch nicht gesagt. Denn bereits heute sind für alle bereits beschäftigten Beamten die Pensionslasten schon rechtlich bindend, die existieren bereits.

(Beifall FDP)

Sie haben darauf hingewiesen, auch dem Rechnungshof folgend, dass es sinnvoll sei, eine Finanzplanung vorzulegen, die länger als die Mittelfristige Finanzplanung reicht. Da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Bis 2020 seien die wesentlichen Einnahmepositionen absehbar oder festgeschrieben, mindestens die Zuweisungen, die wir vom Bund bekommen. Ein guter Unternehmer würde seine Finanzplanung für schlechte Zeiten so einrichten, dass er auch in schlechten Zeiten mit dem Geld auskommt,

(Beifall FDP)

dass er keine Verluste macht, also keine zusätzlichen Schulden macht. - Am Ende bitte. - Also, wenn man seine Finanzplanung für schlechte Zeiten einrichten würde, dann würde in den guten Zeiten etwas übrig bleiben. Die Koalition scheint einen anderen Weg zu gehen; sie richtet die Finanzplanung für hervorragende Zeiten ein und zuckt dann mit den Schultern, wenn in schlechten Zeiten Schulden übrig bleiben. Das kann nicht sein, deshalb kann ich nur den Kopf schütteln über die Beiträge, die ich hier von CDU und SPD gehört habe.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Das war es wohl?)

Keine Frage mehr?

Ich musste erst einmal registrieren, dass Ihre Rede zu Ende ist und dann kann ich Ihnen die Frage stellen. Herr Abgeordneter Pidde.

Herr Kollege Recknagel, ich wollte Sie fragen, wie Sie zu der Auffassung kommen, dass die aufgelaufenen Pensionslasten vor der Bevölkerung verschleiert werden?

Zweite Frage: Ist es Ihnen nicht bekannt, dass diese ausführlich in der Mittelfristigen Finanzplanung dargestellt und damit der Öffentlichkeit zugänglich und für jedermann auch bekannt sind?

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Kennt er nicht.)

(Abg. Recknagel)

Dort sind nicht die gesamten Pensionslasten, sondern nur die laufenden Kosten aufgeführt. Falls ich es überlesen haben sollte, können Sie mal die gesamten aufgelaufenen Verbindlichkeiten in Bezug auf die Pensionslasten mir zukommen lassen. Danke schön.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Der Abgeordnete Kuschel hat um das Wort gebeten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Gegenstand der jetzigen Diskussion ist ja eigentlich der Haushaltsvollzug des Jahres 2008. Natürlich ist klar, wir reden vieles über Gegenwärtiges und Künftiges, das ist auch normal und hat vielleicht etwas damit zu tun, dass so aus diesem Bericht zum Haushaltsvollzug 2008 offensichtliche Skandale sich nicht ableiten lassen.

(Unruhe SPD)

Insofern

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie sind Ihrer Zeit voraus.)

geht es sogar um 2007, danke schön.

(Unruhe SPD)

Aber ich bin mir sicher, dass wir uns, wenn wir über den Bericht 2008 in absehbarer Zeit hier diskutieren, ebenfalls über Gegenwart und Zukunft streiten. Wo Sie ja recht haben, haben Sie ja recht und da nehme ich das auch an. Ich danke.