Protokoll der Sitzung vom 10.09.2010

Eine Viertelmillion Sitzenbleiber gibt es jedes Jahr in Deutschland und zusätzlich haben wir einen sehr großen Wechsel beispielsweise vom Gymnasium auf die Regelschule, größer als andersherum. Ich weiß nicht, ob das fiskalische Argument hier zentral ist, das einige Bundesländer dazu bewegt hat, das Sitzenbleiben zu lockern.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, fiskalische Gründe sind gute Gründe, pädagogische genauso, aber zentral bleibt für mich eben auch die Frage: Was bedeutet es für Schülerinnen und Schüler, wenn sie ein Jahr wiederholen müssen? Der Verlust persönlicher Beziehungen kann auch fachliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Vor allem besteht dabei die Gefahr, dass Kinder in einer anderen Gruppe zu Außenseitern werden. In der normalen Struktur, das heißt, in der nicht jahrgangsübergreifenden Schulstruktur ist das auch, wenn ich wachen Auges durch die Schulen gehe, der Fall. Die entscheidende Frage ist, wie wirkt sich Sitzenbleiben auf die betroffenen Kinder aus? Meine Überzeugung ist da deutlich, Sitzenbleiben bedeutet in vielen Fällen auch Diskriminierung. Die positiven Auswirkungen durch Sitzenbleiben sind kaum darstellbar. Da gibt es in den USA ein paar Untersuchungen, ein paar mehr als in Deutschland. In über 40 Studien waren die Schüler klar besser, die trotz Leistungsproblemen versetzt wurden, im Gegensatz zu ihren sitzen gebliebenen Kollegen. Nicht nur Auswirkungen auf das soziale Umfeld sind zu beschreiben, sondern besonders deutlich wird auch die Auswirkung auf die Entwicklung der fachlichen Leistungen von Schülerinnen und Schülern. Die Studien in Deutschland würden auch nicht zu anderen Ergebnissen führen. Das zeigt sich daran, dass es ein paar Studien gibt. Aber natürlich sind unsere Kinder nicht anders genetisch strukturiert, wie es manche behaupten, als die Kinder in den USA.

Der zweite Punkt ist - und das müssen wir uns einmal sehr deutliche machen - inklusiver Unterricht und welche Auswirkung hat gemeinsamer Unter

richt und inklusiver Unterricht auf die Kinder? Das für einige vielleicht überraschende Ergebnis ist, dass die Leistungen der Förderschülerinnen und Förderschüler deutlich besser geworden sind, als wenn sie in den Förderschulstrukturen geblieben wären und deren Unterricht doch spezifisch auf ihre besonderen Voraussetzungen abgestimmt wurde. Die Herausforderung, binnendifferenzierter zu unterrichten und mit unterschiedlichen Leistungsniveaus zu unterrichten, daraus resultiert dann auch tatsächlich eine Umstellung hin zur individuellen Förderung eines jeden einzelnen Kindes, also auch der leistungsstarken. Es sind auch Faktoren wie Lernorganisation, Lehrstil, die den Fortschritt ausmachen. Wir müssen uns grundsätzlich von der Illusion verabschieden, dass alle Schülerinnen und Schüler konkrete Inhalte und Ziele zu demselben Zeitpunkt erreichen können. Das beste Beispiel ist sicherlich im Sport zu sehen. Wenn ich den Leistungssportler X und den nicht so sportlich begabten Y habe und der Leistungssportler X schafft mit wenig Aufwand seine 15 Punkte und der nicht so sportlich begabte Y sprintet aber durch. Da kann ich nicht die gleichen Kategorien festmachen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sondern muss andere Mechanismen auch der Bewertung an dieser Stelle finden. Dann wird nämlich, wenn man das überträgt, sitzen bleiben überflüssig. Konkret für die Schule bedeutet das, individuelle Förderung und den Leistungsfortschritt von Kindern anhand des Leistungsstandes zu erkennen. Im Übrigen, die individuelle Förderung als Grundsatzziel haben wir und werden wir auch in das neue Schulgesetz festschreiben, meine sehr geehrten Damen und Herrn.

Ich sprach vorhin noch mal vom sozialen Status und von Gruppen und von Bewertungen, auch von Noten in einer Gruppe. Wer dann bescheinigt bekommt, dass seine Leistungen nicht stimmen, wird sich als Versager fühlen. Vielleicht resultiert daraus ja Motivation. Wenn ich allerdings mit wachem Auge durch den Alltag gehe, dann ist das Gegenteil der Fall. Mir scheint manchmal, der ökonomische Leistungsdruck führt bei jungen Menschen eher zum Kapitulieren, zum fast schon biedermeierschen Rückzug ins private oder patriotische Abfeiern, anstatt für Werte und für sich selbst zu kämpfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns Gedanken machen, nicht, wie man Kinder am besten disziplinieren kann, sondern was ist das Beste, und das auch, ohne alternative Konzepte zu diskreditieren. Vielleicht ist es manchmal gut, dass Kinder auch zusätzlich ihren Namen tanzen können. Lassen Sie uns also fachlich und sachlich im Ausschuss diskutieren, denn es braucht neben der Forderung zum Abschaffen des Sitzenbleibens und einen Weg dahin zu skizzieren eine Strukturdebatte. Da geht es zentral nicht um die Frage, schaffen wir jetzt gesetzlich sitzen bleiben ab, sondern wie bauen wir Schule und welche Entwicklungsmöglich

keiten für Schule lassen wir zu. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss und bitte auch namens meiner Fraktion um Überweisung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Hitzing von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, normalerweise brauche ich nicht mehr allzu viel zu sagen, denn Herr Kowalleck hat mir hier schon ein bisschen vorgegriffen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Dann könn- ten Sie sitzen bleiben.)

Ich mache es aber trotzdem, weil ich nicht sitzen bleiben will. Ja, Herr Kollege Metz, wir machen uns Gedanken. Das hat auch der Herr Minister vorhin schon mal ausgeführt. Es werden sich in den Schulen wirklich viele Gedanken um die Kinder gemacht. Sie können mir an dieser Stelle bitte einfach mal glauben, auch wenn das jetzt nur meine persönliche Meinung ist und die nicht irgendwo unter der großen Überschrift „Gutachter“ läuft. Die Pädagoginnen und Pädagogen in den Schulen machen sich wirklich sehr viele Gedanken und bemühen sich auch, Schüler mit Lernschwierigkeiten individuell zu fördern. Das auch heute schon,

(Beifall CDU, FDP)

ohne dass eine gesetzliche Neubestimmung festgelegt werden musste. Frau Kollegin Sojka, die pädagogische Kompetenz wollte ich den Lehrern in den Schulen nicht absprechen wollen. Da ist wirklich sehr viel Kompetenz vorhanden und diese wird genau dafür genutzt, um alle Kinder mitzunehmen.

(Beifall FDP)

Subjektive Einschätzungen sind logischerweise, wenn man mit Menschen arbeitet und Menschen miteinander umgehen, immer die Grundlage. Wie wollen wir es denn sonst machen? Es ist natürlich auch immer abhängig von der handelnden Person, von dem handelnden Pädagogen, der mit den Kindern arbeitet. Dass es da qualitative Unterschiede gibt, das ist doch unbestritten, selbstverständlich gibt es die. Im Grunde genommen wird es nie anders funktionieren, gerade im Bereich der Bildung, als mit subjektiven Einschätzungen und mit Kommunikation innerhalb der pädagogischen Kompetenz - also derer, die mit den Kindern arbeiten - zu leben. Es wird sich nicht verändern. Mir ist bei diesem Antrag tatsächlich dieses Wort „Sitzenbleiben“ als Negativterminus aufgefallen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen: Klas

senwiederholungen müssen nicht zwingend als Bestrafung gewertet werden, auf keinen Fall.

(Beifall CDU, FDP)

Es geht in diesem Fall darum, Wissen, das in dem Schuljahr erworben werden konnte, aber unter bestimmten Umständen eventuell auch schon mit der Förderung trotzdem nicht komplett erreicht worden ist, zu festigen. Wissen soll gefestigt werden. Wiederholung in Gänze ist ein pädagogisches Mittel, das ist nicht unbekannt. Die Pädagogik sagt: Wiederholung ist die Mutter der Pädagogik. Also ich muss viel wiederholen in verschiedenster Art und Weise durch das Gelebte, das Gelernte, das Geschriebene, um Wissen zu festigen. So sehe ich auch eine Klassenwiederholung, wenn sie denn entschieden worden ist. Es ist eine Wissensfestigung und im Grunde genommen geht es darum, Wissen dauerhaft zu vertiefen.

(Beifall FDP)

Hieraus eine Bestrafung abzuleiten, ist meines Erachtens nicht zielführend, weil Lernen grundsätzlich keine Bestrafung ist, sondern es ist ein Recht.

(Beifall FDP)

Oftmals erfolgt die Zurückstufung auch, das hat Kollegin Sojka vorhin noch in ihrer letzten Anmerkung betont, auf den ausdrücklichen Wunsch von Eltern und Schülern. Das passiert manchmal auch schon zum Halbjahr im laufenden Schuljahr, auf Antrag kann eine Rückstufung erfolgen oder am Ende des Jahres eine Wiederholung der Klasse zum Zwecke der Wiederholung dessen, was man nicht geschafft hat oder zum Zwecke der Vervollständigung des Wissens, um dann diese Klasse erfolgreicher abschließen zu können.

Ich bin der Meinung, dass wir sehr wohl im Ausschuss darüber reden und uns verständigen sollten. Ich glaube, wir sollten den Praxisbezug noch ein bisschen mehr in den Fokus rücken. Unter dem Aspekt der Leistungsgerechtigkeit ist es auch wichtig zu sehen, wie Leistungen eigentlich abgerechnet werden. Wie können wir die Leistungen abrechnen am Ende eines Jahres? Woran orientieren sich die Jugendlichen, besonders im Hinblick auf ihre ganz persönliche schulische Karriere? Schüler und Jugendliche sind immer daran interessiert, gerecht bewertet zu werden, und sie fordern eine gerechte Bewertung. Es gibt selten noch einen Schüler, der eine Note einfach hinnimmt. Also wenn er denn der Meinung ist oder sie, ungerecht bewertet worden zu sein, dann fragen die Schüler schon nach. Das ist in den letzten 20 Jahren in unserem Freistaat eine Entwicklung, die ich hoch positiv finde, dass unsere Schüler sehr selbstbewusst in die Schule kommen und sehr selbstbewusst hinterfragen, was der Lehrer, der vor ihnen steht, denn mit ihnen anfängt.

(Beifall FDP)

(Abg. Metz)

Sie lassen sich auf keinen Fall einfach nur sagen, das war jetzt eine 3 oder eine 4 und nehmen es so hin. Nein, sie sagen, warum habe ich eigentlich jetzt eine 3 und der hat eine 2 und ich finde, ich habe mich viel mehr angestrengt. Das ist jetzt wieder die pädagogische Verantwortung und die pädagogische Kompetenz, die die Lehrer vor Ort an den Tag legen müssen, und das ist ihre hohe Verantwortung, auch den Kindern gerecht zu werden und ihnen eben nicht das Lernen zu vermiesen oder ihnen darzustellen, dass Lernen nur Strafe ist und keinen Spaß macht. Das ist die pädagogische Kompetenz, die genau diese Leute vor Ort haben.

(Beifall FDP)

Schulische Abschlüsse, Jahresabschlüsse, gerade Jahresabschlüsse und Zeugnisse betrachte ich auch als ein Etappenziel für die einzelnen Schüler. Egal wie das Zeugnis ausfällt, ein Kind muss abrechnen können, was ist im letzten Jahr gelaufen, und die Eltern müssen das auch. Wenn das Jahresziel nicht erreicht worden ist, wie geht es denn dann weiter. Der Schüler/die Schülerin muss im laufenden Jahr in dem darauf folgenden Schuljahr sehr wohl mit Förderung aber jetzt eine Belastung überstehen, die ist doppelt hoch.

(Beifall FDP)

Erstens sind Wissenslücken da aus dem Jahr davor. Ich habe das gerade gesagt. Das ist ganz unterschiedlich, wie die entstanden sind und wir müssen auch ehrlich sein, auch bei Förderung gibt es manchmal den Fall, dass Schüler ganz einfach nicht schnell genug sind oder nicht so schnell sind wie die anderen in ihrer Klasse. Deshalb müssen sie gefördert werden und vielleicht haben sie es trotzdem am Ende des Jahres nicht erreicht, das Klassenziel so zu schaffen, wie man es sich wünscht. Nun kommt das darauf folgende Schuljahr. Was passiert? Der neue Lernstoff wird vermittelt und der alte Lernstoff der Klasse vorher ist überhaupt noch nicht so gefestigt, dass ich darauf aufbauen kann. Genau wenn das zustande kommt, habe ich dann natürlich einen Schüler dreimal in ein und derselben Klassenstufe sitzen. Da muss ich Ihnen sagen, das ist natürlich furchtbar, wenn das in einer Schule passiert und die Schule nicht in der Lage ist, mit ihrem pädagogischen Know-how, das sie hat, solchen Dingen schon vorher entgegenzuwirken und das zu erkennen.

(Beifall FDP)

Die persönliche und individuelle Förderung ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich sprach schon davon. Wir haben ja auch gehört vom Herrn Minister, der das also auch in Zahlen sehr eindrucksvoll darstellen konnte, dass sich die Entwicklung in den Thüringen Schulen in eine positive Richtung bewegt, nämlich wir haben zunehmend weniger Klassenwiederholer

und die Förderung innerhalb des laufenden Schuljahres ist auf einem guten Weg.

Wichtig ist für mich auch die Fragestellung: Was ist eigentlich am Ende der Schullaufbahn? Wenn wir ganz extrem gesprochen - immer sagen würden, wir nehmen die Schüler mit, mit und nochmals mit, die Förderung war vielleicht nicht erfolgreich, aber wir nehmen den Schüler trotzdem mit, wir gehen von einer Klassenstufe in die andere und dann kommt der Worst Case. Die Schullaufbahn ist beendet und wir sind am Ende Klasse 9 oder Klasse 10. Was machen wir denn nun? Nun haben wir bis dahin entschieden, wir machen keine Wiederholung, das machen wir alles gar nicht und jetzt kommen die zentralen Prüfungen. Diese zentralen Prüfungen sind das Eingangstor in die berufliche Welt. Die berufliche Karriere basiert nun einmal auf dem Abschluss der Schule, der Regelschule; manche Schüler gehen auch nach dem Hauptschulabschluss in das berufliche Leben. In der Masse ist es dann ein Regelschulabschluss. Nun steht darauf, Wiederholung wurde nicht durchgeführt - ich mache das jetzt einmal ganz bildlich, wir reden dann im Ausschuss darüber sicherlich noch einmal sehr ausführlich -, der Schüler hat leider die Grundkenntnisse aus Klasse 5 und 6 nicht drauf, muss vielleicht in einem Aufnahmeverfahren eben diese Bruchrechnung darstellen bei einem Handwerker und der Tischler stellt fest, der Bursche kriegt keinen rechten Winkel hin mit drei festen Zahlen. An der Stelle hat die Schule versagt.

(Beifall FDP)

Nichts anderes passiert und wir haben …

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Was hat denn das mit Sitzenbleiben zu tun, das kann auch einem passieren, der weiter- gekommen ist.)

Das kann auch einem, der weitergekommen ist, passieren. Deshalb war das auch ein Beispiel, da haben wir ja viele Beispiele an der Stelle. Diese Etappenziele, glaube ich, sind ein wichtiger Punkt, dass man den Kindern und den Jugendlichen auch die Möglichkeit gibt, sich selbst zu evaluieren und zu wissen, an welcher Stelle sie sind. Eine frühzeitige Förderung von versetzungsgefährdeten Schülern ist zweifelsohne von ganz großer Bedeutung. Deshalb werden ja auch die Lehrerkonferenzen, die Klassenkonferenzen durchgeführt, um auch aufmerksam zu werden auf Schüler mit eigenen individuellen Problemen und um die erhöhte Anzahl der Klassenwiederholungen zu reduzieren. Da sind die Pädagogen in Gänze auf einem guten Weg, zusammen mit Eltern und Schülern, die auch individuell entscheiden, wie soll die Laufbahn aussehen. Deshalb ist die Möglichkeit einer Wiederholung meines Erachtens ausgesprochen wichtig und nicht als Strafe zu verstehen.

(Beifall FDP)

Das schafft Mut, Selbstvertrauen und Chancengleichheit auch für die Zukunft der Jugendlichen, die ja mit 16 Jahren im Grunde genommen erst beginnt. Wir sind in der Schule diejenigen, die helfen sollen, die jungen Leute ins Leben zu führen und sie darauf vorzubereiten. Danke schön.

(Beifall FDP)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin ja einigen wirklich dankbar, die hier tatsächlich gewillt sind, eine sachliche Debatte zu führen. Ausdrücklich möchte ich mich da durchaus auch bei Peter Metz bedanken. Ich glaube, das ist auch das, was wir uns gewünscht haben und das sage ich auch ganz ehrlich; wir haben länger überlegt, ob und wie wir diesen Antrag auf den Weg bringen, weil es kein ganz populärer Antrag ist, weil es solche Haltungen gibt, wie: „Es war doch aber immer so.“ und weil wir wissen, dass es das Bohren dicker Bretter bedeutet, ein solches Thema anzufassen. Aber ich denke, es ist unsere Verantwortung, auch und gerade solche Themen anzufassen. Ich bin schon in gewisser Weise entsetzt, dass das Niveau in der Debatte leider teilweise so flach ist, dass wirklich die letzte Mottenkiste noch mal hervorgezogen

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und darauf herumgeritten wird, wir würden wollen, dass die Kinder ihren Namen tanzen. Das mag schön sein, ich kann es nicht. Ich weiß auch nicht, wie es aussehen würde, aber wo bitte, Herr Kowalleck und Herr Voigt, steht denn so was in unserem Antrag? An keiner einzigen Stelle. Es geht schlichtweg darum, Klischees und alte Vorurteile hervorzurufen, nur, um sich einer Debatte über vielleicht einen nicht mal ganz neuen Gedanken zu verschließen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, wir werden alle gewinnen, wenn wir darüber debattieren, und wenn wir uns auch neuen Argumenten öffnen. Denn wenn wir immer so argumentieren würden, wie: das war schon immer so, das hat 200 Jahre Tradition, dann ist die Tradition der Züchtigung im deutschen Schulsystem auch länger als die, wo nicht mehr gezüchtigt wird. Und ich sage, zum Glück ist dieses irgendwann abgeschafft worden.

Natürlich muss es uns darum gehen, dass jedes Kind tatsächlich den bestmöglichen Abschluss er

reichen kann an einer Schule. Wenn dann Herr Kowalleck - das wundert mich jetzt schon - davor warnt, dass wir die Kinder in die Arme von Privatschulen treiben würden, dann komme ich zu einem ganz anderen Schluss. Dann sage ich, und das hat Frau Sojka auch schon gesagt, dann müssen wir doch alles dafür tun, dass all unsere Schulen so gut werden, dass sie die Kinder von Anfang an so gut und so inklusiv mit auf den Weg nehmen, dass niemand sich irgendwo hingetrieben fühlt, sondern selbstverständlich und gern die nächste Schule nutzt, weil er oder sie sicher sein kann, dass sein Kind dort optimal aufgehoben ist. Aber jetzt bringe ich ein Beispiel. Die Freundin meiner Tochter ist 18 Jahre alt und war an einer ganz normalen Schule. Sie wäre dort sitzen geblieben. Sie hätte nicht freiwillig die Klasse wiederholt, das ist übrigens auch was anderes. Da muss man unterscheiden zwischen Sitzenbleiben und freiwillig ein Jahr wiederholen. Sie wäre sitzen geblieben. Die Eltern haben irgendwann keinen anderen Ausweg gesehen, als das Kind auf die Waldorfschule zu geben. Sie ist jetzt in der 12. Klasse. Sie wird dort dieses Jahr den Regelschulabschluss machen, ohne jemals sitzen geblieben zu sein, ohne das Gefühl gehabt zu haben, ich muss Scham empfinden, weil ich zurückgestuft werde. Sie ist bestärkt worden.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Sie wird eine gute Ausbildung machen und sie wird ihren Weg gehen. Und sie war immer mit ihren Freundinnen und Freunden in dem sozialen Bezug. Es war überhaupt nicht nötig, sie sitzen bleiben zu lassen, und sie wird dieses Jahr mit einem erfolgreichen Schulabschluss beenden.