Protokoll der Sitzung vom 10.09.2010

Sie wird eine gute Ausbildung machen und sie wird ihren Weg gehen. Und sie war immer mit ihren Freundinnen und Freunden in dem sozialen Bezug. Es war überhaupt nicht nötig, sie sitzen bleiben zu lassen, und sie wird dieses Jahr mit einem erfolgreichen Schulabschluss beenden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, genau das müssen wir doch wollen, dass es eben nicht nur die erfolgreiche - Herr Emde, da sind wir uns völlig einig - Schuleingangsphase gibt, die genau das deutlich macht, dass wir in drei Jahren oder auch in einem Jahr, die ersten zwei Jahre, die es früher waren, den Stoff bewältigen, je nachdem, wie das Kind das schafft, genauso darüber nachdenken bei einer flexiblen Schulausgangsphase. Ich wünsche mir, dass die gesamte Schule, dass das gesamte Schulsystem - ich habe mich sowieso gewundert, dass Sie nicht geredet haben, warum melden Sie sich nicht einfach als bildungspolitischer Sprecher, Herr Emde? Machen Sie es doch einfach, Sie können gern nach mir reden und wir können auch gern in den Diskurs treten - überhaupt gar keine Frage. Aber lassen Sie mich jetzt mit meinem Redebeitrag fortfahren.

Das Ziel muss doch sein, dass kein Kind sitzen gelassen wird, dass kein Kind sitzen bleiben muss, wie gesagt, freiwillige Wiederholungen sind etwas anderes. Jetzt lassen Sie mich doch noch einmal

(Abg. Hitzing)

genau auf die Punkte eingehen, warum das Sitzenbleiben - was ja nicht freiwillig ist - eben nicht hilft. Herr Matschie hat vorhin schon darauf hingewiesen, wenn man sich die Entwicklung von Kindern, die sitzen geblieben sind, mit denen vergleichbarer schwacher Schüler gleichen Alters anschaut, dann schneiden diejenigen, die in die nächste Klasse versetzt werden, in der Regel besser ab als diejenigen, die nicht versetzt werden - das wundert auch nicht.

(Beifall SPD)

Denn - und das ist ja auch bekannt - die Kinder sind oftmals nicht in allen Fächern „gleichermaßen schlecht“, sondern sie haben vielleicht in eins, zwei, vielleicht auch drei oder mehr Fächern Schwierigkeiten. Sie müssen aber das gesamte Schuljahr und alle Schulfächer wiederholen. Und genau das führt zu Schulunlust, führt auch zu Schulschwänzen, zu Schulverweigerung - das wissen wir auch alles. Genau das macht eben Schwierigkeiten. Die Schwierigkeiten, die noch emotionaler Natur dazukommen, darf man auch nicht unterschätzen. Es sind die Schwierigkeiten, sich in den neuen Klassenverband zu integrieren, mitunter dann ganz unterschiedliche Altersstrukturen in einer Klasse zu haben. Ich nehme jetzt mal das typische Beispiel: Ein Junge, der zweimal hängengeblieben ist und dann zwei, drei Jahre älter ist als die anderen in der Klasse, der erweist sich nicht als besonders cool und anschlussfähig, weil er sich dann hinsetzt und büffelt und endlich den Stoff der 7. Klasse auf die Reihe kriegen will, sondern der ist sowieso der Sitzenbleiber, der „Loser“ und der kann dann nur noch dadurch auffallen, weil er sich durch andere Dinge hervortut, die wir vielleicht nicht unbedingt wollen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt diverse Studien, die das belegen, dass genau diese Schwierigkeiten immer wieder bestehen. Hinzu kommen auch noch die methodischen Schwierigkeiten für die Lehrerinnen und Lehrer. Wenn man sich jetzt hier pathetisch hinstellt und allen Lehrerinnen dankt - natürlich danke ich auch allen Lehrerinnen und bin froh und davon gehe ich auch aus, dass sie den bestmöglichen Job machen -, dann stehen sie trotzdem oftmals vor der Schwierigkeit, dass das Sitzenbleiben eben ein ganz normales Mittel ist. Ich wünsche mir, dass es das eben nicht mehr ist, weil dann nach anderen Wegen gesucht werden muss, dann muss gezielt individuell gefördert werden, und das noch mehr als es jetzt schon der Fall ist. Ich habe den Eindruck, dass das Ministerium das jedenfalls sehr ähnlich sieht. Da freue ich mich auch auf die Debatte im Übrigen im Ausschuss.

Wenn wir dann schauen, was heißt denn gezielte Förderung, dann ist das nicht unbedingt immer nur der Nachhilfeunterricht, das muss man eben auch

sehen, sondern da geht es tatsächlich um eine ganz gezielte, ganz individuelle Förderung der Kinder, die auch ganz unterschiedlich aussehen kann. Ich habe vorhin das Beispiel dieser Ostercamps erwähnt, die aus meiner Sicht jedenfalls ein offenkundig sehr erfolgreiches Projekt gewesen sind, was absolviert wurde. Es gibt aber noch weitaus mehr Möglichkeiten, die man nutzen kann, um individuell zu fördern, nämlich natürlich auch durch mehr Lehrpersonal. Insofern ging es uns auch nicht mit unserem Antrag darum, zu sagen, hier wird übrigens Geld frei, das können wir in die Haushaltskonsolidierung stecken, sondern wir haben gesagt, wir wollen das Geld, was im Moment aufgewandt werden muss, genau dafür nutzen - für die individuelle Förderung, und die kann ganz unterschiedlich aussehen. Die kann auch so aussehen, dass die Kinder teilweise mal aus dem Klassenverbund herausgenommen werden und beispielsweise einzeln bestimmte Fächer gezielt unterrichtet bekommen. Sie kann auch darin bestehen, mit ganz anderen Methodiken zu arbeiten. Ich glaube, das ist auch tatsächlich das Entscheidende, dass der individuelle Ansatz gesucht wird. Und das macht richtig viel Arbeit. Das weiß ich auch. Das ist mir bewusst, aber ich glaube, genau das muss es uns natürlich auch wert sein.

Dann gibt es immer noch die Frage, ob es denn zu verantworten ist - jetzt kommt dieser schöne Leistungsgedanke -, dass Kinder trotz schwacher Leistung in die nächste Klasse versetzt werden. Da kann ich Ihnen die Antwort geben, ja. Pädagogisch gesehen ist es durchaus zu verantworten, weil zwar vielleicht kurzfristig Nachteile bestehen, weil es natürlich schwieriger ist, mit Binnendifferenzierung im Unterricht zu arbeiten, aber längerfristig sehr deutlich wird, dass die positiven Effekte bei der Lernentwicklung, aber auch was die soziale und emotionale Entwicklung anbelangt, eben nichts gegen eine Versetzung in die nächste Klasse spricht. Deswegen glaube ich, wir sollten zumindest den Mut haben, dieses Thema einmal vorurteilsfrei anzugehen und die Mottenkiste wirklich da zu lassen, wo sie hingehört; irgendwo tief unten im Schrank.

Lassen Sie mich noch einen Punkt benennen, der mir bisher lieb und auch sehr wichtig natürlich wäre. Peter Metz hat es schon erwähnt und, ich glaube, auch alle anderen, die gesagt haben, sie freuen sich auf die Ausschussüberweisung. Wir werden auch über das Schulgesetz sprechen. Er hat völlig recht. Da müssen wir auch über Bewertungen reden. Das gehört auch mit dazu. Wie bewerten wir eigentlich Leistungen? Ich gebe zu, Frau Hitzing, mich hat es ein wenig geschauert, wie Sie über die Urteile gesprochen haben, also die Noten, die für die Kinder so wichtig sind, dass sie diese bekommen, um sich selbst einschätzen zu können. Da sage ich Ihnen auch noch mal aus der Erfahrung von mir aus den ersten Schuljahren unserer Kinder, die

allerdings schon ein paar Jahre zurückliegen, dass die Worturteile, die es in der ersten und zweiten Klasse gab, so viel mehr über die Leistung und über das Können und über die tatsächlichen möglichen Defizite unserer Kind ausgesagt haben, als eine Zahl, die ich jetzt lese, dass ich mir eigentlich wünschen würde, dass es nur noch Worturteile gibt. Das gibt es auch schon an einzelnen Schulen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn Sie sich Zeugnisse, das sind dann tatsächlich wieder nicht unbedingt staatliche Schulen, zum Beispiel einer Waldorfschule mal anschauen, dann werden Sie sehen, wie differenziert da auf jeden einzelnen Schüler und auf jedes einzelne Fach und auch die unterschiedlichsten Kompetenzen kognitiver Art, sozialer Art etc. eingegangen wird und wie ganz individuell betrachtet wird. Insofern freue mich auch über die Debatte über die Bewertung von Leistungen an unseren Schulen. Da kommt dann auch immer wieder der Punkt. Sie haben gesagt, da kann jemand keinen rechten Winkel zeichnen. Ich meine, das haben wir doch jetzt schon, dass dies die Handwerksbetriebe beklagen oder auch immer wieder aus der Wirtschaft beklagt wird, dass die Schülerinnen und Schüler eigentlich nicht das mitbringen, was als Voraussetzung gewünscht würde. Aber das lässt sich doch nicht in einer Zahl festhalten. Was sagt denn die 2 oder die 3? Oder wenn ich höre, dass die Kinder in der 4. Klasse eine 2 in Mathe oder Deutsch haben müssen, um die Laufbahnempfehlung für das Gymnasium zu bekommen. Was sagt denn die 2 in Mathe oder Deutsch darüber aus, ob das Kind tatsächlich den richtigen Weg beschreiten würde, wenn es zum Abitur geht? Insofern hoffe ich auf eine gute, auf eine inhaltliche, auf eine sachliche Debatte. Ich hoffe, dass wir uns da auch offen zeigen und würde mir wünschen, dass wir vielleicht sogar eine Anhörung zu diesem Thema zusammen mit dem Schulgesetz durchführen, wo wir genau das auch mit wissenschaftlichem Sachverstand noch einmal beleuchten können und dann gegebenenfalls, im besten Fall sogar gemeinsam, zu einem guten Schulgesetz kommen, was das alles gleich mit berücksichtigt. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke. Die Rednerliste hat sich erschöpft. Gibt es noch Wortmeldungen? Herr Minister. Erst Herr Abgeordneter Emde.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann will ich doch noch mal das Wort ergreifen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um vielleicht ein paar Sachen klar zu rücken. Frau Rothe-Beinlich, das geht eigentlich schon bei Ihrer Überschrift des Antrags los. Da kann man einfach nicht mitgehen. Denn da steht „Fördern, statt Sitzenbleiben“. Hätten Sie geschrieben „Fördern vor Klassenwiederholung“, da können wir sofort mitgehen. Auch das Thema Abschaffung von Klassenwiederholung, da gehen wir so eins zu eins nicht mit, weil das ist einfach viel zu absolut, wie Sie die Dinge hier in den Raum stellen. Ich kann zwischen allen Beteiligten durchaus große gemeinsame Linien sehen, aber irgendwie wird dann hier auch versucht, vielleicht auch bewusst, einen Dissens aufzubauen, den es gar nicht gibt. Ich denke, trotzdem gibt es auch an einigen Stellen durchaus Unterschiede und ich freue mich, dass wir hier schon eine lange Debatte führen. Ich glaube, die wird im Ausschuss noch viel länger. Das kann ein langer Tag werden. Aber im Ergebnis könnte doch stehen, dass wir uns sachlich mit dem Thema auseinandersetzen. Ich war dem Minister sehr dankbar, dass er hier sehr sachlich auch mal schon dargestellt hat, was die Situation überhaupt ist im Freistaat und sachlich auch dargestellt hat, wie ein Weg beschrieben werden kann.

Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage.

Das können wir dann am Ende machen und außerdem haben wir im Ausschuss genügend Zeit zu diskutieren.

Also was nun, am Ende oder im Ausschuss? Ich müsste das schon wissen.

Dann entscheide ich mich jetzt dafür, dass er am Ende noch einmal nachfragen darf.

Danke.

Meine Damen und Herren, Klassenwiederholungen sind nicht wünschenswert. Da sind wir uns mit Sicherheit einig. Vielleicht sind wir uns nicht einig, wenn ich sage, sie sind aber durchaus auch ein geeignetes Mittel, in der Gestaltung einer individuellen Schullaufbahn. Ich kann Ihnen auch sagen, Frau Sojka, sie werden eben nicht unbedingt als Strafe

(Abg. Rothe-Beinlich)

empfunden, wenn sie pädagogisch vernünftig begleitet werden. Da breche ich gleich einmal eine Lanze für unsere Thüringer Lehrer. Ich halte es für eine absolute Unterstellung, wenn Sie Lehrern hier in diesem Plenum unterstellen, dass sie Thüringer Kinder mit Sitzenbleiben bestrafen wollen. Das kann ich im Raum so nicht stehen lassen.

(Beifall CDU, SPD)

Wer den Zahlen gelauscht hat, die Herr Minister hier schon genannt hat, so werden Sie zum einen festgestellt haben, dass wir in Deutschland wirklich mit ganz an der Spitze sind, was die geringe Anzahl von Klassenwiederholern angeht und Sie werden auch gemerkt haben, dass wir in den letzten Jahren auch hier noch deutliche Schritte vorangekommen sind. Insofern kann man das wirklich nicht stehen lassen, wie hier an Schule und an der Tätigkeit von unseren Lehrern herumkritisiert wird.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir gar nicht gemacht, das ist eine Unterstellung.)

Doch, doch, genauso kam es rüber. Sie bewerten die Arbeit der Pädagogen hier äußert negativ an dieser Stelle und das will ich so nicht stehen lassen. Ich sage Ihnen, es kommt auf jeden Einzelfall an. Mir sind es auch zu viele Schüler, die in der gymnasialen Oberstufe noch eine Ehrenrunde drehen. Da muss man aber die Frage stellen, wie kommt es dazu? Diese Frage muss frühzeitig gestellt werden und vielleicht muss es hier eben gelingen, dass noch viel individueller die Beratung erfolgt, auch das Gespräch mit den Eltern gesucht wird. Ich sage Ihnen ganz klar, es wird trotzdem immer wieder zu Situationen kommen, dass Klassen wiederholt werden. Es gibt einfach Grenzen, die kann man nicht überschreiten. Zu Ihrem Antragstext sage ich Ihnen auch schon, in zwei Jahren komplett das Klassenwiederholen abzuschaffen, ist ein völlig unrealistisches Ziel und ist so nicht machbar.

Zu dem Thema der Kosten will ich eigentlich gar nicht viel sagen, dort hat Herr Metz auch schon eingangs etwas gesagt. Kosten dürfen hier überhaupt gar keine Rolle spielen, denn es geht darum, die Schüler individuell zu fördern und jedes Kind zu einem Abschluss zu bringen und wie das am besten gelingt, das muss natürlich der Diskussion überlassen sein. Bei dem Thema Kosten fragt auch keiner, wie sich dann die Laufbahn des Kindes, des Jugendlichen darstellt, wenn er einmal die allgemeinbildende Schule verlassen hat. Vielleicht treten dort auch viele, viele Kosten auf, wenn der Bildungsweg vorher nicht so optimal verlaufen ist.

Ich kann Ihnen nur sagen, in Thüringen haben wir viele Wege beschritten, auch an der Stelle voranzukommen. Wir sind stark bei der Lehrerbildung, wir entwickeln ganztägige Angebote. Denn auch hier

muss man sehen, es geht auch nicht nur immer um die Frage, was geschieht in der Schule, sondern was geschieht auch in der Familie? Wie wird das Kind optimal gefördert und unterstützt und muss es unbedingt dazu kommen, dass eine Klasse wiederholt wird? Ich denke auch, wir sind weit gekommen bei dem Thema kommunale Bildungsverantwortung. Denn auch hier werden vor Ort Möglichkeiten gefunden, wie man Familien und Kinder besser unterstützen kann. Ich will hinweisen auf die Doppeljahrgangsstufen, die wir erst vor Kurzem eingeführt haben. Es ist völlig von der Hand zu weisen, dass es hier Klassenwiederholungen während einer Doppeljahrgangsstufe geben wird. Da müssen wir aber diesen Weg beschreiten. Das haben wir eingeführt. Wir haben - darauf haben Sie auch schon hingewiesen - die individuelle Schuleingangsphase eingeführt. Wir reden jetzt aktuell auch wieder über das Thema der individuellen Schulausgangsphase. Alles Themen, wo wir uns entwickeln, aber bitte halten Sie den Ball flach, gehen Sie Schritt für Schritt und lassen Sie uns eine fachlich fundierte und an der Schulpraxis orientierte Diskussion im Ausschuss führen.

(Beifall Abg. Metz, SPD)

Danke, Herr Emde. Jetzt käme noch die Nachfrage der Abgeordneten Sojka. Danke.

Herr Emde, als Allererstes, ich werde noch einmal im Protokoll nachlesen, ich kann mich nicht erinnern, gesagt zu haben, dass wir die Lehrer bestrafen wollen. Ich habe an meinem eigenen Beispiel gesagt, dass durch die Notengebung es dazu kommt und Kinder empfinden es so. Das wollte ich noch einmal richtigstellen.

Meine Frage ist, wenn wir mit unseren fest gefügten Standpunkten im Ausschuss debattieren, wird uns das nicht viel Wissenszuwachs bringen. Was halten Sie denn von der Idee, tatsächlich Bildungsforscher, die nah dran sind an der Wissenschaft, in den Ausschuss einzuladen und uns mal aus ihrer Sicht erklären zu lassen, so wie wir das in der Fachkonferenz gemacht hatten? Das gibt für alle Seiten möglicherweise neue Einsichten. Halten Sie das für möglich, dass wir so weit kommen im Ausschuss?

Das waren jetzt zwei Fragen. Zuerst glaube ich Sie wirklich so verstanden zu haben, dass Sie gesagt haben, Lehrer bestrafen Kinder mit Sitzenbleiben. Das wollte ich so nicht im Raum stehen lassen. Zweitens, wir haben vereinbart, dass wir diesen Antrag an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft

und Kultur überweisen wollen mit der Bedingung, ihn dann im Rahmen der Beratung zum Schulgesetz zu diskutieren, und das macht auch einen Sinn. Der Minister hat schon die Verbindung hin zur Verordnung dargestellt. Ich habe überhaupt gar kein Problem damit, dass man auch Wissenschaftler befragt. Ob das dann im Rahmen dieser Anhörung so funktioniert, das weiß ich nicht, dazu will ich mich jetzt nicht äußern. Ich sage Ihnen aber auch, es gibt immer verschiedene wissenschaftliche Meinungen und man muss eben auch die Meinung der Praxis hören. Insofern kann man sich ein breites Bild verschaffen. Ich glaube auch nicht, dass wir jetzt so festgefahren sind hier in unseren Meinungen. Ich habe doch gesagt, welche Optionen, welche Wege wir beschreiten, um immer weniger Kinder mit Klassenwiederholungen zu haben. Aber ich sage auch, aus unserer Sicht ist es nicht so absolut, dass man sagen kann, in zwei Jahren wird das alles abgeschafft. Es wird immer Türen geben müssen, die wir offenhalten, und es macht Sinn, das haben selbst Sie, Frau Sojka, und selbst Frau Rothe-Beinlich auch gesagt, es gibt einzelne Situationen, da ist eine Klassenwiederholung einfach sinnvoll. Das ist doch schon mal ein Minimalkonsens und jetzt lassen Sie uns im Ausschuss darüber reden, welche ganz konkreten Wege wir in Thüringen beschreiten können.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Abgeordneter. Wie angekündigt, Herr Minister Matschie hat noch einmal um das Wort gebeten.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Emde hat gerade noch mal eine ganze Reihe von praktischen Punkten aufgegriffen. Deshalb kann ich mich jetzt auf zwei Dinge beschränken.

Das eine, Frau Sojka, Sie haben gesagt, das ist ein Schulsystem aus Druck und Angst. Nun will ich gar nicht bestreiten, dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die Druck und Angst empfinden im Schulsystem und dass unsere Gesellschaft insgesamt eine ist, die unter einem hohen Leistungsdruck steht. Das beschäftigt auch viele Schülerinnen und Schüler und die entsprechenden Untersuchungen gibt es ja auch dazu. Ich glaube aber, dass wir gerade mit Blick auf Klassenwiederholungen mit diesem Argument nicht wirklich argumentieren können, wenn man sich die Zahlen noch mal anschaut. Ich sage es noch mal: In den Grundschulen sind das ungefähr 0,1 Prozent, ein Kind auf 1.000 Schüler. In den Regelschulen sind es 2 Prozent und in den Gymnasien 0,6 Prozent, die Klassenwiederholer sind. Deshalb glaube ich, dass man im System Schule auch

betrachten muss, was bedeutet Druck, was bedeutet Angst. Ich glaube, jeder kann das an sich selbst auch nachvollziehen. Wir lernen natürlich sehr viel offener und sehr viel besser, wenn wir ermutigt werden, etwas zu lernen, als wenn jemand auf uns Druck ausübt und wir in Angstsituationen sind - das ist ganz klar.

(Beifall SPD)

Das Zweite, was ich in dem Zusammenhang sagen möchte, ist: In der Tat müssen wir überlegen, wie absolut man mit solch einer Forderung umgeht. Denn ich will noch mal die Zahl sagen: Wir hatten im vergangenen Schuljahr auch 939 freiwillige Klassenwiederholungen von Schülerinnen und Schülern, wo Eltern, Lehrer und Schüler sich verständigt haben auf diesen Schritt. Wir müssen auch einen Weg finden, wie man mit dieser Situation sinnvoll umgeht.

Ich möchte noch einen Satz sagen zur Frage: Wie nutzen wir die Personalüberhänge, die wir noch an Schulen haben? Sie hatten es angesprochen, Frau Sojka. Wir haben das System so organisiert, dass aus diesen Überhängen sowohl schulübergreifende Aufgaben bewältigt werden können, aber 50 Prozent des Überhangs steht den Schulämtern und den Schulen zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung und jede Schule hat die Möglichkeit, wenn Sie sagt, wir brauchen aus diesen Möglichkeiten mehr individuelle Förderung, z.B. um Klassenwiederholungen zu vermeiden, Lehrkräfte in diesem Zusammenhang einzusetzen. Ich glaube, hier sind wir auf einem guten Weg, dass die Schulen da, wo sie besondere Aufgaben haben, da, wo sie Entwicklungsnotwendigkeiten haben, auch diesen Lehrerüberhang sinnvoll für die Schüler einsetzen können.