Als Zweites, die Jugend kritisiert Kriege, Armut, Klimawandel, Arbeitslosigkeit, Einsätze der Bundeswehr und Ähnliches mehr, über 60 Prozent. Auch das finde ich gut und da ist politisches Engagement von Jugendlichen feststellbar. Dass Bildung die Voraussetzung ist für alles Weitere, insbesondere für die Teilhabe an der Gesellschaft, für die Partizipation das stimmt, das steht so drin, die Frage ist nur: Wie reagieren Sie als eine der regierenden Fraktionen hier im Thüringer Landtag darauf? Welche Konsequenzen ziehen Sie und inwieweit sind Ihre bisher angegangenen Themen zur Bildungspolitik ein wirklich eindeutiges Zeichen, um darauf zu reagieren?
Zuletzt, und das freut mich ja, dass die CDU dieses Thema eingebracht hat in Form einer Aktuellen Stunde. Sie sprechen von Partizipation, sie loben die Shell-Studie - haben Sie ja hier vorn gemacht -, Sie werten die Shell-Studie, aber scheinbar haben Sie sie nicht gelesen. Wenn Sie es doch gemacht haben, würde es mich sehr freuen, dass ich dann entsprechend Ihrer Aktuellen Stunde heute auch die logische Konsequenz im Handeln morgen, wenn es um das Thema „Wählen mit 16“ geht, feststellen kann.
Ich zitiere aus der Shell-Studie, Seite 356: „Ein durchschnittlicher 16-jähriger, vielleicht auch schon ein durchschnittlicher 14-jähriger Jugendlicher ist heute ohne Weiteres in der Lage, die intellektuelle und soziale Urteilsfähigkeit aufzubringen, die für einen Wahlakt bei Europa-, Bundes-, Landtagsund Kommunalwahlen erforderlich ist.“ Wenn die CDU heute hier als Thema der Aktuellen Stunde die Shell-Studie einbringt und Konsequenzen, Wertungen und Auswertung für Thüringen daraus fordert, dann bedeutet das - jedenfalls wenn ich die Shell-Studie ernst nehme -, dass Sie morgen dem Antrag der GRÜNEN, genau wie wir das als LINKE machen werden, zum Thema Absenkung des Wahlalters auf 16 zustimmen.
Als Letztes: Interessant sind ja bei der Shell-Studie die Interviews, die mit über 2.000 Jugendlichen im
Alter zwischen 14 und 25 geführt werden, und auch die Erkenntnisse, die sich daraus ableiten lassen. Ich möchte aus einem dieser Interviews zitieren, eine 21-jährige Tochter vietnamesischer Eltern mit Namen Nhung: „Wir leben sowieso in einer Zeit, wo viele Menschen sich fragen, ob das System, mit dem wir leben und die ganze Gesellschaft, ob das überhaupt okay so ist oder ob man das alles akzeptieren muss, was da ist. Ob es okay ist, dass immer mehr Menschen arm sind, und ob jetzt in der Finanzkrise auch der Kapitalismus das ist, was richtig ist. Ich habe es immer beigebracht bekommen, der Kapitalismus ist doch gut, uns hier in Deutschland geht es doch allen gut. Und jetzt merken wir plötzlich, dass irgendwie alles zusammenbricht. Und den Menschen ist aufgefallen, das System wird irgendwann zugrunde gehen.“ Ich frage Sie, welche Wertungen, welche Auswertungen für Thüringen, aber vielleicht auch generell für Deutschland, ziehen Sie aus solchen Interviews und aus solchen Zitaten. Ich bin gespannt auf Ihre Antwort, freue mich auf Ihr positives Abstimmungsverhalten morgen, sofern Sie denn die Shell-Studie ernst nehmen und bedanke mich.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Jugendliche wollen mehr in und von der Politik, in und von der Schule. Das ist ein Ergebnis der Shell-Studie. Wenn man das Beispiel Schule betrachtet, kommt man doch zu interessanten Fakten. In der Schule wollen die meisten Schülerinnen und Schüler einen höherwertigen Abschluss als die Schule, die sie besuchen, erlaubt. Da könnte man darauf kommen, das betrifft sicherlich auch das Argument des Optimismus, Jugendliche nehmen ihre Ausbildung sehr ernst - ja, und das stimmt auch -, aber nicht aus reiner Eigenmotivation, sondern das Bewusstsein, dass ein niedriger Schulabschluss auch soziale Ausgrenzung bedeutet, ist bei Jugendlichen nach wie vor sehr groß. So sehen auch die Ergebnisse in der Studie unterschiedlich aus, nämlich nach dem sozialen Status im Bildungsbereich. Während in der sogenannten oberen Schicht wenige Jugendliche wirklich unsicher sind, den Schulabschluss nicht zu schaffen, bibbern über 17 Prozent der sogenannten unteren Schicht, ob sie den Schulabschluss schaffen. Das Bewusstsein, dass nicht jede und jeder die Möglichkeit hat aufzusteigen, wächst. Daraus resultiert ein enormer Druck, meine sehr geehrten Damen und Herren, und auch eine Abwertung der sogenannten niedrigeren Abschlüsse als das Abitur. Dazu kommt die Erfahrung
mit dem Druckmittel, die in der Schule selber auch passieren, das Sitzenbleiben. Jeder Vierte hat die Erfahrung damit gemacht. Ein neues, erschreckendes Phänomen ist also, ehrgeizige Jugendliche ja, aber diese ehrgeizigen Jugendlichen stehen unter Druck und sehen, ja, da ist jemand höher und das führt zu Kapitulation, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das führt zu Rückzug aus der Gesellschaft, aus gesellschaftlicher Verantwortung und auch aus Lebensräumen. Die Schlussfolgerung daraus muss sein, den Druck aus der Schule zu nehmen, Schule so zu bauen, dass sie Spaß macht, systemisch dafür zu sorgen, dass die Entscheidung für eine Schulart eben nicht die Entscheidung für einen Abschluss ist, genau deswegen ist auch die Gemeinschaftsschule im Schulgesetz so verankert - individuelle Förderung statt sitzen bleiben, Lernpfade statt reiner Notenlogik. Schulen können sich in Thüringen hier auf den Weg machen nach dem neuen Schulgesetz.
Wenn ich darf, würde ich gerne abgewandelt und entradikalisiert Kurt Löwenstein zitieren: „Die Differenz zum Alltag kann manchmal pädagogisch auch sehr wertvoll sein, auch wenn das in der Schule stattfindet.“
Jugendliche wollen mehr, anscheinend auch mehr Aktivität. Mehr Jugendliche sind bereit, sich sozial zu engagieren in sozialen Bewegungen. Im Gegensatz zu anderen Ehrenamtsstudien wurde eben nicht abgefragt, in welchen Organisationen befinden sich Jugendliche, sondern verstehst du dein Engagement als soziales Engagement. Da können wir große Differenzen sehen zu anderen Studien und die kommen doch genau daher, dass junge Menschen sich in sozialen Bewegungen, in Bewegungen außerhalb des Parlaments, in Bewegungen außerhalb von Organisationen engagieren, eben links der Mitte, wie Frau König sagte, und dann ist unsere Antwort, diese Jugendlichen nicht als irgendwelche Hausbesetzer und Linksextremisten zu diffamieren, sondern tatsächlich dialogisch mit ihnen umzugehen, in einen gemeinschaftlichen Dialog, in demokratischen Dialog zu gehen.
Die Shell-Studie zeigt auch, ja, Elternarbeit ist anerkannter, aber eben auch nur in den oberen Schichten. In unteren Einkommenssegmenten distanzieren sich immer mehr Jugendliche von der Elternarbeit, von der Erziehung der Eltern. Das hängt natürlich damit zusammen, dass soziale Ausgrenzung auch Folgen hat, psychosoziale Folgen für Eltern. Aber das hängt doch auch damit zusammen, dass in diesem System, in dem wir uns befinden, die Anerkennung dann höher ist, wenn ich einen höheren sozialen Status habe. Wenn Kinder mitbekommen, dass ihre Eltern ausgegrenzt sind, haben sie auch nicht mehr den großen Respekt vor den Eltern. Deswegen kann Kinderarmut nicht nur mit der De
batte um Kindergrundsicherung oder bessere Hartz-IV-Sätze geregelt werden, sondern Kinderarmut ist auch Elternarmut, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dann heißt das, dass wir für einen höheren Mindestlohn und auch für höhere Regelsätze bei ALG II eintreten müssen.
Das zeigt auch, Bildungspolitik ist nicht die einzige Antwort, es ist eine zentrale Antwort. Aber dort, wo Menschen aufgrund sozialer Situation ausgegrenzt sind, brauchen sie auch eine soziale Infrastruktur, die sie wieder motiviert, auch in der Schule zu lernen. Systemisch die Schule verändern, ja, das Sozialsystem verändern, ja, vollkommen richtig und dabei die Jugendhilfe und das System Jugendhilfe nicht vergessen, das ist für meine Fraktion das Ergebnis aus der Shell-Studie. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, befragt werden alle vier Jahre 2.500 Personen zwischen 12 und 25 Jahren zu ihrer Lebenssituation. Das heißt, die Shell-Studie ist ein guter Kompass, auf den man sich verlassen kann. Man hat valide Daten und man kann davon ausgehen, dass es Vergleichswerte gibt und dass man sich diese auch ruhig zu Gemüte ziehen sollte. Deswegen auch ein Dank an die CDU ganz ausdrücklich, dass das ganze Thema nicht verpufft, sondern zumindest in der Aktuellen Stunde hier diskutiert wird.
Mit Freude nehme ich zur Kenntnis, dass das Interesse an Politik bei Jugendlichen seit Jahren kontinuierlich zunimmt. Das ist nicht selbstverständlich. 40 Prozent der 15- bis 24-Jährigen verfolgen das politische Geschehen. Das ist eine ordentliche Steigerung, damit kann man zufrieden sein. Auch die 12- bis 14-Jährigen sind politisch interessiert. Sie interessieren sich nicht nur, sie wollen Politik auch beurteilen. Sie beurteilen, das wurde vorhin schon einmal erwähnt, dass eines der zentralen Probleme, was sie später einmal lösen müssen, der Klimawandel ist. Das sind die Jugendlichen heute, die bereits an später denken. Wer vor einer halben Stunde - einige von Ihnen, die hier im Raum sitzen, haben das getan - draußen vor dem Landtag war und gesehen hat, dass wir zu unserem Gesetzentwurf „Wahlalter absenken in Kommunen auf 16 Jahre“ geschaut hat, wird gesehen haben, dass der Wille dieser Jugendlichen auch da ist, mitzutun.
Die CDU hat den Antrag unter das Motto gestellt: „Auswertung mit Blick auf die junge Generation“. Die junge Generation will mittun, sie ist interessiert und deswegen gibt es eigentlich morgen tatsächlich nur einen Schluss, der einzige Schluss ist, dass Sie das tun, was in Niedersachsen und in vielen anderen Ländern längst Standard ist, dass das Wahlalter in Kommunen auf 16 Jahre abgesenkt wird.
„Mehr Demokratie wagen“ in Richtung SPD, Willy Brandt als großes Vorbild hat genau das gesagt. Deswegen ist es das Einzige, was Sie morgen tun können. Es geht, wenn Sie heute das Handelsblatt gelesen haben, in der SPD hoffentlich nicht nur um industrielle Großprojekte, sondern auch um Großprojekte, die Vertrauensbildung angehen. Ich finde, dieser Gesetzentwurf, über den wir morgen letztlich entscheiden, verdient einmal mehr, durchleuchtet zu werden unter der Überschrift, ob es nicht genau darum geht. Uns schenken Jugendliche Vertrauen, indem Sie mehrheitlich inzwischen sagen, Politik interessiert uns, wir wollen mittun. Lassen Sie uns doch genau an der Stelle so darüber diskutieren, dass wir ihnen auch etwas zurückgeben müssen, indem wir sie beteiligen lassen.
Morgen wird darüber entschieden. Die Jugendlichen setzen - ein weiterer wichtiger Punkt - tatsächlich auf die Werte Familie und Freunde, beides gleichermaßen. 69 Prozent der Jugendlichen wünschen sich eigene Kinder, 57 Prozent - und das muss man bitte schön auch noch mit dazusagen wollen Beruf und Familie zu gleichen Teilen miteinander verbinden. Deswegen sage ich Nein; die Stiftung FamilienSinn mit einem Leitbild, in dem vor allen Dingen steht, Familienpolitik heißt Ehe und Familie zu fördern, kann ja wohl nicht dasjenige sein, was wir in Thüringen zur Umsetzung einer guten Familienpolitik wollen. Nein, das ist kein gutes Beispiel. Es geht darum, Beruf und Familie miteinander zu verbinden. Ich hoffe, dass es nicht allein dabei bleibt, zu sagen, Familienpolitik macht eine Stiftung, über die man trefflich streiten kann, das ist ein falscher Ansatz.
Es ist ein klarer Handlungsauftrag an uns als Politiker, es ist ein klarer Handlungsauftrag. Wir haben da schon ein kleines Stück geschafft mit dem KitaGesetz. Wir haben heute auch darüber gestritten, was die Umsetzung angeht. Ohne Zweifel geht es um Ganztagsschulen, wo man auch darüber streiten muss - das ist auch unsere Aufgabe -, wie wir die künftig ausgestalten. Es geht um Horte und so weiter uns so fort. Es geht um eine solide, eine gute Bildungsinfrastruktur, die wir bieten müssen, dass wir den Jugendlichen, die den Wunsch haben, auch mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können
und Zeit zu haben, auch erfüllen können. Positiv ist, dass die Jugendlichen tatsächlich wieder optimistischer in die Zukunft schauen, 59 Prozent tun das. Aber, und das wurde auch bereits herausgestellt, gerade in sozial schwachen Familien ist es ein deutlicher Bruch, der erkennbar ist, dort sind es nur 33 Prozent. Das ist ein weiteres Ausrufezeichen, eine große Herausforderung, die die Shell-Studie uns mit auf den Weg gibt.
Deswegen sage ich zum einen, es kann uns nicht genügen, dass wir über Schulbildung und über frühkindliche Bildung reden, wir müssen auch ein Hauptaugenmerk darauf legen, wie wir Schulabgänger fit für den Berufsmarkt machen.
Wir haben eine Schleife von ca. 8.000 bis 9.000 Altbewerbern und Altbewerberinnen in Runden, die wir Jahr um Jahr in irgendwelche Maßnahmen schicken, ohne sie tatsächlich fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Das ist ein wichtiger Punkt. Lassen Sie uns an der Stelle Übergang von Schule in Beruf deutlich näher arbeiten. Lassen Sie uns auch, und das habe ich mit Freude zur Kenntnis genommen, im Sozialministerium das Thema „Kinderarmut“ wieder höher auf die Agenda setzen. Wir GRÜNEN werden das begleiten,
wir GRÜNEN werden genau hinsehen, welche Themenschwerpunkte darunter gefasst werden und deutlich machen, was reicht oder was noch zu tun ist, um Kinderarmut deutlich einzudämmen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nun auf den ersten flüchtigen Blick könnte man ja meinen, dass es gut aussieht für die Jugend in Thüringen bzw. dass die Jugend ihre Zukunft in Deutschland positiv bewertet. Im überwiegenden Teil der Jugend des Jahres 2010 herrscht genau diese Sicht vor. Sie bleibt weiter zuversichtlich und lässt sich weder durch die Wirtschaftskrise noch unsicher werdende Berufsverläufe und Perspektiven von ihrer optimistischen Grundhaltung abbringen. Es gibt ja auch kaum einen Grund dafür, vom Gegenteil überzeugt zu sein. Deswegen macht es mich schon etwas bestürzt, wenn die Kollegin König davon spricht, dass wir hier kurz davor sind, dass in Deutschland und in Thüringen alles zusam
Die Kinder und Jugendlichen wachsen ja in einer Gesellschaft auf, in der Frieden, Freiheit und Wohlstand vorherrschend sind. Die Probleme anderer Länder kennen sie meistens nur aus den Nachrichten. Sie wissen, dass die Bundesrepublik und unser Freistaat ein Land ist, in dem es sich zu leben lohnt. Sie sind damit weit realistischer als wir es unserer jungen Generation sehr oft unterstellen. Die Studie ist damit auch ein Beleg dafür, dass die Politik in den letzten Jahrzehnten ja doch nicht alles falsch gemacht haben kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Jugendliche haben zumeist eine Wertematrix, die man schon bewundern darf. Leistungsbereitschaft, aber auch einen klaren Blick für Wert und Bildung sollten uns Erwachsene durchaus positiv stimmen und uns mahnen, vielleicht öfter einmal darauf zu hören, was die Jungen und die Jüngsten zu dem einen oder anderen politischen Thema uns zu sagen haben.
Die Jugend ist also weiter, als manch einer innerhalb unseres politischen Betriebes glauben mag. Die gerade oftmals gescholtene Globalisierung wird dann schon realistisch eingeschätzt. Sie ist Voraussetzung von Freiheit und Wohlstand in diesem Land, kann aber, wenn sie nicht gestaltet wird, auch zu Problemen führen. Es ist das Einsehen darin, dass man sich bietende Chancen nutzen, aber auch für die Gestaltung der Welt Verantwortung tragen muss. Wieder eine, wie ich meine, bemerkenswerte Einstellung. Die Jugend ist auch nicht zu unpolitisch, wie man oft behauptet. Im Gegenteil, sie ist sehr daran interessiert, ihr Umfeld aktiv mitzugestalten. Gerade im kommunalen Bereich täten wir sehr gut daran, dies besser als bisher, ihnen dafür auch die Möglichkeit einzuräumen.