garantieren? Da sage ich Ihnen, das wird nicht möglich sein. Wenn wir das den Leuten vormachen, dann lügen wir ihnen etwas in die Tasche und das will ich nicht.
Jetzt kommt ja immer die Frage ins Spiel, führt denn das, wenn die Förderung gekürzt wird, zur sozialen Selektion? Nein, es darf auch nicht dazu führen. Denn wenn die Schulträger Elternbeiträge erheben - und das tun sie ja -, dann müssen sie die Elternbeiträge so gestalten und dann auch nach sozialen Kriterien staffeln, dass es keine soziale Selektion gibt und dass auch Eltern mit geringem Einkommen ihre Kinder in diese Schulen schicken können. Dazu sind die Schulen in freier Trägerschaft, wenn sie von uns Förderung bekommen, verpflichtet.
Frau Rothe-Beinlich, zu der Ausführungsverordnung, in der ja die Prozentsätze der Förderung geregelt werden: Sie haben hier gesagt, da wird das Parlament entmachtet. Im Gegenteil, bisher ist es so, dass die Finanzierungsverordnung nicht einmal das Einvernehmen des Ausschusses braucht, sondern nur das Benehmen hergestellt werden muss. Wir entmachten nicht das Parlament mit dem neuen Vorschlag, sondern wir geben dem Parlament mehr Entscheidungskompetenz, denn bei der neuen Ausführungsverordnung muss der Ausschuss ausdrücklich zustimmen, sonst kann die Verordnung nicht in Kraft treten
und damit ist eine deutlich bessere Einflussmöglichkeit des Parlaments gesichert. Sie haben eben noch einmal dazwischen gefragt, warum dann nicht ins Gesetz. Auch das will ich Ihnen sagen, wir haben das auch diskutiert, ob man das ins Gesetz nehmen sollte. Wir haben aber gerade im Bereich zum Beispiel der Berufsschulen die Notwendigkeit, mit Fördersätzen auch auf die aktuelle Entwicklung am Arbeitsmarkt zu reagieren, z.B. zu reagieren auf den Bedarf Altenpflege oder Erzieherinnenausbildung und wir müssen dann in der Lage sein, auch kurzfristig, ohne dass wir ein ganzes Gesetzgebungsverfahren in Gang setzen müssen, zu reagieren. Deshalb haben wir gesagt, dann lasst es uns in der Verordnung behalten so wie bisher, aber die Verordnung zustimmungspflichtig machen im Ausschuss. Damit hat das Parlament alle Möglichkeiten, die Debatte darüber zu führen und auch Einfluss zu nehmen auf die endgültige Entscheidung. Ich glaube, das ist eine richtige Lösung für dieses Problem.
Sind die Schulen in freier Trägerschaft nur die Reformküchen fürs staatliche Schulsystem? Nein, ganz ausdrücklich nicht.
Ganz ausdrücklich ist es auch so, dass auch im staatlichen Schulsystem Schulversuche laufen, dass auch dort Weiterentwicklung des Schulsystems betrieben wird,
und zwar mit aller Konsequenz. Natürlich haben die freien Schulen auch manche Möglichkeiten, auf die das staatliche Schulsystem nicht so schnell reagieren kann. Deshalb habe ich gesagt, sie sind an bestimmten Stellen auch Pfadfinder und können Lösungen entwickeln, die man an anderer Stelle aufgreifen kann. Diese Funktion haben sie. Aber sie sind beileibe nicht darauf reduziert. Sie sind ein wichtiges und gleichberechtigtes Angebot im Schulsystem insgesamt. Das sollen sie auch in Zukunft sein und das können sie auch mit der neuen Gesetzesregelung sein.
Deshalb zum Schluss noch einmal: Versuchen Sie nicht, die Pferde scheu zu machen in der Debatte und den Eltern zu suggerieren, wenn das neue Gesetz und die neue Ausführungsverordnung beschlossen werden, dann drehen wir den Schulen die Luft ab. Nein, wir stellen mit der neuen gesetzlichen Regelung die Schulen in freier Trägerschaft für die nächsten Jahre auf eine verlässliche Basis. Dann können sie sicher sein, dass sie Planungssicherheit für eine ausreichende Zeit haben. Herzlichen Dank.
Herr Minister, wir sind ja noch in der ersten Lesung. Ich denke, dass immer zwischen erster und zweiter Lesung noch verschiedene Veränderungen vorgenommen werden können. Eine Frage nur: Das Kienbaum-Gutachten, welches zur Finanzierung der freien Schulen damals erstellt worden ist, hat das heute überhaupt noch eine Bedeutung oder wird über das Kienbaum-Gutachten künftig gar nicht mehr gesprochen bei der Berechnung des Finanzierungsanteils?
Sie wissen ja, es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, solche Finanzierungsmodelle zu betrachten und zu berechnen. Es ist aufgrund der Debatte in den letzten Jahren ein Berechnungsmodell gefunden worden, was sagt, die Schulen in freier Trägerschaft bekommen Prozentanteile von den Istkosten im staatlichen Schulsystem. Ich erinnere noch einmal daran, das Kienbaum-Gutachten war 2006. Danach hat es beispielsweise das Urteil gegeben, was zu den Lehrerüberhängen geführt hat. Deshalb können wir uns jetzt nicht nur auf das KienbaumGutachten zurückziehen, sondern wir müssen mit dem neuen Gesetz auf die neue Situation reagieren.
Vielen Dank, Herr Minister. Frage 1: Ich möchte nur noch mal sicherstellen, dass Sie hoffentlich mit mir übereinstimmen, dass ich nicht für eine hundertprozentige Förderung plädiert habe, sondern für eine gleichbleibende Förderung.
Frage 2: Sie sprachen vorhin davon, dass auch in den gegebenen Möglichkeiten in staatlichen Schulsystemen entsprechend der Notwendigkeiten gespart werden muss. Ich möchte gern von Ihnen wissen, an welcher Stelle wird das bezogen auf die Schülerkosten und der gleichen Notwendigkeit, effizient im Schulbereich zu arbeiten, wie das für Schulen in freier Trägerschaft ja auch zutrifft, passieren? Vielen Dank.
Also das Erste nehme ich zur Kenntnis, aber ich erinnere auch an den Satz, den Sie gesagt haben: „Alle Schüler müssen uns gleich viel wert sein.“ Ich habe den so interpretiert, wenn er nicht so zu interpretieren war, dann entschuldigen Sie bitte. Wenn Sie damit gemeint haben, nur die jetzige Förderung aufrechtzuerhalten. Ich glaube, dass angesichts der Haushaltsrealitäten der nächsten Jahre genau dies nicht möglich ist. Vielleicht reden Sie auch noch
einmal mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden, der hier gestern eine flammende Rede zum Haushalt gehalten hat. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ich habe heute früh, als wir über das Schulgesetz diskutiert haben, deutlich gemacht, dass wir dort z.B. im Bereich beruflicher Schulen eine neue Eingriffsregelung schaffen, so dass wir sicherstellen können, dort, wo die Schulträger über die Einzugsbereiche nicht zu einer Einigung kommen und damit sehr kleine Klassen entstehen, dass wir dort eingreifen werden, damit wir zu größeren Klassenstrukturen kommen und damit auch zu kostengünstigeren Relationen. Das ist ein Beispiel, wo wir auch Einsparungen im staatlichen System durchsetzen. Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der Abbau der Personalüberhänge, die wir haben. Wir können die Lehrer nicht einfach entlassen, aber wir können in den nächsten Jahren diese Überhänge abbauen und das tun wir auch.
So, schauen wir mal in die Runde. Ich stelle fest, dass jetzt die Rednerliste abgearbeitet ist und schließe die Debatte.
Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 5/1566 an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu überweisen. Deshalb stelle ich jetzt die Frage: Wer dafür ist, die Drucksache 5/1566 an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu überweisen, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Sehen Sie und wenn wir alle auf den Vizepräsidenten hören, da bekommen wir sogar eine Einstimmigkeit bei solchen wichtigen Dingen hin.
20 Jahre Neubildung des Freistaats Thüringen - Bilanz, Probleme und Perspektiven Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1564
Mir wird signalisiert, dass die Abgeordnete Renner die Begründung der Fraktion gibt. Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, 20 Jahre Deutsche Einheit, 20 Jahre Land Thüringen, Bilanz, Probleme und Perspektiven; 20 Jahre Deutsche Einheit, 20 Jahre Land Thüringen - dieses Jubiläum ist mehr wert als ein Anlass für oftmals entleerte Beschwörungen und nur teure Feiern. Denn die, die dort oftmals sich selbst feiern und eben nicht das historische Ereignis, verkennen häufig den Charakter der Umbrüche im Jahr 1989
und die gesellschaftlichen und ökonomischen Transformationen in den Jahren danach. Und sie verlieren die Menschen und deren damalige Träume aus dem Blick. Die Frage muss erlaubt sein: Wofür sind die Menschen 1989 auf die Straße gegangen, sind diese Vorstellungen und Wünsche heute verwirklicht? Sind die Wünsche nach sozialer, ökonomischer und nach umfassender demokratischer Teilhabe in allen Bereichen dieser Gesellschaft wirklich verwirklicht? Die Mauer aus Stein, Beton und Stacheldraht wurde eingerissen. Wir achten diesen wahrhaft historischen Moment. Aber diejenigen, die die Steine aus der Mauer brachen, sehen sich heute mit neuen, mit anderen unsichtbaren Mauern in unserer Gesellschaft konfrontiert. Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger, Erwerbslose und Minijobberinnen und Minijobber bleiben auch Fernreisen, der eigene Pkw oder bessere, weil teurere Lebensmittel verwehrt. Sie können es sich schlichtweg einfach nicht leisten. Neue Spaltungen, soziale Spaltungen ziehen sich durch Deutschland, zwischen Ost und West aber genauso quer durch die Gesellschaft in Ost und in West. Heute, 20 Jahre später, ist die Verwirklichung der wirklichen Einheit der Menschen in der Bundesrepublik die Aufgabe, die auf der politischen Tagesordnung steht. Unterschiede zwischen Ost und West bei Löhnen oder Renten müssen ein Ende haben.
Die Menschen hier im Osten sind keine Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse. Es geht auch um die Einheit der Menschen mit und ohne deutschen Pass in diesem Land, um Menschenrechte. Es geht u.a. um die Gleichbehandlung vor dem Gesetz. Ich erinnere an die rassistische Diskriminierung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern qua Gesetz.
Das bleibt Aufgabe eines Landes, dessen ökonomischer Reichtum auch auf den Schultern der Menschen in der sogenannten Dritten Welt beruht. Auf der Tagesordnung steht heute auch die Einheit der Schüler und Schülerinnen in unseren Schulen. Denn nicht die Separation der Kinder ist Wunsch von Eltern und Kindern, sondern gemeinsames Lernen. Einheit zwischen Ost und West wird auch dadurch behindert, dass unser Bildungssystem so unterschiedlich ist, dass ein Schulwechsel zwischen Ländern unnötig erschwert wird. Auch die Einheit von Menschen aus Ost und West ohne Vorurteil und ohne Klischees ist Aufgabe der politischen Kultur und der politischen Bildung. Einheitliche Lebens- und Entwicklungsbedingungen auf dem Land und in den Städten sind auch heute Zukunftsmusik. Und so ist der demographische Faktor auch ein demokratischer Faktor. Denn Vielfalt in unsere Gesellschaft hat auch etwas mit Zu- und Abwanderung zu
tun. Sanierte Innenstädte und eine ausgebaute Infrastruktur von Straßen und Kommunikationsnetzen sind zweifellos ein Fortschritt. Aber steht diese Infrastruktur auch wirklich allen zur Verfügung. Wen hängen wir in der Entwicklung ab und wo haben wir in Beton geplant, der zwar das Säckel des Investors gefüllt hat, aber weder sinnvoll noch nachhaltig ist.
Die Bürgerinnen und Bürger in der DDR und in Thüringen haben 1989 ihre Freiheit und ihre Zukunft selbst in die Hand genommen. Sie haben es zu Recht getan und sie haben es tun müssen. Es bleibt die Frage, wie steht es heute mit direktdemokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten. Ist demokratische Mitbestimmung ausreichend. Welche Rechte, welche Sicherheiten und welche Möglichkeiten der Mitbestimmung haben Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Wir achten ihre Erfolge seit 1989, aber auch die Fehlentwicklungen und Defizite gehören in die politische Arena. Welche Perspektiven hat dieses Bundesland, welche Erwartungen haben die Bürgerinnen und Bürger und wie kommen wir dazu, dass die Bürger wieder sagen können, das haben wir ganz allein mit Demonstrationen erreicht. Vielleicht wird es hier nicht so schnell Wirklichkeit, aber in Stuttgart deutet sich an, dass die Hoffnung in die Macht der Worte und des Massenprotestes noch nicht aufgegeben werden müssen. Die LINKE hat aus den Fehlern der DDR viel gelernt
und in den vergangenen 20 Jahren sogleich erfahren, dass der heutige Kapitalismus nicht in der Lage ist, die Probleme der Ostdeutschen und der Westdeutschen, geschweige denn dieser Welt, zu lösen.
Danke, Frau Abgeordnete Renner. Die Landesregierung hat selbstverständlich signalisiert, einen Sofortbericht zu geben. Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht - in dem Zusammenhang wäre es vielleicht ganz angebracht, wenn der Abgeordnete Fiedler von seiner Fraktion gesucht wird, dass er hier Platz nimmt.
Kollegin Renner, Sie haben angefangen: 20 Jahre Deutsche Einheit, 20 Jahre Freistaat Thüringen muss uns mehr wert sein als entleerte Beschwörungen oder teure Feiern. Ich kann nur sagen, ich habe keine entleerten Beschwörungen gehört. Es hat sehr, sehr viele, sehr durchdachte und gute Reden gegeben. Und darüber freue ich mich sehr.